Donnerstag, 30. November 2006

Marokko: Deutscher Tourist wegen versuchter Missionierung verurteilt

Ein Gericht in der marokkanischen Urlauberhochburg Agadir hat einen deutschen Urlauber zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt, weil dieser versucht habe Muslime zu konvertieren. Der 64-Jährige habe während seines Urlaubsaufenthalts Handlungen begangen die geeignet seien, "den Glauben eines Muslimen zu erschüttern", heißt es nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters in dem Urteil, das am Dienstag in Agadir gesprochen wurde.

Der gebürtige Ägypter Sadek Noshi Yassa sei in der vergangenen Woche festgenommen worden, als er Bücher und CDs über die christliche Religion an junge Marokkaner in den Straßen Agadirs verteilt habe. Auch habe er versucht die Muslime in eine Diskussion zum gleichen Thema zu verwickeln.

Nach Artikel 220 des marokkanischen Strafrechts wird jemand mit einer Haftstrafe von drei Monaten bis drei Jahren bestraft, der "Handlungen unternimmt, um den Glauben eines Muslimen zu erschüttern oder um einen Muslimen zu einer anderen Religion zu konvertieren."

Neben der Gefängnisstrafe von einem halben Jahr wurde Sadek Noshi Yassa zu einer Geldstrafe in Höhe von 500 Dirham, umgerechnet etwa 45 Euro, verurteilt.

Mittwoch, 29. November 2006

Qatar: Asian Games beginnen am Freitag in Doha

In Qatars Hauptstadt Doha werden am Freitag die 15.Asienspiele eröffnet. Bis zum 15.Dezember werden dann fast 8500 Sportler aus 45 Ländern in 46 Disziplinen um Medaillen kämpfen.

Doha ist die erste Stadt des Nahen Ostens, die zum Austragungsort der Asian Games gewählt wurde. 1974 fanden die Spiele in Irans Hauptstadt Teheran statt. Bei der Wahl 2000 setzte sich Qatars Hauptstadt gegen die Mitbewerber Kuala Lumpur und Hongkong durch. Besonders die westasiatischen Vertreter hatten damals für die 400000-Einwohnerstadt Doha als Austragungsort gestimmt.

Qatars Herrscherfamilie al-Khalifa will die Asienspiele nutzen um das Prestige des Landes als weltoffener Kleinstaat am Golf weiter zu stärken und verspricht Spiele der Superlative. Allein die Eröffnungsfeier soll länger als drei Stunden dauern und 7000 Komparsen einbeziehen. Erklärtes Ziel ist es, die Eröffnungsfeier der Olampischen Spiele in Sydney 2000 zu übertrumpfen.

Auch der Fackellauf nach olympischen Vorbild setzt neue Maßstäbe. In den vergangenen 55 Tagen legte die "Flamme der Gastfreundschaft" auf ihrem Weg durch 15 asiatische Länder mehr als 50000 Kilometer zurück.

Nicht ganz so reibungslos verlief die Vorbereitung für einige der teilnehmenden Sportler. Unter anderem mußte der palästinensische Sportverband seine Volleyballmannschaft vom Turnier zurückziehen, da mehrere Spieler den Gaza-Streifen nicht verlassen konnten. Der Jemen meldete sein Fußballteam ab, nachdem einige Spiele durch regelmäßigen Qat-Konsum beim Doping-Test durchfielen.

Dienstag, 28. November 2006

Zur Genese von Islamismus und Radikalismus am Fallbeispiel der libanesischen Schi´a zu Beginn der 1980er Jahre Teil 5

Respekt an all die Leute, die sich das alles durchgelesen haben...

IV. Erklärungsansätze für das Entstehen des Islamismus und Radikalismus am Beispiel des Libanon

IV.1. Der sozioökonomische Ansatz

Der sozioökonomische Erklärungsansatz für das Entstehen des schiitischen Islamismus und Radikalismus im Libanon geht grundsätzlich von einer sozial, wirtschaftlich und politisch benachteiligten und somit rückständigen Gemeinschaft aus, deren Siedlungsgebiete sich auf die peripheren und unterentwickelten Gebiete konzentrierten. Andererseits bildete die Schi´a im Zuge der Reformmaßnahmen der frühen sechziger Jahre und der aktivistischen Politik Musa Sadrs die am intensivsten mobilisierte Gesellschaft. Aufgrund der bis dahin semifeudalen Sozialstruktur der Schi´a bewirkte die Urbanisierungsdynamik der sechziger und siebziger Jahre folgenschwere soziale Umwälzungen, die sich durch die unverhältnismäßig hohe Geschwindigkeit des Prozesses verschärften.

Die berufliche Transformation von Bauern in das Proletariat beziehungsweise in das Subproletariat, die mit der Massenemigration in die urbanen Zentren einher ging, entfremdete einen Großteil der Schi´a von den semifeudalen Zu´ama´, die sich weiterhin an ihre überkommenen Privilegien klammerten. Aufgrund des starren, von primordialen Bindungen dominierten politischen Apparats, gekoppelt mit der unnachgiebigen Abgrenzung der Konfessionen, konnte eine politische Ablösung der konservativen Elite nicht vollzogen werden. Der blockierte dynamische Prozess schuf letztlich die Bereitschaft zu politischer Gewalt, wobei diese sich nicht explizit gegen den Staat richtete, sondern lediglich Zugeständnisse für die eigene Gruppierung erlangen sollte.

Dem strukturell schwachen libanesischen Staat gelang es unterdessen nicht, das Vakuum, das der schwindende Einfluss traditioneller Klientelbeziehungen aufgrund der sozialen Transitionen innerhalb der libanesischen Schi´a verursacht hatte, auszufüllen. Folgerichtig versuchten Schiiten durch alternative Artikulationsmöglichkeiten für Repräsentanz und gegen sozioökonomische Ungleichheit zu kämpfen. Auf diese Weise lässt sich die Empfänglichkeit vieler Schiiten für Gruppierungen erklären, die durch systemoppositionelle Veränderungen eine Verbesserung der sozioökonomischen Situation versprachen. Nachdem sich anfänglich überwiegend linksrevolutionäre Gruppen von schiitischer Seite großem Zulauf erfreuten, wandten sich viele Schiiten spätestens ab 1982 radikalen islamistischen Parteien zu.


IV.2. Der kulturalistische Ansatz

Der kulturalistische Erklärungsansatz geht von einer rebellischen Grundhaltung der Schi´a aus, die auf bestimmte religiöse Lehren, Dogmen und weitere kulturelle Determinaten zurückzuführen sei. So erklären die Vertreter dieser These die systemkritische, aktivistische Politisierung der schiitischen Glaubensgemeinschaft und die folgende Radikalisierung islamistischer Gruppen mit der spezifisch schiitischen, theologischen Doktrin. Beispielsweise seien die Schiiten aufgrund der erhöhten Stellung der Imame für religiöse, charismatische Persönlichkeiten besonders empfänglich. Der verherrlichende Märtyrerkult innerhalb der Schi´a habe des Weiteren die Bereitschaft zur Selbstopferung bewirkt und somit das Entstehen radikal-islamistischer Gruppen herbeigeführt, die durch Selbstmordattentate die Situation im Libanon eskalieren ließen.

Gegen diesen Ansatz lässt sich aus historischer Perspektive argumentieren, dass im Vergleich mit der sunnitischen Glaubensrichtung vornehmlich in der Schi´a quietistische Elemente und Symbolträger eine maßgebende Rolle spielten und spielen. Außerdem trat die Schi´a in der Historie keinesfalls grundsätzlich in der rebellischen Opposition auf, sondern übte in Teilen der muslimischen Welt über Jahrhunderte staatstragende Funktionen aus. Schließlich widerlegen zahlreiche säkular orientierte Selbstmordattentäter in Israel/Palästina seit Jahrzehnten, dass das Prinzip der Selbstopferung nicht auf religiöse Gemeinschaften reduziert werden kann.
Die Schwäche des kulturalistischen Ansatzes besteht darin, dass der Islam als starre Buchreligion behandelt wird. Dabei durchläuft jede Religion einen ständigen dynamischen Wandlungsprozess. Diese Dynamik wird in sofern offensichtlich, dass der Islam von seinen Anhängern aufgrund von Wechselwirkungen mit sich verändernden sozioökonomischen Realitäten und politischen Realitäten in regelmäßigen Intervallen neu interpretiert wird.


IV.3. Der Einfluss exogener Faktoren

Dieser Ansatz vertritt die These, dass nicht die Entwicklungen innerhalb der libanesischen Schi´a, sondern die Einflussnahme externer Kräfte sowohl durch die Finanzierung und Bewaffnung ihrer libanesischen Stellvertreter als auch durch die direkte Intervention ausländischer Streitkräfte für die Islamisierung und Radikalisierung der libanesischen Schiiten verantwortlich sei. Im Wesentlichen bezieht sich die Argumentation auf drei Persönlichkeiten beziehungsweise Ereignisse, die eine Islamisierung und Radikalisierung in drei Stufen bewirkten:

Zunächst wird dem iranischen Kleriker Musa Sadr eine zentrale Bedeutung zugewiesen, da dieser die libanesischen Schiiten überhaupt erst mobilisiert, politisiert und in gemäßigter Form islamisiert habe. Der Ansatz geht somit davon aus, dass sich die libanesische Schi´a nicht selbstständig aus ihrer Lethargie im Schatten christlich-sunnitischer Dominanz hätte befreien können.

Des Weiteren habe die Islamische Revolution im Iran 1978/79 die libanesische Schi´a grundsätzlich inspiriert und radikal-islamistisches Gedankengut verbreitet, das aber anfangs nur von einer Minderheit angenommen und umgesetzt wurde. Durch die brutale israelische Okkupationsherrschaft ab 1982 im schiitisch dominierten Südlibanon sei dieses Gedankengut letztendlich auf eine breitere Basis gestoßen und führte durch die zusätzliche finanzielle und militärische Unterstützung islamistischer Gruppen durch den Iran zu einer allgemeinen Radikalisierung der Schi´a.

Obwohl im Fall der libanesischen Schi´a exogene Faktoren zweifellos eine sehr wichtige Rolle spielten, reicht dieser Ansatz nicht aus, um die Islamisierung und Radikalisierung der libanesischen Schi´a zu erklären, da er interne, sozio-ökonomische Transformationen völlig ausblendet und zu sehr auf vereinzelte, wenn auch signifikante Ereignisse, fokussiert. Schließlich begünstigt dieser Ansatz verschwörerische Theorien, die libanesische Kriegsakteure fälschlicherweise als Opfer darstellen.


V. Bewertung und Zusammenfassung der Ergebnisse

Die Schi´a stellte in den ersten Jahrzehnten der libanesischen Republik die konfessionell und strukturell am meisten diskriminierte sowie die politische und ökonomisch am wenigsten integrierte Konfession dar. Ab 1958 entwickelten sich die Schiiten aufgrund staatlicher Reformmaßnahmen und Musa Sadrs emanzipatorischem Aktivismus, der die libanesische Schi´a weitgehend einigte und eine gemäßigte Islamisierung verfolgte, zu der am intensivsten mobilisierten Gemeinschaft, die überdies sozio-ökonomische Umwälzungen in unverhältnismäßig kurzer Zeit zu bewältigen hatte.

Der dynamische Prozess der politischen Emanzipation wurde allerdings durch das konservative, strukturell unterentwickelte politische System und durch den Unwillen der traditionellen Repräsentanten der Schiiten, der semifeudalen Zu´ama´, von überkommenen Privilegien und Machtpositionen abzulassen, blockiert. Der blockierte Wandel bewirkte innerhalb der Schi´a eine erhöhte Bereitschaft zu politischer Gewalt und steigerte die Attraktivität systemoppositioneller Kräfte. Diese Ausgangslage, gepaart mit einschneidenden Ereignissen wie dem Beginn des libanesischen Bürgerkriegs, der israelischen Invasion 1978 und dem mysteriösen Verschwinden der charismatischen Bezugsperson Musa Sadr, veranlassten Rieck bereits ab den frühen 1970er Jahren von „einem Dauerzustand revolutionärer Unruhe“ zu sprechen.

Die Iranische Revolution 1978/79 inspirierte die libanesischen Schiiten in ihrem emanzipatorischen Streben nach Gleichberechtigung im positiven Sinne. Gleichzeitig gab diese Zäsur in der Geschichte der Schi´a radikal-islamistischen Kräften im Libanon neue Impulse, die in der Folgezeit ideologisch und finanziell von der radikalen, iranischen Führung unterstützt wurden. Diese Gruppierungen bildeten aber eine wenig bedeutende Minderheit, die erst mit der zweiten israelischen Invasion 1982 und der sich anschließenden Okkupation von Teilen des Libanon vermehrt Akzeptanz und später breite Unterstützung innerhalb der libanesischen Schi´a fanden.

Somit sind die exogenen Faktoren Israel, das durch die brutale Okkupationsherrschaft eine breitere Akzeptanz und Unterstützung vieler Schiiten von Gewalt bewirkte, und Iran, das radikal-islamistische Tendenzen förderte und zusätzlich schürte, für die Intensivierung und das Ausmaß von radikalem Islamismus im Libanon mitverantwortlich. Allerdings wurden die Grundlagen für radikale Tendenzen innerhalb der Schi´a aufgrund der sozio-ökonomischen Benachteiligungen und des unterentwickelten, auf starrem Konfessionalismus basierenden, politischen Systems geschaffen. Folglich bestätigt sich die These, dass die einzelnen untersuchten Erklärungsansätze für das Entstehen von Radikalismus und Islamismus lediglich bestimmte Phänomene und Prozesse erklären können und nur in Ergänzung ein zufriedenstellendes Erklärungsmuster abgeben. Für den kulturalistischen Ansatz sei angemerkt, dass er zu viele Schwachstellen enthält, um gleichberechtigt angewendet werden zu können.

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Somalia: Islamisten wollen Waffen einziehen

Die "Union der Islamischen Gerichte", die weite Teile Somalias kontrolliert, hat angekündigt in ihrem Machtbereich alle Waffen konkurrierender Milizen einziehen zu wollen. Künftig solle nur noch Mitgliedern der islamistischen Bwegung das Tragen einer Waffe gestattet sein, hieß es laut AFP in einer gestern im Radio verbreiteten Erklärung des Islamistenführers Sheikh Sharif Sheikh Ahmed.

In Somalia bekämpft sich seit dem Sturz der letzten halbwegs funktionierenden Zentralregierung unterDikator Siad Barre im Jahre1991 eine Vielzahl konkurrierender Milizen, die oftmals von Geschäftsleuten oder lokalen Stammesführern aufgestellt und ausgerüstet werden. In den letzten Monaten kamen zudem einflussreiche Nachbarstaaten wie Kenia, Äthiopien und Eritrea hinzu, die verschiedene Kriegsparteien unterstützten oder gar eigene Truppen ans Horn von Afrika entsandten.

Unklar blieb zunächst, ob die Islamischen Gerichte das Waffenverbot notfalls auch mit gewaltsamen Mitteln durchsetzen wollen. In dem von Hungersnot geplagten Land fehlt es an nahezu allem - Feuerwaffen der unterschiedlichsten Bauarten gibt es jedoch nach 15 Jahren Anarchie zuhauf.

Die Union der Islamischen Gerichte hat mittlerweile fast den gesamten Süden Somalias unter ihre Kontrolle gebracht. Sie zeigt sich bestrebt äußerst strikt gegen alles vorzugehen, was ihrer Ansicht nach dem Islam widerspricht. Dazu gehört ihrer Auffassung nach auch Fussball gucken. Bereits während der WM gingen die Islamisten gewaltsam gegen öffentliche Fernsehübertragungen vor. Nun wurden erneut 20 junge Männer verhaftet die gegen die Schließung einer Fernseh-Halle protestiert hatten.

Montag, 27. November 2006

Jemen: Ein Jahr Haft für Abdruck von Mohammed-Karikaturen

Der Herausgeber der jemenitischen Wochenzeitschrift "al-Rai al-Aaam", Kamal Ali al-Aalafi, ist wegen der Veröffentlichung der umstrittenen Mohammed-Karikaturen zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden. Außerdem wurde die Schließung des Magazins angeordnet. Ein Gericht in der Hauptstadt Sanaa hatte al-Aalafi für schuldig befunden, mit der Veöffentlichung der Zeichnungen den Propheten Mohammed beleidigt zu haben, berichtet die Yemen Times.

Die Verteigung hatte erfolglos argumentiert man habe nicht den Prophet beleidigen wollen, sondern die Muslime lediglich über den Charakter der Karikaturen informieren wollen. Der Begleittext zu den Bildern, in denen der Gesandte Gottes verteidigt wurde, blieb von den Richtern unberücksichtigt.

Der Vorsitzende der jemenitischen Journalisten-Union, Nasr Taha Mustafa, verurteilte den Gerichtsbeschluss und bezeichnete diesen als großen Rückschritt für die Pressefreiheit in dem Staat im Süden der arabischen Halbinsel. Er verglich das Vehalten der Justiz mit dem mittelalterlicher Gerichte. Als Reaktion forderte Mustafa seine Kollegen auf, in friedlichen Kundgebungen ihren Protest über das Urteil kundzutun.

Bei der Bewertung der Pressefreiheit durch die Organisation Reporter ohne Grenzen belegte der Jemen unter 167 untersuchten Staaten Rang 136.

Herausgeber Aalafi hat unterdessen angekündigt Einspruch gegen das Urteil einlegen zu wollen.

Danke an Jörn Heise für den Hinweis.

Zur Genese von Islamismus und Radikalismus am Fallbeispiel der libanesischen Schi´a zu Beginn der 1980er Jahre Teil 4

III. Ein Vergleich der Amal und der Hizb Allah in den 80er Jahren

Anhand der jeweiligen Protagonisten Amal und Hizb Allah sollen Positionen des gemäßigten und des radikalen Islamismus beziehungsweise der Schiitischen und der Islamischen Bewegung im Libanon der frühen 1980er Jahre analysiert und verglichen werden. Zuvor wird in knapper Form die Zusammensetzung der Hizb Allah in den frühen 1980er Jahren dargestellt.


III. 1. Entstehung und Zusammensetzung der Hizb Allah in der Gründungszeit

Die Unzufriedenheit mit der moderaten, pragmatischen Einstellung der Amal gegenüber der israelischen Invasion hatte bereits im Sommer 1982 eine Gruppe radikaler Islamisten, die bis dahin innerhalb der Amal tätig gewesen waren, dazu bewogen, die sogenannte Islamische Amal zu gründen. Als weiterer Baustein, aus dem schließlich die Hizb Allah als Dachorganisation des schiitisch-radikalen Islamismus hervorgehen sollte, kommt einer Reihe von libanesischen Klerikern, die an der theologischen Hochschule im irakischen Najaf studierten, eine wesentliche Rolle zu. Dieser aktivistische Theologenkreis, der sich in der irakischen ad-Da´wa-Partei konstituierte und einen „Islamischen Staat“ im Irak anstrebte, wurde in den späten 70er Jahren von Saddam Husseins Regime verfolgt, um ein Überspringen der Ereignisse im Iran auf den Irak zu verhindern. Somit war eine neue Generation radikalisierter libanesischer Geistlicher, die fortan intensive Kontakte zu den neuen iranischen Machthabern unterhielt, gezwungen, in ihre Heimat zu remigrieren. Bis heute stellen diese Kleriker einen Großteil der führenden Funktionäre der „Partei Gottes“.

Abschließend lässt sich zusammenfassen, dass die übergeordnete Organisation Hizbullah 1982 ein Sammelbecken für die jungen Kleriker aus Najaf, für nach iranischem Vorbild existierende dezentrale Zirkel und für Enttäuschte von der moderaten Amal-Bewegung bildete, das von der Islamischen Republik Iran in ideologischer, militärischer und finanzieller Weise maßgeblich unterstützt wurde.


III. 2. Die Amal und die Hizb Allah im Vergleich

Die notwendigerweise vereinfacht dargestellte Spaltung der Schi´a lässt sich auf grundsätzlich unterschiedliche ideologische Annahmen bezüglich des Islamverständnisses zurückführen. Während die Hizb Allah von ewig gültigen, gesetzethischen islamischen Prinzipien und einem buchstabengetreuen Islamverständnis ausging, zeigte die Amal-Bewegung Bereitschaft zu pragmatischen Anpassungen islamischer Prinzipien an bestimmte historische Umstände.

Dies äußerte sich beispielsweise in der Einstellung gegenüber der politischen Ordnung und dem hiermit verbundenen Konfessionalismus: Die Amal-Bewegung forderte langfristig die Abschaffung des politischen Konfessionalismus, um eine parlamentarische, pluralistische Demokratie aufzubauen. Allerdings sollte dieses Ziel durch schrittweise Reformen verwirklicht werden, die zudem der Stärkung der schiitischen Gemeinschaft im konfessionellen Proporz dienen sollten. Dagegen trat die Hizbullah in den 80er Jahren als systemoppositionelle Kraft auf, die den Konfessionalismus und damit verbundene Privilegien einzelner Gemeinschaften ablehnte und sich für die Errichtung einer „Islamischen Republik“ einsetzte. Damit einher ging die Forderung der Hizb Allah nach der Einführung des islamischen Strafrechts, der Schari´a, wohingegen die Amal für ein säkulares Staatsrecht in Verbindung mit einem konfessionellen Personenstandsrecht plädierte.

Bezüglich der Identitäts- und Integrationsweisen bestand ebenfalls ein signifikanter Unterschied. Ein Blick auf die Zusammensetzung der Anhängerschaften zeigte den deutlich höheren Anteil der Ulama, Religionsgelehrter im Islam, innerhalb der „Partei Gottes“ im Vergleich zur Amal, die einen hohen Anteil von Berufspolitikern und Akademikern aufwies. Während der Entstehungsphase stellte die gesellschaftlich marginalisierte schiitische Bevölkerung der Vororte im Süden Beiruts und die Bevölkerung der unter iranischem beziehungsweise syrischem Einfluss stehenden Bekaa-Hochebene im Osten des Landes die bedeutendste Anhängerschaft der Hizb Allah.

Der von Musa Sadr geprägte Süden des Landes unterstützte im Wesentlichen die tendenziell säkular orientierte Amal. Die Betonung lokaler, schiitischer Bräuche und national-libanesischer Symbole der Amal-Bewegung in deutlicher Abgrenzung gegenüber gesamtschiitischer, pan-islamischer Rhetorik und Symbolik der Hizb Allah lässt Rückschlüsse auf das Verhältnis zur libanesischen Nation und zum Staat ziehen. So orientierte sich die Hizb Allah im Gegensatz zur Amal, die einen libanesischen Nationalismus vertrat, vollständig an islamistischen Bewegungen und Staaten. Dabei kam dem Iran als ideologisches Vorbild und als finanzieller Unterstützer eine wesentliche Rolle zu.

Aufgrund der aufgezeigten fundamentalen ideologischen Differenzen und gegensätzlichen taktischen Bündnissen brachen schließlich ab 1985 militärische Auseinandersetzungen innerhalb der Schi´a aus.

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Sonntag, 26. November 2006

Wahlen in Bahrain: Erfolg für schiitische Opposition

Die größte schiitische Oppositionspartei al-Wefaq hat bei den gestrigen Parlamentswahlen in Bahrain 40% der Parlamentssitze gewonnen. Dem amtlichen Endergebnis zufolge konnte die Bewegung 16 der 40 Mandate für sich gewinnen. Einen weiteren Sitz könnten die Islamisten bei den Stichwahlen erringen. Damit hätten alle 17 Kandidaten für die Parlamentswahl den Einzug in die Nationalversammlung geschafft.

Weniger erfolgreich fiel das Ergebnis für die 16 Kandidatinnen aus, die sich um einen Sitz im Parlament beworben hatten. Mit Latifa al-Qouhoud schaffte lediglich eine von ihnen den Einzug in die Volksvertretung. Dies ist jedoch nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass sie in ihrem Wahlkreis keinen Gegenkandidaten zu fürchten hatte und somit schon vor der Wahl als Siegerin feststand. al-Qouhoud ist damit die erste Parlamentarierin in der Geschichte des Golfstaats.

Die beiden wichtigsten sunnitischen Partien des Landes verloren gegenüber den Wahlen 2002 fünf Parlamentssitze. Der "Islamische Block", der als Ableger der Muslimbrüder in Bahrain gilt, und die salafistische "As-Salah"-Bewegung errangen jeweils vier Mandate. Sechs weitere Mandate gingen an unabhängige Kandidaten, in 10 Wahlkreisen fällt die Entscheidung über den Sieger erst in einer Stichwahl.

Die Wahlbeteiligung lag nach offiziellen Angaben bei 72% und damit deutlich höher als bei den Wahlen vor vier Jahren. Damals hatten die wichtigsten schiitischen Gruppierungen des Landes zu einem Boykott aufgerufen. Nur jeder Zweite der knapp 300000 Wahlberechtigten machte 2002 von seinem Stimmrecht Gebrauch.

Mit dem erfolgreichen Abschneiden der schiitischen Opposition scheinen die befürchteten Wahlfälschungen ausgeblieben zu sein. In den letzten Wochen hatten Gerüchte um einen Plott gegen die schiitische Bevölkerungsmehrheit für Aufregung gesorgt. Ungeachtet des Erfolgs wird der Einfluss der Parlamentarier weiterhin beschränkt beleiben. Alle Gesetze bedürfen der Zustimmung des Oberhauses, deren Mitglieder samt und sonders von Köning Hamad ibn Isa al-Khalifa ernennt werden.

Samstag, 25. November 2006

Darfur: Anklage gegen Verantwortliche des Völkermords vorbereitet

Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, Luis Moreno-Ocampo, bereitet eine Anklage gegen die Verantwortlichen des Völkermords in Darfur vor. Bei einem Treffen der Mitgliedsstaaten des IStGH in Den Haag erklärte der Argentinier, er habe jene identifiziert, "die die Hauptverantwortung für die Verbrechen tragen"

Die Erkenntnisse basierten auf den Aussagen von Opfern des Kriegs in Darfur, Erklärungen und offiziellen Dokumenten der sudanesischen Regierung, sowei den Dokumenten namentlich nicht genannter internationaler Organisationen. Die Regierung in Khartoum hat bislang stets bestritten einen Genozid in der westsudanesischen Provinz zu unterstützen.

Der Chef des UN-Büros für die Koordination humanitärer Angelegenheiten, Jan Egeland, hatte erst am Mittwoch in einer Rede vor dem UN-Sicherheitsrat ein erschütterndes Bild von der Lage in Darfur gezeichnet. Die Regierung des Sudan behindere Hilfslieferungen in die Kriegsregion, zerstöre weiterhin Dörfer und unterstütze arabisch-stämmige Reitermilizen. Schäzungen zufolge kamen in den vergangenen drei Jahren in Darfur mehr als eine Viertelmillion Menschen ums Leben, etwa 2,5 Millionen wurden vertrieben.

Moreno-Ocampo will nun bis Anfang Dezember abwarten, ob die sudanesische Regierung des Sudan selbst gegen Verantwortliche für die Verbrechen in Darfur vorgeht. Laut IStGH-Statuten darf vor dem Gerichtshof nicht gegen Verdächtige prozessiert werden, die bereits in ihrer Heimat ein faires Gerichtsverfahren durchlaufen haben. Zu den Verbrechen, die den sudanesischen Verantwortlichen zur Last gelegt werden, gehören Vertreibung, Folter, Vergewaltigung und Mord.

Der Internationale Strafgerichtshof mit Sitz in Den Haag wurde 2002 gegründet. Seine Gerichtsbarkeit umfasst Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und den noch nicht abschließend definierten Tatbestand der "Agression". Die Institution ist nicht unumstritten, viele Staaten haben die Gründungsurkunde nicht ratifiziert. Neben dem Sudan gehören auch die UN-Sicherheitsratsmitglieder USA, China und Russland zu den Staaten die den IStGH ablehnen. Dies hindert diesen jedoch nicht daran, Anklage gegen deren Staatsbürger zu erheben.

Freitag, 24. November 2006

Jordanien: Islamisten rufen zu Protesten gegen Bush-Besuch auf

Die größte Partei Jordaniens, die Islamische Aktionsfront, ruft anlässlich des für den kommenden Mittwoch geplanten Besuchs von US-Präsident George W Bush in Amman zu friedlichen Protesten auf.

Bush soll am 29. und 30. November zu Gesprächen mit dem jordanischen König Abdullah II sowie dem irakischen Ministerpräsidenten Nuri al-Maliki zusammentreffen. Abdullah II wurde in Großbritannien und den USA ausgebildet und ist einer der engsten Verbündeten der Vereinigten Staaten im Nahen Osten.

Die Islamische Aktionsfront gilt als parlamentarischer Arm der Muslimbrüder in Jordanien. Im Parlament ist die Bewegung als einzige Partei mit 20 Abgeordneten vertreten. Die übrigen 64 Mandate werden von unabhängigen Parlamentariern gehalten.

Vize-Generalsekretär Rahil Gharaybe erklärt auf der Internetseite zum Bush-Besuch:"Wir lehnen diesen Besuch ab und heißen ihn nicht willkommen. Er hat die Region in Blut getränkt, einen starken arabischen Staat zerstört und einen Bürgerkrieg angestachelt."

Aus diesem Grund rief Gharaybe "alle Kräfte des jordanischen Volkes auf, den Besuch zu verurteilen und sich ihm mit allen friedlichen Mitteln zu widersetzen." Das US-Veto gegen eine Verurteilung Israels für den tödlichen Angriff auf Beit Hanoun, bei dem 19 Menschen starben, zeige eines deutlich, so der Politiker: "Bush ist kein Freund der Araber und der Muslime."

Donnerstag, 23. November 2006

Mauretanien: Opposition gewinnt Parlamentswahlen


Die unter der Herrschaft von Ex-Diktator Ahmad Taya unterdrückte "Sammlungsbewegung Demokratischer Kräfte" (RFD) ist als Sieger aus den ersten freien Parlamentswahlen in Mauretanien seit 20 Jahren hervorgegangen. Allerdings ist die Partei vorraussichtlich auf mehrere Koalitionspartner angewiesen.

In 52 der 95 Wahlkreise konnte keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit erreichen- hier fällt die Entscheidung in einer zweiten Wahlrunde am 3.Dezember. Von den 43 Mandaten die bereits am vergangenen Sonntag vergeben wurden, konnte die RFD 12 erringen. Etwa 20 Parlamentssitze wurden von unabhängigen Bewerbern gewonnen, unter ihnen sind zahlreiche gemäßigte Islamisten.

Dem Fernsehsender al-Jazeera sagte RFD-Chef Ahmed Ould Daddah er rechne mit insgesamt 20 Mandaten für seine Fraktion. Er zeigte sich zuversichtlich eine stabile Koalition schmieden zu können. Die Partei verfolgt ein säkulares Programm und ist beobachtendes Mitglied der Sozialistischen Internationalen.

Die Wahlen zur Nationalversammlung sind ein wichtiger Schritt auf dem weg der Demokratisierung des 3-Millionen-Einwohner-Landes im Nordwesten Afrikas. Mitglieder der militärischen Übergangsregierung, die den autoritär regierenden Taya im August 2005 durch einen unblutigen Putsch stürzte, durften nicht kandidieren.

EU-Wahlbeobachter lobten die Transparenz des Urnenganges und berichteten von einer hohen Wahlbeteiligung die zu teilweise langen Schlangen vor den Wahllokalen geführt hätte.

Zur Genese von Islamismus und Radikalismus am Fallbeispiel der libanesischen Schi´a zu Beginn der 1980er Jahre Teil 3

II.3. Die Spaltung der Schi´a in eine Schiitische und eine Islamische Bewegung 1978-1982

Einerseits erlebte die Periode von 1978 und 1982 die Fragmentierung der libanesischen Schi´a, andererseits kann man diesen Zeitraum als „Inkubationszeit“ für den radikalen, schiitischen Islamismus im Libanon bezeichnen. Drei wesentliche Ereignisse lassen sich als Auslöser für diese Entwicklung anführen. Innerhalb der libanesischen Schi´a war durch das mysteriöse Verschwinden Musa Sadrs die Position der charismatischen Integrationsfigur vakant geworden, der es gelungen war, Differenzen sowohl zwischen säkularen und religiösen Gruppierungen als auch zwischen den verschiedenen Siedlungsgebieten der Schiiten zu überbrücken. Des Weiteren hatte Sadr die Führung der wichtigsten Organisationen der Gemeinschaft, der „Bewegung der Entrechteten“, des Hohen Islamischen Schiitschen Rats und der Amal, in seiner Person vereint. Schließlich weckte die „Entrückung“ Sadrs eschatologische Erwartungen, die vielen Schiiten in den Wirren des Bürgerkriegs neue Impulse gab.

Bereits fünf Monate vor Sadrs Verschwinden hatte die israelische Invasion im März 1978, der eine dauerhafte Okkupation einer selbstgeschaffenen „Sicherheitszone“ im Südlibanon folgen sollte, die wirtschaftliche Isolation des von Schiiten dominierten Südlibanon verschärft. Hunderttausende waren zur Flucht vor den anhaltenden Kämpfen zwischen der israelischen Armee und linksgerichteter palästinensischer Gruppierungen gezwungen. Die Entscheidung der Amal, die palästinensische Präsenz für das Leid der Schiiten verantwortlich zu machen und diese zu bekämpfen, sorgte für eine nachhaltige Spaltung im schiitischen Lager. Eine erste Welle der Radikalisierung wurde deutlich, als sich Kollaborationsvorwürfe mit den israelischen Besatzern gegenüber der Amal von radikal-islamistischen Gruppierungen, die mit den aus ihrer Heimat vertriebenen Palästinensern sympathisierten, häuften.

Ein weiterer wichtiger Faktor für die Spaltung und Radikalisierung der libanesischen Schi´a war die Bewertung der Iranischen Revolution 1978/79. Die Revolution inspirierte viele Schiiten im Libanon, die den Sturz des Schahs als Triumph der Schi´a gegen ein westliches, ungerechtes und unterdrückendes System interpretierten, in ihrem Streben nach nationaler Emanzipation. Ironischerweise erlebte sogar die zunehmend von säkularen Kräften dominierte Amal-Bewegung durch den Zustrom von Schiiten aus verschiedensten sozialen Klassen ihre Renaissance. Jedoch teilte die Frage, ob eine Islamische Republik nach iranischem Vorbild im Libanon wünschenswert beziehungsweise überhaupt realistisch sei, die Schiiten in zwei Lager.

Allerdings bleibt festzuhalten, dass die meisten Schiiten zwar Khomeini und die Iranische Revolution respektierten, aber aufgrund der Diversität des Libanons das Konzept der Islamischen Republik ablehnten beziehungsweise nicht für umsetzbar hielten. Trotzdem bildeten sich bereits in dieser Zeit erste dezentrale, radikale Zirkel nach iranischem Vorbild.


II. 4. Die zweite israelische Invasion 1982 und die Geburt einer radikalen Bewegung

Die zweite israelische Invasion im Juni 1982, die neben dem erklärten Ziel, der Zerschlagung der PLO, auch die mittelfristige Besetzung weiter Teile des Libanon zur Folge haben sollte, führte zum endgültigen Bruch zwischen dem reformorientierten, gemäßigten Islamismus der Amal-Bewegung und der radikal-revolutionären Islamischen Bewegung, aus deren einzelnen Gruppierungen noch im selben Jahr die Hizb Allah entstand. Die anfängliche Erleichterung der Bevölkerung des Südens über die Vertreibung der palästinensischen Milizen und die Bereitschaft der Amal mit Israel zu kooperieren, um einen baldigen Rückzug der israelischen Armee herbeizuführen, wich rasch, als die Besetzung durch die israelische Armee einen dauerhaften Charakter bekam und deutlich wurde, dass Israel hegemoniale Ansprüche auf den Südlibanon geltend machen würde.

Zugleich gab die israelische Invasion dem Iran die Möglichkeit, direkten Einfluss auf radikalisierte Schiiten auszuüben. Als Reaktion wurden 2000 iranische Revolutionswächter in der Bekaa-Hochebene stationiert, die neben kultureller „Aufklärung“ schiitisch-islamistische Gruppen militärisch ausbildeten. Indessen verschlechterte sich die Beziehung zwischen den Schiiten und Israel während des Winters 1982/83, als vorwiegend linksgerichtete Gruppierungen und Einzelpersonen, die nicht selten der Amal nahe standen, zahlreiche Attacken auf israelische Truppen ausübten. An ihre Stelle traten ab 1983 vermehrt radikal-islamistische Gruppen, die durch verheerende Selbstmordattentate auf israelische, amerikanische und französische Ziele nachhaltig auf sich aufmerksam machten.

Offiziell wendete sich die Amal weiterhin gegen einen bewaffneten Widerstand und setzte auf die Möglichkeit einer politischen Lösung. Die Strategie Israels, durch kompromissloses, brutales Vorgehen in dem besetzten Gebiet Ruhe herzustellen, entfremdete die Bevölkerung zunehmend von der Besatzungsmacht und schuf letztendlich den fruchtbaren Boden für radikalisierte Widerstandsgruppen, die von großen Teilen der schiitischen Bevölkerung zunächst akzeptiert und in der Folgezeit zunehmend aktiv unterstützt wurden.

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Mittwoch, 22. November 2006

Zur Genese von Islamismus und Radikalismus am Fallbeispiel der libanesischen Schi´a zu Beginn der 1980er Jahre Teil 2

II. Zur Islamisierung und Radikalisierung der libanesischen Schi´a: Ein Abriss der Zeitgeschichte

II.1. Im Schatten christlich-sunnitischer Prosperität: Die Schi´a zwischen 1943 und 1958

Die schiitische Glaubensgemeinschaft stellt mit die größte aller 18 staatlich anerkannten Konfessionen im Libanon dar. Als eine in vorwiegend peripheren, ruralen und vom Staat vernachlässigten Gebieten im Süden und Osten des Landes ansässige Gemeinschaft, bildeten die Schiiten in der 1943 unabhängig gewordenen Republik traditionell die wenig gebildete, konfessionell und strukturell am meisten diskriminierte Gruppe im Schatten der prosperierenden, sunnitisch und christlich-maronitisch dominierten, urbanen Gesellschaft der 50er Jahre. Aufgrund des konfessionellen Verteilungsschlüssels im Libanon, der die Schi´a im Vergleich mit anderen Religionsgemeinschaften deutlich unterrepräsentierte, bestanden überdies nur geringe Chancen auf höhere Ämter im Bereich der Politik und Staatsverwaltung.

In diesem Zusammenhang sollte außerdem die Dominanz weniger Zu´ama, semifeudaler Patrone, innerhalb der libanesischen Schi´a berücksichtigt werden, die politische Partizipation der eigenen Glaubensgemeinschaft in keiner Weise förderten. Jene Schiiten, die sich den feudalen Strukturen widersetzten, waren vornehmlich in den säkularen kommunistischen Zirkeln Beiruts engagiert.


II.2. Die Ära des Sayyid Musa Sadr 1958-1978

In zweierlei Hinsicht stellt das Jahr 1958 eine entscheidende Wende in der Entwicklung der libanesischen Schi´a dar: Als die Auseinandersetzungen zwischen nasseristischen, pro-arabischen und prowestlichen Kräften in Folge einer wachsenden Unzufriedenheit unter den libanesischen Muslimen eskalierten, reagierte der damalige Präsident Fouad Shihab, indem er Entwicklungsprogramme für die vernachlässigten, peripheren Regionen des Landes anordnete. Auf diese Weise wurde die Rolle des Staats in diesen Gebieten gestärkt und die Zu´ama, die traditionellen Repräsentanten einer Konfessionsgemeinschaft, verloren zunehmend an Einfluss. Die angesprochenen Reformmaßnahmen trugen unter anderem dazu bei, dass sich die libanesischen Schiiten trotz eines weiterhin sehr geringen Politisierungs- und Bildungsgrades zu „der am intensivsten mobilisierten Gemeinschaft“ entwickelten.

Hauptsächlich ausschlaggebend für die Mobilisierung der schiitischen Gemeinschaft war allerdings das Erscheinen des aus dem Iran stammenden schiitischen Klerikers Sayyid Musa Sadr auf der politischen Bühne des Libanon 1958, der bis 1978 als Mufti im südlibanesischen Tyros wirkte. Ihm gelang es, die bis dahin nach innen gekehrte und gegenüber den Feudalherren unterwürfige schiitische Glaubensgemeinschaft zu politisieren und eine intellektuelle Öffnung herbeizuführen. Dies geschah durch Initiativen im Bereich der Bildung, der Sozialhilfe und der politischen Basisarbeit, die von verschiedenen religiösen Institutionen aus dem Iran großzügig unterstützt wurden.

Sadrs moderater, emanzipatorischer Aktivismus, der gemäßigt islamistischen Leitlinien folgte, forderte eine gerechtere Verteilung von Reichtum und Macht, ohne allerdings die Legitimität des Staats herauszufordern. Mit der Gründung des Hohen Islamischen Schiitschen Rats 1967, dem Sadr als Präsident vorsaß, wurde die schon zu diesem Zeitpunkt größte Glaubensgemeinschaft des Libanon erstmals von staatlicher Seite formal anerkannt. Ein weiterer Meilenstein der politischen Entwicklung der Schi´a im Libanon war die Gründung der „Bewegung der Entrechteten“ 1974, um gegen die Vernachlässigung von ländlichen Gebieten durch die Regierung und um für die Reform des libanesischen, konfessionalistischen Staatssystem zu protestieren.

Indessen hatte sich die Situation für die schitiischen Bauern im Süden des Landes trotz zahlreicher Initiativen Sadrs in den späten 60er Jahren und insbesondere ab 1970 weiter verschärft, als die Palästinensische Befreiungsorganisation PLO im September 1970 aus Jordanien vertrieben worden war und von nun an hauptsächlich vom Süden des Libanon aus gegen Israel operierte. Israelische Vergeltungsmaßnahmen als Reaktion auf palästinensische Attacken beeinträchtigten die Lebensumstände in der Region schwer.

Neben dem überproportionalen demographischen Wachstum der Schi´a im Libanon war dies die Hauptursache für die weitere Intensivierung der Landflucht und Massenemigration, die bereits seit den 50er Jahren eingesetzt hatte, in die Vororte Beiruts, in das afrikanische und in das arabische Ausland. Auf der Suche nach verbesserten Lebensbedingungen in den urbanen Zentren des Libanon waren allerdings viele Schiiten gezwungen, sich in den Randgebieten der Städte niederzulassen, wo sie fortan neben verarmten palästinensischen Flüchtlingen, die 1948 beziehungsweise 1967 aus ihrer Heimat vertrieben worden waren, die niedrigste soziale Klasse bildeten.

Aufgrund der allgemeinen Militarisierung der Konfessionsgemeinschaften, die der Beginn des libanesischen Bürgerkriegs 1975 mit sich brachte, veranlasste Musa Sadr die Bildung eines militärischen Flügels innerhalb der „Bewegung der Entrechteten“ mit dem Namen Amal, der anfänglich von der PLO ausgebildet wurde und sich in kurzer Zeit als wichtigster Repräsentant der Schi´a etablierte. Bis 1978 gelang es Sadrs Amal weitestgehend, militärische Konfrontationen mit anderen Milizen zu vermeiden. Im selben Jahr verlor sich auf einer Reise nach Libyen schließlich Musa Sadrs Spur auf rätselhafte Weise, sein Schicksal ist bis heute nicht geklärt.

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Siedlungen im Westjordanland: Israel enteignet Palästinenser

Knapp 40% der israelischen Siedlungen im West-Jordanland befinden sich auf Privatland dessen palästinensische Eigentümer unrechtmäßig vom israelischen Staat enteignet wurden - zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der israelischen Friedensbewegung "Peace Now". Der 38-Seiten-Bericht widerspricht damit der offiziellen israelischen Darstellung, nach der das Land entweder vakant gewesen sei, dem Staat gehöre oder den palästinensischen Grundstückseigentümern auf legalem Wege abgekauft worden sei.

Die Untersuchung basiert auf der Untersuchung von Unterlagen des israelischen Militärs. Aus diesen gehe hervor, dass Israel in den besetzten Gebieten einen "institutionellen Landraub" betreibe, so Peace Now, hebräisch: Schalom Achschav, weiter. Israel nutze die schwierige Lage der Palästinenser bewusst aus um diese zu enteignen. Insgesamt seien 130 Siedlungen komplett oder teilweise auf enteignetem Grund und Boden errichtet worden.

Auch nach israelischen Gesetzen ist der Bau von Siedlungen auf palästinensischem Privatland illegal. 1979 wies der Oberste Gerichtshof das Militär an die Praxis zu beenden, nach der palästinensisches Privatland aus militärischen Gründen besetzt und anschließend für den Siedlungsbau freigegeben wird. Nach Darstellung von Peace Now ist dieses Vorgehen jedoch bis heute üblich.

Völkerrechtlich ist der Status der Siedlungen ohnehin höchst umstritten. In vier UN-Resolutionen werden sie als "illegal" verurteilt. Zudem besagt Artikel 49 der Vierten Genfer Konvention:„Die Besetzungsmacht darf nicht Teile ihrer eigenen Zivilbevölkerung in das von ihr besetzte Gebiet deportieren oder umsiedeln.“

Israel argumentiert, die betreffenden Gebiete seien nach dem Ende des Osmanischen Reichs niemals Teil eines souveränen Staats gewesen, die Genfer Konvention sei für die betreffenden Territorien also auch nicht zuständig. Der Internationale Gerichtshof bestätigte jedoch in einem Gutachten für die UN-Vollversammlung die Anwendbarkeit der Genfer Konvention.

Israel beruft sich zudem auf die Osloer Verträge die den Status der Siedlungen zum Status künftiger Verhandlunge machten und den Siedlern somit freie Hand ließen. Außerdem behauptete die israelische Seite das Land, auf dem Siedlungen errichtet werden, legal erworben zu haben. Dieser Argumentation entzieht die Peace Now-Studie nun die Grundlage.

Bereits im März 2005 war ein israelischer Regierungsbericht (Sasson-Report) zu dem Ergebnis gekommen, dass staatliche israelische Institutionen, etwa das Wohnungsbau- oder Energieministerium, mehrere Millionen Dollar abgezweigt hätten, um damit Siedlungen im Westjordanland zu finanzieren, die nach israelischem Recht illegal seien. Insgesamt seien in den besetzten Gebieten etwa 150 Siedlungen mit ungenügenden oder gänzlich ohne Genehmigungen errichtet worden.

Schätzungen zufolge leben heute knapp 250000 jüdische Siedler im Westjordanland.

Dienstag, 21. November 2006

Bahrain führt Arbeitslosengeld ein

Bahrains Arbeitsminister Majid bin Muhsin al-Alwi hat gestern die Einführung einer finanziellen Unterstützung von Arbeitslosen angekündigt. Die Regierung wolle einen Fond einrichten, der durch Einzahlungen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer im privaten und öffentlichen Sektor finanziert wird. Hinzu kommen sollen staatliche Subventionen sowie Investitionserlöse des Fonds selbst.

Das Arbeitslosengeld solle für eine Dauer von einen bis Monat bis zu einem halben Jahr ausgezahlt werden, heißt es auf der Internetseite des Arbeits- und Solzialministeriums. Die Höhe der auszuzahlenden Beträge werde zwischen 150 und 500 Dinar liegen, dass sind 500 bis 1600 Euro pro Monat. Sowohl Bahrainis als auch arbeitslose Gastarbeiter mit einer gültigen Arbeitserlaubnis hätten Anspruch auf die Zuwendungen.

Auch das wachsende Problem der Jugendarbeitslosigkeit in dem Golfstaat wolle man künftig entschlossener angehen, erläuterte der Minister gestern weiter. So sollen Jugendliche ohne Zugang zum Arbeitsmarkt für die Dauer von sechs Monaten spezielle Schulungen durchlaufen und in dieser Zeit staatliche Unterstützung kassieren.

Gegenwärtig sind nach Regierungsangaben 4648 Bahrainis ohne Job, die Arbeitslosenrate liegt damit bei etwa 4%. Im vergangen Jahr waren noch zirka 13000 Menschen arbeitslos. Damals erchütterten Jugendproteste die Hauptstadt Manama.

Wie in allen Golfstaaten sind Öl- und Gasexport die wichtigsten Einkommensquellen des Staates. Der Export der fosslilen Rohstoffe macht etwa 60% der Staatseinnahmen aus. Gleichwohl ist die Regierung um eine Diversifizierung der Wirtschaft bemüht um die Abhängigkeit von der Entwicklung des Ölpreises zu lockern. Doch auch in den neuentstehenden Unternehmen, besonders im Bankenwesen, werden bevorzugt leistungsbereite und gut ausgebildete Gastarbeiter aus Südasien eingestellt. Mehr als 40% der etwa 700000 Einwohner Bahrains sind ausländische Arbeitskräfte.

Montag, 20. November 2006

Zur Genese von Islamismus und Radikalismus am Fallbeispiel der libanesischen Schi´a zu Beginn der 1980er Jahre

In den folgenden Tagen wird an dieser Stelle eine im Sommer geschriebene Hausarbeit zur libanesischen Shi´a Stück für Stück veröffentlicht...

I. Einleitung

Als am 18. April 1983 ein schiitischer Selbstmordattentäter mit einem sprengstoffbeladenen Truck in die amerikanische Botschaft in Beirut raste und über 60 Menschen mit in den Tod riss, bekannte sich eine Gruppe zu dem Attentat, die sich als „Islamischer Jihad“ bezeichnete. Die verheerende Attacke, die mit dem Phänomen der Selbstopferung eine neue Form der Gewalt mit sich brachte, sollte eine neue, stark von der Schi´a geprägte Periode des libanesischen Bürgerkriegs einläuten, während der erstmals radikale, libanesisch-schiitische Islamisten in den Fokus der Weltöffentlichkeit rückten.

Die unverhältnismäßig rasche Transformation der libanesischen Schi´a von einer bis in die 1950er Jahre in sehr geringem Maße politisierten beziehungsweise in säkularen Bewegungen engagierten Konfessionsgemeinschaft zu einer von verschiedenen Formen des Islamismus geprägten Gesellschaft, soll im weiteren Verlauf untersucht werden. Insbesondere stehen die Analyse und die Interpretation der Rahmenbedingungen für das Entstehen von schiitischem Fundamentalismus am Fallbeispiel des Libanon im Vordergrund.

Zunächst ist eine historische Darstellung der sozio-politischen Entwicklung der Schi´a seit der libanesischen Unabhängigkeit 1943 unabdingbar, um die Grundvoraussetzungen für die Genese des schiitisch-libanesischen Islamismus besser verstehen zu können. Dabei bietet sich eine Einteilung in vier Perioden an, die durch bestimmte Persönlichkeiten oder Ereignisse geprägt wurden und jeweils charakteristische Kontinuitäten aufweisen.

Mit der Hizb Allah und der Amal-Bewegung werden anschließend die beiden bekanntesten Vertreter des radikalen Islamismus beziehungsweise des gemäßigten Islamismus in den frühen 80er Jahren gegenübergestellt. In Bezug auf Ideologie, Methoden, Zielsetzungen, Identitäts- und Integrationsweisen sollen sowohl Parallelen als auch signifikante Unterschiede zwischen der Islamischen Bewegung und der Schiitischen Bewegung innerhalb der libanesischen Schi´a herausgearbeitet werden.

Überdies soll untersucht werden, inwieweit theoretische Ansätze, die in der Islamismusforschung angewandt werden, das relativ junge Phänomen des schiitischen Islamismus im Libanon erklären können. An dieser Stelle wird die These aufgestellt, dass die verschiedenen Erklärungsmuster sich ergänzen und in Wechselwirkung zueinander stehen. Die Anwendung eines einzelnen Ansatzes genügt somit nicht, um die Islamisierung und Radikalisierung der libanesischen Schi´a vollständig darlegen zu können.

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Oman: Sultan Qabus lässt wählen


Omans Innenminister Saud bin Ibrahim al-Bussaidi hat anlässlich des Nationalfeiertags am Sonnabend für den Oktober 2007 Wahlen zum Nationalen Konsultativrat angekündigt. Der so genannte Majlis al-Shura ist im Sultanat Oman das einzige direkt vom Volk gewählte Gremium, übt aber lediglich eine beratende Funktion aus und verfügt über keinerlei Entscheidungsgewalt.

Der Rat soll Beschwerden aus dem Volk aufnehmen und anschließend Empfehlungen an Ministerien weitergeben. In einzelnen Fällen können auch Minister vor den Majlis al-Shura geladen werden. Strikt untersagt ist den Mitgliedern eine Einmischung in die Bereiche Außen- und Sicherheitspolitik sowie in das Gebiet der Finanzpolitik.

Vor den letzten Wahlen zum Unterhaus des Zwei-Kammern-Parlaments im Jahr 2003 wurde das Wahlalter auf 21 herabgesetzt und auch Frauen zur Wahl zugelassen. Damit waren etwa 822000 von knapp 2 Millionen Omanis wahlberechtigt, allerdings ließen sich nur etwas mehr als 260000 omanische Staatsbürger für die Wahlen registrieren. Unter den 83 Mitgliedern im Konsultativrat befinden sich seit den letzten Wahlen erstmals 2 Frauen. Parteien sind im Oman verboten.

Schon die Auswahl der Kandidatinnen und Kandidaten stellt sicher, dass dem Gremium nur Persönlichkeiten angehören, die dem mit absoluter Macht herrschenden Sultan Qabus ibn Said as-Said genehm sind. Lokale Ratsversammlungen in den 59 Regionaldistrikten bestimmen jeweils 3 Kandidaten, die dann vom Kabinett begutachtet werden. Diese Namensliste wird schließlich an den Monarchen weitergeleitet, die die Endauswahl der Kandidaten vornimmt.

Dem Konsultativrat steht zudem das Oberhaus des Parlaments gegenüber. Die 41 Mitglieder des Staatsrats, Majlis al-Daula, werden allesamt vom Sultan bestimmt.

Sonntag, 19. November 2006

Ägypten: Neue Kontroverse ums Kopftuch

Im Nahen Osten haben Äußerungen des ägyptischen Kulturministers Faruq Hosni für Aufsehen gesorgt, in denen er das Tragen des Kopftuchs als "rückschrittlichen Trend" bezeichnete. Gegenüber der unabhängigen ägyptischen Zeitung al-Masry al-Youm erklärte der Politiker, viele Frauen würden sich aus politischen Motiven verschleiern, weil der Islam das Tragen des so genannten Hijab nicht vorschreibe. Im Übrigen sei das Tragen des Kopftuchs ein aktueller Modetrend, der wenig mit religiöser oder sittlicher Moral zu tun habe.

Wörtlich sagte der Minister der Zeitung: "Es gab eine Zeit, als unsere Mütter zur Universität gingen und ohne Schleier arbeiteten. In diesem Geist sind wir aufgewachsen. Also warum dieser Rückschritt?"

Die Muslimbrüder, die stärkste islamistische Gruppierung in Ägypten, forderten Hosni auf von seinem Ministeramt zurückzutreten und sich für seine Äußerungen zu entschuldigen. Mit seinen Worten habe der Politiker islamische Führer, die eine Verschleierung der Frau vorschreiben, beleidigt. Inzwischen hat Farouq Hosni seinen Rücktritt angeboten, eine Entschuldigung jedoch abgelehnt.

Die neuerliche Kontroverse unterstreicht den Macht- und Kulturkampf den säkulare aber autoritäre Staaten wie Ägypten oder Tunesien mit der islamistischen Opposition austragen. Im Verlauf des letzten Jahrzehnts hat der Anteil der Frauen im Nahen Osten die das Kopftuch tragen oder sich gar voll verschleiern beständig zugenommen.

Samstag, 18. November 2006

Bahrain: Aufregung um "Bandargate" eine Woche vor den Parlamentswahlen

Eine Woche vor den Parlamentswahlen in Bahrain haben in der Hauptstadt Manama mehrere hundert schiitische Oppositionelle gegen mögliche Wahlmanipulationen durch die sunnitisch dominierte Staatsführung protestiert. Zu der Demonstration hatte die Bewegung "Haq" aufgerufen. Zwei Aktivisten wurden nach Angaben von "The Peninsula Qatar" am Rande der Kundgebung festgenommen.

Der Aufruhr fußt auf einem Bericht des britischen Jounalisten Salah al-Bandar - daher auch der Beiname Bandargate -, in dem dieser behauptet, sunnitische Minister arbeiteten an einer geheimen Verschwörung um eine schiitische Parlamentsmehrheit zu verhindern.

So soll ein geheimer Ring damit beschäftigt sein, sunnitischen Arabern aus anderen Golfstaaten die Staatsbürgerschaft des Königreichs Bahrain zu verleihen, um somit das demographische Verhältnis zu Ungunsten der schiitischen Bevölkerungsmehrheit in dem Inselstaat zu verändern. Faktisch so das Fazit des Sudan-stämmigen al-Bandar, sollen "ein essentieller Teil der Bevölkerung seiner Rechte beraubt werden.

Nach der letzten Volkzählung im Jahr 2001 sind knapp zwei Drittel der etwa 450000 Bahrainis Schiiten. Die Königsfamilie al-Khalifa ist jedoch sunnitisch, ebenso sind die Schlüsselposten in der Regierung von Sunniten besetzt.

Bereits in der vergangenen Woche hatte die Haq-Bewegung UN-Generalsekretär Kofi Annan in einem Brief aufgefordert, eine unabhängige Untersuchung der in Bandargate erhobenen Vorwürfe einzuleiten. "Wir fordern eine Untersuchung über jeden Punkt, der in dem Bericht zur Sprache kommt.", erklärte Haq-Generalsekretär Hassan Mushaimaa gestern.

Die letzten Parlamentswahlen vor vier Jahren wurden von den Schiiten in Bahrain weitgehend boykottiert. Damit protestierten sie gegen die Einrichtung einer zweiten Parlamentskammer deren Mitglieder vom König ernannt werden. Bislang wurde ein erneuter Wahlboykott nicht angekündigt. Die Entscheidung hierüber liegt nicht zuletzt in den Händen schiitischer Kleriker. Ein Demonstrant wurde mit den Worten zitiert: "Wenn uns ein religiöser dazu auffordert, würden wir auch Ameisen wählen."

Freitag, 17. November 2006

Israel: Gilad Shalits Vater trifft Opfer aus Beit Hanoun

Der Vater des entführten israelischen Soldaten Gilad Shalit hat gestern in Tel-Aviv palästinensische Angehörige von Opfern des Artillerieangriffs auf den Ort Beit Hanoun im Gazastreifen besucht. Dabei forderte Noam Shalit beide Konfliktparteien auf, die Gewalt in Palästina zu beenden und alles für die sichere Rückkehr seines Sohns zu übernehmen.

Unter anderem traf sich Shalit laut einem Bericht der Jerusalem Post mit Usama Ahmad Atamna, der bei dem israelischen Angriff 17 Angehörige verlor und nun hofft, dass sein 12-jähriger Sohn Saad bald aus dem Koma erwacht. Insgesamt waren bei dem IDF-Angriff am 8.November 19 Palästinenser ums Leben gekommen, weitere 40 wurden verletzt.

Nach israelischer Darstellung sollten eigentlich Kassamraketen getroffen werden, die immer wieder von militanten Palästinensern auf israelische Orte gefeuert werden. Auf Grund eines Fehlers im Leitsystem der Artilleriebatterie seien jedoch 7 Geschosse 1 Kilometer vom ursprünglichen Ziel in Wohnhäuser palästinensischer Familien eingeschlagen. Die israelische Regierung versprach eine Untersuchung des Vorfalls und ließ die Verletzten in israelische Krankenhäuser verlegen. Eine Verurteilung Israels durch den UN-Sicherheitsrat scheiterte am Veto der USA.

"Es sind die unschuldigen Menschen, die den Preis dieser sinnlosen Kriege zahlen müssen.", so Shalit gestern im Ichilov-Krankenhaus in Tel Aviv. "Wir alle sind Opfer des gleichen Irrsinns, der unaufhörlichen Kriege und der unsinnigen Gewalt." Noam Shalit wartet seit 5 Monaten auf die Freilassung seines Sohnes, der am 25.Juni 2006 von Angehörigen der Qassam-Brigaden entführt wurde.

Der Vater forderte abermals Israel, die Hamas, sowie deren Unterstützer in Syrien auf, eine schnellstmögliche Freilassung seines Sohnes zu ermöglichen. Der Palästinenser Atamna bat alle Seiten "sich hinzusetzen, zu reden und das Blutvergießen zu beenden."

Mittwoch, 15. November 2006

Neue Studie zum demographischen Wandel im Libanon

Eine neue Studie zeigt, dass das politische System des Libanon überholt ist und die Konfessionsgruppen des Landes nicht angemessen im Parlament repräsentiert werden. Nach Angaben des Statistikers Yussuf al-Duwaihi stellen die Christen nur noch 35% der Bevölkerung.
Dies geht aus einer Untersuchung hervor, die am Monat von der Beiruter Tageszeitung "an-Nahar" veröffentlich wurde.

Nach dem Abkommen von Taif, das nach dem Bürgerkrieg 1990 geschlossen wurde und die Grundlage für das derzeitige politische System des Zedernstaats bildet, stehen den Christen im Libanon 50% der Parlamentssitze zu. Momentan sind sie mit 64 Abgeordneten in der Nationalversammlung vertreten. Ihnen stehen 64 muslimische Volksvertreter gegenüber, die jedoch 64% der libanesischen Bevölkerung repräsentieren. Folglich vertreten die christlichen Mandatsträger 35% des libanesischen Volkes, ihre in gleicher Zahl vertretenen muslimischen Kollegen jedoch 65%.

Die neu erhobenen Zahlen sind deshalb besonders brisant, weil der letzte offizielle Zensus während der französischen Mandatszeit 1932 erhoben wurde. Damals stellten die Christen mit 55% noch die absolute Mehrheit der libanesischen Bevölkerung. Bis 1990 stellten die Christen nach dem "Nationalen Pakt" von 1943 daher auch die Mehrheit im Parlament.

Duwaihis Zahlen beruhten nach eigenen Angaben auf der Untersuchung von Personalausweisanträgen und Wählerlisten. Insgesamt leben demnach 4855067 libanesische Bürger im Zedernstaat. Keine Berücksichtigung fanden hierbei die etwa 400000 palästinensischen Flüchtlinge sowie zehntausende syrische Gastarbeiter.

Zahlenmäßig stärkste christliche Konfession sind noch immer die Maroniten zu denen sich fast jeder 5. Libanese bekennt und die laut Verfassung den Staatspräsidenten stellen. Knapp 7% der Libanesen sind orthodoxe Christen.

Unter den muslimischen Glaubensrichtungen sind Sunniten und Schiiten fast gleichstark im Libanon vertreten.Duwaihis Studie zufolge bekennen sich 29,6% der Libanesen zum sunnitischen Islam, 29,5% sind Schiiten. In der Verfassung ist festgelegt, dass der Regierungschef Sunnit, der Parlamentssprecher jedoch schiitischer Muslim sein muss. Nach dem Abkommen von Taif werden auch die 5% Drusen der muslimischen Bevölkerungsgruppe zugeordnet.

Das Ungleichgewicht in der Vertretung von Christen und Muslimen im libanesischen Parlament liefert all jenen neue Munition, die ohnehin eine Abkehr vom konfessionalistischen Wahlsystem fordern. Eine Novellierung dieser Bestimmungen könnte schon in Kürze auf der Tagesordnung stehen. Nach dem Rücktritt von mittlerweile sechs prosyrischen Ministern aus der Regierung von Premierminister Fuad Siniora könnte es schon bald Neuwahlen geben.

Dienstag, 14. November 2006

Saudi-Arabien errichtet Sperrzaun entlang Grenze zum Irak

Der Nahe Osten wird ab dem kommenden Jahr um eine weitere "Sperranlage" reicher: Saudi-Arabiens Innenminister Prinz Naif bin Abdul Aziz hat angekündigt, sein Land wolle einen 900 Kilometer langen Grenzzaun entlang der Grenze zum Irak errichten. Dieser solle "Terroristen" den Grenzübertritt unmöglich machen.

Im Interview mit der in Kuwait erscheinenden Tageszeitung al-Anba erklärte der Politiker, die Verwirklichung des Plans werde 12 Milliarden US-Dollar verschlingen und 5 bis 6 Jahre in Anspruch nehmen. Die Grenzanlage solle mit ferngesteuerten Bewegungsmeldern und Wärmekameras mordernsten Standards ausgerüstet werden.

Innerhalb des Zauns sollen 135 Tore errichtet werden, die einen legalen Grenzübertritt ermöglichten. Neben der Einsickerung von Terroristen sollten auch Waffen- Drogen und Menschenscmuggel durch die Errichtung des Sperrzauns bekämpft werden, erläuterte der saudische Prinz weiter. Keine Angaben wollte der Minister über Namen und Herkunft der ausführenden Unternehmens machen.

Saudi-Arabiens Staatsführung ist offenbar bestrebt die Fehler, die das Land während des Afghanistankrieges gegen die sowietische Invasion begangen hatte, nicht zu wiederholen. Damals hatte das Königshaus die Teilnahme einheimischer Islamisten an den Kämpfen gegen die Besatzer aktiv unterstützt. Viele von ihnen radikalisierten sich in den 80er Jahren in Afghanistan und richteten ihren Hass später gegen das Königshaus der Saud. Osama bin Laden ist nur das bekannteste Beispiel.Nun will der Staat verhindern, dass saudische Kämpfer im Irak eine ähnliche Entwicklung durchlaufen.

Tut was für Darfur, Berliner!

Der erste kleine Schritt ist getan: Berlin hat seit ein paar Tagen eine Darfur Gruppe Berlin. Wir wissen, dass Sie das gut finden. Wir wollen aber, dass Sie diese Gruppe unterstützen! (Hiergeblieben! Wir sagen Ihnen sofort, was Sie tun können!)

Erstes Ziel dieser Gruppe:

- eine Abendveranstaltung zum Thema (mit Referenten, die genau wissen, wovon sie reden)

- eine Kundgebung/ Demonstration am nächsten Nachmittag, wenn möglich zum nächsten Day for Darfur, damit die Geschichte im internationalen Kontext mehr Gewicht hat.

Eine Forderung ist klar: ausreichend Blauhelme mit ausreichend robustem Mandat um die Menschen in Darfur zu schützen. Darüber hinaus möchten wir aber auch einfach gegen die Gleichgültigkeit demonstrieren, möchten an die aus verständlichen Gründen gern geleugnete gegenwärtige Realität und an den Völkermord in Ruanda erinnern - und wir möchten Raphael Lemkins Traum einer Welt ohne Genozide träumen.

Es sei hier angemerkt, dass wir bei diesem Thema möglichst viele Menschen auf die Strasse bekommen möchten und der Aufruf also einen kleinsten gemeinsamen Nenner formulieren wird. Ob Sie die Grünen oder die CSU wählen, ob Sie Springer oder die Jungle World lesen, auf dieser Demonstration sollen uns alle Demokraten willkommen sein! Es geht nicht um "links" oder "rechts" - es geht um Darfur.

Nun ist es aber so, dass wir diese Sache entweder richtig oder gar nicht machen werden. Das bedeutet, dass dies alles auch von Ihnen abhängt: Ja, genau Sie sind gemeint! Nicht ihr Nachbar! (Und wenn Sie selbst nichts machen können, können Sie wenigstens diesen Text in eine Mail kopieren und diese an Berliner Freunde schicken)

Wir suchen noch:

- Menschen, die einfach mal kleine Arbeiten übernehmen: plakatieren, Flugblätter verteilen etc., sehr wichtig! Und wenns nur ein paar Stündchen sind, die Sie mal investieren!

- Menschen, die bei der Organisation helfen (schon etwas stressiger, aber wichtig, denken Sie darüber nach!)

- Menschen, die uns gute Kontakte vermitteln

- Journalisten, Blogger etc. die für die Sache werben können!

Das nächste Treffen ist am Donnerstag, dem 23. 11. in Berlin. Wo genau erfahren Sie hier:
holmesmicha[at]googlemail.com

Montag, 13. November 2006

Emirate: Missbrauch von Gastarbeitern geht weiter

Ungeachtet des Wirtschaftsbooms in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) werden die knapp 600000 Gastarbeiter im Baugewerbe weiterhin ihrer elementarsten Rechte beraubt - dies geht aus dem gestern von Human Rights Watch (HRW) vorgestellten Bericht "Building Towers, Cheating Workers" hervor.

Der Missbrauch der ausländischen Arbeitskräfte zeigt sich in vielfacher Hinsicht.So werden den mehrheitlich aus Indien, Pakistan und China stammenden Gastarbeitern noch immer extrem niedrige Löhne gezahlt. Zuvor mussten sich viele von ihnen verschulden um die Gebühren für Rekrutierungsagenturen zu bezahlen - Beträge die eigentlich der Arbeitgeber zu begleichen hat.

Außerdem sei es gängige Praxis, die Reisepässe der Gastarbeiter einzuziehen, um Urlaubsreisen in die Heimat oder gar eine Flucht unmöglich zu machen. Auch sei es üblich, dass Unternehmen mindestens 2 Monatslöhne einbehalten um sicherzustellen, dass die Arbeiter weiter auf den Baustellen erscheinen.

Daneben bemängelt Human Rights Watch die katastrophalen Arbeitsbedingungen auf den Baustellen am Golf, die viele Todesopfer forderten. Im vergangenen Jahr seien allein im Emirat Dubai 971 Gastarbeiter aus Indien gestorben, nach offiziellen Angaben seien jedoch nur 61 von ihnen Arbeitsunfällen zum Opfer gefallen.

Auf dem Papier sind die Gesetze in den Vereinigten Arabischen Emiraten im regionalen Vergleich relativ arbeitnehmerfreundlich. Außerdem stellte Premierminister Sheikh Mohammed bin Rashid al-Maktoum die Zulassung von Gewerkschaften in Aussicht. Gleichwohl wurde nach Angaben von HRW bislang kein einziger Bauunternehmer wegen Verstößen gegen Arbeitnehmerrechte bestraft.

Insgesamt sind in den sieben Emiraten 2738000 Gastarbeiter registriert, das entspricht etwa 95% aller Arbeitskräfte in dem Golfstaat.

Samstag, 11. November 2006

Somalia: Islamisten und Interimsregierung unterzeichnen Abkommen


Vertreter der somalischen Übergangsregierung und islamistischer Milizen die weite Teile des Landes kontrollieren, haben ihre prinzipielle Bereitschaft erklärt die Kampfhandlungen einzustellen und an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Ein entsprechendes Abkommen unterzeichneten gestern Vertreter der "Union Islamischer Gerichte" und der Sprecher des somalischen Parlaments Sharif Hassan Sheikh Aden. Gleichwohl nahm Aden nicht mit einer offiziellen Erlaubnis der Interimsregierung an den Gesprächen in der Hauptstadt Mogadischu teil.

Beide Seiten erklärten sich bereit, die Friendensverhandlungen unter der Schirmherrschaft der Arabischen Liga in Sudans Hauptstadt Khartoum wiederaufzunehmen. Die "Union Islamischer Gerichte" hatte die Gespräche am 1. November abgebrochen und ihre Rückkehr an den Verhandlungstisch vom Rückzug äthiopischer und kenianischer Truppen aus Somalia abhängig gemacht. Die beiden Nachbarstaaten unterstützen die in der Kleninstadt Baidoa residierenden Überbleibsel der somalischen Interimsregierung.

Die Islamisten werden gleichzeitig von Eritrea unterstützt. Aus einem UN-Bericht ging hervor, dass sich Anfang diesen Monats zwischen 6000 und 8000 äthiopische Soldaten und etwa 2000 Soldaten aus Eritea in Somalia aufhielten. Dies schürte Befürchtungen, nach denen die beiden Staaten ihre immer wieder aufflammenden Kriegsscharmützel nun im vom Bürgerkrieg gebuetelten Somalia austragen könnten.

Nach Angaben von al-Jazeera fordern nun beide Konfliktparteien den UN-Sicherheitsrat auf, sein Waffenembargo gegen das seit mehr als einem Jahrzehnt von Anarchie gebeutelten Land am Horn von Afrika zu verlängern.

Freitag, 10. November 2006

Ägypten: Proteste gegen sexuelle Belästigung von Frauen

Mehrere hundert Menschen haben gestern in Kairo gegen die sexuelle Belästigung von Frauen während der Feiertage des Eid al-Fitr protestiert. Am 23. und 24 Oktober war es nach Angaben von Frauenrechtsgruppen und Bloggern in der ägyptischen Hauptstadt zu mehreren Übergriffen von jugendlichen Gruppen auf Frauen gekommen, bei denen einigen von ihnen die Kleider vom Leib gerissen worden seien. Die Opfer beschuldigten daraufhin die Polizei, sie habe den Belästigungen tatnelos zugesehen.

Die Teilnehmer an der Demonstration, organisiert von der Jugendbewegung Nahdet El Mahrousa und der Oppsoitionsgruppe Kefaya, kritisierten die Verantwortlichen der Polizeistation im kairiner Stadtteil Kasr El-Nil und forderten den Rücktritt von Innenminister Habib Al-Adli und Präsident Hosni Mubarak. Die Behörden hatten die Vorfälle heruntergespielt und als übertrieben dargestellt.

"Die Polizei schützt Mubarak! Die Polizei schützt seinen Erben! Die Polizei schützt die Korruption! Aber die Polizei schützt nicht die Menschen!", riefen die Demonstranten, in der Mehrzahl Frauen. Einige von ihnen machten die rigide Sexualmoral im islamischen Ägypten für derartige Übergriffe verantwortlich.

Khaled Sallam, Student an der American University Cairo, erklärte gegenüber dem Daily Star Egypt: "Ägypten ist in gewisserweise moralisch bankrott. Ich glaube das hängt mit der Ächtung vorehelichen Geschlechtsverkehrs zusammen."

Donnerstag, 9. November 2006

Syrien: al-Karameh verliert Champions League-Finale

Der Fußballklub al-Karameh aus dem syrischen Homs hat es knapp verpasst, als viertes arabisches Team in Folge die Champions League Asiens zu gewinnen. Vor 35000 Zuschauern im heimischen Khalid Bin Walid-Stadion, unter ihnen Staatschef Baschar al-Assad, führte das Team bis zur 86.Minute 2:0 gegen die Chonbuk Motors aus Südkorea und hatte damit die 0:2 Auswärtsniederlage wettgemacht. Dann war jedoch der brasilianische Stürmer Ze Carlo zur Stelle und erzielte den entscheidenden Anschlusstreffer für den Favoriten.

al-Karamah (übersetzt etwa: die Würde, die Ehre) hatte sensationell den Einzug ins Finale der Champions League geschafft. So besiegte die ausschließlich aus einheimischen Fußballern zusammengesetzte Elf im Viertelfinale den asiatischen Meister der Jahre 2004 und 2005, al-Ittihad aus Jeddah, ein mit Stars wie dem mexikanischen WM-Stürmer Jared Borgetti gespicktes Team.

Im Halbfinale bezwangen die Syrer al-Qadisiya aus Kuwait. In einem dramatischen Spiel, das mehrmals wegen Fansausschreitungen unterbrochen werden musste, gewann al-Karameh auswärts mit 1:0 und schaffte als erstes Team aus Syrien den Finaleinzug.

Von der ganz großen Sensation im Finale waren die Blau-Weißen aus Homs nur wenige Minuten entfernt. Über weite Strecken des Spiel belagerten sie das Tor der Gäste und kamen durch Tore von Iyad Mando und Mohanad Ibrahim zu Beginn der 2.Halbzeit zu einer verdienten 2:0-Führung.

Mit der Final-Niederlage verpassten die Syrer auch die Teilnahme an der Klubweltmeisterschaft Anfang 2007.

Mittwoch, 8. November 2006

Ägypten, Iran, Saudi-Arabien, Syrien und Tunesien sind "Feinde des Internet"

Die Menschenrechtsgruppe "Reporter ohne Grenzen" (RSF) hat gestern eine Liste mit 13 Staaten veröffentlicht, die das Recht auf freie Meinungsäußerung im Internet am schärfsten unterbinden. Unter den "Internet-Feinden" finden sich 5 Staaten des Nahen und Mittleren Ostens.

Neu auf der Liste befindet sich Ägypten. Hier werden nach Einschätzung von RSF zwar abgesehen von einigen Seiten, die den Muslimbrüdern nahestehen, wenige Webseiten gefiltert. Gleichzeitig gingen die Behörden jedoch entschieden gegen Blogger vor, die im Netz ihre politischen Ansichten allzu deutlich vertraten und demokratische Reformen forderten.

Wie im Vorjahr gehört auch der Iran zu den 13 Internetfeinden. Nach RSF-Angaben filtert das Innenministerium 10 Millionen Internetseiten. Neben pornographischen Webseiten handelt es sich vor allem um Seiten, die sensible politische und religiöse Themen behandeln. Auch Seiten, die Frauenrechte in der Islamischen Republik behandeln, werden zensiert. Zudem verbieten die Behörden Breitbandverbindungen, mit denen man etwa westliche Filme und Musik runterladen könnte.

Auch Saudi-Arabien wurde erneut auf die Liste der Internetfeinde gesetzt. Anders als China, das häufig "technische Probleme" vorschiebt, macht das Königreich seine Zensur bestimmter Webseiten - etwa Seiten oppositioneller Gruppen oder israelischer Zeitungen - öffentlich. Im vergangenen Jahr versuchten die Behörden den Zugang zur größten Blog-Plattform blogger.com vollständig zu sperren. Diese Vorhaben gab man jedoch nach kurzer Zeit auf. Seither werden nur noch "inakzeptable" Blogs gesperrt.

Syrien ist nach Angaben von Reporter ohne Grenzen "das größte Gefängnis für Cyber-Dissidenten im Nahen Osten". 3 Internetautoren befinden sich dort gegenwärtig in Haft. In der Schusslinie der Behörden finden sich vor allem die Internetseiten von Oppositionellen sowie der kurdischen Minderheit wieder.

Tunesien - groteskerweise Ausrichter des "Weltgipfels der Informationsgesellschaft" (WSIS) 2005 - gehört in Sachen Internet zu den repressivsten Staaten der Welt. Internetseiten werden gefiltert, Internetcafés überwacht, kritische Blogger staatlich verfolgt. Gleichwohl wird in dem Mittelmeeranrainer kaum jemand erfahren, dass Tunesien zu den 13 Internetfeinden gezählt wird - die RSF-Seite ist von tunesischen Rechnern aus nicht erreichbar.

Tunesiens Nachbarland Libyen konnte hingegen von der Liste gestrichen werden. Der letzte inhaftierte "Cyber-Dissident" wurde im März 2006 auf freien Fuß gesetzt und das Internet werde nach Ansicht von Reporter ohne Grenzen nicht länger zensiert.

Dienstag, 7. November 2006

Libanon: General Aoun startet eigenen Fernsehsender

Die ohnehin bunte Fernsehlandschaft im Libanon wird künftig um eine Farbe reicher - Michel Aouns Partei "Free Patriotic Movement" (FPM) hat angekündigt im kommenden Jahr mit einem eigenen Fernsehkanal namens "Orange TV" auf Sendung zu gehen.

Voraussetzung hierfür ist, dass sich genügend Aktionäre finden die sich an dem nunmehr siebten landesweiten TV-Sender beteiligen wollen. Das Rundfunk- und Fernsehgesetz im Zedernstaat schreibt vor, dass Fernsehkanäle als Aktiengesellschaften organisiert sein müssen. Außerdem muss jede der 18 anerkannten Konfessionsgruppen an den Anteilen beteiligt sein. So unterhalten auch heute Juden und Maroniten Anteil am Hizbollah-nahen Sender al-Manar.

Nach eigener Darstellung läuft die Suche nach Aktionären bislang äußerst erfolgreich. Besonders Exil-Libanesen hätten die Wertpapiere bislang geordert. Über ein genaues Programmkonzept wurden die Anteilseigner bislang jedoch nicht informiert. Gleichwohl wird es auch für "Orange TV" schwierig in dem kleinen, hart umkämpften Markt Libanon genügend Werbekunden zu akquirieren. Zwar richtet sich der Satellitensender auch an Zuschauer in anderen arabischen Ländern, doch auch dort kann der Konsument mittlerweile aus über 200 arabisch-sprachigen Sendern wählen.

Der Sendestart Anfang 2007 ist nicht zufällig gewählt, schließlich will sich FPM-Chef General Aoun im kommenden Jahr zum libanesischen Präsidenten wählen lassen. Daher ist anzunehmen, dass "Orange TV" diese Bestrebungen medial sehr offensiv begleiten wird.

Praktisch jede einflussreiche politische Gruppierung im Libanon hat einen Haussender, der dazu dient die eigenen Standpunkte zu verbreiten. LBC (Lebanese Broadcasting Corporation) ist der Sender der anti-syrischen Maroniten , Future TV ist das Sprachrohr des Hariri-Clans. Beide Kanäle erreichen die größten Zuschauerzahlen mit ihren Unterhaltungsshows wie "Super Star" oder "Star Academy", strahlen aber auch täglich politische Talkshows aus.

Andere Schwerpunkte setzen die beiden schiitisch-geprägten TV-Kanäle. Da ist zum einen der Nachrichtensender der "Amal"-Bewegung, das National Broadcasting Network (NBN). Nach dem Chef der Amal wird dieser Sender von vielen Libanesen scherzhaft "Nabih Berri Network" genannt und hat in den letzten Jahren an Bedeutung verloren. Weitaus mehr Zuschauer hat der Sender, der der Hizbollah nahesteht, "al-Manar".

"al-Manar" ist wohl der einzige der großen Sender im Libanon der nicht für sich in Anspruch nimmt neutral zu sein. al-Manars Nachrichtenchef Hassan Fadlallah erklärte 2002: "CNN ist der Sender der Zionisten, al-Jazeera ist neutral und wir stehen auf der Seite der Opfer."

Montag, 6. November 2006

"Transparency International" zur Korruption in der Arabischen Welt

Der Irak und Sudan gehören zu den 10 korruptesten Staaten der Welt - das geht aus dem heute in Berlin vorgestellten Korruptionsindex (CPI) der Organisation Transparency International hervor. Auf der Rangliste der Länder mit der höchsten Korruption liegt der Irak hinter Haiti und Myanmar auf Rang 3, der Sudan folgt auf dem 5.Platz.Die Rangliste der 163 Staaten wird nach den Einschätzungen von Wirtschaftsfachleuten, Akademikern und Risiokoanalysten erstellt.

Die Bewertung der Entwicklung in den Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas fällt unterschiedlich aus. Algerien und Libanon werden Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung bescheinigt; in Israel, Jordanien und Tunesien habe sich die Bestechlichkeit und Vorteilsnahme im Amt in den letzten 12 Monaten jedoch weiter ausgebreitet. Zu den Staaten in denen die Korruption "zügellos" sei, gehören laut Transparency International neben dem Irak und Sudan der Jemen, Libyen, Iran und Syrien.

Das schlechte Abschneiden des Irak habe seine Ursachen bereits in dem Öl-für-Lebensmittel-Programm unter Saddam Hussein. Damals hätten viele Unternehmen durch Mittelsmänner Geld an das Baath-Regime gezahlt. Diese Mittelsmänner seien auch heute noch Profiteure der Korruption, so TI weiter.

Sonntag, 5. November 2006

Wahlkampfauftakt in Mauretanien

In Mauretanien hat an diesem Wochenende der Wahlkampf für die ersten freien Wahlen seit dem Sturz des Ex-Diktators Maaouya Ould Sid'Ahmed Taya begonnen. Am 19.November sind knapp 1,1 Millionen Wähler aufgerufen die Zusammensetzung des Parlametns neu zu bestimmen, Kommunalwahlen finden am 3. Dezember statt.

Tayas Militärdiktatur wurde am 3.August 2005 durch einen unblutigen Putsch beendet, eine mit Offizieren und Generälen besetzte Überggangsregierung übernahm die Macht in dem Land. Nach einem Verfassungsreferendum im Juni 2006 bilden die Wahlen zur Volksvertretung nun einen weiteren wichtigen Schritt auf den Weg zur Demokratisierung des nord-west-afrikanischen Staats. Mit den Präsidentschaftswahlem am 11.März 2007 will die Militärführung die Macht vollständig an Zivilisten übergeben haben. Mitglieder der Interimsregierung dürfen bei den Wahlen nicht kandidieren.

Auch unter der Herrschaft des Autokraten Taya wurden rgelmäßig Wahlen in Mauretanien abgehalten. Vielen oppositionellen Gruppen, besonders islamistischen Bewegungen, wurde die Kandidatur jedoch untersagt. Zudem waren Wahlfälschungen an der Tagesordnung, da unabhängige Beobachter nicht zugelassen wurden. Um eine größere Transparenz zu gewährleisten sind nun bereits in der vergangenen Woche 22 Wahlbeobachter der EU in Nuakchott eingetroffen. Am Wahltag und bei den anschließenden Auszählungen sollen weitere 40 Beobachter einen reibungslosen Ablauf gewärleisten.

Insgesamt haben sich 25 Parteien für die Parlamentswahlen registrieren lassen. 1222 Kandidaten bewerben sich um 81 Abgeordnetenmandate.

Samstag, 4. November 2006

UNHCR: "Schleichender Exodus im Irak" - 3,4 Millionen Flüchtlinge

In jedem Monat verlassen knapp 100000 Iraker ihre Heimat - diese alarmierende Bilanz zog gestern das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) in Genf. Schätzungen zufolge fliehen Tag für Tag etwa 2000 Iraker nach Syrien, 1000 nach Jordanien. Wie viele Iraker außerhalb des Landes Schutz gesucht haben, kann nur grob geschätzt werden. Insgesamt sollen 1,8 Millionen irakische Staatsbürger ins Ausland geflüchtet sein. So sollen 700.000 Iraker in Jordanien leben, mindestens 600.000 in Syrien, mindestens 100.000 in Ägypten, 20.000 bis 40.000 im Libanon sowie 54.000 im Iran.

Zwar flohen viele dieser Iraker im Verlauf des letzten Jahrzehnts, also auch schon während der Diktaur Saddam Husseins, doch habe der Exodus nach Angaben von UNHCR-Sprecher Ron Redmond mittlerweile ein Ausmaß erreicht, dass die schlimmsten Erwatungen, die man vor der US-Invasion 2003 gehegt habe, übertreffe. Damals war man von 600000 Flüchtlingen ausgegangen. Zudem hatte man damals damit gerechnet, dass die Flüchtlinge bald zurückkehren würden, nun nimmt die Zahl der Vertriebenen jedoch auch dreieinhalb Jahre nach Kriegsbeginn stetig zu. UNHCR-Sprecher Redmond bezeichnete den Prozess als "schleichenden, unsichtbaren Exodus".

Zu den 1,8 Millionen Auslandsflüchtlingen kommen in dem 23-Millionen-Einwohner-Staat nach UNHCR-Angaben 1,6 Millionen Binnenvertriebene, die vor ethnisch oder religiös motivierter Gewalt in andere Landesteile flohen. Monat für Monat kommen 50000 weitere hinzu.

Prekär ist auch die Lage der etwa 50000 Menschen, die vor Beginn des Irakkriegs in das Zweistromland geflohen waren. Zu ihnen gehören unter anderem Sudanesen, Iraner und Palästinenser, die ihr Dasein teilweise seit Generationen in Flüchtlingslagern in der irakischen Wüste fristen. Erschwert wird den palästinensichen Flüchtlingen das Leben dadurch, dass ihnen Jordanien die Einreise verweigert, da man dort den demographischen Wandel zugunsten des palästinensichen Bevölkerungsanteils nicht weiter forcieren will. Bislang konnten erst 1200 dieser Flüchtlinge in sichere Drittstaaten ausgeflogen werden.

Positiv kann lediglich vermerkt werden, dass seit dem Sturz Saddam Husseins 50000 Exil-Iraker in ihre Heimat zurückgekehrt sind.

Donnerstag, 2. November 2006

Iran: Marokkaner gewinnt Holocaust Cartoon Contest

Der marokkanische "Künstler" Abdollah Derkaoui hat nach Ansicht des iranischen Kulturministeriums den wertvollsten Beitrag zum Holocaust Cartoon Contest abgeliefert und wird für seine Karikatur mit 12000 US-Dollar belohnt. Seine Zeichnung zeigt einen israelischen Kran, der vor dem Felsendom in Jerusalem eine Mauer errichtet. Auf dieser befindet sich ein Foto des Tores zum Konzentrationslager Auschwitz.


Nach Ansicht der des iranischen Kulturministers Hossein Saffar Harandi sei es dem Sieger des von der iranischen Zeitung "Hamshahri" organisierten Wettbewerbs gelungen, die Palästinenser als indirekte Opfer der nationalsozialistischen Verbrechen an den Juden zu präsentieren.: "Die Karikaturisten zeigen ihren Hass für die Unterdrücker und bringen in ihren Werken ihre Liebe für die palästinensischen Opfer zum Ausdruck."

Der Wettbewerb wurde im Februar als Reaktion auf die Veröffentlichung der Muhammad-Karikaturen in der dänischen Tageszeitung "Jyllands-Posten" ins Leben gerufen. Wenn es möglich sei Witze über den Propheten des Islam zu machen, solle es als Recht auf freie Meinungsäußerung auch erlaubt sein den Völkermord an den europäischen Juden zum Gegenstand von Karikaturen zu machen, argumentierten die Veranstalter.

Innerhalb des Landes stieß der Wettbewerb auf weit weniger Interesse als im Ausland. Keine einzige iranische Tageszeitung ging heute laut AP-Informationen genauer auf den Wettbewerb ein oder druckte Derkaouis Karikatur ab.

Mittwoch, 1. November 2006

Syrien und Irak wollen diplomatische Eiszeit beenden

Nach 23 Jahren Funkstille stehen Syrien und Irak offenbar vor einer Wiederaufnahme ihrer diplomatischen Beziehungen. Nach Angaben des irakischen Außenministeriums soll der syrische Außenamtschef Walid al-Muallim dazu noch in diesem Monat nach Baghdad reisen. Ein genaues Datum wurde laut AP jedoch bislang nicht genannt. Es wäre der erste Besuch eines hochrangigen syrischen Politikers im Irak seit dem Sturz Saddam Husseins im April 2003.

Die Beziehungen zwischen den beiden Staaten sind seit Jahrzehnten äußerst angespannt. Bereits in den 1960 kommt es wegen ideologischer Differenzen zum Bruch zwischen den Flügeln der Baathpartei im Irak und in Syrien. Nach Ausbruch des 1.Golfkriegs zwischen Iran und Irak schlägt sich das von Hafiz al-Assad regierte Syrien als einziges arabisches Land offen auf die Seite der Perser.

Als sich Anhänger der Muslimbrüder in der mittelsyrischen Stadt Hama gegen die Herrschaft des Alawiten Assad auflehnen, beschuldigt dieser Saddam Hussein die Unruhen angezettelt zu haben. Der Aufstand wird blutig niedergeschlagen - unabhängige Quellen sprechen von 20000 Toten - der Botschafter aus Baghdad wird abgezogen und die diplomatischen Beziehungen auf Eis gelegt. Gleichwohl waren syrische Offizielle auch unter Saddam des öfteren nach Baghdad gereist - der letzte Besuch eines Ministers liegt 6 Jahre zurück. Anfang des Jahres hatte das syrische Außenministerium erklärt, nach der Bildung einer neuen irakischen regierung eine Botschaft in Baghdad zu eröffnen.

Iraks Regierung ist bemüht Syrien stärker als bisher zu verpflichten, seinen Einfluss sunnitische Stämme im syrisch-irakischen Grenzgebiet geltend zu machen. Außerdem wird seit Jahren der Vorwurf gegen Damaskus erhoben, man verhindere das Einsickern ausländischer Kämpfer in den Irak über die Grenze nicht entschieden genug.