Sonntag, 31. Dezember 2006

Muhaim al-Falistiin, Damaskus - Besuch in einem palästinensischen Flüchtlingslager

Hier der Bericht eines Freundes, der im Spätsommer dieses Jahres einige Wochen in Syrien verbrachte:

Aus losen Sperrholzstücken zusammengezimmerte Obststände ziehen an meinem Fenster vorüber und lenken mich vom lauten Geschrei des Kindes neben mir ab. Ich verdrehe den Kopf nach hinten um zwei Frauen zu beobachten, die auf die Straße gefallenes Gemüse nach Verwendbarem sortieren. Einige Sekunden später hält der kleine, vollgestopfte Service vor dem Restaurant Tarbusch, direkt an der zentralen Kreuzung des Flüchtlingslagers. Schon in den letzten sieben Tagen bin ich hier ausgestiegen und habe mir meinen Weg durch die Straßen Muhaims, wie es im Volksmund heißt, gesucht.

Vorbei an Fladenbäckereien und Schawurmaständen bin ich auch heute schnell wieder in einem Labyrinth enger Gassen und fußballspielender Kinder gefangen. Die letzten Sonnenstrahlen des Tages fallen auf die rissigen Fassaden und spiegeln sich in den von Schlaglöchern aufgefangenen Wasserpfützen. In hohem Bogen schießt ein Wasserstrahl aus dem Hauseingang vor mir, breitet sich wie ein See auf der Strasse aus und fließt langsam in dem dreckigen Rinnstein ab. Aus der spaltweit geöffneten Tür blinzelt mir ein Augenpaar entgegen, das sich aber sofort wieder in den dunklen Halbschatten des Tores zurückzieht. Plötzlich ertönt hinter mir das Dröhnen einer lauten Hupe und lässt mich noch im rechten Moment zur Seite springen. Ein kleiner Pickup, vollbeladen und seitlich behangen mit Gasflaschen, humpelt an mir vorüber. Durch das verstaubte Rückfenster lassen sich noch die schelmisch grinsenden Gesichtszüge des Beifahrers erkennen.

Die Wasserpfützen mit grossen Schritten umgehend laufe ich weiter durch die Seitenstraßen auf einen zerfurchten, turmhohen Springbrunnen zu. In seinem Schatten, unter dem wachenden Auge Arafats, Scheich Jassins und den sonnenverblassten Bildern einiger Märtyrer, rastet eine Gruppe Arbeiter der nahegelegenen Werkstätten.

Hundert Meter weiter prangt über einer bunten, von Kinderhänden bemalten Mauer das blau-weiße Schild der UNO. Die Schulglocke hat gerade geleutet. Kinder strömen in ihren dunkelblauen Uniformen mit roten Halstüchern aus dem rostigen Eisentor. Mütter und rauchende Väter stehen wartend im Schatten eines Militärjeeps. Die Ladenbesitzer gegenüber der Schule haben sich zu einem Chai und einer Partie Touwle zusammengesetzt und beobachten das wirre Treiben.

Eine Gruppe Kinder schiebt mich vor sich her, bis die Rufe der Eltern hinter der nächsten Häuserecke verebben. Ständig werde ich von kleinen Steinen getroffen, die unter lautem Geschrei aus dem Hinterhalt auf mich geworfen werden. Das Interesse der Kinder lenkt sich schnell auf die Kamera in meiner Hand. Schon werde ich von allen Seiten umringt und unter „Sura, Sura! Sawurna!“-Rufen zum Photographieren aufgefordert. Mit verschmitztem Lächeln, größter Albernheit oder unter schallendem Gelächter posieren Mädchen und Jungs vor meiner Linse.

Als hätte ich schon mehrere Kilometer seit der Schule zurückgelegt, erwartet mich hinter den nächsten Ecken eine gänzlich andere Welt. Ein staubiger Sandplatz, begrenzt durch rohe, unverputzte Häuserfassaden, beherbergt einen geschäftigen Wochenmarkt. Im Schutz zerrissener Bettlaken und Decken, die zwischen zwei hochgeschichteten Müllbergen gespannt wurden, schlendern Menschen suchend an den Marktständen vorbei, schleppen Kisten und finden sich in kleinen Grüppchen zusammen um zu rauchen und zu reden. Im Halbschatten sitzen zwei Männer mit einer Waage und einem riesigen, vor Fliegen wimmelndem, Korb Datteln. Neben vertrockneten Früchten werden Puppen und anderes Kleinspielzeug angeboten.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes erregt das Schaufenster eines Friseurs meine Aufmerksamkeit. Ich stelle mich in die Tür und beobachte die feinen Bewegungen des Friseurs, dessen Rasierklinge über Wange und Hals zu gleiten scheint. Sein Blick streift mich über die Schulter hinweg. Er hält in der Arbeit inne und fordert mich auf Platz zu nehmen. Seinem Gehilfen gibt er mit einem Kopfnicken zu verstehen er solle mir einen Chai bringen. Ich setze mich hinter Ihn und beobachte weiterhin seine bedächtig ausgeführte Arbeit, die er nach wenigen Minuten beendet, um sich zu mir auf die Bank zu gesellen. Er stellt sich mit Mahmud vor und fragt nach dem Grund meines Besuchs in Muhaim Al-Falistiin. Als ich ihm mein Interesse an den Lebensverhältnissen und den Problemen hier schildere, lädt er mich zum Essen zu sich nach Hause ein. Unterwegs nimmt Mahmud eilig sein Handy zur Hand, informiert seine Frau über den ihn begleitenden Besucher und weist sie an sich rechtzeitig zu verhüllen.

Bei Reis mit Gurken, Joghurtsauce und Oliven, inmitten eines Zimmers, dessen Wände reich mit verzierten Kalligraphien verschiedentlicher Koransuren geschmückt sind, beginnt er über seine Kindheit zu sprechen. Er erzählt von den Anfängen des Flüchtlingslagers, wie aus einer handvoll Zelte ein eigenes, inzwischen zwar nicht beliebtes, aber dennoch integriertes Viertel von Damaskus wurde. Stein für Stein hat sein Vater mit herangeschafft, um die ersten befestigten Häuser aufzubauen. Mit der Zeit haben sich hier nicht nur Palästinenser, sondern auch eine Minderheit von Pakistanis und Kurden angesiedelt.

Das Leben hier war nicht immer so friedlich wie heute. Verlorengegangene Hoffnungen auf ein Anerkennen der syrischen Staatsbürgerschaft haben nach Jahren einigen Frust angestaut. Die Einschränkung, als Flüchtling nur innerhalb des Lagers arbeiten zu dürfen wird für viele zur Qual. So werden die Flüchtlinge von den Damaszenern nur als Randgruppe wahrgenommen, ihr Streben nach einer eigenen Identität in der neuen Heimat mit einer Handbewegung weggewischt. Das sei es was die Israelis bezwecken, wurde mir mehrfach erklärt. Eine neue Identität würde die Palästinenser ihre Geschichte vergessen lassen und somit die Resignation vor der israelischen Besatzung bedeuten. Ein unvorstellbares Szenario für die Damaszener mit einem gültigen Pass und der Gewissheit eine Heimat zu haben.

Mahmuds Vater ist längst gestorben, sein Portrait an der Wand verblasst, doch Mahmuds Kindheitserinnerungen an die Flucht aus Jenin sind sehr lebendig. An manchen Stellen seiner Erzählungen scheint er abwesend zu sein, starrt ins Leere, seine Erzählungen geraten ins Stocken. Dann berichtet er wieder lebhaft über das Aufwachsen in Jenin, seine alten Freunde und seinen jüngeren Bruder Mazin. Einige Male glaube ich ein flüchtiges Lächeln über seine Lippen huschen zu sehen, bevor sein Gesicht wieder den Ernst des Erzählten widerspiegelt.

Die Schilderungen übers Fußballspielen in den Straßen und das Umherziehen mit seinen Freunden in der Stadt, erinnert mich an die Kinder von Muhaim. Mit ernster Miene gibt er mir zu verstehen, dass es nicht nur die Probleme der Palästinenser sind, die es wert sind festgehalten zu werden. Seine Kindheit hat er größten Teils glücklich durchlebt und auch seine Kinder möchte er nicht auf ein Problem der Welt reduziert sehen. Solange sie nur als ein gelegentliches Flackern im Fernsehen wahrgenommen werden, als namenlose Hilfebedürftige betrachtet werden, sind sie weiterhin gezwungen die Suche nach ihrer Identität anzutreten. Des Kampfes ist er müde sagt er mir, er hoffe zwar auf die Rückkehr in seine alte Heimat, doch ist es ihm wichtiger seinen Kindern einen festen Platz in der Gesellschaft zu hinterlassen.

Seine neunjährige Tochter öffnet mit einem Mal die Tür und steht mit einem Englischbuch in der Hand im Zimmer. Voller Stolz bedeutet der Vater Ihr sich neben ihn zu setzen und doch dem Gast ihre Englischkenntnisse vorzuführen. Wie eine Nadel, die eine Seifenblase zerplatzen lässt, hat sie ihn aus den Erinnerungen seiner Kindheit in die Gegenwart zurückgeholt. Als hätte er nicht ein Wort über seine Träume und Hoffnungen verloren, die täglich von der Realität eingeholt werden, nimmt er freudestrahlend seine Tochter auf den Schoß und schlägt das Buch auf.

Ich lehne mich in die weichen Kissen des Sofas zurück und lausche den beiden, wie sie mir zusammen aus dem Übungsheft vorlesen.

Saddams Hinrichtung - Das Video

Seit heute kursiert im Internet ein Amateur-Video, das die Hinrichtung des irakischen Ex-Diktators Saddam Hussein in ganzer Länger zeigt. Interessierte können sich das Video, das vermutlich mit einem Handy aufgenommen wurde, hier oder hier runterladen.

Im Hintergrund hört man Zeugen der Exekution, die mehrmals den Namen von Großayatollah Muhhamad Baqir as-Sadr rufen, einen hochrangigen schiitischen Geistlichen und Mitbegründer der heute regierende Dawa-Partei, der 1980 von Saddam hingerichtet wurde.

Der Ex-Staatschef selbst spricht gerade das islamische Glaubensbekenntnis, als sich die Falltür unter ihm öffnet und ein Strick dem 69-Jährigen das Genick bricht.

Auf ein friedvolles Jahr 2007!

Freitag, 29. Dezember 2006

Israel errichtet neue Siedlung im Westjordanland

Das israelische Verteidigungsministerium bestätigte heute den Beschluss über den Bau einer neuen Siedlung im Westjordanland: „Das Ministerium hat grünes Licht für die Konstruktion von 30 Häusern gegeben, und zwar in Übereinstimmung mit dem Versprechen des früheren Verteidigungsministers Shaul Mofaz die Siedler, die 2005 aus Gaza evakuiert worden waren, umzusiedeln.“

Die neue Siedlung soll den Namen Maskiot tragen und liegt im Jordantal – und damit so weit östlich wie kaum eine der 121 israelischen Siedlungen im Westjordanland. Der Beschluss zum Siedlungsneubau ist der erste dieser Art seit 1992. Seitdem konzentrierten sich die israelischen Aktivitäten vor allem auf den Ausbau bestehender Siedlungen, die jedoch in mehreren UN-Resolutionen ebenfalls als illegal angesehen werden.

Die Stellungnahme des Ministeriums brüskiert nun jene auf israelischer und palästinensischer Seite, die sich von der letzten diplomatischen Initiative Ehud Olmerts Fortschritte im festgefahrenen Friedensprozess erhofft hatten: „Wir verurteilen diese Entscheidung, besonders nachdem sich die israelische Seite dazu verpflichtet hatte, alle unilateralen Aktionen einzustellen.“ Erklärte etwa der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat und resümiert:„Israel muss sich zwischen dem Frieden und den Siedlungen entscheiden. Es wird keinen Frieden mit den Siedlungen geben.“

Harsche Kritik hagelte es auch von den israelischen Friedensaktivisten von „Peace Now“, die darauf hinwiesen, dass der Siedlungsneubau der vereinbarten Roadmap widerspreche und nicht dem Parlament vorgelegt wurde. „Peace Now“-Chef Yariv Oppenheimer kritisierte daneben besonders Verteidigungsminister Amir Peretz: „Das ist ein wahrer Skandal, umso mehr, als die Entscheidung ausgerechnet von Amir Peretz getroffen wurde, einem früheren „Peace-Now“-Aktivisten.“

Bereits in wenigen Wochen soll der Siedlungsbau starten und zunächst 20 Familen aus der ehemaligen Siedlung Gush Katif in Gaza eine neue Heimat geben, weitere 80 Häuser sind zudem vorgesehen.

„Es gibt keinen Grund sich über die Entscheidung übermäßig zu freuen, sie ist lediglich die Erfüllung des Versprechens, das denen, die letztes Jahr aus Gush Katif vertrieben wurden, gemacht wurde.“, versucht eine Sprecherin der Siedler die politische Brisanz des Beschlusses zu entschärfen. Dennoch erscheint es zumindest fragwürdig, warum den Evakuierten aus Gaza ein Siedlungsneubau in Aussicht gestellt wurde, und warum sie sich nicht auf israelischem Territorium niederlassen.

Donnerstag, 28. Dezember 2006

Israel billigt ägyptische Waffenlieferungen an die Fatah

Ägypten hat gestern die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) im Gazastreifen mit der Billigung Israels mit einer großen Zahl an Waffen und Munition beliefert. Die PA unter der Leitung von Mahmud Abbas rekrutiert sich aus den Reihen der Fatah-Bewegung, die sich seit Wochen einen Bruderkrieg mit der radikal-islamischen Hamas liefert, die gegenwärtig den Ministerpräsidenten in den Palästinensergebieten stellt.

Nach Angaben der israelischen Tageszeitung "Haaretz" umfasste die Lieferung 2000 Kalaschnikov-Gewehre, 20000 Magazine und nicht weniger als 2 Millionen Patronen. Die vier Lastwagen seien aus Ägypten kommend über den Grenzübergang Kerem Shalom zunächst nach Israel gefahren. Von dortaus wurde die brisante Fracht dann durch den Übergang in Karni in den Gaza-Streifen gebracht, wo sie an die PA übergeben worden sei.

Ein Sprecher von Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas dementierte diese Berichte heute umgehend. In der aktuellen Auseinandersetzung mit der Hamas ist Abbas bestrebt den Eindruck zu verhindern, auf die Hilfe der israelischen Besatzungsmacht angewiesen zu sein. Gleichwohl darf als sicher gelten, das entsprechende Vereinbarungen beim jüngsten Gespräch mit Israels Ministerpräsident Ehud Olmert am vergangenen Sonnabend getroffen wurden.

Der Konflikt zwischen Fatah und Hamas war eskaliert, nachdem Abbas am 16.Dezember Neuwahlen in den palästinensischen Gebieten angekündigt hatte. Die Hamas, die bei den Parlamentswahlen vor knapp einem Jahr die absolute Mehrheit errungen hatte, lehnt einen neuen Urnengang ab und spricht von einem Putsch gegen die frei gewählte Regierung. Seither wurden bei inner-palästinensischen Kämpfen mindestens 14 Menschen getötet und 81 weitere verletzt.

Zwar herrscht seit einer Woche ein brüchiger Waffenstillstand zwischen den Parteien, doch zeigt die Waffenlieferung, das sich die Fatah auf weitere Kämpfe einstellt. Israel ist bestrebt die im Vergleich zur Hamas gemäßigte Fatah auch militärisch zu unterstützen. Jedoch ist es alles andere als unwahrscheinlich, dass jene Waffen die gestern mit israelischer Hilfe im Gaza-Streifen eintrafen, irgendwann auch gegen israelische Soldaten gerichtet werden.

Mittwoch, 27. Dezember 2006

Ägypten: Mubarak will Verfassung ändern

Ägyptens Präsident Hosni Mubarak hat dem Parlament eine Liste mit Vorschlägen zu Verfassungsänderungen vorgelegt, mit denen der politische Wettbewerb forciert und die Rechte der Volksvertreter gestärkt werden sollen. Ingesamt sehen die Vorschläge die Änderung von 34 Artikeln der ägyptischen Verfassung vor.

Unter anderem sollen die strengen Voraussetzungen die für eine Präsidentschaftskandidatur bislang notwendig waren gelockert werden. Bislang durften nur solche Parteien einen Kandidaten aufstellen, die in beiden Parlamentskammern über mindestens 5% der Sitze verfügten. Gegenwärtig kann nur die herrschende Nationaldemokratische Partei (NDP) von Staatschef Mubarak die Voraussetzungen erfüllen.

Gleichwohl bleiben auch nach den Vorschlägen des Präsidenten, deren Bewilligung durch das Parlament als sicher gelten darf, religiöse Parteien verboten. Eine offizielle Zulassung der größten Oppositionsbewegung Ägyptens, der Muslimbruderschaft, wird es somit auch in Zukunft nicht geben. Gegenwärtig sitzen 88 Muslimbrüder als "Unabhängige" im ägyptischen Parlament.

In einer ersten Stellungnahme lehnte das Führungsgremium der Muslimbrüder die Reformvorschläge des Staatschefs ab, da sie eigenmächtig und ohne die vorherige Konsultation anderer politischer Gruppierungen getroffen wurden. Auch die säkular orientierte Oppositionsgruppe Kefaya kritisierte das eigenmächtige Vorgehen Mubaraks und erklärte, man müsse zunächst abwarten wie die Neuerungen in der politischen Praxis umgesetzt würden.

Des weiteren sehen die vorgeschlagenen Verfassungsänderungen die Umwandlung des Schura-Rats, dem Oberhaus des Parlaments, von einem Gremium mit ausschließlich beratender Funktion, zu einer Kammer vor, die das Recht hat über Gesetzesvorschläge abzustimmen. Außerdem solle den Parlamentsabgeordnetenen zukünftig das Recht eingeräumt werden, die Regierung durch ein Misstrauensvotum abzuwählen.

Dienstag, 26. Dezember 2006

Hajj-Pilger treffen in Saudi-Arabien ein

Mehr als 1,5 Millionen muslimische Pilger aus aller Welt sind bereits zur islamischen Pilgerfahrt Hajj in Saudi-Arabien eingetroffen. Nach offiziellen Angaben des saudischen Hajj-Ministeriums sind bis zum Sonntag 1.526.603 Muslime ins Königreich gereist um ab Donnerstag an den Hajj-Ritualen teilzunehmen. Insgesamt werden in diesem Jahr mehr als 2 Millionen Menschen an den heiligen Stätten in und um Mekka, den Geburtsort des Propheten Muhammad, erwartet.

Schon vor Beginn der eigentlichen Hajj sind 202 Pilger in Saudi-Arabien gestorben, unter ihnen sind hauptsächlich Alte, die die Reisestrapazen nicht überlebten. Um die Zahl weiterer Todesopfer möglichst niedrig zu halten wurden um Mekka und Medina 21 Feld-Hospitäler errichtet, in denen 9600 Mediziner zur Behandlung von Kranken und Verletzten bereitstehen. Gestern mussten bereits 13 Pilger nach einem Hotelbrand in Mekka mit Rauchvergiftung im Krankenhaus behandelt werden.

Die Pilgerfahrt Hajj oder auch Hadsch ist eine der fünf Säulen des Islam. Jeder Muslim sollte, so er die Möglichkeit dazu bekommt und die finanziellen Mittel dazu besitzt, einmal im Leben an der Pilgerfahrt nach Mekka teilnehmen.

Zum Beginn der Rituale am Donnerstag machen sich die in einfachen weißen Gewändern gekleideten Massen zu Fuß oder in Bussen in das Tal von Mina, 5 Kilometer von Mekka entfernt, auf, wo sie den Tag in Gebeten und Meditation verbringen. Von dort werden sie am Freitag Morgen beim emotionalsten Teil der Pilgerfahrt 25 Kilometer zum Berg Arafat ziehen, wo sie Gott um Vergebung bitten.

Am Sonnabend kehren die Muslime dann nach Mina zurück um symbolisch den Teufel zu steinigen, indem sieben (oder ein Vielfaches davon wie 49 oder 70) Kieselsteine auf eine Säule geworfen werden, die den Teufel, Schaitan, symbolisert. Ausdrücklich haben die Behörden auch in diesem Jahr die Verwendung von Handys, iPods und ähnlichem an Stelle der Steine untersagt, die sich in der Vergangenheit unter wohlsituierten Pilgern aus den Golfstaaten eingebürgert hatte um die Ablehnung westlicher Konsum- und Kulturgüter zu zeigen. Dieser Teil der Hajj gilt als der Gefährlichste, da große Menschenmassen an die Teufelsstelen drängen um diese zu steinigen. Im vergangenen Jahr wurden an dieser Stelle bei einer Massenpanik nach offiziellen Angaben 343 Pilger zu Tode getrampelt.

Der Sonnabend ist gleichzeitig der höchste islamische Feiertag, Eid al-Adha, zu deutsch:Opferfest. An diesem Tag schlachten Muslime in aller Welt Opfertiere, dessen Fleisch an Familienmitglieder, aber auch an Arme und Hingrige verteilt wird. Mit diesem Ritual, das stets am 10.Tag des islamischen Monats Dhu al-Hijja, stattfindet, soll des Propheten Ibrahim (Abraham) deacht werden, der Bereit war Gott seinen eigenen Sohn Ismail (Isaak) zu opfern.

Am Sonnabend endet auch die Haj mit dem Tawaf, dem siebenmaligen Umkreisen der Kaaba, dem zentralen Heiligtum des Islam. Der würfelartige Bau, der stets von schwarzem Brokat verhüllt ist, gilt den Muslimen als erstes Haus der Menschheit. Es steht im Innenhof der Großen Moschee von Mekka. Bei jedem Gebet verneigen sich die Muslime in seine Richtung.

Samstag, 23. Dezember 2006

Virtuelles Trauern für iranische Juden

Seit der Gründung des Staates Israel und verstärkt seit der Islamischen Revolution haben zehntausende iranische Juden ihre Heimat verlassen. Die Gräber ihrer Vorfahren mussten sie zurücklassen, ein Besuch heute ist teuer und nur mit großem bürokratischen Aufwand möglich.

Eine Internetseite bietet den Angehörigen dennoch die Möglichkeit die Gräber des größten jüdischen Friedhofs im Iran zumindest virtuell zu besuchen. Auf der Seite Beheshtieh hat der in Los Angeles lebende Shahram Avraham Farzan Fotos von tausenden Gräbern des Teheraner Friedhofs Beheshtieh veröffentlicht. Farzan nahm die Fotos vor drei Jahren während eines Besuchs in Irans Hauptstadt auf. Etwa 70% der Gräbstätten auf dem Friedhof sind als Bilder im Internet abrufbar.

Die Fotos sind nach den Namen der Toten alphabetisch geordnet und bieten den in aller Welt verstreuten Nachfahren der Teheraner Juden die Möglichkeit per Mausklick das Grab der Ahnen zu besuchen. Viele Juden scheuen sich angesichts des offen zur Schau gestellten Antisemitismus des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinejad vor einem Besuch im Iran. Zahlreiche Internetbesucher berichten davon, dass sie durch die Arbeit des 51-jährigen Farzan überhaupt erstmals das Grab des Vaters oder der Mutter gefunden haben. Farzan hofft nun auf finanzielle Unterstützung, die es ihm ermöglicht erneut in den Iran zu reisen und auch die Bilder von jüdischen Friedhöfen in anderen iranischen Städten online zu stellen.

Bis zur Gründung des Staates Israel war der Iran das Zentrum des Judentums im Nahen und Mittleren Osten. Ende der 1940 lebten etwa 150000 Juden in Persien. Mehr als 85% von ihnen wanderten seither aus, oft nach Israel oder in die USA. Allein in Kalifornien leben heute zirka 160000 iranische Juden und ihre Nachfahren. Zum Zeitpunkt der Islamischen Revolution lbeten noch knapp 80000 Juden im Iran heute, sind es kaum mehr als 30000, die jedoch nach eigener Darstellung ihren Glauben frei praktizieren können.

Freitag, 22. Dezember 2006

Libanon: Sprengstoff-Funde bei pro-syrischer Partei

Die libanesische Polizei hat gestern bei einer Razzia gegen eine pro-syrische Partei Sprengstoff und Zeitzünder zum Bau von Bomben sichergestellt. Sieben Mitglieder der Syrischen Sozialen Nationalistischen Partei, deren Häuser im Norden Libanons von den Sicherheitskräften durchsucht worden waren, wurden festgenommen.

Parteichef Ali Qanso räumte den Besitz der Waffen ein und erklärte diese habe man seit der israelischen Invasion Anfang der 1980 Jahre "für den Fall des Falles" aufbewahrt. Gleichwohl sei die SSNP das Opfer einer Kampagne gegen pro-syrische Kräfte im Libanon, so Qanso weiter: "Wir sind keine Miliz und keine Partei der Mörder. Wir sind eine Widerstandsgruppe." Später fügte der SSNP-Chef hinzu: "Wir haben verschiedene Methoden des Widerstands zu denen auch die Benutzung von Sprengstoffen gehört."

Angesichts der momentanen Sicherheitslage im Libanon sei es für die Parteimitglieder notwendig zum eigenen Schutz Waffen zu tragen. "In jedem libanesischen Haus und in jeder libanesischen Region gibt es Waffen. Warum sollte unsere Partei eine Ausnahme machen?"

Die SSNP wurde 1932 in Beirut vom griechisch-orthodoxen Journalisten und Schriftsteller Antun Saadeh gegründet. Sie tritt seither für die Bildung eines groß-syrischen Nationalstaats auf dem Gebiet des heutigen Libanon, Syrien, Israel/Palästina, Jordanien, der Sinai-Halbinsel,Zypern, Irak, Kuwait sowie der türkischen Hatay-Provinz ein (siehe Wikipedia-Grafik). In Syrien gehört die Partei seit 2005 der von der Baath-Partei geführten "Nationalen Fortschrittsfront" an und ist mir etwa 90000 Mitgliedern die zweitstärkste politische Kraft im Land.

Im Libanon ist die Zahl ihrer Anhänger deutlich geringer. Gegenwärtig ist die SSNP mit zwei Abgeordneten im Parlament vertreten. Die Partei gehört zum pro-syrischen Block um Hizbollah, Amal sowie die "Freie Patriotische Bewegung" von Michel Aoun und beteiligt sich an den gegenwärtigen Massenprotesten im Zentrum Beiruts, die den Sturz von Ministerpräsident Fuad Siniora herbeiführen wollen.

Die Polizei-Razzia sei daher, so argumentiert die SSNP, gezielt durchgeführt worden, um das Oppositionslager zu diskreditieren. Im Grunde sei die Polizeiaktion daher nur Ausdruck der "Frustration" der Regierung, so Marwan Fares, Parlamentsmitglied für die SSNP gegenüber dem Daily Star.

Dienstag, 19. Dezember 2006

Ägypten: Gericht verweigert Bahais die Anerkennung als Religionsgemeinschaft

Ein Gericht in Kairo hat den etwa 2000 ägyptischen Bahais in einem Urteil die Anerkennung als Religionsgemeinschaft verwährt und ihre Anhänger als Apostaten bezeichnet. "Die Verfassung garantiert die Glaubensfreiheit für die drei anerkannten himmlischen Religionen Islam, Christentum und Judentum. Die Bahai betreffend, haben alle islamischen Juristen erklärt, dass der Bahai-Glaube zu keiner der drei anerkannten Religionen gehört", so Richter Sayed Nofal laut AFP am Sonnabend in der Urteilsbegründung.

Die Religionsgemeinschaft der Bahai entstand in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts und geht auf den persischen Religionsstifter Bahaullah zurück. Wie die Muslime glauben die Bahais an die Einheit Gottes. Sie sehen jedoch im Propheten Muhammad nicht "das Siegel der Propheten" sondern glauben daran, dass Gott in zeitlichen Abschnitten "geistliche Erzieher" auf die Erde entsendet, von denen auch Bahaullah nicht der Letzte sei. Die zentrale Offenbarungsquelle für die weltweit knapp 7,5 Millionen Bahais sind die Schriften Bahaullahs, allen voran das "Heiligste Buch", Kitab-i Aqdas.

Die beiden ägyptischen Bahais Hussam Izza Mussa und seine Frau Ranya Enayat hatten vor Gericht darum gekämpft ihre Religion auf ihren Personaldokumenten angeben zu dürfen. Im April 2006 hatte ein gericht ihrer Klage zunächst stattgegeben, nach einem Einspruch des Innenministeriums wurden ihre Dokumente jedoch nur eine Monat später konfisziert.

In Ägypten, einem Staat in dem seit 1981 offiziell ein Ausnahmezustand herrscht, ist es jedoch Vorschrift, seine Papiere stets bei sich zu tragen. Ohne Dokumente ist es schlicht unmöglich sich um einen Job zu bewerben, Eigentum zu erwerben, ein Bankkonto zu eröffnen, Kinder in Schulen anzumelden oder sich auch nur im Krankenhaus behandeln zu lassen.

Hossam Bahgat, Direktor der Egyptian Initiative for Personal Rights (EIPR) forderte Ägyptens Regierung auf, eine Lösung für die mehreren Hundert betroffenen Bahais zu finden. Diese hätten fünf Jahrzehnte lang ihren Glauben zeigen können, bis sie nun von einem gericht gezwungen worden seien, sich zwischen Islam und Christentum zu entscheiden.

Zusätzlich erschwert wird die Lage der Bahais in Ägypten durch die tatsache, dass sich das religiöse Zentrum der Bahai im Begräbnisort Bahaullahs in Akko, einer Hafenstadt im heutigen Israel befindet. Aus diesem Grund sehen sich ihre Anhänger immer wieder mit dem Vorwurf konfrontiert mit den "zionistischen Besatzern" zu kooperieren.

In der Urteilsbegründung vom Samstag heißt es etwa: "Eines der Hauptziele der Bahai-Bewegung ist die Aufrechterhaltung ihrer Beziehungen zur Besatzungsmacht, von der sie gefördert und geschützt wird." Dass Ägypten seit 1979 mit genau jener Besatzungsmacht einen Friedensvertrag unterhält spielte bei der Gerichtsentscheidung offenbar keine Rolle.

Montag, 18. Dezember 2006

Libyen: Warten auf Urteil im HIV-Prozess

Mit großer Spannung wartet man in Libyen auf das morgige Urteil im HIV-Prozess gegen fünf bulgarische Krankenschwestern und einen palästinensischen Arzt. Den Angeklagten wird vorgeworfen Ende der der 1990er Jahre in einem Krankenhaus der Hafenstadt Benghazi vorsätzlich 426 Kinder mit dem HI-Virus infiziert zu haben. Die Staatsanwaltschaft fordert die Todesstrafe für die Mediziner.

In einem ersten Verfahren wurden Kristijana Waltschewa, Nasja Nenowa, Walentina Siropulo, Walja Tscherwenjaschka und Snejana Dimitrowa sowie Aschraf al-Hajuj 2004 bereits zum Tode durch ein Erschießungskommando verurteilt, der Oberste Gerichtshof Libyens hob diese Entscheidung jedoch später wieder auf.

Die Verteidigung argumentiert, die HIV-Epidemie in dem Kinderkrankenhaus sei bereits vor dem Eintreffen der Krankenschwestern 1998 ausgebrochen und Folge der miserablen hygienischen Zustände in dem Hospital gewesen. Diese Darstellung wurde erst vor wenigen Tagen von der Fachzeitschrift "Nature" gestützt. Blutbilder der infizierten Kinder deuteten demnach darauf hin, dass sich diese zum Teil schon Jahre vor der Ankunft der Europäerinnen mit dem Immunschwächevirus angesteckt hätten.

Gleichwohl ist der Druck auf das Gericht, der von Angehörigen der Opfer und der libyschen Presse ausgeübt wird, ungeheuer hoch. Die staatlich gelenkten Medien des Landes fordern lautstark eine Verurteilung der Beschuldigten. Diese würde jedoch die Annäherung Libyens an den Westen ernsthaft gefährden. Seit der 2003 von Revolutionsführer Gaddafi öffentlich erklärten Aufgabe der Massenvernichtungswaffen-Programme ist der nordafrikanische Staat bemüht, Kapital aus der EU und den USA ins Land zu holen.

Die Vereinigten Staaten versuchen nun offenbar in letzter Minute ein Todesurteil gegen die Mediziner zu verhindern. Mit David Welch schickte das State Department am Freitag jenen Beamten nach Tripoli, der bereits 2003 maßgeblich an den Verhandlungen mit Libyens Staatsführung beteiligt war. Dabei steht noch immer die Zahlung von Kompensationen, dem sogenannten "Blutgeld", im Raum. Bulgariens Regierung hat einen solchen Schritt jedoch vehement abgelehnt, da dies einem Schuldeingeständnis gleichkomme.

Sonntag, 17. Dezember 2006

Erster Wahltag in der Geschichte der VAE

In Abu Dhabi und Fujairah haben gestern die ersten Wahlen in der Geschichte der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) stattgefunden. Die Wähler waren aufgerufen die Mitglieder im Nationalrat zu bestimmen, einem Gremium, dass dem Kabinett des Präsidenten beratend zur Seite steht.

Die Wähler wurden im Voraus von den Herrschern in den jeweiligen Emiraten, den Emiren, persönlich ausgewählt. So wurden in Abu Dhabi 1741 Männer und Frauen berechtigt ihre Stimme als Wähler abzugeben, in Fujairah waren es nur 417. Die Wahlbeteiligung lag bei etwa 60 beziehungsweise 80%.

Morgen wird in den Emiraten Dubai und Ras al-Khaimah gewählt, die dritte Runde der Wahlen findet am Mittwoch in Sharjah, Ajma und Umm al-Quwain statt. Insgesamt sind nur 6595 Menschen wahlberechtigt, unter ihnen 1163 Frauen. Das sind weniger als 1% aller Staatsbürger in den VAE. Und selbst diese bilden angesichts von mehr als 3,7 Millionen Gastarbeitern eine Minderheit im eigenen Staat.

In Abu Dhabi reichten der Kandidatin Amal Abdullah Juma Karam al-Qubaissi schon 265 Stimmen um als eine von vier Vertretern ihres Emirats in den Nationalrat einzuziehen. Sie ist damit die erste Frau in dem Gremium deren Mitglieder fortan zur Hälfte gewählt und zur anderen Hälfte von den Emiren ernannt wird. Weniger erfolgreich war die Kandidatin Muza Khamis Ali al-Suwaidi, die im Emirat Fujairah den Einzug verpasste. 5 Stimmen waren am Ende zu wenig um einen der beiden Plätze zu ergattern.

Die im regionalen Vergleich gesellschaftlich relativ liberalen Emirate sind damit der letzte Staat auf der arabischen Halbinsel, in dem Wahlen zu einer Art Volksvertretung stattgefunden haben. Selbst im ultra-konservativen Saudi-Arabien fanden im vergangenen Jahr Kommunalwahlen statt. Der Emir von Abu Dhabi, der gleichzeitig Staatsoberhaupt der VAE ist, Sheikh Khalifa bin Zayd al-Nahyan, hatte Ende 2005 angekündigt die Wahlen seien nur ein erste Schritt auf dem Weg zur Einrichtung eines Parlaments, das dann von allen erwachsenen Staatsbürgern gewählt werden solle.

Freitag, 15. Dezember 2006

Die vergessene Geschichte arabischer Helden während des Holocaust

Die Konferenz der Holocaust-Leugner in Teheran hat in der vergangenen Woche weltweit die Schlagzeilen bestimmt. Diese Veranstaltung verhöhnt nicht nur die 6 Millionen Opfer des Genozids an den Juden, sie drängt auch die heldenhafte Rolle einzelner arabischer Persönlichkeiten in den Hintergrund, die zahlreichen nordafrikanischen Juden während des zweiten Weltkriegs das Leben retteten.

Robert Satloff, Direktor des Institute for Near East Policy in Washington, beschreibt in seinem im vergangenen Monat erschienenen Buch "Among the Righteous", die Rolle von Arabern in Ländern wie Marokko, Tunesien und Libyen, sowohl als Mittäter als auch als Lebensretter. Er korrigiert mit seinem Werk die gängige Darstellung vom Holocaust als europäischem Phänomen.

Für seine Arbeit forschte Satloff in Archiven vor Ort und befragte muslimische und jüdische Zeitzeugen. Die etwa 500000 Juden Nordafrikas, die unter der Besatzung des französischen Vichy-Regimes lebten, hätten "alle Vorläufer der Endlösung", namentlich anti-jüdische Gesetze, Deportationen und Arbeitslager durchlitten. Die Tod in den Gaskammern blieb ihnen erspart.

Auf der Suche nach einem arabischen Oskar Schindler stieß der Wissenschaftler auf Ali Sakkat, einen ehemaligen Bürgermeister der Stadt Tunis, der unter Einsatz seines eigenen Lebens 60 Juden auf seinem Bauernhof versteckte. Kaddour Benghrabit, Vorsteher der Großen Moschee in Paris, habe 100 Juden gefälschte arabische Ausweise beschafft.

Robert Satloff macht sowohl Juden als auch Araber dafür verantwortlich, dass dieses Kapitel der Geschichtsschreibung bislang weitgehend unentdeckt blieb. Die jüdische Sicht des Holocausts werde häufig aus der Perspektive der Ashkenazen geschrieben, arabische Historiker negierten dieses Thema, um Juden nicht als Opfer darstellen zu müssen. Auch deshalb befindet sich bis heute noch immer kein Araber unter den 19000 Gerechten der Völker von Yad Vashem.

Mittwoch, 13. Dezember 2006

Iran wählt Expertenrat

Mehr als 45 Millionen Iraner sind an diesem Freitag aufgerufen, die Zusammensetzung des Expertenrats neu zu bestimmen, jenes Gremium, das den Obersten Rechtsgelehrten Irans wählt und berät. Die 86 Mitglieder des Expertenrats, persisch: majles-e khobregan, werden für acht Jahre gewählt und haben auch die Befugnis den Obersten Rechtsgelehrten, gegenwärtig Großayatollah Ali Khamenei, abzusetzen.

Alle Angehörigen des Gremiums müssen schiitische Rechtsgelehrte sein und als solche den Rang eines Mujtahid erreicht haben, der sie zur unabhängigen Interpretation der beiden islamischen Rechtsquellen Koran und Sunna befähigt. Jeder der 144 Kandidaten, die sich am 15.Dezember zur Wahl stellen, muss zudem vom mächtigen Wächterrat abgesegnet werden, der laut Verfassung die Tauglichkeit und Tugendhaftigkeit der Kandidaten überprüft.

Die diesjährigen Bewerber um einen Sitz im Expertenrat haben sich zu drei Listen zusammengeschlossen, die politisch-religiös unterschiedliche Strömungen vertreten. Da ist zum einen die "Partei des Nationalen Vertrauens", des omnipräsenten Ex-Präsidenten Akbar Hashemi Rafsanjani, die nach den Maßstäben der Islamischen Republik Iran als liberal gilt.

Am anderen Ende des Spektrums steht die Liste von Ayatollah Mohammad Taghi Mesbah Yazdi, der als geistlicher Berater von Präsident Ahmadinejad fungiert. Der 72-Jährige, auch unter dem Spitznamen "Professor Krokodil" bekannte Kleriker, gilt als entschiedener Gegner der Reformbewegung im Iran, für die etwa Ex-Präsident Mohammad Khatami stand.

Als wahrscheinlich gilt jedoch, dass die Kandidaten der dritten Liste unter dem Namen "Vereinigung militanter Kleriker" ihre Mehrheit im Expertenrat verteidigen können. Die Organisation wurde von Ali Khamenei selbst begründet und ihre Mitglieder im Expertenrat halten dem Obersten Rechtsgelehrten bis heute den Rücken frei. Die Gruppe verfolgt im Wesentlichen einen konservativen Mittelweg zwischen den moderaten Ansichten der Gruppe um Rafsanjani und den ultra-konservativen Kräften um Mesbah Yazdi.

Sollte also der gesitliche Führer Irans, Ali Khamenei, in den kommenden acht Jahren aus dem Leben scheiden, so darf es als wahrscheinlich gelten, dass der Nachfolger das Amt in seinem Sinne fortführen wird.

Dienstag, 12. Dezember 2006

Libanon: Keine Bewegung im Machtkampf zwischen Hizbollah und Regierung

Im Machtkampf zwischen der Hizbollah und der libanesischen Regierung von Ministerpräsident Fuad Siniora zeichnet sich trotz Vermittlungsbemühungen der Arabischen Liga noch immer kein Ende ab. Mustafa Ismail, Sondergesandter der AL, hatte gestern in Damaskus zunächst mit Syriens Staatschef Baschar al-Assad gesprochen und war anschließend in Beirut mit Siniora, dessen Verbündeten Saad Hariri, sowie Nabih Berri, Parlamentssprecher und Vertreter des Anti-Siniora-Lagers zusammengetroffen.

Heute soll zudem der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Moussa, in Beirut eintreffen um Bewegung in den politischen Stillstand zu bringen. Medienberichten zufolge schlägt die AL den libanesischen Konfliktparteien eine Art Kuhhandel vor. So soll Staatspräsident Emil Lahoud, der von der Hizbollah unterstützt wird, doch noch seine Zustimmung zur Einrichtung eines Tribunals geben, das den Mord an Ex-Premier Rafiq Hariri aufklären und sühnen soll. Im Gegenzug soll das anti-syrische Lager der Hizbollah und ihren Verbündeten eine Sperrminorität im Kabinett zubilligen. Damit könnte künftig keine Regierungsentscheidung an der von Syrien unterstützten Schiiten-Partei gefällt werden.

Der AL-Gesandte Ismail erklärte gestern, beide politischen Lager hätten ihre "grundlegende Zustimmung" zu diesem Kompromißangebot erklärt. Gleichwohl berichtete der Sender LBC, Premier Siniora lehne jeden Deal, der das Tribunal zum Gegenstand habe, ab.

Seit dem 1. Dezember belagern zehntausende Demonstranten aller Konfessionen den Regierungssitz von Ministerpräsident Siniora. Sie forden die Beteiligung pro-syrischer Parteien, wie etwa der schiitischen Hizbollah und Amal oder der christlichen Freien Patriotischen Bewegung von General Michel Aoun an der Regierung. Deren Kabinettsmitglieder waren zuvor von ihren Ämtern zurückgetreten, da sie ihre Gruppen nicht angemessen in der Regierung vertreten sahen.

Montag, 11. Dezember 2006

Zinedine Zidane reist nach Algerien

Frankreichs Fußballerlegende Zinedine Zidane reist heute zum ersten mal seit 20 Jahren nach Algerien, das Heimatland seiner Eltern. Auf Einladung des algerischen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika wird der 34-Jährige gemeinsam mit seinen Eltern fünf Tage lang in dem nordafrikanischen Land zu Gast sein.

Unter anderem wird Zizou in der Stadt Bourmedes ein Gesundheitszentrum eröffnen, das der Ex-Fußballer mit den Einnahmen aus einem Benefizspiel der französischen Nationalmannschaft finanziert hat. In der Region Bourmedes östlich der Hauptstadt Algiers waren bei einem schweren Erdbeben am 21.Mai 2003 mehr als 2000 Menschen getötet und weitere 10000 verletzt worden.

Zidanes Eltern stammen aus dem Dorf Aguemoune in der Kabylei, einer Region im Norden Algeriens, die mehhreitlich von Berbern bewohnt wird. Die Kabylei zählt seit jeher zu den ärmsten Regionen des Landes. Daher verlassen gerade junge Leute oftmals ihre Heimat um im Ausland Arbeit zu finden. Zidanes Eltern verließen Algerien bereits 1962 und siedelten sich in Marseille nieder, wo der junge Zizou gemeinsam mit drei Brüdern und einer Schwester aufwuchs.

1986 war Zidane als 14-Jähriger zum letzten Mal im Heimatland seiner Eltern, sechs Jahre bevor der Machtkampf zwischen Islamisten und Militär das Land in einen blutigen Bürgerkrieg stürzte, der Hunderttausenden das Leben kostete. Nicht wenige erhoffen sich daher vom Besuch der Identifikationsfigur Zinedine Zidane einen weiteren Beitrag auf dem Weg der Wiederversöhnung.

Am Donnerstag soll der Weltmeister von 98 zudem den symbolischen Anstoß zu einem algerischen Ligaspiel ausführen. Algeriens Fußball versucht seit Jahren vergebens an die Erfolge der 1980er Jahre anzuknüpfen, als sich das Land zwei Mal in Folge für die WM qualifizieren konnte und in der Vorrunde der WM 1982 in Spanien sogar die deutsche Nationalmannschaft mit 2:1 besiegen konnte.

Samstag, 9. Dezember 2006

Gipfeltreffen des Golfkooperationsrats beginnt in Riad


Die Staatschefs der sechs Mitgliedsländer im Golf-Kooperationsrat (GCC) kommen heute in Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad zu ihrem jährlichen Gipfeltreffen zusammen. Nach Auskunft von GCC-Generalsekretär Abdulrahman bin Hamad al-Attiyah werden die Entwicklungen im Konflikt um das iranische Atomprogramm, sowie die Lage im Irak und ihre Auswirkungen auf die Golfstaaten im Mittelpunkt der Unterredungen stehen.

Die GCC-Staaten Bahrain, Kuwait, Oman, Qatar, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate fürchten UN-Sanktionen gegen den Iran, da diese das Verhältnis zum persischen Nachbarn am anderen Ufer des Golfs negativ beeinflussen könnten. US-Außenministerin Condoleezza Rice hatte bei einem Treffen mit ihren Amtskollegen aus Ägypten und Jordanien sowie der Golfregion vergeblich versucht, diese vom Nutzen der UN-Sanktionen gegen den Iran zu überzeugen.

"Die USA sprechen offen von der Gefahr iranischer Militäraktionen in der Region, aber unsere Länder fühlen sich von Teheran nicht bedroht. Iranische Offizielle versichern uns, dass das iranische Nuklearprogramm friedlichen Zwecken diene.", so al-Attiyah weiter. Eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen den Vereinigten Staaten und dem Iran hätte auch für die arabischen Länder verheerende Folgen und würde ein Ende des Wirtschafts- und Tourismusbooms am Persischen Golf nach sich ziehen.

Neben den Themen Iran und Irak werden auch die weiteren Schritte auf dem Weg zu einer Währungsunion auf der arabischen Halbinsel während des zweitägigen Gipfeltreffens zur Sprache kommen. Bis 2010 wollen die Staaten des Golf-Kooperationsrats eine gemeinsame Währung nach Vorbild des Euro einführen. Die Golfregion wäre damit nach dem Euroraum die zweitbedeutendste supranationale Währungsintegration.

Freitag, 8. Dezember 2006

"Frauenrechte sind Schlüssel zu wirtschaftlicher Entwicklung im Nahen Osten"

Die Benachteiligung der Frau blockiert die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in der Arabischen Welt - zu diesem Schluss kommt der "Arab Human Development Report 2005" der UN, der am Mittwoch in Genf vorgestellt wurde. Den Frauen in Nordafrika, sowie dem Nahen und Mittleren Osten müsse der Zugang zu Bildung, Arbeit, Gesundheitsversorgung und dem öffentlichen Leben erleichtert werden, fordern die Autoren des Berichts. Der Arab Human Development Report (AHDR) wird seit 2002 jährlich von unabhängigen arabischen Akademikern zusammengestellt.

Umfragen in vier arabischen Staaten, die im Rahmen des diesjährigen Berichts durchgeführt wurden, zeigen, dass die gesellschaftliche Akzeptanz für eine größere Teilhabe der Frau am öffentlichen Leben durchaus vorhanden ist. In Marokko, Ägypten, Jordanien und Libanon wurden jeweils 1000 Männer und Frauen befragt und 98% von ihnen waren der Meinung, dass Mädchen und Frauen bis zur Hochschule die gleiche Bildung genießen sollten wie der männliche Teil der Bevölkerung. Gleichwohl ist im Jahr 2006 noch immer jede 2. arabische Frau Analphabetin.

97% der Befragten verurteilten zudem das Schlagen der Ehefrau. Nur 2% weniger waren der Ansicht, dass Frauen ihren Ehepartner selbst wählen sollten. Zudem erklärten 91% der Umfrageteilnehmer Frauen hätten das gleiche Recht auf Arbeit wie die arabischen Männer.

Geteilt waren die Meinungen über das islamische Kopftuch. Etwa die Hälfte der Befragten erklärte, Frauen sollten dieses nur aus freien Stücken tragen. Ein fast ebenso großer Teil war jedoch der Ansicht, die Frau sei in jedem Fall verpflichtet das Haar zu verhüllen.

Auf die Frage, ob sie ein weibliches Staatsoberhaupt akzeptieren würden, antworteten die Umfrageteilnehmer von Land zu Land sehr unterschiedlich. Im Libanon lehnten nur 17,5% von ihnen ein Frau an der Spitze des Staates ab. In Marokko sprachen sich 40% dagegen aus, in Jordanien knapp 60% und in Ägypten wollen gar 72% der Befragten ausschließlich von Männern regiert werden.

Nach Ansicht der arabischen Wissenschaftler, die den Arab Human Development Report erstellten, ist die Benachteiligung der Frauen in der arabischen Welt weniger mit dem Islam zu begründen. Die entscheidenden Faktoren seien vielmehr politische Stagnation, die traditionelle männliche Dominanz, sowie Folgen zahlreicher Kriege.

Um die Lage der Frau in den islamischen Merhheitsgesellschaften des Nahen Ostens zu bessern, stellt der AHRD mehrere Forderungen.:
- Respekt vor den Bürgerrechten aller arabischer Frauen
- Schutz der Privatsphäre sowie der familiären Beziehungen
- Respekt vor den individuellen Frauenrechten

Donnerstag, 7. Dezember 2006

Somalias Islamisten drohen UNO-Truppen mit Krieg


Die "Union der Islamischen Gerichte" in Somalia hat angekündigt, keine ausländischen Soldaten im Land zu dulden und diese entschlossen zu bekämpfen. Sie reagieren damit auf die gestern vom UN-Sicherheitsrat beschlossene UN-Resolution 1676, in der die Entsendung einer 8000 Mann starken Blauhelmtruppe nach Somalia angeordnet wird, die der unter Druck geratenen Interimsregierung zur Hilfe kommen soll.

Ibrahim Adow, Sprecher der Islamisten, erklärte gegenüber BBC: "Die Entsendung ausländischer Truppen nach Somalia wird als Invasion angesehen und das somalische Volk ist bereit, sich selbst gegen diese Agression zu verteidigen." Der Großteil Somalias sei befriedet, so Adow weiter.

Diese Darstellung spiegelt die tatsächlichen Verhältnisse am Horn von Afrika, wo seit 15 Jahren ein blutiger Krieg zwischen verschiedensten Milizen tobt nur unzureichend wieder. Zwar hat die Union Islamischer Gerichte den Süden Somalias weitgehehend unter ihre Kontrolle gebracht und dort teilweise ein rigides Rechtssystem aufgebaut, das ihren Vorstellungen vom islamischen Recht entspricht. Gleichwohl herrschen im Großteil des Landes noch immer Rechtlosigkeit und Anarchie.

Ob die beschlossene UNO-Truppe jemals tatsächlich aufgestellt und nach Somalia entsandt steht gegenwärtig noch in den Sternen. Die Organisation der ostafrikanischen Staaten, Igad, soll für die Zusammenstellung der Blauhelmsoldaten verantwortlich zeichnen. Ob diese sieben Armeen dazu auch in der Lage dazu sind, ist zumindest zum derzeitigen Zeitpunkt fraglich. Daher bleibt abzuwarten ob die Resolution 1676 über eine symbolische Unterstützung der somalischen Übergangsregierung hinausgehen wird.

Mittwoch, 6. Dezember 2006

Iran verbietet YouTube

Irans Behörden haben den Zugang zur Internet-Video-Plattform YouTube gesperrt. Nach Angaben der Organisation "Reporter ohne Grenzen" ist die Seite genauso wie die Internetpräsenz der New York Times seit dem 1. Dezember nicht mehr vom Iran aus erreichbar.

Besucher aus Teheran, Mashhad oder Bandar Abbas werden unter den betreffenden Internetadressen mit der Nachricht begrüßt.:"Auf der Grundlage der Gesetze der Islamischen Republik Iran, ist der Zugang zu dieser Internetadresse nicht gestattet."

Ein Grund für die Zensur von YouTube dürfte darin liegen, dass iranische Oppositionsgruppen wie die Mojahedeen-e Khalq die Plattform zur Verbreitung regimekritischer Videos nutzen. Darüber hinaus finden sich in dem Videoportal zahlreiche iranische Musikvideos, die der religiösen Führung des Landes ein Dorn im Auge sind.

"Die Regierung versucht eine digitale Grenze zu errichten, um ausländische Kultur und Nachrichten aufzuhalten. Dies ist eine Vision vom Internet, die für die Zukunft des Landes sehr beunruhigend ist.", so die Erklärung von "Reporter ohne Grenzen". Mittlerweile sei die Zensur im Iran eher die Regel als die Ausnahme. Dadurch laufe das Internet Gefahr zu einem "Medium der Intoleranz" zu werden.

Bereits im November hatte die Organisation die Islamische Republik Iran als "Feind des Internet" bezeichnet. Neben der Filterung von etwa 10 Millionen Internetseiten bemängelten die "Reporter ohne Grenzen" auch das kürzlich eingeführte Verbot von Breitbandverbindungen ins Internet, wodurch der Download von Videos oder Audio-Dateien deutlich erschwert wird.

Sie können sich diesen Artikel auch als Podcast anhören.

Dienstag, 5. Dezember 2006

Irak: Bagdad versinkt im Chaos

Iraks Hauptstadt Baghdad wird mehr und mehr zu einer gesetzeslosen Stadt, in der marodierende Milizen das Recht in die eigenen Hände nehmen - zu diesem verheerenden Fazit kommt ein Bericht der irakischen Tageszeitung "az-Zaman", der sich teilweise wie ein verzweifelter Hilferuf liest.

Weder die US-Truppen noch die irakische Armee seien in der Lage dem Chaos Einhalt zu gebieten, die Zahl der täglichen Geiselnahmen und Attentate hat ein bislang unvorstellbares Ausmaß angenommen, so das Blatt weiter.

Erst kürzlich sei mit Lameh Omar ein hochrangiger Berater der Verteidigungsministers entführt und wenig später ermordet worden. Im Stadtviertel Doura hätten Bewaffnete mehrere Häuser gestürmt und die jungen Männer der Familien mitgenommen. Deren verstümmelte Leichen habe man dann später auf einem Platz im gleichen Stadtteil zurückgelassen.

Der Großteil der täglichen Grausamkeiten in Baghdad bleibt nach Einschätzung von "az-Zaman" von der Öffentlichkeit unentdeckt, auch weil ausländische Journalisten ihre hochgesicherten Hotels aus Furcht vor Anschlägen selbst praktisch nicht verlassen können.

Die Situation in der 6-Millionen-Einwohner-Metropole verschlimmere sich mit jedem Tag. Ethnische, genauer: religiöse, Säuberungen ungeahnten Ausmaßes finden in Bagdad statt. Verbrechen von Sunniten an Schiiten und umgekehrt sind an der Tagesordnung, ganze Stadtviertel würden von Mitgliedern der jeweils anderen Glaubensrichtung "gesäubert".

Erst gestern hatten Äußerungen von UN-Generalsekretär Kofi Annan für Aufsehen gesorgt, in denen er erklärt hatte, die Lage im Zweistromland sei schlimmer als in einem Bürgerkrieg und den Irakern gehe es im Durchschnitt heute schlechter als in der Diktatur Saddam Husseins.

Ähnlich pessimistisch lesen sich auch die letzten Zeilen des az-Zaman-Artikels: "Und es gibt immer noch kein Ende am Ende des Tunnels und die hilflosen Einwohner sind pessimistischer über ihre Zukunft als jemals zuvor."

Montag, 4. Dezember 2006

Qatar zahlt Löhne für palästinensische Angestellte

Qatars Emir Hamad bin Khalifa al-Thani hat angekündigt für mehrere Monate die Gehälter der etwa 40000 palästinensischen Beamten zu übernehmen, die im Bildungsbereich angestellt sind. Diese mussten seit März diesen Jahres auf im Schnitt 60% ihres Lohns verzichten oder waren gänzlich ohne Gehalt geblieben, nachdem USA und EU die finanzielle Unterstützung der palästinensischen Regierung unter der Führung der Hamas eingestellt hatten.

Die Geberländer hatten die Fortführung ihrer Zahlungen an die Bedingung geknüpft, dass die Hamas, die von der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten als Terrororganisation eingestuft wird, der Gewalt abschwört und das Existenzrecht Israels anerkennt. Dies hatte die radikal-islamische Bewegung abgelehnt. Erschwerend kam hinzu, dass die israelischen Behörden Steuergelder, die der israelische Staat für die palästinensische Autonomiebehörde kassiert, einbehielt. Daraufhin waren die Lehrer im Gazastreifen und dem Westjordanland im September in einen zweimonatigen Streik getreten.

Der palästinensische Ministerpräsident Ismail Haniya erklärte gestern nach einem Treffen mit dem Emir von Qatar, die finanziellen Zuwendungen des Golfstaats beliefen sich auf mehr als 22 Millionen US-Dollar pro Monat. Daneben erwäge Emir Hamad eine Unterstützung des palästinensischen Gesundheitswesens in Höhe von 7 Millionen Dollar.

Ungeachtet des Boykotts durch EU und USA ist die katastrophale wirtschaftliche Lage in den palästinensischen Gebieten auch eine Folge von Missmanagement der Hamas-Regierung. Laut einem Bericht des Internationalen Währungsfonds floss zwischen April und September 2006 mehr ausländisches Geld in die Palästinensische Autonomiebehörde als im gleichen Vorjahreszeitraum. Der Großteil dieser Hilfsgelder kam aus den arabischen Staaten.

Unter dem Strich musste die palästinensische Autonomiebehörde dennoch im 2. und 3.Quartal dieses Jahres mit etwa 700 Millionen US-Dollar weniger auskommen als im gleichen Zeitraum des Jahres 2005.

Sonntag, 3. Dezember 2006

Mahmud Ahmadinejad schreibt Brief ans amerikanische Volk

Irans Präsident Mahmud Ahmadinejad hat sich in einem Brief ans amerikanische Volk gewandt. Darin fordert er die USA zum Rückzug aus dem Irak auf. In dem Brief, den der Politiker auf seinem Blog veröffentlicht hat, schreibt Ahmadinejad.: "Jetzt, da der Irak eine Verfassung, ein unabhängiges Parlament und eine Regierung hat, wäre es da nicht vorteilhaft die US-Soldaten nach Hause zu bringen und die astronomischen Militärausgaben im Irak für Sozialleistungen und den Wohlstand des amerikanischen Volkes auszugeben? Wie Sie sehr gut wissen, leiden noch immer sehr viele Opfer des Hurrikans Katrina und zahllose Amerikaner sind obdachlos und leben in Armut."

Generell zeigt sich Mahmoud Ahmadinejad in seinem Schreiben bemüht einen Keil zwischen US-Bürger und Regierung zu treiben. Er lobt einerseits die amerikanische Nation als "gottesfürchtig, wahrheitsliebend und nach Gerechtigkeit strebend", andererseits missachte die gegenwärtige US-Regierung jedoch genau diese Werte. Das iranische und das amerikanische Volk hätten eine gemeinsame Verantwortung "Freiheit, Menschenwürde und Integrität zu fördern und zu schützen."

Ein großer Teil des Briefes, in dem der Konflikt um das iranische Atomprogramm nicht thematisiert wird, widmet sich Ahmadinejads Darstellung des Palästinakonflikts. So schreibt er.: "Sie wissen sehr gut, dass die US-Regierung dem zionistischen Regime blinde und bedingungslose Unterstützung zugesichert und zur Fortführung seiner Verbrechen ermutigt hat. Dann hinderte sie den UN-Sicherheitsrat an der Verurteilung dieser Verbrechen."

Des weiteren fordert Irans Präsident die US-Bürger auf, die Rolle der USA im so genannten "Krieg gegen den Terror" zu überdenken. "Sie haben sicher von den traurigen Geschichten aus den Gefängnissen von Abu Ghraib und Guantanamo gehört. Die US-Regierung versucht diese mit dem Krieg gegen den Terror zu rechtfertigen. Aber jeder weiß, dass ein derartiges Verhalten die globale öffentliche Meinung negativ beeinflusst, dadurch den Terrorismus stärkt und das Image der USA und ihre Glaubwürdigkeit unter den Nationen beschädigt."

Als Reaktion auf die neuen Mehrheitsverhältnisse im US-Kongress, in dem nun die Demokraten die Mehrheit stellen erklärt Ahmadinejad.: "Nun, da Sie einen wichtigen Zweig der US-Regierung kontrollieren werden auch Sie sich vor den Menschen und der Geschichte verantworten müssen."

In seinen Schlusssätzen fordert der iranische Präsident die Amerikaner auf, sich für die Errichtung von Gerechtigkeit und Spiritualität in der ganzen Welt einzusetzen. Ahmadinejads Brief schließt mit zwei Versen aus Sure 28 des Koran. Darin heißt es.: "Wer aber umkehrt und glaubt und Gutes tut, der möge zu denen gehören, denen es wohl ergeht. Und dein Herr erschafft und wählt, was Er will. Sie aber haben nicht die Möglichkeit zu wählen. Preis sei Gott! Und erhaben ist Er über das, was sie (Ihm) beigesellen."(28:67-68)

Freitag, 1. Dezember 2006

Libanon: Hunderttausende fordern Rücktritt der Regierung

Mehrere hunderttausend Libanesen haben sich zur Stunde im Zentrum Beiruts versammelt um gegen die Regierung von Ministerpräsident Fuad Siniora zu protestieren. Sie folgen damit einem Aufruf von Hizbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah, der seine Anhänger gestern in einer TV-Ansprache zur Teilnahme an der Demonstration unter dem Motto „Wir wollen eine saubere Regierung“ aufgefordert hatte.

Nach Angaben des Beiruter „Daily Star“ gelang es den Demonstranten offenbar das öffentliche Leben in Beirut Downtown weitgehend lahmzulegen. Die Universitäten schlossen am heutigen Freitag, der von der Hizbollah kurzerhand zum „Tag der nationalen Einheit“ erklärt wurde, bereits um 10 Uhr, viele Läden und Banken in der Innenstadt blieben ganztägig geschlossen.

Hassan Nasrallah hatte angekündigt, die Proteste könnten möglicherweise Wochen andauern, so lange jedenfalls bis die Forderungen der Allianz aus Hizbollah, Amal-Bewegung und der „Freien Patriotischen Bewegung“ des christlichen Ex-Generals Michel Aoun erfüllt seien. Die pro-syrischen Kräfte fordern im Kern eine stärkere Rolle in der libanesischen Politik. Erklärtes Mindestziel ist es, künftig so viele Minister in einer Regierung der nationalen Einheit zu stellen, dass es unmöglich ist, politische Entscheidungen gegen den Willen der Hizbollah und ihrer Verbündeter zu treffen.

Ministerpräsident Siniora zeigt sich bislang unbeeindruckt von den Protesten. Er wirft der Opposition vor, von Syrien und Iran gesteuert zu werden und einen Putsch gegen die Regierung zu planen. Bislang haben jedoch lediglich einige hunderttausend Libanesen, die Mehrzahl von ihnen Schiiten, von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch gemacht. Gleichzeitig werfen die Demonstranten der Regierung in Sprechchören vor, den USA und Frankreich hörig zu sein. Unter dem Jubel der Menge forderte Michel Aoun Ministerpräsident Siniora zum Rücktritt auf.

Siniora selbst war im vergangenen Jahr auf ähnliche Weise an die Regierungsspitze gelangt. Nach dem Mord an Rafik Hariri führten Massenproteste im Zuge der so genannten „Zedernrevolution“ zum Rücktritt der pro-syrischen Regierung von Regierungschef Omar Karame. Nach den Parlamentswahlen einigte sich dann die anti-syrische Parlamentsmehrheit auf Fuad Siniora als neuen Premier. In der Regierung waren bis vor wenigen Wochen auch fünf schiitische Minister vertreten, die der Allianz aus Hizbollah und Amal angehörten.

Es bleibt abzuwarten wie die Regierung auf die Proteste reagieren wird. Saad Hariri, Mehrheitsführer in der Nationalversammlung, fordert seine Anhänger zur Zurückhaltung auf. Gleichwohl wurden die Sicherheitsvorkehrungen in Beirut massiv verstärkt.Viele Geschäftsleute in Beiruts Zentrum fürchten die Konsequenzen, sollten sich die Proteste wirklich zum angekündigten wochenlangen Sit-In auswachsen. Ein Geschäftsmann erklärte: „Wenn die Proteste länger als 10 Tage dauern, werden 30% der Restaurants in Beirut Downtown für immer schließen.“