Samstag, 29. September 2007

Syrien: Sunnitischer Prediger erschossen

Einer der wichtigsten sunnitischen Prediger Syriens, Mahmoud Qul Aghasi auch bekannt als "Abu al-Qaaqaa" ist gestern in Aleppo emordet worden. Er wurde nach dem Freitagsgebet beim Verlassen der al-Iman-Moschee von mehreren Schüssen getroffen und verstarb wenig später im al-Shahaba-Krankenhaus von Aleppo. Der Täter konnte zunächst fliehen wurde aber später festgenommen.

Der kurdisch-stämmige Aghasi war ein ebenso charismatischer wie radikaler sunnitischer Prediger. Nach der US-Invasion im Irak rief er offen zum Kampf gegen die Besatzung auf und rekrutierte in Syrien Kämpfer, die anschließend Anschläge in Syriens östlichem Nachbarland durchführen sollten.

BBC berichtet unter Berufung auf Samir Abu Khashbeh der Mörder Aghasis sei im Irak von den USA gefangengenommen und erst vor kurzem freigelassen worden. Der Täter habe den Prediger als "amerikanischen Agenten" angesehen.

Spekulationen ranken sich um das Verhältnis zwischen Aghasi und dem syrischen Regime von Bashar al-Assad. Eigentlich war die radikal-sunnitische Propaganda des Predigers eine Gefahr für die syrische Führung, die von der religiösen Minderheit der Alewiten dominiert wird, die von Radikalen vom Schlage Aghasis als Ungläubige betrachtet werden. Gleichwohl soll dieser in den letzten Jahren nicht offen gegen das Baath-Regime agitiert haben.

Die libanesische Zeitung "an-Nahar" bezeichnete Aghasi heute als "Gottvater" der "Fatah al-Islam", die sich in den vergangenen Monaten im palästinensischen Flüchtlingslager Nahr al-Bared im Libanon einen Krieg mit der libanesischen Armee lieferte. Fatah al-Islam und ihrem Anführer Shaker al-Absi wiederum werden Kontakte zum syrischen Geheimdienst nachgesagt.

Die Homepage Aghasis ist inzwischen nicht mehr erreichbar.

Freitag, 28. September 2007

"Dringender Spendenaufruf, wir brauchen Ihre Hilfe!"

Diese E-Mail hat mich gerade aus Beirut erreicht:

Am Mittwoch vergangener Woche ist bei dem Bombenanschlag in einem christlichen Viertel in Beirut eine junge Deutsch – Libanesin aufs Schwerste verletzt worden. Der Anschlag galt dem Parlamentarier Antoine Ghanem.

Die 26-jährige Hayat Dandache wartete auf ihren Bus, der sie von der Arbeit nach Hause bringen sollte, dann ging in unmittelbarer Nähe die Bombe hoch.

Hayat kam vor ca. 1 Jahr in den Libanon, das Land aus dem ihr Vater stammte. Sie fühlte sich wohl hier, lernte ihren Mann hier kennen und fand schnell eine Arbeitsstelle. Hayat war im zweiten Monat schwanger.

Nun liegt sie mit schwersten Verbrennungen und Verletzungen in einem Krankenhaus in Beirut. Das Kind hat sie verloren. Sie schwebt in Lebensgefahr.

Trotz aller Bemühungen der Ärzte hier, Hayat muss in eine Spezialklinik in Deutschland, wenn sie eine Überlebenschance haben soll. Das stellten gestern bei einem Treffen im Krankenhaus die Ärzte, die Vertreter der Deutschen Botschaft und der Ev. Gemeinde, sowie die aus Deutschland angereiste Mutter und der Ehemann der Schwerverletzten fest.

Doch es gibt keine Krankenkasse, die den Transport bezahlt. In Deutschland war Hayat nicht mehr versichert. Da Hayat Deutsch-Libanesin ist, ist im Libanon der libanesische Staat zuständig, Doch dieser kommt nur für die Erstbehandlungskosten im Libanon auf. Deutschland hat jetzt die Vorfinanzierung der Transportkosten von ca. 20,000 € zugesagt, doch das Geld muss zurückgezahlt werden. Und in Deutschland wartet eine langjährige und kostspielige Behandlung auf sie.

Am Montag soll Hayat nach Deutschland ausgeflogen werden. Wir sind alle erleichtert, dass wir so weit gekommen sind und danken der Deutschen Botschaft für die schnelle und unbürokratische Hilfe.

Nun brauchen wir Ihre Hilfe. Helfen Sie mit, dass Hayat eine Überlebenschance und die für sie notwendige Behandlung bekommt.

Die Ev. Kirche in Deutschland hat sich spontan bereit erklärt, ein Spendenkonto zur Verfügung zu stellen.

Leiten Sie diese Email an alle ihre Freunde, Bekannten, Gemeinden, Organisationen, Firmen… weiter mit der Bitte um Spenden. Auch die kleinste Spende hilft, wenn wir viele sind.


Spendenkonto:

Kasse der EKD
Bank: EKK Hannover
Konto - Nr.: 660000
BLZ: 52060410

Kennwort: Bombenopfer Beirut

Das Kennwort muss unbedingt auf dem Überweisungsträger erscheinen.


Wir danken Ihnen für Ihre Hilfe.

Pfr.in Friederike und Pfr. Uwe Weltzien

(Pfr. der Ev. Gemeinde Beirut)

Streiks und Proteste in Ägypten

Ägyptens Staatsführung sieht sich gleich an mehreren Fronten Protesten ihrer Bürger gegenüber, die sich staatlicher Willkür, Gängelung und Misswirtschaft erwehren. Zum einen halten seit vergangenem Sonntag mehrere tausend Arbeiter eine der größten Textil-Fabriken Ägyptens, die "Misr Spinning and Weaving Company" in Al-Mahalla Al-Kubra in Nordägypten besetzt. Sie protestieren damit gegen schlechte Arbeitsbedingungen und ausbleibende Löhne. Der Streik ist schon jetzt einer der größten Arbeitnehmerproteste in der Amtszeit von Staatspräsident Hosni Mubarak. Mehrere mutmaßliche Streikführer wurden am Montag von der Polizei festgenommen.

Im Kern geht es um nicht erfüllte Forderungen der Unternehmensführung. Diese hatte den 27000 Textilarbeitern im vergangenen Jahr eine Bonuszahlung versprochen, sollte der Gewinn des staatseigenen Unternehmens mehr als umgerechnet 7,5 Millionen Euro betragen. Tatsächlich erwirtschaftete die Fabrik nach Arbeitnehmerangaben mehr als 25 Millionen Euro Gewinn. Die Arbeiter warten jedoch bis heute auf die Auszahlung der versprochenen Bonuszahlungen in Höhe von knapp 20 Euro pro Person.

Nun fordern sie die Absetzung der Unternehmensführung unter Präsident Muhib Salah al-Din, sowie der Vertreter der staatlichen Gewerkschaft, die sich nicht genügend für die Rechte der Arbeiter eingesetzt hätten. Staatdessen sei das Geld in den Fußballverein des Textilwerks, "Ghazl al-Mehalla", und den Bau eines neuen Stadions geflossen.

Der Durchschnittslohn der Arbeiter in Al-Mahalla al-Kubra beträgt eigenen Angaben nach weniger als 2 Euro pro Tag, in Europa oder den USA werden die in Ägypten hergestellten Textilien für ein Vielfaches dessen verkauft. Gleichwohl bestreiten Fabrikführung und Regierung, die von den Arbeitern vorgelegten Zahlen über die Unternehmensprofite und Arbeitsministerin Aisha Abdel-Hady erklärte gegenüber "al-Ahram Weekly" das Vorgehen der Arbeiter für "ungesetzlich". Diese bemühren sich ihrerseits darum, sich von keiner politischen Bewegung vereinnahmen zu lassen, schon gar nicht von den Muslimbrüdern. Unter diesem Vorwand könnte die Regierung dem Streik nämlich schnell mit drastischen Mitteln ein Ende bereiten.

Ganz anderen Schikanen seitens des ägyptischen Regimes sehen sich die Vertreter unabhängiger Medien gegenüber. In den vergangenen Wochen sind die Herausgeber der Tageszeitungen ""al-Dustur", "al-Fagr", "Sawt al-Umma" und "al-Karama" zu Haft- und Geldstrafen verurteilt worden. Das Gericht verurteilte sie wegen "Angriffen auf die regierende Partei", die geneigt seien deren führende Köpfe, allen voran Husni Mubarak und seinen Sohn Gamal zu diffamieren.

Am 1.Oktober wird sich der Herausgeber von "al-Dustur", Ibrahim Eissa, in einem weiteren Verfahren vor einem Staatssicherheits-Gericht verantworten müssen, gegen dessen Urteil kein Einspruch erhoben werden kann. Hintergrund sind Berichte in Eissas Zeitung in denen über einen verschlechterten Gesundheitszustand des 79-jährigen Mubarak spekuliert wurde. Ibrahim Eissa drohen bis zu 3 Jahre Haft. Die USA zeigten sich besorgt über das Vorgehen gegen die unabhängigen Zeitungen. Von ägyptischer Seite wurden die Bemerkungen des Weißen Hauses umgehend als "inakzeptable Einmischung" bezeichnet.

Aus Protest gegen die Untersrückung der Pressefreiheit haben die Herausgeber von 15 unabhängigen Zeitungen in Ägypten angekündigt, am 7.Oktober keine Zeitungen zu veröffentlichen.

Donnerstag, 27. September 2007

Korruption hemmt wirtschaftliche Entwicklung im Nahen und Mittleren Osten

Jordanien, Bahrain und Oman gehören zu den Ländern, in denen die Korruption im vergangenen Jahr signifikant zugenommen hat. Dies geht aus dem Korruptionswahrnehmungsindex (CPI) 2007 hervor, der gestern von Trancparency International vorgestellt wurde. Der Index bewertet 180 Länder hinsichtlich der Verbreitung von Korruption auf Grundlage der Wahrnehmung von Ökonomen und Analysten. Die Staaten werden in einer Skala von 1 bis 10 bewertet, wobei der Wert "10" bedeutet, dass Korruption praktisch nicht existiert und "1" einen in höchstem Maße korrupten Staat kennzeichnet.

Von den Staaten des Nahen und Mittleren Ostens sowie Nordafrikas schneidet Israel auf Rang 30 am Besten ab. Es folgen Qatar und die Vereinigten Arabischen Emirate auf den Rängen 32 und 34. Jordanien, Bahrain und Oman liegen zwar auch noch in der oberen Hälfte der 180 untersuchten Länder, gleichwohl ist Korruption hier in den vergangenen 12 Monaten deutlich stärker wahrgenommen worden, als noch 2006.

Oman und Jordanien haben ebenso wie alle anderen Staaten der Region in der TI-Skala einen Wert unter 5 erzielt. In all diesen Staaten gilt Korruption als "ernsthaftes Problem". Dazu gehören auch Tunesien, Marokko, und Saudi-Arabien.

Länder, deren CPI-Wert bei 3 oder darunter liegt, werden als "zügellos korrupt" wahrgenommen. Dazu zählen Algerien, Libanon, Ägypten, Iran, Libyen, Jemen und Syrien. Zu den "Top 10" der korruptesten Staaten gehören wie im vergangenen Jahr der Sudan und Irak, sowie das 2006 nicht untersuchte Somalia, dessen CPI-Wert bei 1,4 Punkten liegt.

Mittwoch, 26. September 2007

Algerien plant Riesenmoschee

Algeriens Regierung plant den Bau der drittgrößten Moschee der Welt, die bis zu 120000 Gläubigen Platz bieten soll. Prunkstück des Baus an der Bucht von Algier soll das 300 Meter hohe Minarett werden, das damit das größte seiner Art in der Welt würde.

Auf dem 20 Hektar großen Baugrundstück in der Gemeinde Mohamaddia im Osten der Hauptstadt Algier sollen neben dem Gotteshaus unter anderem eine Koranschule, eine Bibliothek, ein Zentrum für Islamische Studien, ein Kulturzentrum, ein Hotel und eine Grünanlage errichtet werden. "Algerien fehlt eine große Moschee, die sinnbildlich für die Zeit seit der Uanbhängigkeit steht.", erklärte Abdellah Tamine, Sprecher des Ministeriums für religiöse Angelegenheiten, bei der Vorstellung des Projekts vor einer Woche. Zu den Kosten für den Moscheebau wurden keine Angaben gemacht.

An dem Architektur-Wettbewerb für die Moschee haben sich 17 Büros aus 11 Ländern beteiligt. Anfang Oktober wird ein Experten-Kommittee eine Vorauswahl treffen, bevor Staatspräsident Abdelaziz Bouteflika persönlich aus den 5 besten Vorschlägen den Gewinner der Ausschreibung küren wird.

Nach offiziellen Angaben sind momentan 15000 Moscheen in Algerien in Betrieb, weitere 3400 sind gegwärtig in Bau. Seit der Unabhängigkeit von Frankreich 1962 wurde im Schnitt an jedem Tag eine Moschee in Algerien eingeweiht. Die "Mosquée d’Alger" wäre die drittgrüßte Moschee weltweit, nach der "Masjid al-Haram" in Mekka, die mehr als 800000 Muslimen Platz bietet, und der Prophetenmoschee "Masjid al-Nabawi" in Medina.

Der Baubeginn für die Moschee in Algerien ist für das Jahr 2009 geplant, die Eröffnung soll 2013 stattfinden.

Dienstag, 25. September 2007

Libanon: Präsidentschaftswahlen vertagt - Machtpoker geht weiter

Libanons Parlamentssprecher Nabih Berri hat die Präsidentschaftswahlen auf den 23. Oktober vertagt. Eigentlich hätte heute der erste Wahlgang stattfinden sollen, doch wurde dieser von der Opposition größtenteils boykottiert, so dass sich weniger als die erforderlichen zwei Drittel der 128 Abgeordneten im Sitzungssaal versammelten. Gemäß der libanesischen Verfassung muss der Staatspräsident im ersten Wahlgang mit Zwei-Drittel-Mehrheit von der Nationalversammlung gewählt werden.

Zuvor waren viele Abgeordnete des Regierungslagers unter strengen Sicherheitsvorkehrungen aus ihren Unterkünften im Phoenicia-Hotel zum Parlamentsgebäude in Beirut Downtown gebracht worden. Dort hatten sich auch einige Oppositions-Vertreter eingefunden, jedoch betraten nur acht von ihnen betraten den Plenarsaal. Somit waren zwar 91 Abgeordnete im Parlamentsgebäude, jedoch nur 76 von ihnen im Sitzungsaal. Das notwendige Quorum von 86 wurde damit verfehlt.

Die heutige Parlamentssitzung war die erste seit dem Bruch der Regierung vor knapp einem Jahr. Am Rande des Treffens sollten informelle Gespräche zwischen Vertreten beider Lager geführt werden, die zu einer Einigung auf einen Konsenspräsidenten beitragen könnten. Unter anderem trafen sich Parlamentssprecher Berri und der Mehrheitsführer in der Nationalversammlung Saad Hariri.

Zuvor hatte sich Berri gestern mit dem Patriarchen der Maroniten im Libanon, Nasrallah Boutros Sfeir, in dessen Amtssitz in Bkerke getroffen. Anschließend zeigte sich der Parlamentsspräsident sehr optimistisch, dass vor Ablauf der Amtszeit des aktuellen Präsidenten Emile Lahoud am 24.November ein Konsenspräsident gefunden werde.

Es wird erwartet, dass sich in den kommenden Wochen bis zum 23.Oktober Diplomaten aus den USA, Europa und der arabischen Welt um eine Lösung der Krise im Libanon bemühen werden.
Das wird nicht einfach, zu gegensätzlich scheinen die Forderungen, die Regierung und Opposition an einen neuen Präsidenten stellen.

Das Regierungslager will, dass Syrien seinen Einfluss auf die libanesische Politik endgültig verliert. Zudem soll der neue Staatschef das UNO-Tribunal unterstützen, das die Anschlagsserie auf Politiker und Journalisten im Libanon aufklären will. Ein weiteres Anliegen ist die Umsetzung der UN-Resolutionen 1559 und 1701, die eine Entwaffnung der Hizbollah fordern.

Die Opposition will ihrerseits den Einfluss der USA auf den Libanon einschränken. Außerdem soll der neue Präsident den Status der Hizbollah im Südlibanon unagetastet lassen. Ein weiteres großes Anliegen ist der Kampf gegen Korruption und Vetternwirtschaft, die nach Ansicht der Hizbollah und ihrer Verbündeten unter der jetzigen Regierung weiter um sich gegriffen haben.

Hinzu kommen untersschiedliche Interessen der ausländischen Akteure. Dass Syrien und Iran einen Präsidenten im Präsidentenpalast in Baabda sehen wollen, der ihnen wohlgelitten ist, ist kein Geheimnis. Ebenso bevorzugt Saudi-Arabien einen Präsidenten, der die Unterstützung der sunnitischen Libanesen genießt, die mehrheitlich hinter Saad Hariri und der Regierung Fuad Sinioras stehen. Die USA wollen einen Präsidenten verhindern, der die Rolle der Hizbollah und ihrer Unterstützer in Damaskus und Teheran stärken würde.

Die EU dürfte am ehesten einem Konsens-Präsidenten zugeneigt sein. Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und andere haben UNIFIL-Soldaten im Libanon stationiert, die bereits Ziel von Anschlägen wurden. Ihnen dürfte daher am ehesten daran gelegen sein, dass sich der Riss, der durch den Libanon geht, nicht weiter vertieft und sich die Blauhelm-Soldaten unvermittelt in einem Bürgerkrieg wiederfinden.

Montag, 24. September 2007

Saudi-Arabien: Prinz Talal fordert Zulassung von Parteien

Saudi-Arabiens Prinz Talal bin Abdul Aziz hat die Gründung reformerischer Parteien in seinem Heimatland gefordert. Die politischen Entscheidungen in Saudi-Arabien dürften nicht länger von einer Minderheit im Königshaus getroffen werden, so der 72-jährige Prinz Talal in einer Erklärung auf seiner Website.

Die "Marginalisierung" des Großteils der saudischen Gesellschaft müsse überwunden werden. Talal ruft seinen Halbbruder, König Abdullah ibn Abdul Aziz, auf, Parteien zuzulassen, als nächster Schritt seien dann Parlamentswahlen notwendig. "Die Überwindung der Marginalisierung bedarf einer politischen Partei, wenn König Abdullah in seiner Weisheit die Hinwendung zu mehr Konsultation und Partizipation forsetzen möchte", so Talal weiter.

Prinz Talal ist ein Sohn des Staatsgründers des modernen Saudi-Arabien, Abdul Aziz ibn Saud. Bereits in den 1950ern übernahm Talal erste Staatsämter. Gemeinsam mit einigen seiner Brüder erarbeitete er 1958 einen Verfassungsentwurf, der das Königreich in eine konstitutionelle Monarchie umwandeln sollte. König Saud ibn Abdul Aziz, ebenfalls ein Halbbruder Talals lehnte diesen Entwurf ab und entzog ihm 1961 die Staatsbürgerschaft. Daraufhin ging Talal ins nasseristische Ägypten wo er vom Exil in Kairo aus gegen Saud arbeitete. Wegen seiner Affinität für Nasser und sozialistische Ideale trägt Talal bis heute den Beinamen "Der rote Prinz". 1964 durfte er nach dem Sturz Sauds durch Faisal in seine Heimat zurückkehren.

Seit Abdullah in den 1990ern faktisch die Macht vom schwerkranken König Fahd übernommen hatte, wuchs das politische Gewicht Talals wieder. Er ist wichtiger Berater des 2005 inthronisierten Königs Abdullah und Mitglied im wichtigen Familienrat der Sauds, der über die wichtigsten Entscheidungen berät. Dabei scheut sich der Prinz auch nicht Missstände in seinem Land wie die Benachteiligung der Frau oder den Umgang mit religiösen Minderheiten öffentlich zu kritisieren.

Freitag, 21. September 2007

Lesestoff fürs Wochenende

"Wir sehen nicht das Fröhliche im Islam" - Interview mit Gudrun Krämer, Chefin des Instituts für Islamwissenschaft der FU Berlin, über Vorurteile gegen Muslime, Demokratie im Vorderen Orient und "Europa im Nahen Osten - der Nahe Osten in Europa"

"It's Lobbying, But Is It Really Pro-Israel?" - M.J. Rosenberg, Direktor des Israel Policy Forum in Washington über Mearsheimer/Walt und ihr Buch "The Israel Lobby and U.S. Foreign Policy"

"I Will Stand Up for the Muslim Brotherhood" - Mona Eltahawy, eine in den USA lebende Journalistin aus Ägypten, über den Umgang mit den Muslimbrüdern in ihrem Heimatland

"The sounds of silence" - Benjamin Ryan beleuchtet für "Now Lebanon" die verschiedenen Verschwörungstheorien, die den israelischen Luftangriff auf Syrien umgeben

"What Lebanon' s President should do about Syria" - Chibli Mallat, Jura-Professor und Kandidat für die libanesische Präsidentschaft, kritisiert den UN-Ermittler im Mordfall Hariri und unterbreitet dem syrischen Regime ein Angebot

"Keeping up appearances - philosophical observations from the mountain top" - ein belgischer Journalist berichtet über seinen Besuch bei einer christlichen Notabelnfamilie in den libanesischen Bergen (Danke an shual für den Hinweis)

Donnerstag, 20. September 2007

Libanon: Nach dem Anschlag auf Antoine Ghanem


Mit Antoine Ghanem ist gestern der siebte anti-syrische Politiker im Libanon seit 2005 ermordet worden. Mindestens sechs weitere Menschen wurden getötet als am späten Nachmittag im Beiruter Vorort Sin el-Fil eine Bombe in einem gestohlenen Mercedes explodierte, gerade als der Wagen des maronitischen Parlamentsabgeordneten der Falangisten-Partei "Kataeb" vorbeifuhr. Unter den Toten sind Ghanems Fahrer sowie eine unbekannte Person die neben dem 64-Jährigen auf der Rückbank saß.

Der Anschlag ereignete sich sechs Tage bevor am 25.September das libanesische Parlament zur Wahl eines neuen Staatspräsidenten zusammenkommen soll. Dass dann auch ein neuer Staatschef gewählt wird, ist nun noch unwahrscheinlicher geworden. Das anti-syrische Regierungslager "14.März" verfügt nach der Ermordung Ghanems nur noch über 68 der 128 Mandate in der Nationalversammlung. Um ohne Unterstützung der Opposition einen neuen Präsidenten notfalls auch mit einer einfachen Mehrheit wählen zu können, muss ein Kandidat mindestens 65 Stimmen auf sich vereinigen können. Mehrere Abgeordnete des "14.März", unter ihnen Ghassan Tueni, Herausgeber der größten libanesischen Zeitung "al-Nahar", hatten vor dem Attentat auf Antoine Ghanem jedoch erklärt, eine Wahl mit einfacher Mehrheit verhindern zu wollen, in dem sie sich der Stimme enthalten.

Bereits nach den Anschlägen auf Pierre Gemayel und Walid Eido wurde von Regierungsseite die Anschuldigung erhoben, die Opposition und ihre mutmaßlichen Verbündeten in Syrien wollten mit den Anschlägen die Parlamentsmehrheit "wegbomben". Um die Vorwürfe ins Leere laufen zu lassen, stimmte die Opposition schließlich der Durchführung von Nachwahlen im August zu, bei denen die oppositionelle "Freie Patriotische Bewegung" (FPM) den Sitz von Gemayel gewann. Bis zum Dienstag, dem Tag an dem das Parlament zur Präsidentenwahl zusammentreten soll, ist eine solche Nachwahl um das Mandat von Antoine Ghanem jedoch unmöglich. Sollte es jedoch zu einem späteren Zeitpunkt Nachwahlen geben, könnte sich die Opposition durchaus Chancen auf den Sitz ausrechnen, da zu dem Wahlbezirk Baabda auch die schiitischen Vororte Beiruts liegen, die eine Hochburg der Hizbollah sind. Die Hizbollah wiederum bildet ein Bündnis mit der FPM von Michel Aoun.

Für die Vertreter des Regierungslagers und ihre Unterstützer scheint klar, dass Syrien hinter dem Anschlag vom Mittwoch steckt. Damaskus wolle verhindern, dass ein Mann Präsident des Libanon wird, der entschieden gegen jede Einmischung des Assad-Regimes in die inneren Angelegenheiten des Libanon vorgeht. Außerdem sei der gestrige Anschlag eine Reaktion Syriens auf den israelischen Luftangriff vor 14 Tagen. Syrien hat eine Verstrickung in die Anschlagsserie gegen libanesische Politiker in einer Stellungnahme erneut bestritten. Bis heute ist kein einziges Attentat der letzten Zweieinhalb Jahre aufgeklärt worden.

Anhänger der Opposition verweisen darauf, dass die Anschläge kaum den Zielen der Regierungsgegner und ihrer Popularität dienlich seien. So wird etwa auf die Umstände des Mordes an Pierre Gemayel im Dezember 2006 verwiesen, der dazu führte, dass die Hizbollah eine Großkundgebung in Beirut aus Pietätsgründen absagen musste. Beim jetzigen Attentat verweisen Oppositionsanhänger auf die jüngste Initiative von Parlamentssprecher Nabih Berri, der einen Kompromiss mit der Regierung schließen wollte. Dieses Vorhaben wird nun durch den erneuten Anschlag torpediert.

Was bleibt ist viel Raum für Spekulationen und Verschwörungstheorien. Antoine Ghanem war erst zwei Tage vor dem Attentat aus Abu Dhabi nach Beirut zurückgekehrt. Nur wenige Vertraute sollen von seiner Rückkehr gewusst haben, was für Täter aus seinem Umfeld spräche. Regierungspolitiker erklärten, die libanesischen Sicherheitskräfte am Flughafen seien von Syrien infiltriert worden, das daher Kenntnis von der Ankuft Ghanems erhalten habe.

Die Fots hat eine Augenzeugin des Anschlags gemacht.

Mittwoch, 19. September 2007

Ein offener Brief an Usama Bin Laden


Der saudische Islamgelehrte Salman al-Awdah hat sich anlässlich des Ramadans in einem offenen Brief an Usama Bin Laden gewandt. Awdah gilt als einer der einflussreichsten Gelehrten des wahhabitischen Islam in Saudi-Arabien. In den 1990er Jahren saß er wegen seiner Ablehnung des saudischen Könighauses zeitweise im Gefängnis. Awdah war scharfer Kritiker der amerikanischen Truppenpräsenz in Saudi-Arabien nach der irakischen Invasion in Kuwait. Nach der US-geführten Invasion in Afghanistan wurden Kassetten mit Predigten Awdahs in mutmaßlichen Lagern der al-Qaida gefunden. Im Jahr 2004 rief Awdah mit 25 anderen Gelehrten in einer Fatwa zum bewaffneten Kampf gegen die Besatzung des Irak auf.

Hier einige Auszüge seines Briefes an Bin Laden in deutscher Übersetzung.

Bruder Usama:

Wieviel Blut wurde vergossen? Wieviele Unschuldige, Kinder, Alte und Frauen wurden getötet, verstümmelt oder vertrieben im Namen von "al-Qaida"!? Fällt es dir leicht Allah mit dieser schweren Schuld entgegenzutreten - mindestens hunderttausende Menschen oder gar Millionen!?

[...]

Wer ist verantwortlich für all die jungen Muslime, die in der Blüte ihrer Jugend stehen mit all dem Eifer, die auf einen Weg geraten sind, von dem sie nicht wissen wo er hinführt?

Das Bild des Islam heute, mein Bruder Usama Bin Laden, ist nicht das Beste, sondern die Menschen in der ganzen Welt sagen, dass der Islam all jene töte, die diesem Glauben nicht folgen. Und sie sagen auch, dass der Salafismus Muslime tötet, die diesem Glauben nicht folgen.

[...]

Mein Bruder Usama: Was am 11.September geschehen ist, das, was wir vom ersten Augenblick an verurteilten, war der Mord einiger tausend Menschen, ungefähr etwas weniger als 3000, die in den Flugzeugen starben und in den Türmen.

Gleichzeitig haben Missionare, die alle ungezählt sind, hunderttausende Menschen zum Islam geführt, sie werden vom Licht des Glaubens geführt und ihre Herzen sind erfüllt von Liebe zu Allah. Ist der Unterschied nicht offensichtlich zwischen dem der tötet und jenem der rechtleitet?

[...]

Mein Bruder Usama: Die Vernichtung eines ganzen Volkes, wie sie in Afghanistan geschieht, ohne Stabilität und Hoffnung auf ein normales Leben und Fortschritt. Oder die Vernichtung eines anderen Volkes im Irak, mehr als 3 Millionen sind allein nach Jordanien und Syrien geflohen, nicht zu erwähnen , die in die Länders des Westens und Ostens gehen. Das Gespenst des Bügerkrieges hat sich in Afghanistan und Irak niedergelassen und bringt den Muslimen keine Freude. Als der Prophet von einem Mann names "Harb" ( zu deutsch: Krieg) hörte änderte er dessen Namen, weil er den Krieg hasste.

[...]

Wer profitiert davon ein Land wie Marokko, Algerien, den Libanon, Saudi-Arabien oder irgendein anderes Land in ein Land zu verwandeln, in dem sich Angst breitmacht und niemand sich sicher fühler kann!? Ist der Sturz der Regierungen das Ziel? Ist das die Lösung?

[...]

Wer ist verantwortlich, mein Bruder Usama, für die Verbreitung des "Takfir", der Exkommunikation, der Explosionen und des Tötens, was dazu geführt hat, dass Familien auseinanderbrechen und Söhne ihre Väter Ungläubige nennen.

[...]

Wer ist verantowrtlich für die jungen Männer, die ihre Mütter weinend zurücklassen? Oder die ihre Frauen zurücklassen oder ihre kleine Kinder die dann fragen "Wo ist mein Vater? Wo ist mein Vater?" Es kann keine Antwort geben, wenn der Vater tot sein kann! Oder er kann vermisst sein und niemand weiß wo er ist.

[...]

Was erhoffen sich einhundert Männer in Algerien? Oder doppelt soviele in Libanon? Oder nochmehr in Saudi-Arabien, die Gewalttatten ausüben oder - wie sie es nennen - Selbstmordattentate?

[...]

Nehmen wir an, diese Menschen kommen an die Macht oder übernehmen die Regierungen, was erhoffen sie zu erreichen? Sie haben keine Erfahrung und Kenntnisse über gute Regierungsführung und keine Leute mit Kenntnissen der Scharia, die sie unterstützen und sie haben keine Kenntnisse über innere und äußere Beziehungen. Geht es im Islam nur um Schüsse, Gewehre und Munition? Sind die Mittel zum Zweck geworden?

[...]

Das Leben, mein Bruder Usama, besteht nicht nur aus einer Lektion, sondern wir müssen in unserem Leben eine Anzahl von unterschiedlichen Lektionen bewältigen.

Mir geht es nicht anders als vielen anderen, die sich für die islamische Gemeinschaft interessieren. Mein Herz schmerzt, wenn ich die jungen Menschen sehe, die so viele Möglichkeiten hatten, die soviel Positives zu unserer Gemeinschaft hätten beitragen können und die sich in lebende Bomben verwandelten.

Hier ist die Frage, die du dir selbst stellen musst und die andere mit Recht stellen: Was ist das Ergebnis dieser lange Jahre des Leidens, der Tragödie, der Tränen und des Opfers? Ich bitte Allah jeden auf dem Weg der Wahrheit und der Rechtleitung zusammenzubringen und uns alle zu leiten wie es ihm beliebt.

Salman al-Awdah

Dienstag, 18. September 2007

Israel: Mutmaßlicher Angriff auf Syrien lässt Olmerts Popularität steigen

Medienberichte über einen israelischen Luftangriff auf Syrien haben die Popularität des israelischen Ministerpräsidenten Ehud Olmert steigen lassen. Einer Umfrage zufolge, die das Dahaf Institute am Montag im Auftrag der Yedioth Ahronoth durchführte, stieg die Zahl derer, die die Amtsführung des Regierungschefs mit "gut" bewerteten, binnen einer Woche um 10 Punkte auf 35%.

20% der Befragten gaben an, ihre Meinung über den Ministerpräsidenten habe sich seit der Militäroperation verbessert, während nur 4% seither ein schlechteres Bild von Olmert haben. Gleichwohl erklärten noch immer 63% der Umfrageteilnehmer die Arbeit des Premierministers sei "nicht zufriedenstellend".

Mehr als drei Viertel der befragten Israels befürworteten die mutmaßliche Militäroperation, nur jeder Zehnte sprch sich dagegen aus. Gleichzeitig ist jeder Dritte der Ansicht, ein Krieg mit Syrien sei durch den möglichen Luftschlag wahrscheinlicher worden. Nur 13% glauben die Gefahr eines Krieges sei gesunken. Zudem erklärten 41% der Befragten ihr Vertrauen in die Fähigkeiten der israelischen Armee sei größer geworden.

Über die Anzahl der Umfrageteilnehmer wurden keine Angaben gemacht, die Fehlertoleranz wird mit 4% angegeben.

Bis heute hat es von israelischer Seite keine offizielle Bestätigung für einen Angriff in Syrien gegeben. Israels Medien dürfen nur sehr eingeschränkt über den Vorfall berichten, da sie genauso wie Militärexperten in einem solchen Fall der Zensur unterliegen. Die syrische Nachrichtenagentur Sana hatte gemeldet, dass israelische Kampfjets am Morgen des 6.September vom Mittelmeer aus in den syrischen Luftraum eingedrungen seien und im Nordosten des Landes Munition abwarfen ohne jedoch Schaden anzurichten. In der Türkei fand man später Treibstoff-Tanks, die offenbar von israelischen Bombern abgeworfen wurden.

Unklar ist noch immer welchen Zweck der israelische Angriff hatte und ob Ziele am Boden getroffen wurden. Zunächst wurde in den Medien über einen Angriff auf Waffenlieferungen für die libanesische Hizbollah spekuliert, die auf dem Weg aus dem Iran Syrien durchquerten. Am vergangenen Sonntag meldete die Sunday Times, die israelische Luftwaffe habe ein Nukleardepot der Syrer zerstört, das diese mit Hilfe Nordkoreas augebaut habe. Dagegen sprechen die Aussagen westlicher Ölfirmen, die in der syrischen Wüste arbeiten. Diese prüfen regelmäßig die Radioaktivität in der Luft und haben keine erhöhten Wette festgestellt. Diese müssten nach der Zerstörung eines Atomwaffenlagers aber auftreten.

Montag, 17. September 2007

Somalia: Neues Bündnis gegen Islamisten

In einem erneuten Versuch Somalia aus Anarchie und Rechtlosigkeit herauszuführen haben ranghohe Vertreter der somalischen Übergangsregierung gestern ein Abkommen geschlossen um gemeinsam gegen die islamistische Opposition im Land vorzugehen. Präsident Abdullahi Yusuf, Premierminister Ali Mohamed Gedi und Parlamentssprecher Adam Mohamed Nur unterzeichneten am Sonntag in Anwesenheit des saudischen Königs Abdullah ein entsprechendes Papier in Jeddah.

Die drei Politiker sind die führenden Köpfe der somalischen Übergangsregierung, die 2005 unter Vermittlung der UN in Kenia gebildet wurde. Der Interimsregierung gelang es jedoch zu keinem Zeitpunkt ihre Macht über größere Teile des Landes auszuüben. Undurchsichtige Konflikte zwischen verschiedenen Clans, Stämmen und Familien innerhalb des fragilen Bündnisses führten im vergangenen Jahr zum zwischenzeitlichen Bruch der Regierung. Im Dezember 2006 gelang es der oppositionellen "Union Islamischer Gerichte" kurzzeitig die Hauptstadt Mogadischu einzunehmen und weite Teile des Landes zu kontrollieren. Erst als äthiopische Truppen in Somalia einmarschierten, wurden die Islamisten zurückgedrängt. Gleichwohl erschüttern täglich Anschläge der Aufständischen das Land am Horn von Afrika.

Mit dem Abkommen von Jeddah beendeten nun die verschiedenen Kräfte innerhalb der Interimsregierung ihre Fehde und verpflichten sich zur Zusammenarbeit. Im Gegenzug verlangten die Politiker die Entsendung arabischer und afrikanischer Friedenstruppen unter der Ägide der Vereinten Nationen, die die Übergangsregierung stützen sollen. Gegenwärtig sorgen noch immer äthiopische Armeeeinheiten für den Schutz der somaischen Regierung.

Seit dem Sturz des Diktators Mohamed Siad Barre 1991 ist Somalia praktisch ohne Zentralregierung. Weite Teile des Landes werden von Stammesgruppen kontrolliert. Die USA fürchten eine Machtübernahme der Islamisten in Somalia, denen Kontakte zum Terrornetzwerk al-Qaida nachgesagt werden.

Samstag, 15. September 2007

25. Jahrestag des Massakers von Sabra und Shatila

An diesem Wochenende jährt sich das Massaker an hunderten Palästinensern in den Flüchtlingslagern von Sabra und Shatila zum 25. Mal. In der modernen Geschichte des Nahen Ostens gab es zahlreiche andere Verbrechen ähnlichen oder gar größeren Ausmaßes, dennoch haben sich die Ereignisse des Septembers 1982 in besonderem Maße in das Gedächtnis Vieler eingebrannt, nicht zuletzt deshalb weil die Morde von Sabra und Shatila unter den Augen des israelischen Militärs stattfanden.

Seit den 1970ern hatte die PLO vom Südlibanon aus Raketenangriffe auf Israel durchgeführt. Nach der versuchten Ermordung des israelischen Botschafters in London, Shlomo Argov, entschloss sich die israelische Führung zu einer breit angelegten Invasion des Libanon. 60000 israelische Soldaten marschierten in den Zedernstaat ein, umzingelten die PLO-Führung in West-Beirut und zwangen Yassir Arafat und seine Getreuen zum Abzug aus der libanesischen Hauptstadt, der am 1.September abgeschlossen wurde. Im Gegenzug verpflichtete sich die israelische Seite gegenüber den USA auf die Einnahme West-Beiruts zu verzichten.

In der Zwischenzeit war Bachir Gemayel, Chef der christlichen Miliz „Lebanese Forces“ – dem militärischen Arm der Falangisten, am 23.August vom Parlament zum neuen libanesischen Präsidenten gewählt worden. Der Maronit Gemayel war ein Verbündeter Israels und traf sich nach der Wahl mit Israels Ministerpräsident Menachem Begin. Der baldige Abschluss eines Friedensvertrages zwischen Libanon und Israel nach der Amtseinführung Gemayels galt als wahrscheinlich.

Am 14.September 1982 wurde Bachir Gemayel jedoch mit 25 Anderen bei einem Bombenanschlag auf das Hauptquartier der Falangisten im Beiruter Stadtteil Achrafieh ermordet, 9 Tage bevor der das Amt des Staatspräsidenten offiziell antreten konnte. Habib Tanious Shartouni, wie Gemayel libanesischer Maronit, gestand die Tat. Shartouni war Anhänger der Syrischen Sozialen Nationalistischen Partei (SSNP) und gab als Motiv für seine Tat an, einen Ausverkauf des Libanon an Israel verhindern zu wollen.

Daraufhin marschierte die israelische Armee entgegen des Abkommens mit den Vereinigten Staaten, die für die Sicherheit für die muslimischen Bewohner bürgten, am 15.September in West-Beirut ein. Binnen weniger Stunden kontrollierte die IDF die Zugänge zu den palästinensischen Flüchtlingslagern von Sabra und Shatila. Gegen 18 Uhr drangen die ersten Milizionäre der Lebanese Forces unter der Führung von Elie Houbeika mit Billigung des israelischen Militärs in die Lager ein, offiziell um nach verbliebenen PLO-Kämpfern zu suchen, tatsächlich verlangten sie jedoch nach Rache, da sie Palästinenser hinter dem Mord an ihrem Anführer Bachir Gemayel verlangten.

In den Camps trafen die Falangisten praktisch auf keinerlei Widerstand, vergewaltigten Frauen, schossen wahllos auf Zivilisten. Bereits um 23 Uhr erreichten das IDF-Hauptquartier in Ost-Beirut erste Berichte aus dem Lager, die von 300 Toten sprachen, unter ihnen viele Zivilisten. Gleichwohl setzte die israelische Armee den Einsatz von Leuchtmunition über den Lagern fort, die den Falangisten das Morden erleichterten. Unter anderem drangen die LF-Männer in das Gaza-Krankenhaus ein, ermordeten Ärzte, Pfleger und Patienten.

Die Milizionäre wüteten bis Morgen des 18.September in dem Lager, erst dann gelang es ersten Journalisten in das Camp vorzudringen, denen sich ein Bild des Grauens bot. Die Anzahl der Todesopfer liegt bis heute im Dunkeln. Israelische Quellen geben 700-800 tote Zivilisten an, der Palästinensische Rote Halbmond zählte mehr als 2000 Opfer.

Nachdem sich die Nachricht vom Massaker über Nachrichtenagenturen und Fernsehsender in alle Welt verbreitete, brach eine Protest-Welle über der israelischen Regierung ein, der Komplizen- und Mittäterschaft an den Verbrechen vorgeworfen wurde. Es kam zu anti-semitischen Gewalttaten in Europa, so explodierten etwa Bomben in Synagogen in Mailand und Rom.

In einer ersten Reaktion vom 19.September wies die Regierung von Ministerpräsident Begin jede Verantwortung für die Ereignisse zurück und erklärte, die Kritiker am Vorgehen der israelischen Armee strickten an einer „Ritualmordlegende gegen den jüdischen Staat und seine Regierung“. Von Friedensnobel-Preisträger und Ministerpräsident Menachem Begin ist das Zitat überliefert: „Gojim töten Gojim und die Juden werden angeklagt.“

Doch auch in Israel selbst wuchs in der Folge die Kritik an Regierung und Militär. Am 25.September demonstrierten etwa 300000 Israelis in Tel Aviv und forderten eine Untersuchung über die Rolle der IDF in dem Massaker. Am 28. September beschloss die Regierung auf Grund des innen- wie außenpolitischen Drucks die Einrichtung einer Untersuchungskommission unter der Leitung von Yitzhak Kahan, dem Präsidenten des Obersten Gerichtshofs.

Am 8.Februar 1983 veröffentlichte die Kahan-Kommission ihren Abschlussbericht, der auf Zeugenaussagen israelischer Militärs, Politiker und falangistischer Milizionäre basierte. Darin wird die israelische Armee vom Vorwurf freigesprochen, direkt an den Morden beteiligt gewesen zu sein. Die „direkte Verantwortung“ für die Verbrechen, die innerhalb der drei Tage in Sabra und Shatila verübt wurden, lag demnach allein bei den Falangisten.

Allerdings sei die israelische Armeeführung insofern „indirekt verantwortlich“, als dass sie, obwohl sie von dem Massaker an den Zivilisten frühzeitig wusste, keine ernsthaften Schritte unternahm, dieses zu stoppen. Israels damaliger Verteidigungsminister Ariel Sharon trage hierfür „eine persönliche Verantwortung“ und sollte, so die Empfehlung des Kahan-Berichts, zurücktreten. Sharon hätte in Betracht ziehen müssen, dass die Falangisten Gewalttaten an den Zivilisten verüben würden und der Miliz daher den Zutritt zu den Lagern untersagen müssen. Ebenso wurde die Entlassung des Chefs des Militärgeheimdienstes Yehoshua Yaguy empfohlen, der in jenen drei Tagen seinen Pflichten nicht nachgekommen sei.

Diesen Empfehlungen wurde entsprochen, gleichwohl blieb Ariel Sharon als Minister ohne Geschäftsbereich Regierungsmitglied. 18 Jahre später wurde Sharon zum israelischen Regierungschef gewählt.

Elie Houbeika, der Mann, der die Falangisten kommandierte schlug sich später auf die Seite Syriens und bekleidete nach dem Ende des libanesischen Bürgerkriegs in den 1990ern mehrere Regierungsämter. Am 24.Januar 2002 wurde Houbeika in Beirut bei einem Autobombenanschlag getötet, dessen Urheber bis heute nicht ermittelt werden konnten. Kurz zuvor hatte er angekündigt, vor einem Gericht in Belgien, wo inzwischen ein Verfahren gegen Ariel Sharon angestrengt worden war, gegen den damaligen israelischen Premierminister aussagen zu wollen.

Die Lebanese Forces blieben bis zum syrischen Abzug 2005 im Libanon offiziell verboten. Heute stellen sie 5 Parlamentsabgeordnete und sind wichtiger Teil des Regierungsbündnisses von Ministerpräsident Fouad Siniora.

Freitag, 14. September 2007

Libanon: Weiter keine Einigung in Präsidentenfrage

Eine Einigung zwischen Regierung und Opposition auf einen neuen libanesischen Präsidenten scheint noch immer in weiter Ferne. Auf das Angebot der Opposition auf die Forderung nach einer Regierungsbeteiligung zu Gunsten einer Einigung auf einen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten zu verzichten, reagierte das Regierungslager verhalten.

Nach einem Treffen in der Residenz des ehemaligen Staatschefs Amin Gemayel verlas der Mehrheitsführer im libanesischen Parlament, Saad Hariri, eine Erklärung, die zwar die Einladung zum Dialog begrüßte, ansonsten aber wenig Konkretes und explizit kein Bekenntnis zur Wahl eines Präsidenten durch die Zwei-Drittel-Mehrheit des Parlaments enthielt. Der Kernsatz lautete: "Lasst uns nicht sagen, dass wir Wahlen auf der Grundlage '50% plus eine Stimme' fordern und lasst die Opposition nicht die Wahlen durch das Beharren auf einer Zwei-Drittel-Mehrheit blockieren."

Die Oppsoition fasste diese offizielle Erklärung auf ihr Angebot, für die sich die Regierungsseite 14 Tage Zeit ließ, als Ablehnung auf. Parlamentssprecher Nabih Berri erklärte gestern Abend in der wichtigsten politischen Talkshow des Landes, "Kalam al-Nas": "Die Erklärung der Regierung ist ein Kondolenzschreiben an das libanesische Volk."

Berri zeigte sich enttäuscht über die zögerliche Haltung der Regierung hinsichtlich seines Angebots. "Durch die Verzögerung verliert die Initiative an Stärke". Das Regierungslager solle sich bewusst machen, dass die nächsten zwei Monate für die Zukunft des Libanon entscheidend seien. Sollten sich Opposition und Regierung in der Zeit nicht auf einen Konsenskandidaten einigen, drohe das Land auseinanderzubrechen, so Berri weiter.

"Es gibt hunderte legitimer Kandidaten unter den Maroniten, also warum können wir uns nicht auf einen einigen?" Gemäß der libanesischen Verfassung muss der Staatspräsident ein maronitischer Christ sein. Als mögliche Konsenskandidaten gelten Charles Rizk und Jean Obeid. Rizk ist gegenwärtig Justizminister im Kabinett von Fuad Siniora, gilt aber gleichzeitig als langjähriger Vertrauter des jetzigen Präsidenten Emil Lahoud. Jean Obeid war Berater von Präsident Amin Gemayel und führt für diesen die Verhandlungen mit der PLO. Unter Rafiq Hariri war er in den 1900ern und von 2003 bis 2004 Minister. Ihm werden gute Beziehungen nach Syrien nachgesagt.

Berri zeichnete ein düsteres Bild von den Folgen, die ein Scheitern seiner Initiative haben würde. Entweder Präsident Lahoud bliebe im Amt oder er ernenne einen provisorischen Nachfolger, wahrscheinlich Armeechef Michel Sleiman. Die libanesische Armee würde geeint erhalten bleiben, aber in ihren Kasernen bleiben, Polizei und Sicherheitskräfte würde genauso wie die Ministerien entlang der politischen Loyalitäten gespalten. Die Zentralbank würde beiden Regierungen die Löhne bezahlen, das Parlament wäre "neutral", so Berris Szenario. Damit stünde das Land wohl am Rande eines neuen Bürgerkriegs.

Etwas optimistischer zeigte sich Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner, der sich um eine diplomatische Lösung der libanesischen Krise bemüht. "Ich denke es gibt die Möglichkeit, dass nach einem Dialog Wahlen vor November durchgeführt werden können." Zugleich warnte Kouchner Syrien vor einer Einmischung in die Wahlen. Im Gegenzug würde Syrien "überrascht und erstaunt" sein über Frankreichs Offenheit gegenüber Damaskus.

In der libanesischen Verfassung heißt es in Artikel 49, Absatz 2 zur Präsidentschaftswahl: "Le Président de la République est élu, au premier tour, au scrutin secret à la majorité des deux tiers des suffrages par la Chambre des députés. Aux tours de scrutins suivants, la majorité absolue suffit."

Berri verwies gestern jedoch erneut darauf, dass in der Geschichte des Libanon der Präsident bislang immer mit Zwei-Drittel-Mehrheit gewählt wurde, selbst als in den 1980ern ein blutiger Bürgerkrieg tobte und das Land unter israelischer und syrischer Besatzung stand.

Mittwoch, 12. September 2007

Irak: Lage für Flüchtlinge immer dramatischer

Die syrischen Behörden haben die Einreisebestimmungen für irakische Flüchtlinge verschärft. Details der neuen Regelungen sind bislang nicht bekannt, doch müssen Iraker, die nach Syrien ausreisen wollen, nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR nun zunächst ein Visum in der syrischen Botschaft in Bagdad beantragen.

Die Botschaft liegt im Bagdader Stadtteil al-Mansour, der immer wieder Schauplatz konfessioneller Gewalt ist. Der Besuch in der syrischen Vertretung sei daher lebensgefährlich für viele Iraker.

Nach ersten Mitteilungen verschiedener syrischer Stellen sollen Visa für irakische Staatsbürger künftig nur noch aus Gründen des Handels, der Wissenschaft und der Bildung ausgestellt werden. Hierfür sei jedoch die Zustimmung etwa der syrischen Handelskammer oder des Industrieministeriums notwendig. Unbestätigten Angaben zufolge könnten auch Familien mit schulpflichtigen Kindern ein Ein-Jahresvisum erhaltem.

"Die neuen Regularien bedeuten, dass es praktisch keinen sicheren Ort mehr gibt für Iraker, die vor Verfolgung und Gewalt fliehen. Schätzungsweise 2000 Iraker flüchten jeden Tag aus ihren Häusern und wir sind sehr besorgt über ihr Schicksal da ihre Möglichkeiten Schutz zu suchen eingeschränkt werden", erklärte UNHCR-Sprecher Ron Redmond am Dienstag.

Die Flüchtlingshilfsorganisation fordert Syrien zugleich zur Einführung eines "humanitären Visums" auf, das verfolgten Irakern die Flucht ins sichere Syrien ermöglichen soll. UNHCR-Vertreter Adel Imam traf sich gestern in Damaskus zu Gesprächen mit Syriens First Lady Asma al-Assad, mehreren Ministern sowie dem Präsidenten des Roten Halbmonds in Syrien.

Bislang hat Syrien seit dem US-geführten Einmarsch im Irak vor mehr als vier Jahren etwa 1,4 Millionen Flüchtlinge aus dem Zweistromland aufgenommen, weitgehend ohne Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft. In den letzten Monaten sind daher die Immobilienpreise in Syrien stark angestiegen, ebenso die Preise für vom Staat subventionierte Grundnahrungsmittel. Knapp die Hälfte der irakischen Kriegsflüchtlinge in Syrien gehören zur christlichen Minderheit, die von den Verfolgungen im Irak durch muslimische Fundamentalisten besonders stark betroffen ist.

Syrien stellte erneut klar, dass die neuen Visa-Regelungen nicht rückwirkend gelten und irakische Flüchtlinge keine Abschiebungen zu befürchten haben.

Nach UNHCR-Angaben haben seit 2003 4,2 Millionen Iraker ihre Häuser verlassen, das sind etwa 15% der Bevölkerung. 2 Millionen Iraker sind ins Ausland geflohen, zu meist nach Syrien oder Jordanien, 2,2 Millionen sind auf der Flucht vor ethnischen Säuberungen in andere Regionen des Irak geflüchtet. Mittlerweile haben jedoch 11 der 18 irakischen Provinzen den Zuzug von Flüchtlingen aus anderen Landesteilen durch neue Regelungen stark eingeschränkt.

Die USA haben seit ihrer Invasion 466 Flüchtlinge aus dem Irak aufgenommen, insgesamt sollen bis Ende des Jahres 7000 Kriegsflüchtlinge zugelassen werden. In Deutschland haben sich seit Jahresbeginn 1948 Iraker um Asyl beworben.

Dienstag, 11. September 2007

Sudan: Vize-Präsident warnt vor neuem Krieg zwischen Nord und Süd

Sudans Vize-Präsident Salva Kiir Mayadrit hat vor einem neuen Krieg zwischen dem muslimischen Nordsudan und dem christlich-animistischen Süden gewarnt. Kiir ist Vorsitzender der autonomen Regierung des Südsudan und als Chef der Sudanesischen Volksbefreiungs-Bewegung (SPLM) an der sudanesischen Zentralregierung in Khartum beteiligt.

Bis zur Unterzeichnung eines Friedensabkommens im kenianischen Naivasha 2005 führten südsudanesische Rebellengruppen einen Jahrzehnte langen Krieg gegen die Regierung in Khartoum. In einer Rede vor dem Parlament Südsudans beschuldigte Kiir am Wochenende nun die in Khartum regierende Nationale-Kongress-Partei (NSP) von Staatschef Umar al-Bashir, die Umsetzung des Friedensvertrags zu behindern.

"Ich bin alarmiert, beunruhigt und tief besorgt über den Status der Implementierung des Friedensabkommens. Es ist wahrscheinlich, dass der Sudan auf einen neuen Krieg zusteuert, wenn wir jetzt nicht mit unserem Partner, der NCP, handeln.", so Salva Kiir in Juba, der Hauptstadt des autonomen Südsudan.

Unter anderem verzögere die NCP die Demarkation der Grenze zwischen Nord- und Südsudan. Diese aber sei Voraussetzung für die Lösung von Problemen wie der Aufteilung der Öl-Einnahmen, der Durchführung eines Zensus und der Vorbereitung einer Volksabstimmung. Das Abkommen von Naivasha sieht nämlich vor, dass die Enwohner des Südsudan bis 2011 in einem Referendum über ihre Unabhängigkeit abstimmen sollen. Die Regierung in Khartoum halte aber noch immer Gelder für die Durchführung einer Volkszählung in Vorbereitung allgemeiner Wahlen und des Referendums zurück, so Kiir.

"Es gibt einige Kräfte im Sudan, die ihr möglichstes tun, um die demokratischen Prozesse und die Durchführung allgemeiner Wahlen nach Vorgabe des Friedensabkommens aus der Spur zu bringen." Vize-Präsident Salva Kiir ist seit einem Monat nicht in der Haupstadt Khartum gewesen und hat angekündigt so lange in Juba bleiben zu wollen, bis die offenen Probleme gelöst sind.

Montag, 10. September 2007

Parlamentswahlen in Marokko - Nachlese

Die Parlamentswahlen in Marokko am vergangenen Freitag haben keinen Wechsel der Mehrheitsverhältnisse in der Nationalversammlung mit sich gebracht. Stärkste Partei im Parlament ist die national-konservative "Istiqlal-Partei" geworden, die im Vergleich zur Wahl 2002 4 Mandate hinzu gewann und künftig 52 von 325 Abgeordneten im Unterhaus stellen wird.

Die islamistische "Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung" (PJD) konnte zwar Stimmenzuwächse verzeichnen, verfehlte aber mit 47 Mandaten ihr erklärtes Ziel, stärkste Fraktion im Parlament zu werden. Im Wahlkampf hatte sich die Partei für eine Rückdrängung westlicher Einflüsse auf die marokkanische Gesellschaft, den Kampf gegen Drogenmissbrauch und Armut, sowie für mehr Pressefreiheit stark gemacht und sich als entschiedener Kämpfer gegen Korruption und Vetternwirtschaft präsentiert.

Die meisten Stimm-Zugewinne konnte unerwartet die liberal-konservative "Mouvement Populaire" verzeichnen. Die Partei warb im Wahlkampf für eine weitere wirtschaftliche Öffnung des Landes und konnte damit 16 Parlamentssitze hinzugewinnen. Künftig werden 43 MP-Abgeordnete in der Nationalversammlung sitzen.

Größter Verlierer des Urnengangs ist die "Union Socialiste des Forces Populaires" (USFP) geworden. Die mis dato stärkste Parlamentsfraktion büßte 14 Mandate ein und ist noch hinter der Vereinigung unabhängiger Parlamentarier nur noch fünftstärkste Kraft im Parlament.

Es ist zu erwarten, dass Istiqlal und USFP erneut eine Koalitionsregierung mit mehreren kleineren Parteien eingehen werden, die insgesamt über 80 Mandate erringen konnten. Auch Premierminister Driss Jettou dürfte somit erneut von König Muhammad VI zum Regierungschef ernannt werden und seine Arbeit fortsetzen können.

Sehr enttäuschend fiel die Wahlbeteiligung aus. Nur 37% der wahlberechtigten Marokkaner gaben ihre Stimme ab, so wenige wie nie zuvor in der Geschichte. 19% der abgegebenen Wahzettel waren ungültig. Bei den letzten Parlamentswahlen 2002 hatte immerhin noch jeder Zweite seine Stimme abgegeben. In Casablance lag die Wahlbeteiligung in diesem Jahr gar bei nur 23%.

Die PJD beschuldigte die Regierungsparteien, die Wahlen durch Stimmenkäufe manipuliert zu haben. Die Regierung wies diese Vorwürfe umgehend zurück und auch die erstmals eingesetzten internationalen Wahlbeobachter erklärten, der gesamte Wahlprozess sei "transparent und professionell" abgelaufen.

Samstag, 8. September 2007

Human Rights Watch stellt Berichte zum Zweiten Libanonkrieg vor


Der Großteil der 900 während des Julikriegs 2006 getöteten libanesischen Zivilisten wurde nicht von der Hizbollah als menschliche Schutzschilde missbraucht, sondern wurde Opfer der "wahllosen Luftschläge" durch die israelische Armee. Zu diesem Schluss kommt eine Untersuchung von "Human Rights Watch", die am Donnerstag unter dem Titel "Why They Died: Civilian Casualties in Lebanon during the 2006 War" vorgestellt wurde.

Mit großer Akribie hat die Menschenrechtsorganisation die Umstände der Tode von 510 Zivilisten und 51 Kämpfern untersucht, mithin fasst die Hälfte der 1109 Todesfälle auf libanesischer Seite genauer beleuchtet. Für diesen Report besuchten HRW-Mitarbeiter mehr als 50 libanesische Dörfer, interviewten 316 Opfer und Augenzeugen, sprachen mit 39 Militärexperten, Journalisten, sowie Offiziellen aus Israel, dem Libanon und der Hizbollah.

Im Wesentlichen werden der israelischen Seite in dem 249-seitigen Bericht folgende Vorwürfe gemacht:

  • "Israel ging davon aus, dass alle libanesischen Zivilisten der Aufforderung zum Verlassen der Dörfer südlich des Litani gefolgt seien und betrachteten daher jeden der in seinem Dorf blieb als Kämpfer. Vor diesem Hintergrund betrachtete Israel jede sichtbare Person, oder jede Bewegung von Personen oder Fahrzeugen südlich des Litani-Flusses oder im Bekaa-Tal als Militäroperation der Hizbollah die beschossen werden könne. In ähnlicher Weise führe Israel weiträumige Bombardierungen des Südlibanon durch, einschließlich der massiven Verwendung von Streubomben kurz vor dem erwarteten Waffenstillstand, in einer Weise die nicht zwischen militärischen Zielen und Zivilisten unterschied."
  • "Israel beschoss Menschen oder Gebäude, die in irgendeiner Weise mit den miltärischen, politischen oder sozialen Strukturen der Hizbollah verbunden waren - ganz gleich ob diese ein legitimes militärisches Ziel in Übereinstimmung mit dem Humanitären Völkerrecht darstellten - unter unterließ es alle nötigen Maßnahmen zu ergreifen um zivile Opfer beim Beschuss vermutlicher Hizbollah-Ziele zu verhindern."

Nach HRW-Angaben waren die meisten der Menschen, die in ihren Dörfern im Südlibanon blieben, keine Kämpfer der Hizbollah, sondern Menschen die zu alt, zu arm oder zu krank zur Flucht waren. Zudem hätte das israelische Militär gewusst, dass sich zum Zeitpunkt der flächendeckenden Bombardements noch immer Tausende Menschen im Südlibanon aufhielten. Insgesamt wurde mehrere tausend libanesische Häuser teilweise oder komplett zerstört. Allein in Aita al-Shaab wurden 750 Häuser vollständig zerstört, in Bint Jbeil gar 800.

Zudem seien oft auch Flüchtlingskonvois selbst zum Ziel israelischer Angriffe geworden. Detailliert schildert der Bericht den Fall eines Flüchtlingskonvois aus Marjayoun, der zunächst in Begleitung der UNIFIL, dann in Begleitung libanesischer Armeefahrzeuge in Richtung Norden aufbrach. Die israelische Armee wurde über den Konvoi in Kenntnis gesetzt, die Fahrzeuge waren mit weißen Fahnen versehen. Dennoch wurde er in Kefraya im Bekaa-Tal von einer israelischen Drohne beschossen, 7 Menschen wurden getötet, 32 weitere verletzt. Daneben schildert der Bericht auch Fälle in denen Fahrzeuge des Roten Kreuzes, die deutlich als solche erkennbar waren, beschossen wurden.

Des weiteren widerspricht der Bericht der israelischen Darstellung, nach der die Hizbollah Zivilisten als menschliche Schtzschilde missbraucht habe. Mit wenigen Ausnahmen habe die Miliz ihre Raketen in Bunkern und Einrichtungen in unbeweohnten Feldern und Tälern gelagert und ihre Kämpfer und zivilen Offiziellen aus bewohnten Gegenden gebracht. Die Raketen seien von vorbereiteten Stellungen außerhalb der Dörfer abgefeuert worden. "In der sehr großen Mehrheit der von Human Rights Watch untersuchten Luftschläge, die zum Tod von Zivilisten geführt haben, gab es keine militärische Präsenz oder Aktivität der Hizbollah, die einen Angriff gerechtfertigt hätte." Das gilt auch für den israelischen Luftangriff auf Qana, bei dem am 30.Juli 2006 28 Menschen getötet wurden.

Bereits vor einer Woche hatte Human Rights Watch einen Bericht veröffentlicht mit dem Titel "Civilians under Assault - Hezbollah´s Rocket Attacks on Israel in the 2006 War"
in dem die Hizbollah beschuldigt wurde, gegen Bestimmungen des Kriegsrechts verbrochen zu haben.

Die Hizbollah habe willkürlich und zum Teil absichtlich in von Zivilisten bewohnte Gebiete im Norden Israels Raketen geschossen. "Die Raketen der Hisbollah töteten während des Konflikts mindestens 39 Israelis und verletzten weitere 101 Personen zum Teil schwer.


Der Beschuss von Zivilisten bewohnter Gebiete mit Raketen von geringer Zielgenauigkeit wie etwa der Katjuscha, stelle ein Kriegsverbrechen dar, so Human Rights Watch. Unter anderem wurden 3 Krankenhäuser von Hizbollah-Raketen getroffen. Zwar habe auch das israelische Militär feste und mobile Militärposten in oder in der Näher ziviler Gebiete errichtet, doch verringere dies nicht die Verantwortung der Hisbollah, unter allen Umständen zwischen Zivilisten und legitimen militärischen Zielen zu unterscheiden.


Nach Vorlage der beiden Berichte gibt Human Rights Watch folgende Empfehlungen:

  • "Israel sollte seine Praxis revidieren, die praktisch alle Personen, die nach einer Aufforderung zur Evakuierung in dem betreffenden Gebiet verbleiben als Kämpfer behandelt, so dass in Zukunft nur solche Personen oder Gebäude angegriffen werden, die legitime militärische Ziele nach dem Kriegsrecht darstellen. Speziell Israels Winograd-Kommission sollte dieses Thema untersuchen"
  • "Die Hizbollah sollte alle durchführbaren Maßnahmen ergreifen um zu gewährleisten, dass Hizbollah-Kämpfer Zivilisten oder UN-Personal keinem unnötigen Risiko durch das Lagern und Abfeuern von Waffen in bzw. aus bewohnten Gebieten ausgeliefert sind. Die libanesische Regierung sollte dies überwachen."
  • "Die Vereinigten Staaten sollten Israels Verwendung von Waffen aus den USA unter Verletzung des Kriegsrechts untersuchen und die Lieferung solcher Waffen stoppen, die ungesetzlich verwendet wurden, ebenso die Finanzierung oder Förderung solchen Materials, solange bis das US State Department befindet, dass Israel diese Waffen nicht länger entgegen der Bestimmungen des Rechts einsetzt und seine Militärdoktrin geändert hat, die diesem Missbrauch zu Grunde liegt."
  • "Iran und Syrien sollten der Hizbollah kein Material, einschließlich Raketen, liefern, das die Hizbollah unter Verletzung des Kriegsrechts eingesetzt hat, solange bis sich die Hizbollah verpflichtet, diese nicht mehr in dieser Weise zu verwenden und tatsächlich diese Verwendung einstellt."
  • "Der UN-Generalsekretär sollte eine Untersuchungskommission einrichten, um Berichte über Verstöße gegen das Kriegsrecht durch alle Konfliktparteien zu untersuchen, einschließlich möglicher Kriegsverbrechen."

Donnerstag, 6. September 2007

Israel will Darfur-Flüchtlingen Staatsbürgerschaft gewähren

Israels Innenminister Meir Sheetrit hat angekündigt mehrere hundert Flüchtlinge aus Darfur einbürgern zu wollen. "Als jüdischer Staat haben wir die moralische Verpflichtung sie aufzunehmen.", so der Minister gegenüber der Zeitung Haaretz.

Den Flüchtlingen, in ihrer Mehrzahl Muslime, sollen die gleichen Rechte gegeben werden wie jüdischen Einwanderern nach Israel. Zwischen 500 und 1500 Kriegsflüchtlinge aus Darfur haben in den vergangenen Jahren die Grenze in der Sinai-Wüste zwischen Ägypten und Israel illegal überquert. Noch im August hatte die israelische Regierung erklärt, man werde alle illegalen Einwanderer nach Israel ausweisen, auch die Darfur-Flüchtlinge. Nun wollen die Israelis in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen einem noch genauer zu bestimmenden Kontingent an Flüchtlinge die Staatsbürgerschaft verleihen.

Seit Ausbruch der Kämpfe in Darfur 2003 wurden nach Angaben von Amnesty International mehr als 200000 Menschen getötet. Mehr als 2 Millionen Menschen wurden entweder innerhalb Darfurs oder in Nachbarländer vertrieben. Auch in den Nachbarstaaten Tschad und Zentralafrikanische Republik wurde als Folge des Darfur-Kriegs hunderttausende Menschen aus ihrer Heimat vertrieben.

In Ägypten halten sich Schätzungen zu Folge mehr als eine Million Flüchtlinge aus dem Sudan auf. Dort leben sie unter zum Teil verheerenden Bedingungen, Übergriffe durch Polizisten sind an der Tagesordnung. Auch deshalb ziehen viele Flüchtlinge weiter nach Israel.

Mittwoch, 5. September 2007

Libanon vor den Präsidentschaftswahlen - Update

In den letzten Tagen ist Bewegung in das Tauziehen um einen neuen libanesischen Präsidenten gekommen. Zunächst hatte der amtierende Staatschef Emile Lahoud am vergangenen Donnerstag erklärt, er werde den Kommandanten der libanesischen Streitkräfte, General Michel Sulaiman, zu seinem Interimsnachfolger ernennen, sollte zwischen dem 25.September, dem Termin an dem die nächste Parlamentssitzung stattfinden soll und dem 24.November, dem Ende von Lahouds Amtszeit, kein Präsidentschaftskandidat mit Zwei-Drittel-Mehrheit vom Parlament gewählt werden.

Dem 58-jährigen Suleiman sollten sechs oder sieben Zivilisten zur Seite gestellt werden, die als Übergangskabinett ein neues Wahlgesetz ausarbeiten, Parlamentswahlen durchführen und den Weg für Präsidentschaftswahlen ebnen sollten. Lahoud schloss aus, die Macht an Premierminister Siniora und sein Kabinett abzugeben, das der Präsident als "ungesetzlich und nicht existent" bezeichnete.

Am Freitag erklärte Parlamentssprecher Nabih Berri, die Opposition verzichte auf ihre Forderung nach der Bildung einer Regierung, in der die Hizbollah und ihre Verbündeten ein Drittel der Kabinettssitze und damit ein Vetorecht erhält. Im Gegenzug dafür müssten sich jedoch Regierung und Opposition auf einen Konsens-Kandidaten für die Präsidentschaft verständigen, der mit Zwei-Drittel-Mehrheit vom Parlament gewählt wird, erklärte Berri auf einer Kundgebung in Baalbek zum Jahrestag des Verschwindens von Musa as-Sadr.

Damit hat die libanesische Opposition ihre wichtigste Forderung, für die sei seit neun Monaten Beirut Downtown blockiert, fallen gelassen. Ebenso scheinen die schiitischen Gruppierungen Amal und Hizbollah mit ihrem Angebot bereit zu sein, ihren wichtigsten christlichen Verbündeten Michel Aoun fallen zu lassen. Dass Aoun, der in den letzten Monaten als vehementer Kritiker des Regierungslagers aufgetrten ist, als Kompromisskandidat akzeptiert wird, darf als ausgeschlossen gelten. Gleichwohl kündigte der ehemalige Armeegeneral seine Kandidatur an.

In jedem Fall hat Berri mit seinem Angebot die Regierung unter Zugzwang gesetzt. Die Opposition zeigt ihre Bereitschaft Kompromisse einzugehen, nun ist es an Saad Hariri, Walid Jumblatt und Samir Geagea darauf zu reagieren. In offiziellen Stellungnahmen reagierten Politiker des Regierungslagers wohlwollend auf Berris Vorschlag, betonten aber man brauche Zeit zu einer sorgfältigen Prüfung des Angebots.

In einer polarisierten Gesellschaft wie der des Libanon fällt es schwer, sich einen Konsenskandidaten vorzustellen. Wie etwa sollte ein künftiger Präsident der von Regierung wie Opposition gewählt wird, dem Hariri-Tribunal gegenüberstehen? Wie sollte seine Einstellung gegenüber Wirtschaftsreformen sein, die von den Geberländern gefordert werden? Diese Fragen gilt es nun zu klären.