Von Natalia Gorzawski
Aus Anlass des Revolutionsjubiläums in Libyen möchte ich einen kurzen Blick auf die Entwicklungen eines Landes wagen, das aufgrund seines undurchsichtigen Systems in vielen Analysen über die arabische Welt gern übergangen wird. Dabei soll der Fokus meiner Ausführungen auf den letzten Jahren der Qaddafi-Ära liegen und von der Frage geleitet sein, wie viel Veränderung das Land und sein Führer nach dem Schritt aus der internationalen Isolation im Jahr 2004 tatsächlich erlebt hat. Der Umgang Europas und der Vereinigten Staaten mit dem 67-jährigen Revolutionsführer und seinem Regime suggeriert jedenfalls einen Wandel des einstigen Wolfes und „Gauners“ Qaddafi zum zahmen Lamm und stabilen Partner des Westens.
1969 stürzte Muammar al Qaddafi den damaligen Machthaber in Libyen, König Idris al-Sanusi und führte in der Theorie ein basisdemokratisches System ein. In der Praxis besitzt Qaddafi seit 40 Jahren die uneingeschränkte Macht über das undurchsichtige Herrschaftssystem sowie alle weiteren wichtigen Entscheidungsgremien des Landes. Ohne eine offizielle Funktion im politischen Apparat übernommen zu haben, ist der selbsternannte Revolutionsführer und mit ihm ein Netzwerk aus Familien- und Stammesangehörigen zum Zentrum der libyschen Macht geworden. Ein Zentrum, dass aufgrund seiner vermeintlichen Unterstützung antiisraelischer und antiamerikanischer Terrorgruppen, in Washington und Brüssel jahrzehntelang als ernstzunehmende Gefahr galt und vor diesem Hintergrund lange Jahre mit UN-Sanktionen gestraft wurde. Ausschlaggebend für diesen Schritt war der Anschlag auf ein Flugzeug der amerikanischen Gesellschaft PanAm. Das sogenannte Lockerbie-Attentat, bei dem 189 US-Amerikaner starben, galt bis zum Anschlag auf das World Trade Center als bedeutendstes Attentat auf Zivilisten der Vereinigten Staaten und wurde dem libyschen Geheimdienst angelastet. Lange Zeit wies der Revolutionsführer jegliche Beteiligung seines Staates an dem Anschlag zurück und sorgte daher mit einem plötzlichen Eingeständnis 2003 für weltweite Überraschung. Indem er die „Verantwortung für Taten seiner Offiziellen“ an diesem Ereignis akzeptierte, Entschädigungen an die Hinterbliebenen der Opfer zahlte und kurz darauf einen Verzicht auf Massenvernichtungswaffen erklärte, läutete er eine historische Kehrtwende in der Geschichte seiner Herrschaft ein. Die scheinbare Läuterung seines Führers ermöglichte Libyen den Ausbruch aus der Isolation. Seitdem bemühen sich sowohl Europa, als auch die USA um einen guten diplomatischen Austausch und den Aufbau effizienter Wirtschaftsbeziehungen. Hauptgrund für den schnellen Wechsel von Ausgrenzung zu Kuschelkurs dürften wohl die enormen Reserven an Erdöl und Erdgas sein, die noch unter Libyens Erde schlummern. Der einstige Schurkenstaat ist zwar noch nicht zum absoluten Liebling des Westens avanciert, aber hochrangige diplomatische Besuche und die Tatsache, dass Libyen auch innerhalb der UNO verstärkt eingebunden wird, zeugen von einer doch sehr ausgeprägten internationalen Rehabilitation. Besonders glücklich ist man außerdem über das Versprechen Libyens, die illegale Migration afrikanischer Flüchtlinge nach Europa zu bekämpfen. Unter welchen Bedingungen dies geschieht und welche Auswirkungen das für Menschen hat, die in ihren Heimatländern einer ernsten Bedrohung gegenüberstehen, ist dabei nicht geklärt. Fraglich bleibt außerdem, inwieweit es innerhalb Libyens und im Verhalten Qaddafis tatsächliche Veränderungen gab, die diesen plötzlichen und weitreichenden Stimmungswechsel im Westen rechtfertigen.
Betrachtet man die innenpolitischen Auswirkungen der neuentdeckten europäischen und US-amerikanischen Liebe zum Maghrebstaat, gestaltet sich ein eher pessimistisches Bild: Sowohl das Regime, als auch das System der Macht gehören weiterhin zu den repressivsten der Welt- daran konnte auch die Öffnung zum Westen nichts ändern. Im Gegenteil, die neu entstandene Sicherheit Qaddafis vor einem westlichen Militärschlag, sowie die Aufhebung der wirtschaftlichen Isolation haben dem System Rentierstaat in Libyen neues Futter gegeben und dadurch die Legitimation autoritärer Strukturen rund um ein Qaddafi‘sches Machtmonopol weiter gesichert. Zusätzlich hält der Revolutionsführer mit einer fast schon an Ignoranz grenzenden Leidenschaft an weiten Teilen seines alten Konfrontationskurses fest; Munter erklärte er gerade erst wieder Israel zum Hauptschuldigen für alle Konflikte in Afrika, empfing zum Revolutionsjubiläum Hugo Chavez und feierte den verurteilten Lockerbieattentäter al-Megrahis bei seiner Heimkehr als großen Staatsheld. Auch wenn sich die westliche Politik von derlei „Irritationen“ jedes Mal distanziert, ist konkrete Kritik durch westliche Spitzenpolitiker seit 2004 selten. Für sie ist die militärische Gefahr Libyens gebannt und der Weg zum libyschen Erdöl nach Jahren der moralischen Blockade endlich frei. Dabei ist es zweitrangig, dass sich die Missstände im Land nicht verbessert haben und eine wirkliche Leuterung Qaddafis auch nach dem Einlenken im Falle Lockerbie kaum auszumachen ist.
Grund für Hoffnung auf eine zukünftige Veränderung gibt es nach dem Öffnungsprozess gen Westen trotzdem. Der Ausbruch aus der außenpolitischen Isolation gibt dem libyschen Volk die Möglichkeit, Demokratie und politische Freiheit im angrenzenden Europa kennenzulernen und mit den Gegebenheiten vor Ort zu vergleichen. Gepaart mit der Tatsache, dass Qaddafi es trotz des finanziellen Zugewinns durch die Aussöhnung mit dem Westen nicht geschafft hat, schwerwiegenden strukturelle Probleme zu lösen, könnte es zu einer gewissen Unruhe innerhalb der Bevölkerung kommen. Trotzdem ist nicht damit zu rechnen, dass sich unter der Herrschaft des dienstältesten Staatschefs der Welt noch viel verändern wird. Dazu investiert er zu ausdauernd Kraft und Mühe in die Stabilisierung der eigenen Machtposition und dazu hat ihm die internationale Reputation und Legitimation zu sehr geholfen, den libyschen Herrschaftsanspruch der Familie Qaddafi weiter auszubauen. Aber die Tatsache, dass es seit 2004 schwieriger geworden ist, dem westlichen Feind Jugendarbeitslosigkeit, Bildungsnotstand und Korruption in die Schuhe zu schieben, könnte zumindest die Nachfolgefrage zugunsten der reformorientierten Elite um seinen Sohn Saif al-Islam entscheiden. In diesem Fall bestünde eine begründete Hoffnung darauf, dass sich das Land auf einem ähnlichen Grad politischer und wirtschaftlicher Öffnung einpendelt, wie derzeit etwa Tunesien oder Jordanien. Viel mehr sollte man jedoch auch von Saif al-Islam nicht erwarten. Auch er würde, wie die meisten arabischen Despoten an erster Stelle den eigenen Vorteil und das Wohlergehen seiner Familie und seines Stammes im Auge behalten. Dabei würde ein effizientes Wirtschafts- und Rechtssystem und eine ausgeprägte Kooperation mit dem Westen finanziell hilfreich sein und die Überwindung wichtiger struktureller Probleme ermöglichen. Dies wiederum könnte die demokratischen und freiheitlichen Unkenrufe des libyschen Volkes angesichts eines angenehmen Lebens im Spiegel der Erdölrente ganz schnell wieder zum Schweigen bringen und dem Qaddafisproß eine vorerst sorgenfreie Herrschaft garantieren.
„Gäbe es heute in der arabischen Welt einen Preis für verschleuderten öffentlichen Reichtum und Missmanagement des Staates, Libyen würde ihn mit souveränem Vorsprung gewinnen, gefolgt von Algerien und dem Sudan“ (Rami G. Khouri).
1969 stürzte Muammar al Qaddafi den damaligen Machthaber in Libyen, König Idris al-Sanusi und führte in der Theorie ein basisdemokratisches System ein. In der Praxis besitzt Qaddafi seit 40 Jahren die uneingeschränkte Macht über das undurchsichtige Herrschaftssystem sowie alle weiteren wichtigen Entscheidungsgremien des Landes. Ohne eine offizielle Funktion im politischen Apparat übernommen zu haben, ist der selbsternannte Revolutionsführer und mit ihm ein Netzwerk aus Familien- und Stammesangehörigen zum Zentrum der libyschen Macht geworden. Ein Zentrum, dass aufgrund seiner vermeintlichen Unterstützung antiisraelischer und antiamerikanischer Terrorgruppen, in Washington und Brüssel jahrzehntelang als ernstzunehmende Gefahr galt und vor diesem Hintergrund lange Jahre mit UN-Sanktionen gestraft wurde. Ausschlaggebend für diesen Schritt war der Anschlag auf ein Flugzeug der amerikanischen Gesellschaft PanAm. Das sogenannte Lockerbie-Attentat, bei dem 189 US-Amerikaner starben, galt bis zum Anschlag auf das World Trade Center als bedeutendstes Attentat auf Zivilisten der Vereinigten Staaten und wurde dem libyschen Geheimdienst angelastet. Lange Zeit wies der Revolutionsführer jegliche Beteiligung seines Staates an dem Anschlag zurück und sorgte daher mit einem plötzlichen Eingeständnis 2003 für weltweite Überraschung. Indem er die „Verantwortung für Taten seiner Offiziellen“ an diesem Ereignis akzeptierte, Entschädigungen an die Hinterbliebenen der Opfer zahlte und kurz darauf einen Verzicht auf Massenvernichtungswaffen erklärte, läutete er eine historische Kehrtwende in der Geschichte seiner Herrschaft ein. Die scheinbare Läuterung seines Führers ermöglichte Libyen den Ausbruch aus der Isolation. Seitdem bemühen sich sowohl Europa, als auch die USA um einen guten diplomatischen Austausch und den Aufbau effizienter Wirtschaftsbeziehungen. Hauptgrund für den schnellen Wechsel von Ausgrenzung zu Kuschelkurs dürften wohl die enormen Reserven an Erdöl und Erdgas sein, die noch unter Libyens Erde schlummern. Der einstige Schurkenstaat ist zwar noch nicht zum absoluten Liebling des Westens avanciert, aber hochrangige diplomatische Besuche und die Tatsache, dass Libyen auch innerhalb der UNO verstärkt eingebunden wird, zeugen von einer doch sehr ausgeprägten internationalen Rehabilitation. Besonders glücklich ist man außerdem über das Versprechen Libyens, die illegale Migration afrikanischer Flüchtlinge nach Europa zu bekämpfen. Unter welchen Bedingungen dies geschieht und welche Auswirkungen das für Menschen hat, die in ihren Heimatländern einer ernsten Bedrohung gegenüberstehen, ist dabei nicht geklärt. Fraglich bleibt außerdem, inwieweit es innerhalb Libyens und im Verhalten Qaddafis tatsächliche Veränderungen gab, die diesen plötzlichen und weitreichenden Stimmungswechsel im Westen rechtfertigen.
Betrachtet man die innenpolitischen Auswirkungen der neuentdeckten europäischen und US-amerikanischen Liebe zum Maghrebstaat, gestaltet sich ein eher pessimistisches Bild: Sowohl das Regime, als auch das System der Macht gehören weiterhin zu den repressivsten der Welt- daran konnte auch die Öffnung zum Westen nichts ändern. Im Gegenteil, die neu entstandene Sicherheit Qaddafis vor einem westlichen Militärschlag, sowie die Aufhebung der wirtschaftlichen Isolation haben dem System Rentierstaat in Libyen neues Futter gegeben und dadurch die Legitimation autoritärer Strukturen rund um ein Qaddafi‘sches Machtmonopol weiter gesichert. Zusätzlich hält der Revolutionsführer mit einer fast schon an Ignoranz grenzenden Leidenschaft an weiten Teilen seines alten Konfrontationskurses fest; Munter erklärte er gerade erst wieder Israel zum Hauptschuldigen für alle Konflikte in Afrika, empfing zum Revolutionsjubiläum Hugo Chavez und feierte den verurteilten Lockerbieattentäter al-Megrahis bei seiner Heimkehr als großen Staatsheld. Auch wenn sich die westliche Politik von derlei „Irritationen“ jedes Mal distanziert, ist konkrete Kritik durch westliche Spitzenpolitiker seit 2004 selten. Für sie ist die militärische Gefahr Libyens gebannt und der Weg zum libyschen Erdöl nach Jahren der moralischen Blockade endlich frei. Dabei ist es zweitrangig, dass sich die Missstände im Land nicht verbessert haben und eine wirkliche Leuterung Qaddafis auch nach dem Einlenken im Falle Lockerbie kaum auszumachen ist.
Grund für Hoffnung auf eine zukünftige Veränderung gibt es nach dem Öffnungsprozess gen Westen trotzdem. Der Ausbruch aus der außenpolitischen Isolation gibt dem libyschen Volk die Möglichkeit, Demokratie und politische Freiheit im angrenzenden Europa kennenzulernen und mit den Gegebenheiten vor Ort zu vergleichen. Gepaart mit der Tatsache, dass Qaddafi es trotz des finanziellen Zugewinns durch die Aussöhnung mit dem Westen nicht geschafft hat, schwerwiegenden strukturelle Probleme zu lösen, könnte es zu einer gewissen Unruhe innerhalb der Bevölkerung kommen. Trotzdem ist nicht damit zu rechnen, dass sich unter der Herrschaft des dienstältesten Staatschefs der Welt noch viel verändern wird. Dazu investiert er zu ausdauernd Kraft und Mühe in die Stabilisierung der eigenen Machtposition und dazu hat ihm die internationale Reputation und Legitimation zu sehr geholfen, den libyschen Herrschaftsanspruch der Familie Qaddafi weiter auszubauen. Aber die Tatsache, dass es seit 2004 schwieriger geworden ist, dem westlichen Feind Jugendarbeitslosigkeit, Bildungsnotstand und Korruption in die Schuhe zu schieben, könnte zumindest die Nachfolgefrage zugunsten der reformorientierten Elite um seinen Sohn Saif al-Islam entscheiden. In diesem Fall bestünde eine begründete Hoffnung darauf, dass sich das Land auf einem ähnlichen Grad politischer und wirtschaftlicher Öffnung einpendelt, wie derzeit etwa Tunesien oder Jordanien. Viel mehr sollte man jedoch auch von Saif al-Islam nicht erwarten. Auch er würde, wie die meisten arabischen Despoten an erster Stelle den eigenen Vorteil und das Wohlergehen seiner Familie und seines Stammes im Auge behalten. Dabei würde ein effizientes Wirtschafts- und Rechtssystem und eine ausgeprägte Kooperation mit dem Westen finanziell hilfreich sein und die Überwindung wichtiger struktureller Probleme ermöglichen. Dies wiederum könnte die demokratischen und freiheitlichen Unkenrufe des libyschen Volkes angesichts eines angenehmen Lebens im Spiegel der Erdölrente ganz schnell wieder zum Schweigen bringen und dem Qaddafisproß eine vorerst sorgenfreie Herrschaft garantieren.
„Gäbe es heute in der arabischen Welt einen Preis für verschleuderten öffentlichen Reichtum und Missmanagement des Staates, Libyen würde ihn mit souveränem Vorsprung gewinnen, gefolgt von Algerien und dem Sudan“ (Rami G. Khouri).
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