Samstag, 30. September 2006

Die FLN im Algerischen Unabhängigkeitskrieg (1954-1962) - Teil 3

V. 1958-1962: Diplomatie, Terror und Fehleinschätzungen der Franzosen auf dem Weg zur Unabhängkeit

Trotz der strategischen Erfolge der Jahre 1956-58 war die FLN im Frühjahr 1958 in ihren militärischen und hierarchischen Strukturen schwer erschüttert. Bereits im Oktober 1956 waren wichtige Vertreter der externen Delegation um Ben Bella von den Franzosen abgefangen und inhaftiert worden . Die interne Führung musste hingegen nach der militärischen Niederlage in Algiers nach Tunis fliehen. Dadurch wurden die Beschlüsse der Soummam-Konferenz über das Primat der internen Kräfte praktisch revidiert, da die führenden Köpfe ihre Machtposition keineswegs abgeben wollten. Desweiteren vollendeten die Franzosen im Frühjahr 1958 die befestigten Grenzanlagen zu Marokko und Tunesien. Somit verloren die im Land operierenden Kräfte wichtige Rückzugsgebiete und wurden von materiellem und personellem Nachschub isoliert. Dadurch ergaben sich desintegrative Tendenzen innerhalb der FLN, waren doch die Wilaya-Kommandeure, die den vollen militärischen Druck trugen, kaum bereit sich den Weisungen der Exilanten in Tunis unterzuordnen.

Gerade in dieser militärisch prekären Phase profitierte die FLN mehr als zuvor von den innerfranzösischen Entwicklungen in Armee und Staat.Die französische Armeeführung, die einen militärischen Sieg in unmittelbarer Nähe wähnte, erhoffte sich von einer starken Staatsführung mehr Unterstützung für die eigenen Operationen . Deshalb forderten die Generäle unter Führung von Raoul Salan die Rückkehr von General Charles de Gaulle, mit dem man sich mehr identifizierte als mit den politisch instabilen zivilen Regierungen der IV. Französischen Republik.

Allerdings führte der Machtantritt de Gaulle´s am 13. Mai 1958 zu anderen Entwicklungen, als von den Generälen geplant. Zwar etablierte de Gaulle die geforderte starke Führungsgewalt in Form einer neuen Verfassung, die den Beginn der V. Republik markierte, doch hatte er für Algerien ein anderes Konzept, das er gewillt war mit seinen neuen Kompetenzen durchzusetzen. De Gaulle´s Fokus lag auf einer starken französischen Position innerhalb Europas und der Konsolidierung der Wirtschaft. Die Interessen einer einzelnen Partei, den colons, mit dem gegenwärtigen finanziellen und militärischen Aufwand zu verteidigen, schien de Gaulle langfristig wirtschaftlich und politisch unprofitabel.

Als erstes französisches Staatsoberhaupt überhaupt erkannte de Gaulle das Selbstbestimmungsrecht der Algerier an und stellt ihnen in einer Rede im Oktober 1958 die Unabhängkeit in Aussicht, obwohl er selbst eine Federation mit Frankreich favorisierte. Allerdings waren beide Kriegsparteien, das heißt de Gaulle und die FLN, zu diesem Zeitpunkt kaum gewillt aufeinander zuzugehen. Für die FLN war de Gaulle´s Angebot ein Zeichen der Schwäche der Franzosen und sie setzte auf die Zeit, die ihr zuspielen und mehr Konzessionen erzwingen sollte. Das Ziel der Unabhängigkeit war jetzt so realistisch wie nie, aber die FLN wollte diese auch als alleiniger Vertreter anführen . Dies wiederum lehnte de Gaulle noch strikt ab. Er hoffte auf eine Kraft außerhalb der FLN, mit der man verhandeln könnte.

Zu diesem Zweck verfolgte de Gaulle bestimmte Strategien.Zum einen versuchte er mit regionalen Wilaya-Kommandeuren separate Verhandlungen aufzunehmen, um damit die äußere Führung der FLN, die inzwischen, als Zeichen des eigenen Anspruches, eine Exilregierung unter der Bezeichnung GPRA (Le Gouvernement Provisoire de la République Algérienne) gegründet hatte, zu schwächen.Zum anderen wurde 1959 eine der bisher größten Militäroffensiven gestartet, welche die FLN als Verhandlungspartei vollkommen eliminieren sollte.

Dieser Challe-Offensive , wie überhaupt der Strategie de Gaulle´s in dieser Phase, lag ein grundlegenes Missverständnis der tatsächlichen politischen Situation in Algerien zugrunde. Maßgeblich verantwortlich dafür war das theoretische Konzept des guerre révolutionnaire, auf dass sich sowohl Armee- als auch Staatsführung stützten. Diese Theorie ging von dem grundsätzlich kommunistisch beeinflussten Charakter nationaler Befreiungsbewegungen aus und fand besonders im Nachhall des Indochinakrieges viele Anhänger. Nach dieser Auffassung wurde die FLN vor allem vom nasseristischen Ägypten und dem kommunistischen Ostblock dirigiert. Die Bevölkerung, so glaubte man, werde lediglich durch Terror an die FLN gebunden. Folglich müsse man erst die FLN zerschlagen, um dann mit der Bevölkerung in Kontakt zu treten.Zwar gehörte der Terror gegen die Zivilbevölkerung, wie oben bereits ausgeführt, zum Konzept der FLN, doch negierte die guerre révolutionnaire - Theorie jegliche andere Gründe für Sympathien mit der FLN . Militärisch war die Challe-Offensive des Jahres 1959 ein voller Erfolg und dezimierte die Truppen der FLN beträchtlich.

Allerdings erzielte die FLN auf diplomatischem Parkett erhebliche Erfolge und erreichte die internationale Anerkennung als legitimer Vertreter des algerischen Volkes. Dies erhöhte den Druck auf Frankreich immens, besonders als de Gaulle erkannte, dass die FLN vielleicht militärisch besiegt werden könne, aber eine andere Verhandlungspartei mit ernsthaftem Rückhalt in der Bevölkerung nicht in Aussicht stand .Die Strategie der FLN war zwar sehr riskant, aber sie ging auf. Im Frühjahr 1960 gab de Gaulle, mangels Alternativen, dem internationalen, aber auch nationalem Druck, nach.

Die Challe-Offensive wurde eingestellt und Friedensverhandlungen mit der FLN begonnen.Diese Stufe erreicht zu haben gab der FLN enormes Selbstvertrauen. Folglich war man kaum bereit bei strittigen Punkten in den Verhandlungen nachzugeben. Zur Debatte standen hauptsächlich die Kontrolle über 1956 entdeckte Erdölfelder in der Sahara sowie die zukünftige Rolle der colons. Diese wiederum empfanden die Aufnahme von Verhandlungen mit der FLN als Verrat. Radikale Elemente der Gemeinde gingen in den Untergrund, wo sie unter Beteiligung abtrünniger französischer Generäle, darunter auch Raoul Salan, eine Terrorkampagne gegen die muslimische Zivilbevölkerung und französische Sicherheitskräfte in den Großstädten starteten. Die Aktionen dieser als OAS (Organisation de L´Armée secrète) bekannten Gruppe waren für die französischen Verhandlungsführer doppelt kontraproduktiv .

Zum einen konnte man so die Bedürfnisse der colons sowohl national als auch international immer weniger verteidigen. Zum anderen provozierte der Terror der OAS Gegenterror der sich inzwischen militärisch regenerierenden FLN, die diesen allerdings auch bewusst und gezielt einsetzte, um die eigenen Forderungen zu untermauern . So waren Terror und Gegenterror in dieser letzten Phase des Krieges Faktoren, die eindeutig der FLN zugute kamen und gewichtigen Einfluss auf den Ausgang der Verhandlungen hatten, da Frankreich am Ende in fast allen Punkten Zugeständnisse machte . Die Förderungskonzessionen für das algerische Öl blieben zwar französischen Firmen vorbehalten, die Kontrolle blieb aber beim zukünftigen Staat Algerien. Außerdem verließen die colons, aus Angst vor Racheakten der vormals von ihnen kontrollierten Bevölkerung, nahezu vollständig das Land. Mit der FLN wurde die Unabhängkeit verhandelt und sie erhielt auch das Recht den neuen Staat zu leiten, so wie sie es stets gefordert hatte .


VI. Schluss

Wie im Verlauf der Arbeit beschrieben, lagen der Auswahl militärischer und nicht-militärischer Mittel auf Seiten der FLN bestimmte taktische und strategische Entwicklungen zugrunde.Von der legalen Partizipation innerhalb der französischen Demokratie ausgeschlossen, radikalisierten sich Teile der algerischen Nationalbewegung und entschieden sich für den bewaffneten Widerstand.

Nach anfänglichen Misserfolgen manifestierte sich bei der FLN ein Lernprozess, dessen Ergebnis ein variables Repertoir an Erfolg bringenden Strategien war. Die Gleichschaltung der algerischen Nationalbewegung und die Zusammenarbeit mit der Zivilbevölkerung wurde zu großen Teilen mit dem Konzept des compliance terrorism erzwungen. Die Beschlüsse der Soummam-Konferenz und der daraus resultierende “Battle of Algiers“ führten wesentlich zur Internationalisierung des Konflikts.

Das Konzept des endorsement terrorism bescherte der FLN nationalen und internationalen Rückhalt während es den Franzosen besonders moralisch und psychologisch schadete. Ländliche Guerilla-Überfälle konnten die französische Armee zwar nie ernsthaft gefährden, doch machte die FLN somit immer wieder auf die eigene Existenz, Regenerationsfähigkeit und Zähigkeit aufmerksam.Nicht-militärische Konzepte, wie die diplomatischen Initiativen der FLN, besonders bei den Vereinten Nationen, erwiesen sich ebenfalls als sehr erfolgreich, genauso wie die politischen Entwicklungen und Fehleinschätzungen der Franzosen.

Das Festhalten am guerre révolutionnaire-Konzept verhinderte eine wirksame Strategie und war deshalb von immensem Nutzen für die FLN.Entgegen dieser Theorie nämlich war die FLN eine eher pragmatisch als ideologisch ausgerichtete Organisation. Vorrangiges Ziel war die Erlangung der Unabhängigkeit Algeriens. Unterstützung militärischer, finanzieller und diplomatischer Art nahm die FLN gerne entgegen, soweit es den eigenen Vorgaben nützlich erschien, ohne sich jedoch ideologisch zu binden. Militärstrategische Konzepte, wie Guerilla, compliance terrorism und endorsement terrorism, wurden pragmatisch, variabel und punktuell eingesetzt und waren die Hauptfaktoren für den letztendlichen Erfolg der FLN.

Freitag, 29. September 2006

London: Von Finsbury nach Highbury

Finsbury Park Mosque - die Moschee im gleichnamigen Stadtteil nördlich des Londoner Stadtzentrums gilt als eine der Keimzellen des islamistischen Terrors in Grossbritannien. Bis 2003 predigte hier der berüchtigte Imam Abu Hamza al Masri. 1958 in Alexandria geboren, war al-Masri, mit bürgerlichem Namen Mustafa Kamel Mustafa, Ende der 1970er Jahre ins Vereinigte Königreich eingereist.

Von einem Afghanistan-Aufenthalt kehrte al-Masri Mitte der 90er Jahre zwar ohne Hände und linkes Auge dafür aber mit umfangreichem islamistischen Agitationsmaterial, unter anderem der sogenannten "Enzyklopädie des Jihad" zurück. In der Finsbury Park Moschee hetzte al-Masri fortan gegen Amerikaner, Juden, Hindus etc.. Die Ermordung Ungläubiger legitimierte er. Der "Schuhbomber" Richard Reid und Zacarias Moussaoui, verurteilter Mitwisser der Anschläge vom 11.September 2001, besuchten die Moschee. Nach seiner Absetzung als Prediger in der Moschee hielt der gebürtige Ägypter seine Predigten vor dem Gebäude wo sich seine Anhänger vor ihm in den Straßenstaub warfen.

Von außen wirkt der backsteinfarbene Zweckbau aus den späten 80ern eher unscheinbar, die Fensterfront zur kleinen St Thomas`s Road erweckt eher den Anschein eines Büro- oder Wohnhauses. Das kleine Minarett ist genauso unauffällig wie die Kuppel, die sich auf dem Dach erahnen lässt. Hinweisschilder machen Passanten darauf aufmerksam, dass jede ihrer Bewegungen von Überwachungskameras aufgezeichnet wird. Die kleine Straße wirkt heute Mittag sehr verschlafen, die schmalen zweistöckigen Reihenhäuser vermitteln kleinstädtischen Charme. Eine selbst ernannte palästinensische Widerstandsgruppe lädt auf Plakaten zu einer Informationsveranstaltung "6 Jahre Intifada" ein.

Am anderen Ende der Straße, keine 500 Meter von der Moschee entfernt, erhebt sich majestätisch die Rückwand des "North End" des legendären Highbury-Stadions vom FC Arsenal über die Häuserreihen. Dort, wo noch im April beim letzten Champions-League-Spiel Arsenals gegen Villareal in der altehrwürdigen Arena ein Eichhörnchen unschuldig über den grünen englischen Rasen huschte, fressen sich heute Presslufthammer und Bagger durch Jahrzehnte alte Baussubstanz. In den nächsten Jahren soll auf dem Gelände hochwertiger Wohnraum entstehen. Vom berühmten "Clock End" stehen mittlerweile nur noch die Grundmauern.

Der FC Arsenal selbst ist dank großzügiger arabischer Investoren aus den Golfstaaten einige hundert Meter weiter gezogen. Seit dieser Saison tragen die Gunners ihre Heimspiele im hochmodernen "Emirates-Stadium" aus. Zumindest von außen wirkt die Arena jedoch ziemlich gesichtslos und könnte genauso gut in Lissabon, Moskau oder Athen stehen, da die Architekten auf jedes Element traditioneller britischer Stadionarchitektur verzichteten.

Der FC Arsenal London gilt übrigens als Lieblingsklub von al-Qaida-Chef Osama Bin Laden. Während eines Aufenthalts in der britischen Hauptstadt kurz vor seiner Ausweisung aus Saudi-Arabien soll der Fußballfreund mehrere Heimspiele im Highbury besucht und im angeschlossenen Fan-Shop zahlreiche Devotionalien für seine Söhne gekauft haben. Daher war nach den Anschlaegen des 11.September zur Melodie von "Volare" des öfteren folgender Fan-Gesang auf den Tribünen zu hoeren:

Osama, Whoa-oa-oah
Osama, Whoa-oa-oah
He loves the Arsenal
He’s hiding near Kabul…

Libanon-Israel-Konflikt: Streit ums Wasser

Die bewaffnete Präsenz der Hizbullah und ihre wiederholten Übergriffe auf israelisches Territorium von libanesischem Boden aus stellten für Israel die hauptsächliche Rechtfertigung für den knapp einmonatigen Krieg , der die Welt im Juli in Atem hielt. Auch in der westlichen Öffentlichkeit wurde der Konflikt (wenn auch äußerst kontrovers) im wesentlichen unter militärischen und sicherheitspolitischen Aspekten diskutiert. Während nun die internationale Gemeinschaft gespannt den Ausbau des UNIFIL-Mandats im Südlibanon verfolgt, treten allerdings weitere Konfliktlinien zutage, die eine komplexere Problemlage erkennen lassen.

Dass es dabei um Streitigkeiten um Wassernutzungsrechte zwischen Israel und Libanon geht, mag zwar wenig spektukulär erscheinen, dennoch können die neuerlichen Beschwerden der libanesischen Regierung nicht als Randnotiz abgetan werden, sondern bedürfen einer Erläuterung, um die Spannungen zwischen den beiden Ländern besser verstehen zu können.
Denn nicht zum ersten Mal sieht sich Israel dem Vorwurf der widerrechtlichen Aneignung libanesischer Gewässer beschuldigt. Umso eindringlicher appellierte Ministerpräsident Fouad Siniora an den scheidenden UN-Generalsekretär Kofi Annan, das israelische Vorgehen als Verstoß gegen die Resolution 1701 zu brandmarken.

Was war geschehen? Mohammad Ghamlush, leitender Ingenieur der beiden Pumpstationen des südlibanesischen Flusses Wazzani, berichtet AFP gegenüber von einer Aktion israelischer Spezialstreitkräfte. Diese seien am 22. September in eine Station eingedrungen und hätten diese sabotiert, um beträchtliche Mengen des Flusses nach Israel umzuleiten. "Die Israelis pumpen nun täglich 200-300 Kubikmeter Wasser nach Israel", konstatiert Ghamlush.

In einer Region, in der Wasser eine noch wertvollere Ressource als Öl ist, birgt diese Auseinandersetzung naturgemäß besonderes Konfliktpotenzial. Kompliziert wird die Angelegenheit durch die durchaus legitimen Ansprüche, die beide Seiten für sich geltend machen. Aus libanesischer Sicht ist der Wazzani eindeutig ein libanesischer Fluss, da er am Fuße des Mount Hermon entspringt und erst nach einigen Kilometern die Grenze nach Israel passiert. Neben dieser rechtlichen Grundlage für die Ableitung des Wazzani-Wassers führt die libanesische Regierung vor allem huminitäre Gründe ins Feld: Die Bewässerung soll nämlich jenen grenznahen Dörfern zukommen, die bislang fast völlig von der Wasserversorgung ausgeschlossen sind.

Doch auch Israels Ansprüche auf das Wazzani-Wasser sind nachzuvollziehen: Denn der Wazzani vereinigt sich kurz vor der Grenze mit dem Hasbani einem der Hauptzuflüsse des Jordan. Der Jordan wiederum speist den See Genezareth, das größte Wasserrevoir Israels und Grundlage für die blühende landwirtschaftliche Produktion. Insofern betrifft die Ableitung des Wazzini-Wassers Israel und seine (land)wirtschaftliche Stabilität unmittelbar.

Bereits vor vier Jahren wäre dieser Streit schon beinahe militärisch eskaliert: Damals standen sich der inzwischen ermordete libanesische Ministerpräsident Rafik Hariri und der heute im Koma liegende Ariel Sharon feindlich gegenüber. Wiederholt hatte die israelische Luftwaffe die Installation der erwähnten Pumpstation aktiv zu sabotieren versucht und Sharon hatte bereits zu diesem Zeitpunkt unverhohlen mit Krieg gegen den Staat Libanon gedroht. Nicht zuletzt aber zeitigten die israelischen Übergriffe vor allem ein Resultat: Den Guerilla-Streitkräften der Hizbullah wurde immer wieder ein Vorwand gegeben, israelisches Territorium als Vergeltung zu beschießen.

Die Spirale von Gewalt und Gegengewalt, die sich bis zum letztmonatigen Krieg hochschaukelte, erhielt, neben der strittigen Frage der Shebaa-Farmen, nicht zuletzt durch diese Auseinandersetzung um das Wazzani-Wasser bedeutende Sprengkraft und erklärt zu einem gewissen Teil auch, warum große Teile der libanesischen Bevölkerung die Aktionen der Hizbullah unterstützten. Denn der Konflikt um das Wazzani-Wasser ist primär ein Konflikt zwischen dem israelischen und libanesischen Interessen, von dem bis heute allerdings hauptsächlich die Hizbullah profitiert hat.

Donnerstag, 28. September 2006

Auf den Spuren von "Londonistan"

Londonistan - dieses Schlagwort wurde Mitte der 90er von französischen Terrorexperten geprägt, spätestens seit den Terroranschlägen vom 7.Juli 2005 ist es in aller Munde. Das gleichnamige Buch der Journalistin Melanie Phillips wird kontrovers diskutiert. Das Buch beschreibt sehr zugespitzt die Entwicklung einzelner Stadtteile der britischen Hauptstadt hinzu islamischen Gegengesellschaften infolge einer kaum kontrollierten Zuwanderung aus der islamischen Welt und der passiven Haltung der britischen Mehheitsgesellschaft und den Behörden. Die Netzwerke der zahlreichen Moscheen, Vereine und islamistischen Zirkel böten einen idealen Nährboden für den so genannten "Homegrown Terrorism", argumentiert die Autorin weiter.

Einer der Stadtteile mit großem muslimischen Bevölkerungsteil ist das Londoner Eastend. Traditionell ein Arbeiterstadtteil - bis zum 2.Weltkrieg das Wohnquartier vieler jüdischer Familien - fanden hier seit den 1960ern viele Immigranten billigen Wohnraum. Zuwanderer vom indischen Subkontinent prägen das Straßenbild, viele von ihnen tragen den traditionellen Salwar Kameez. Der Anteil der Frauen, die auch ihr Gesicht verschleiern, ist sehr hoch. Straßenschilder sind in der Regel zweisprachig, Englisch und Bengali.

Als heute der Muezzin der East London Mosque zum Gebet ruft, folgen hunderte Männer aus den umliegenden Straßen seinem Ruf. Auch einige Frauen eilen durch einen separaten Eingang zum Gebet. Ein Buchladen, der in dem gleichen Backsteinbau angesiedelt ist, vertreibt ein umfangreiches Angebot an islamischer Literatur, sortiert nach den Sprachen Englisch, Arabisch, Urdu und Bengali. Die Bandbreite des Sortiments reicht von Ibn Taimiyya über Muhammad Abduh und Sayyid Qutb bis zu Tariq Ramadan. Außerdem verkauft der Laden ein T-Shirt mit der Aufschrift "Islam - The Religion of Peace".

Der Ruf des Muezzins beendet meinen Besuch. "Bruder, es ist Zeit für das Gebet. Wir schliessen.", bittet mich der Verkäufer hinaus. In einem anderen Buchladen wenige hundert Metrer weiter finde ich neben Biographien des getöteten al-Qaida-Führers im Irak, Abu Musab al-Zarqawi auch eine arabische Ausgabe von Adolf Hitlers "Mein Kampf".

Auf die Bedürfnisse der muslimischen Kunden haben sich in den Strassen um die Whitchapel-Street und die Brick Lane nicht nur die zahllosen Kebab-Läden eingerichtet. Auch die Pizzabuden und chinesischen Nudelbräter in Banglatown verweisen in ihren Schaufenstern darauf, dass die von ihnen angebotenen Speisen "halal" sind und somit Genuss ohne Reue garantieren.

Mehr gibts morgen, dann von der Finsbury Park Mosque..

Mittwoch, 27. September 2006

Die FLN im algerischen Unabhängigkeitskrieg (1954-1962) - Teil 2

III. 1954-1956: Die Etablierung der inneren Autorität der FLN

Um den Beginn des Krieges nach außen effektvoll und nach innen verlustarm zu inszenieren, wählte die FLN am 1.11. 1954 einige Ziele vor allem in den eher schwach kontrollierten und schwer zugänglichen Gebirgsregionen Aurès und Kabylei . Der milititärische Nutzen war vergleichsweise gering und erhielt auch weniger Priorität als der symbolische Wert. Zwar waren nur wenige hundert Kämpfer an diesem Tag aktiv, aber die gemeinsam in verschiedenen Regionen konzertierte Aktion und die gleichzeitig mit Flugblättern gestartete Propagandakampagne setzte sowohl den Gegner, die Franzosen, als auch potenzielle Mitstreiter über die Existenz der FLN in Kenntnis .

Die Franzosen, die sich nach der Zerschlagung der OS über deren weitere Entwicklung wenig kümmerten, sahen in der Massenorganisation MTLD den Hauptverantwortlichen für die Ereignisse des 1. 11. und reagierten mit einer massiven Verhaftungs- und Repressionswelle gegen die Mitglieder der Bewegung . Die MTLD war somit doppelt getroffen: Durch ihren fait accompli ergriff die FLN die Initiative und proklamierte ihren Führungsanspruch über die algerische Nationalbewegung, und gleichzeitig bestraften die Franzosen, in Ermangelung eines sichtbaren Gegners, die MTLD und trieben somit viele deren Mitglieder in den Untergrund, also in die Arme der FLN .

Die FLN selber litt zu diesem Zeitpunkt unter chronischer Waffenarmut und war auch personell nicht in der Lage einen dauerhaft erfolgreichen Guerilla-Krieg zu führen . Um das Endziel der Unabhängigkeit realistisch erreichen zu können, rückte zum einen die Mobilisierung der Massen, zum anderen die Assimilierung der Algerischen Nationalbewegung in den Vordergrund. Es sollte also erst die innere Autorität der FLN etabliert werden, um dann wirkungsvoll agieren zu können . Besonders auf dem Land, in den kleinen Gemeinden und Dörfern, bestand das Hauptziel in der Zerschlagung der bestehenden Herrschaftsstrukturen. Denn hier standen an der Spitze der Verwaltung meist Muslime, die von den Franzosen eingesetzt wurden und mit ihnen zusammenarbeiteten, und die deshalb von der FLN als Kollaborateure angesehen wurden .

Gezielte Anschläge auf diese caids gehörten ebenso zur Strategie der FLN wie der Aufbau eines parallelen Verwaltungssystems. Die Aufteilung des algerischen Territoriums in sechs Militärbezirke (wilayas) und entsprechende Unterbezirke war von der FLN schon vor 1954 beschlossen worden . Jetzt sollte auch ein ziviler Apparat auf dem Land aufbebaut werden, dem auch die soziale Versorgung der Bevölkerung zufiel . Doch vor allem wollte die FLN das Volk kontrollieren und mobilisieren. Neutralität gegenüber dem eigenen Kurs duldete sie nicht. Zum Teil exzessive Gewalt gegen die Zivilbevölkerung sollte diese zur Mitarbeit zwingen .

Zu diesem Zweck versuchte die FLN flächendeckend in jeder Gemeinde einen politischen und einen militärischen Kontaktmann zu installieren. Diese sollten die Bevölkerung unter Kontrolle halten und instruieren . Allerdings hing die Untergebenheit der ländlichen Bewohner oft auch von der physischen Präsenz der FLN-Vertreter ab, da kaum ein Ort dauerhaft unter deren Kontrolle stand und die Franzosen im Gegenzug FLN-Sympathisanten in den Gemeinden zu isolieren versuchte .Das Signal, das die FLN mit dieser Strategie aussenden wollte, war klar: Jegliche Bindung der algerischen Bevölkerung an das französische Verwaltungssystem sollte abgeschnitten und von der FLN ersetzt werden, die sie sich dadurch einen legitimierten Vertretungsanspruch über das algerische Volk und ein Reservoir an materiellen und personellen Ressourcen erhoffte .

Ein weiterer Schritt in der Etablierung der FLN bildete die Ausschaltung und Absorbierung der konkurrierenden nationalistischen Bewegungen. Die Liberalen unter Ferhat Abbas und die ulamas fügten sich relativ schnell dem Führungsanspruch der FLN, erkannten sie doch , dass der einmal eigeschlagene Weg des Krieges nicht revidiert werden konnte und man sich innerhalb der FLN noch am besten entfalten können würde . Weit unnachgiebiger zeigte sich allerdings die inzwischen neu gegründete, aus der MTLD hervorgegangene MNA (Mouvement Nationale Algérienne), die noch immer über ein großes Mitgliederreservoir verfügte. Die MNA verteidigte hartnäckig ihren historisch begründeten Führungsansprunch und fand besonders bei den algerischen Emigranten in Frankreich Zuspruch .

Um die MNA auszuschalten, wandte die FLN die selbe Strategie wie bei tatsächlichen und vermeintlichen muslimischen Kollaborateuren an. Gezielte Terroraktionen fügten Infrastruktur und Führung der MNA beträchtlichen Schaden zu. In Frankreich setzte die FFFLN (Fédération de France du FLN), die mit der Mutterorganisation in engem Kontakt stand, der MNA schwer zu, es kam zu teils blutigen Straßenkämpfen in französischen Großstädten, und etablierte sich als alleiniger Vertreter der algerischen Emigranten .

Als weiterhin bedeutsam erwies sich die Absorption politisch nützlicher ziviler Gruppen wie Studentenverbände und vor allem Gewerkschaften. Die im Februar 1956 gegründete UGTA (L´Union Générale des Travailleurs Algériens) konnte sich, auch unter Anwendung terroristischer Abschreckung, gegen konkurrierende Organisationen durchsetzen und sicherte der FLN damit auch die fundamental wichtige finanzielle Unterstützung der algerischen Arbeiter, vor allem auch in Frankreich .Desweiteren bemühte sich eine von Ahmed Ben Bella angeführte externe FLN-Delgation um die Internationalisierung des Algerien-Krieges und richtete unter anderem Vertretungen bei den Vereinten Nationen und der Arabischen Liga ein .

Im Sommer 1956 hatte es die FLN geschafft sich als alleiniger Vertreter der algerischen Unabhängkeit zu etablieren, maßgeblich durch das in diesem Kapitel beschriebene Konzept, das von Hutchinson als compliance terrorism definiert wird:

“Compliance terrorism had two basic and direct audience groups within the Algerian population: the existing and potential elites who were rivals for political authority and any “traitors” who disobeyed the FLN and challenged its dominance over the population. … The FLN also enforced obedience with direct attacks on the “resonant mass” of the Algerian population. The desired psychological response was apparently classic insecurity and fear, leading to amenability to FLN direction.” (in: Hutchinson: Revolutionary terrorism; S.45;47)

Doch die Absorption verschiedenster Elemente führte zu einer Heterogenisierung der Bewegung. Bisher eher unklar bis überhaupt nicht definierte Hierarchien und Kommandostrukturen bedurften aufgrund wachsender Mitgliederzahlen einer eindeutigen Klärung . Ein weiteres Problem bestand außerdem in der Tatsache, dass, obwohl die Konsolidierung der Autorität nach innen weitestgehend vollzogen wurde, der Kampf gegen die französische Armee bislang relativ wirkungslos verlief. Die bis dahin beibehaltene Strategie der ländlichen Guerilla-Übergriffe musste also überarbeitet und ergänzt werden .Zu diesem Zweck versammelten sich im August 1956 die wichtigsten FLN-Vertreter im Soummam-Tal, um nach zwei Jahren des Krieges Bilanz zu ziehen und die Weichen für die Zukunft zu stellen .


IV. 1956-1958: Die FLN und der urbane Terrorismus

Die Ergebnisse der Soummam-Konferenz hatten Auswirkungen sowohl auf die Organisationsstruktur der FLN, als auch auf die strategische Ausrichtung.Da sich die FLN als Wegbereiter eines unabhängigen algerischen Staates sah, wurde mit dem CNRA (Le Conseil National de la Révolution Algérienne) ein legislatives, mit dem CCE (Le Comité de Coordination et d`Exécution) ein exekutives Organ gegründet . Diese Institutionen sollten den bisher eher unkoordiniert vollzogenen Aufbau eines parallelen Staatsapparates straffen und kontrollieren.

Zwar wurden die wilayas, bis hin zu den einzelnen Zellen, direkt der Weisungsbefugnis des CCE unterstellt, jedoch gab dieser nur die allgemeine Strategie vor. Die Umsetzung lag in den Händen der einzelnen Zellen bzw. der Wilaya-Kommandanten, die somit relativ autonom agieren konnten, während die FLN-Führung die Verantwortung für alle (erfolgreich) ausgeführten Aktionen übernahm .In Abwesenheit der externen Delegation beschlossen die Teilnehmer der Konferenz außerdem das Primat der inneren gegenüber der äußeren Führung, setzen sich die im Land operierenden Kräfte doch dem größten Risiko aus, während sich das diplomatische Korps der FLN außerhalb Algeriens in relativer Sicherheit befand .

Trotzdem wurden auch Mitglieder der externen Delegation, allen voran Ben Bella, in CNRA und CCE berufen, ebenso wie die Vertreter anderer assimilierter Gruppen, wie z.B. der Liberale Ferhat Abbas, was zur Bezeugung des integrativen Charakters der FLN diente .Auf eine gemeinsame Ideologie oder ein Regierunsprogramm für die Zukunft konnte man sich allerdings nicht einigen. Auch die Umsetzung des Beschlusses über das Primat des Politischen über das Militärische schien sehr zweifelhaft und konnte aufgrund der militärischen Situation, die alle Energien absorbierte, praktisch nicht realisiert werden .Diese militärische Situation sollte durch verschiedende Maßnahmen verbessert werden.Zum einen plante man die stärkere Einbeziehung der soeben unabhängig gewordenen Nachbarstaaten Tunesien und Marokko sowohl als Rückzugsgebiet als auch für den Nachschub von Waffen und Kämpfern .Zum anderen visierte man eine Entlastung der ländlichen Guerilla an, was besonders von den regionalen Wilaya-Kommandeuren gefordert wurde .

Zu diesem Zweck rückten die Großstädte an der Küste in den Mittelpunkt, allen voran Algiers. Bis zu diesem Zeitpunkt spielten die urbanen Zentren keine größere Rolle in den Planungen und auch die hauptsächlich in diesen Städten lebende europäische Siedlerelite der colons rückte erst jetzt als direktes Angriffsziel ins Visier der FLN. Dem ersten wichtigen Beschluss des CCE, den Krieg nach Algiers zu bringen, lagen bestimmte strategische Überlegungen zugrunde.Die FLN wollte den Terror vor allem gegen die colons richten, was eine erheblich höhere Aufmerksamkeit als die ländlichen Guerilla-Angriffe hervorrufen sollte. Außerdem beabsichtigte man so Signale an mehrere verschiedene Gruppen aussenden.Die colons sollten in einen Zustand der Unsicherkeit versetzt werden und, wenn möglich, zur Ausreise gezwungen werden. Dazu operierte die FLN aus dem verwinkelten und schwer zugänglichen muslimischen Teil der Stadt, der Kasbah.

Die im Oktober 1956 gestartete Terrorkampagne wählte belebte, besonders von Europäern frequentierte Orte, wie Bars und Cafés, aus und setzte die Bevölkerung mit verlustreichen Bombenanschlägen in Angst und Schrecken. Desweiteren wurden Repräsentanten der europäischen Gemeinde entführt und bzw. oder gezielt getötet . Ein wichtiger Grund für die Effizienz der Aktionen war die Verschwiegenheit und Kooperation der muslimischen Bevölkerung. Für die Sicherheitskräfte in Algiers war es praktisch unmöglich die Spuren solcher Anschläge zurück zuverfolgen. Die Grenze zwischen Tätern, Kurieren, Mitwissern und passiver Zivilbevölkerung war fließend .

Im Januar 1957 demonstrierte die FLN dann ihren immensen Einfluss auf das Volk, als ein einwöchiger Generalstreik in Algiers ausgerufen wurde, wobei sich die Einbeziehung der Gewerkschaft UGTA bezahlt machte .Die französische Armee sah sich jetzt zum Handeln gezwungen und die Spezialeinheiten der paras (les parachutists) marschierten in Algiers ein um den Streik gewaltsam zu beenden und die Ordnung wieder herzustellen . Was in den nächsten Monaten folgte, ging in die Geschichte als “The Battle of Algiers“ ein. Haus um Haus durchsuchten die paras die Kasbah und nahmen dabei unzählige Menschen fest.

Ziel der Franzosen war es die für die FLN fundamentale Verschwiegenheit zu brechen und die Kommunikationswege zu unterwandern . Zu diesem Zweck setzten die Spezialeinheiten verstärkt auf Folter, wovon fast die gesamte muslimische Bevölkerung bedroht war, galt doch jeder als potenzieller Geheimnisträger. Diese kollektive Vergeltung war von der FLN allerdings durchaus beabsichtigt , denn so erreichte man gleich mehrere Gruppen. Zum einen wurden immer mehr Muslime, die persönlich oder bei Verwandten Folter erlebten, emotional aktiviert und von der FLN angezogen.

Diese Art der Gewinnung der Unterstützung der eigenen Bevölkerung unterschied sich vom compliance terrorism der ersten beiden Kriegsjahre und wird von Hutchinson als endorsement terrorism bezeichnet:

“In general, endorsement terrorism is more spectacular and more shocking than compliance terrorism. … Spontaneous and indiscriminate violence violence by French civilians and military against Algerians alienated the masses from the regime, enhanced Algerian solidarity, and increased support for the FLN.” (in: Hutchinson: Revolutionary terrorism; S.49/50)

Ebenfalls signifikant war die Wirkung, die man auf das Publikum außerhalb Algeriens erzielen konnte. Die FLN war zwar militärisch verheerend geschlagen worden und existierte danach in Algiers praktisch kaum noch , doch mussten die Franzosen ihren Sieg teuer bezahlen. Berichte, zum Teil von heimgekehrten Soldaten selber, über den Einsatz von Folter ließen beim französischen Volk die Symphatien für das Engagement in Algerien sichtbar schwinden und riefen Zweifel an der moralischen Rechtfertigung des Einsatzes hervor, hatte man doch kaum zwei Jahrzehnte zuvor unter ähnlichen Methoden von SS und Gestapo leiden müssen .

Auch auf internationaler Ebene war der “Battle of Algiers“ für die FLN ein großer Erfolg, da erst nach dieser öffentlichkeitswirksamen Kampagne der Algerienkonflikt auf die Tagesordnung der Vereinten Nationen gesetzt wurde . Die Franzosen befanden sich hingegen immer mehr in der Isolation, da man auf globaler Ebene kaum noch Fürsprecher für die eigenen Standpunkte finden konnte und man eher als brutaler Repressor und reaktionärer Verfechter eines kolonialen Systems, denn als Garant für Recht und Ordnung angesehen wurde .

Die FLN befand sich Anfang 1958 also in einer strategisch besseren Lage als die Franzosen. Frankreich musste bemüht sein den Krieg zu gewinnen, um nach den Rückschlägen von Indochina 1954 und Suez 1956 nicht noch mehr an Prestige zu verlieren, aber konnte das nur schaffen, indem es zu umstrittenen Methoden, wie Folter und Gegenterror, griff und außerdem die durch den Zweiten Weltkrieg immer noch stark gebeutelte Wirtschaft mit immensen Militärausgaben belastete . Die FLN dagegen konnte ihren Terror mit Verweis auf französische Brutalität moralisch rechtfertigen und brauchte den Krieg nicht zwingend militärisch zu gewinnen. Die FLN musste nur eine totale Niederlage verhindern, da die Zeit langfristig für sie arbeitete .

Dienstag, 26. September 2006

Ägypten will Atomprogramm wiederaufnehmen


Nach 20 Jahren Unterbrechung will Ägypten sein Programm zur zivilen Nutzung der Nuklearenergie wiederaufnehmen. Kabinettssprecher Magdi Radi erklärte gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur MENA, die Regierung habe beschlossen angesichts des jährlich um 7% steigenden Energiebedarfs die "nukleare Alternative" voranzutreiben.

Nach Angaben von Energieminister Hassan Younis soll innerhalb der nächsten 10 Jahre ein Atomkraftwerk in al-Dabaa an der Mittelmeerküste entstehen. Für die Kosten von mehr als einer Milliarde Euro suche das Land auch nach ausländischen Investoren. Bereits in den 1980ern betrieb Ägypten in enger Kooperation mit der Sowjetunion ein ziviles Atomprogramm, gab dieses aber nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl wieder auf.

Gegenwärtig betreibt die Arabische Republik lediglich einen Fotschungsreaktor. Die internationale Atomenergiebehörde IAEA überwacht Ägyptens Nuklearforschungen seit Anfang 2005. Ägypten hatte der Behörde daraufhin ein einem Schreiben eine vollständige Kooperation zugesichert. Die IAEA hat bislang keinen Hinweis darauf, dass Ägypten als Unterzeichner des Atomwaffensperrvertrags Uran anreichert oder eine atomare Bewaffnung anstrebt.

In der Vergangeheit war Ägyptens Präsident Hosni Mubarak ein vehementer Befürworter eines atomwaffenfreien Nahen Ostens. Er kritisierte das iranische Atomprogramm und forderte gleichzeitig die Vernichtung des israelischen Nuklearwaffenarsenals.

Sonntag, 24. September 2006

Die FLN im Algerischen Unabhängigkeitskrieg (1954-1962) - Teil 1

Hier ist eine Semesterarbeit, in der ich mich mit den strategischen Konzepten der FLN während des algerischen Unabhängigkeitskrieges beschäftige und den Erfolg ihrer Strategien analysiere. Im ersten Teil geht es heute um die Entstehungsgeschichte der Bewegung, Teil 2 und 3 folgen in den nächsten Tagen.


I. Einleitung

Der Unabhängkeitskrieg Algeriens gegen Frankreich (1958-1962) steht zwar in einer Reihe mit den nationalen Befreiungskriegen, die die Dekolonisationsphase nach dem Zweiten Weltkrieg kennzeichneten, war aber in vielen Merkmalen einmalig und beispielgebend.

Standen 1954 noch ein paar hundert algerische Untergrundkämpfer einer materiell und personell übermächtigen französischen Armee sowie einer überprivilegierten algerofranzösischen Minderheit gegenüber, so wurde 1962 nichts weniger als die absolute Unabhängigkeit unter der Führung einer zur Massenbewegung gewachsenen, alles kontrollierenden Partei, der FLN (Front de la Libération Nationale), erreicht.

Um diese Entwicklung nachvollziehen zu können, ist es notwendig diese FLN, den Katalysator der algerischen Unabhängigkeitsbewegung, genauer zu untersuchen.

Maßgeblich hierfür ist die Frage, inwiefern die FLN ihre hochgesteckten politischen Ziele zu erreichen versuchte, das heißt mit welchen taktischen und strategischen Mitteln sie operierte, um die gewaltigen Nachteile und Hindernisse, die ihr gegenüber standen, zu überwinden.
Desweiteren sollen Zäsuren, besonders innerhalb der algerischen Nationalbewegung, aber auch auf Seiten der Franzosen und weltweit aufgezeigt werden, die die FLN dazu bewegten ihre Strategie den militärischen und politischen Verhältnissen anzupassen.

Dazu soll die Besonderheit der strategischen Ausrichtung der FLN zu verschieden Zeitpunkten thematisiert werden. Hierzu zählt ihre Auswahl von militärischen Mitteln, von ländlicher Guerilla bis hin zu urbanem Terrorismus, sowie nicht-militärischen Faktoren wie Propaganda, Diplomatie und den entscheidenden Fehleinschätzungen von französischer Armee und Staat.
Am Ende soll also der einzigartige Charakter der FLN, sowie die vielschichtigen Gründe ihres Erfolges im Algerischen Unabhängigkeitskrieg heraus gestellt werden.


II. Der Algerische Kontext – Die Entstehung der FLN

Die Gründung der FLN, Hauptgegner der französischen Armee seit Beginn des Krieges am 1.11. 1954, stand am Ende einer langjährigen Entwicklung des algerischen Nationalismus und einer verfehlten französischen Algerienpolitik. Um die Motivation und Inspiration, die die Strategie der FLN in den Kriegsjahren charakterisierten, nachzuvollziehen, ist es nützlich diese Entwicklung kurz zu umreißen und an den Anfang der Betrachtungen zu stellen.

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts verschärften sich in Algerien vor allem die ökonomischen Gegensätze zwischen der indigenen muslimischen Bevölkerung und einer europäischen Siedlerelite, den colons, welche, obwohl sie gerade ein Zehntel der Einwohner stellten, die Vormachtsstellung im wirtschaftlichen und politischen Bereich besaßen. Unterstützt wurden die Siedler vor allem auch durch das französische Parlament, in dem sie sich stets einer großen Lobby sicher sein konnten, und das ihnen u.a. das Recht auf Enteignung muslimischer Landeigentümer in Algerien gewährte. Initiativen von Seiten französischer Liberaler eine zumindest stärkere politische Repräsentation und Partizipation von Algeriern zu erreichen, verpufften meist wirkungslos, fast immer aufgrund des starken Widerstandes der colons, die zu keiner Zeit bereit waren sich ihre Privilegien einzuschränken zu lassen.

In Reaktion auf diese Hindernisse radikalisierten sich vor allem in den 30er und 40er Jahren die Strömungen der algerischen Nationalbewegung. Die algerischen Liberalen (les élus) unter Führung von Ferhat Abbas fanden es zunehmend schwerer mit einem integrationistischem Programm, welches aus Algeriern gleichberechtigte französische Bürger machen sollte, Anhänger zu mobilisieren. Vielmehr gewann die populistisch-nationalistische PPA (Parti du Peuple Algérien) des Messali Hadj an Aufschwung, verbündete sich mit den islamischen Gelehrten, den ulamas, und forderte die Unabhängigkeit der algerischen Nation vom französischem Kolonialsystem.

Frankreich reagierte daraufhin mit Verbot und Repression der PPA und bestätigte damit in den Augen vieler algerischer Nationalisten die Unmöglichkeit einer Veränderung der bestehenden Verhältnisse auf friedlichem Wege. Allerdings verhinderten interne Streitigkeiten um Führungsansprüche der algerischen Nationalbewegung, besonders zwischen Abbas und Hadj, aber auch innerhalb von Hadj´s Partei, die Enstehung einer vereinten, einflussreichen Opposition.

Die Hinwendung zu nicht friedlichen Mitteln zur Erlangung politischer Zugeständnisse war zwar innerhalb der Bewegung sehr umstritten, doch das Massaker von Sétif am 8.5. 1945 ließ diese Strategie immer attraktiver erscheinen, und sie manifestierte sich schließlich in der Abspaltung einer radikalen Gruppe, der OS (Organisation Spéciale), von der MTLD (Mouvement pour le triomphe des liberté démocratiques) , der inzwischen neu gegründeten Nachfolgepartei der PPA, zwei Jahre später. So war schließlich diese Mischung aus mangelndem Verständnis für die Bedürfnisse der algerischen Bevölkerung und Arroganz und Repression gegenüber der algerischen Nationalbewegung auf Seiten des französischen Staates ein entscheidender Faktor auf dem Weg in den gewaltsamen Widerstand.

Die wenigen hundert Mitglieder der OS gingen als erste bewusst in den Untergrund, um das französische Kolonialsystem aktiv zu bekämpfen. Inspiriert von den Erfahrungern vieler ihrer Mitstreiter in der französischen Résistance während des Zweiten Weltkriegs, strebten sie den Aufbau einer Guerilla-Armee und die Schwächung kolonialer Strukturen an. Zu diesem Zweck visierten sie vor allem militärisch und logistisch bedeutende Ziele, wie Waffendepots und Banken, an. Dabei zogen sich die Kämpfer nach gezielten Angriffen schnell wieder zurück, operierten also mit unkonventionellen Mitteln, um nicht sofort vom überlegenem Gegner zerschlagen zu werden. Es war jedoch vor allem die militärische Unerfahrenheit, auch im Umgang mit Guerilla-Taktiken, sowie die massiven Gegenmaßnahmen der Franzosen, die die Zerschlagung und Zerstreuung der OS 1952 begründeten. Außerdem war die OS zu keiner Zeit in der Lage einen aktiven Volkswiderstand zu mobilisieren und unter eigener Führung zu kanalisieren.

Allerdings gelang es den im Untergrund verstreuten OS-Kämpfern sich in den nächsten zwei Jahren neu zu sammeln. Maßgeblich unter Führung von Ahmed Ben Bella wurde im Juni 1954 das CRUA (Comité révolutionaire d`unité et d`action) ins Leben gerufen, das einen Plan für den Unabhängigkeitskrieg gegen Frankreich ausarbeiten und dabei die strukturellen und strategischen Fehler der vergangenen Jahre vermeiden sollte. Das Ziel der absoluten Unabhängigkeit von Frankreich war zwar hoch gesteckt, doch schien es im Bereich des möglichen, angesichts einer die Dekolonisation begünstigenden Weltlage, beispielhaft verkörpert im unrühmlichen Rückzug Frankreichs aus Indochina nach der Niederlage von Dien Bien Phu im Mai 1954.

So waren 1954 zahlreiche sozioönomische und politische Bedingungen für einen Krieg gegeben, dem lediglich ein Katalysator fehlte, der alle nationalen Kräfte bündeln und effektiv operieren konnte. Die Strategen des CRUA definierten dahingehend die FLN, die am 1.11. 1954 offiziell als Nachfolgeorganisation des CRUA gegründet wurde, und die diese Rolle ausfüllen sollte.

Jemen: Präsidentschaftswahlen enden ohne Überraschungen


Wie erwartet hat Amtsinhaber Ali Abdullah Salih die Präsidentschaftswahlen im Jemen mit großem Vorsprung gewonnen. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur SABA erhielt der 64-Jährige 77,17% der abgegebenen Stimmen und setzte sich damit deutlich gegen seinen wichtigsten Gegenkandidaten Faisal Bin Shamlan durch, für den knapp 22% der mehr als 6 Millionen Wähler bei der Stimmabgabe am Mittwoch votierten. Die Wahlbeteiligung lag bei knapp 65%.

In ersten Stellungnahmen erhoben Anhänger der Opposition Anschuldigungen gegenüber der Regierung. So seien Anhänger oppositioneller Kandidaten aus Wahllokalen vertrieben und Wahlurnen gestohlen worden. Im Fernsehsender al-Jazeera bezeichnete ein Wahlkampfhelfer Shamlans den Sieg Salehs als "illegal". Man verfüge über Dokumente die belegten, dass 2 Millionen für Shamlan abgegebene Stimmen stattdessen dem Präsidenten gutgeschrieben wurden.

Wahlbeobachter der EU werteten den Wahlgang hingegen trotz einiger Unregelmäßigkeiten in einem vorläufigen Zwischenbericht als Erfolg auf dem Weg zu einer substantiellen Demokratisierung des bis 1990 geteilten Landes. Bemängelt wurden unter anderem eine Benachteiligung und mangelnde Repräsentierung der Frauen, sowie eine unausgewogene Berichterstattung in den Medien, die Bin Schamlan und den drei weiteren Gegenkandidaten des Staatschefs zu wenig Raum ließ. Die Auszählung der Stimmen sei zwar langsam, aber nach Einschätzung der Wahlbeobachter korrekt abgelaufen.

Samstag, 23. September 2006

Massenkundgebung der Lebanese Forces zu Ehren gefallener Falangisten

Die christlichen Bürgerkriegsmilizionäre der Lebanese Forces erwarten morgen mehr als 100000 Anhänger zu einer Großdemonstration auf der ihre etwa 5000 während des libanesischen Bürgerkriegs getöteten Mitglieder geehrt werden sollen.

Erstmals seit 12 Jahren wird auch der Ex-Chef der Falange, Samir Geagea, zu der Kundgebung erwartet. Geagea war der einzige Warlord des Bürgerkriegs der sich vor einem Gericht für seine Taten, unter anderem den Mord an Ministerpräsident Rashid Karame, verantworten musste. Er verbrachte bis zu seiner Freilassung im Zuge der "Zedernrevolution" 11 Jahre in syrischer Einzelhaft.

Noch ist unklar ob Geagea am Sonntag, dem "Tag des Märtyrers", auch zu seinen Anhängern reden wird. Höhepunkt der Kundgebung wird ein Gottesdienst unter der Leitung des maronitischen Patriarchen Nasrallah Sfeir im christlichen Wallfahrtsort Harissa, oberhalb der Hafenstadt Jounieh.

Ziel der Massenveranstaltung ist es nicht zuletzt, das gewachsene Selbstbewusstsein der Lebanese Forces, die gegenwärtig mit 5 Abgeordneten im libanesischen Parlament vertreten sind, zum Ausdruck zu bringen. Durch den syrischen Abzug fühlen sich die christlichen Milizionäre von einst - sie trugen die Verantwortung für das Massaker von Sabra und Chatila - gestärkt und sind bemüht, sich den anti-syrischen "Kräften des 14.März" anzuschließen.

Außerdem - und daraus machen Anhänger der Falangisten auch gar keinen Hehl - ist die Demonstration als Kampfansage gegenüber der Hizbollah und ihren Anhängern, die sich am Freitag zu hunderttausenden in Südbeirut versammelten, zu werten.

Freitag, 22. September 2006

Umfrage in Israel: "Unser Land ist unsicherer geworden - Wir kämpfen um unsere Existenz"

Drei Viertel der Israelis sind laut einer repräsentativen Umfrage der Jerusalem Post anlässlich des jüdischen Neujahrsfestes der Ansicht, ihr Land kämpfe momentan um seine Existenz. Gleichzeitig sind 56% der Meinung, Israel sei unsicherer als vor 10 Jahren. Nur jeder 6. glaubt, die Sicherheitslage habe sich seit 1996 verbessert.

Gleichwohl sind 45% der 501 vom Smith Reasarch Institute, einem israelischen Meinungsforschungsinstitut, befragten israelischen Staatsbürger der Meinung, Israel sei das Land, in dem es sich am besten leben lasse. Demgegenüber schätzen 27% die Lebensbedingungen in anderen Ländern für sich persönlich besser ein.

Ein Jahr nach dem israelischen Rückzug aus dem Gaza-Streifen, betrachtet eine absolute Mehrheit von 55% der Israelis die damalige Entscheidung Ariel Scharons als Fehler. Nur noch 38% der Befragten begrüßen den Schritt. Bei der letztjährigen Umfrage hatten laut JP noch 53% der Umfrageteilnehmer den Rückzug aus dem besetzten 1967 Küstenstreifen befürwortet.

Nach dem jüngsten Libanonkrieg im Juli und August ist das Misstrauen vieler gegenüber Arabern mit israelischem Pass weiter gewachsen. Fast jeder Fünfte ist der Ansicht, die etwa 1,3 Millionen israelischen Araber verhielten sich illoyal gegenüber dem jüdischen Staat. Bei einer Meinungsumfrage im Mai diesen Jahres hatten 62% der Befragten erklärt, sie wünschten sich ein Israel ohne Araber.

Die Umfrage wurde am 17. und 18.September erhoben. Die Fehlertoleranz liegt nach Angaben des Meinungsforschungsinstituts bei 4,5%.

Donnerstag, 21. September 2006

Darfur: Afrikanische Union verlängert "Friedensmission"

Die Afrikanische Union hat angekündigt ihre "Friedensmission" in Darfur bis zum Ende dieses Jahres zu verlängern. Ursprünglich sollte das Mandat zum Ende dieses Monats auslaufen. Sudans Außenminister Al-Sammani Al-Wasila Al-Sammani begrüßte den Beschluss der AU und erklärte, seine Regierung hätte sich gar eine Verlängerung des AU-Mandats um sechs weitere Monate gewünscht.

Dies hängt vor allem damit zusammen, dass die 7000 Soldaten der Afrikanischen Union, die gegenwärtig in Darfur, einer Region von der Größe Frankreichs stationiert sind bislang nicht willens und nicht fähig waren, dem fortschreitenden Völkermord, der von der Regierung in Khartum zumindest geduldet, mit aller Wahrscheinlichkeit sogar gefördert wird, ein Ende zu bereiten.

Blaise Campaore, Präsident von Burkina Faso und Vorsitzender des Friedens- und Sicherheitsrates der AU stellte am Rande der UN-Vollversammlung in New York zudem eine Aufstockung des AU-Kontingents in Aussicht ohne allerdings konkrete Zahlen zu nennen. Die Vereinten Nationen sollten die AU-Mission logistisch unterstützen, hieß es weiter. Finanzielle Mittel werden von den Mitgliedsstaaten der Arabischen Liga bereitgestellt.

Die Verlängerung der zum Scheitern verurteilten Friedensmission scheint sowohl für den Sudan als auch die internationale Gemeinschaft ein annehmbarer Kompromiss zu sein. Die Regierung in Khartoum hatte mehrfach erklärt die Stationierung von UNO-Truppen auf seinem Territorium nicht zu dulden. Der UN-Sicherheitsrat macht jedoch die Zustimmung von Sudans Regierung für eine Entsendung von Blauhelmen in den Sahel zur Voraussetzung für die Vergabe eines robusten Mandates. Zudem ist die Bereitschaft der Weltgemeinschaft zur Entsendung von Soldaten in ein weiteres Krigesgebiet eher gering, zumal sich China und Russland mit dem Regime von Umar al-Baschir arrangiert haben und gute Wirtschaftsbeziehungen pflegen.

Die Leidtragenden dieses Entschlusses sind die Millionen Flüchlinge die ihr Dasein in Flüchtlingscamps unter unmenschlichen Bedingungen fristen - stets in der Angst vor mordenden, vergewaltigenden und plündernden Milizen.

Mittwoch, 20. September 2006

Ankunft in Jerusalem - Erste Eindrücke

Zwischen September und Dezember 2006 absolviere ich ein Praktikum bei der Friedrich-Ebert-Stiftung in Ostjerusalem, die für die besetzten palästinensischen Gebiete zuständig ist. Da ich bisher den größten Teil meiner Zeit im arabischen Ost-Jerusalem verbracht habe, werde ich mich zunächst nur wenig über den westlichen jüdischen Teil der Stadt äußern. In den kommenden Monaten folgen Berichte über meine Eindrücke aus dem "Heiligen Lande"...

An Bord der Maschine von München nach Tel Aviv befinden sich Dutzende aufgeregter Zivis (in Israel/Palästina legen jährlich Hunderte junger Deutscher einen sogenannten Anderen Dienst im Ausland ab), die zum Teil aufgrund ihres Glaubens dem "Heiligen Land" dienen wollen, andere sprechen davon, mal aus Deutschland rauskommen zu wollen, um den eigenen Horizont zu erweitern. Nachdem einige Emailadressen ausgetauscht wurden, steht die Landung kurz bevor.

Die Ankunft am Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv verläuft ohne größere Probleme. Nach der ersten Befragung werde ich in ein Wartezimmer verwiesen, weil die Beamtin mit dem Begriff "internship" nicht viel anfangen kann. Nachdem ich aber ihrem Vorgesetzten erkläre, dass sich unsere Organisation insbesondere für die israelisch-deutschen Beziehungen einsetzt, darf ich nach kurzer Zeit mit vielen guten Wünschen begleitet nach Israel einreisen. Diese Notlüge wird der liebe Gott sicherlich verzeihen...

Die Stimmung in Jerusalem ist gedämpft. Seit der zweiten Intifada ist die Wirtschaft insbesondere im östlichen arabischen Teil der Stadt zusammengebrochen. Der vor 2002 noch blühende Tourismus als wichtige Einnahmequelle ist nur noch in geringem Masse existent, der Grossteil der einstigen Besucher schreckt aufgrund von Sicherheitsbedenken vor einer Reise ins "Heilige Land" zurück. Der israelische Angriff auf den Libanon im Juli dieses Jahres hat die Tourismusbranche weiter geschwächt.

Das zweite große Problem für die Wirtschaft in Ost-Jerusalem stellt die Behinderung des Handelsverkehrs zwischen dem restlichen Westjordanland und Jerusalem durch israelische Sicherheitskräfte dar. Wer keine so genannte Jerusalem-ID besitzt, muss alle drei Monate eine spezielle Erlaubnis bei den israelischen Behörden beantragen, um in die potentielle Hauptstadt eines zukünftigen palästinensischen Staates einreisen zu dürfen.

Die Bearbeitung der Anträge dauert oftmals mehrere Monate, nicht selten werden diese schließlich zurückgewiesen. Die Behinderungen beschränken sich nicht nur auf die Wirtschaft: Menschen, die ihr Leben lang zum Freitagsgebet in die Al-Aqsa-Moschee kamen, können dies seit vier Jahren nicht mehr tun, weil ihnen das Betreten der anderen Seite der Mauer (die in Israel konsequent Sicherheitszaun genannt wird) verwehrt wird.

Mit der sprichwörtlichen arabischen Gastfreundschaft verhält es sich in Ost-Jerusalem ein wenig anders: zunächst wird man in der Regel etwas kritisch und misstrauisch beäugt; erst nachdem man die Menschen auf arabisch gegrüßt hat und klar wird, dass man kein Jude ist und möglicherweise im falschen Viertel gelandet ist, öffnen sich die Menschen. In der Westbank wird einem dieses Misstrauen viel seltener entgegengebracht, die Menschen zeigen sich sehr offen,freundlich und interessiert an den wenigen verbliebenen Ausländern. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit dort einen Juden in einem arabischen Ort zu treffen gleichwohl gering.

Im Übrigen hatte ich im April, als ich die Stadt zum ersten Mal besuchte, nicht den Eindruck von einem etwas verschlossenen, melancholischen Jerusalem. Vor fünf Monaten wirkte die Stadt lebhafter, was sicherlich einerseits durch die Jahreszeit und andererseits durch die vielen Touristen, die noch um Ostern die Stadt bevölkerten, zu erklären ist. Womöglich erkennt man zudem viele negativen Erscheinungen erst, wenn sich die erste Euphorie eines Besuches gelegt hat.

Am Rande der Altstadt um das Damaskustor kann man immer wieder Streitereien beobachten, die oftmals in Schlägereien ausarten. Viele Drogensüchtige treiben sich nachts hier rum. An diesem Ort wurde vor wenigen Wochen ein italienischer Freiwilliger um ca. 19.30 Uhr niedergestochen. Gerüchte besagen, er soll mit einer Bierflasche unterwegs gewesen sein. Außer einem Mann, der nach eigener Aussage gerade aus dem Gefängnis rauskam und mich mitten in der Nacht in einer leeren Straße um Geld gebeten hat, gab es für mich aber noch keine mulmige Situation. Diese Beobachtungen und Erlebnisse bezeugen die zunehmende Frustration der Menschen in Ost-Jerusalem.

Was das Verhältnis zwischen Juden und Arabern in der Stadt betrifft, so hat sich mein Eindruck der ersten Reise verfestigt. Man koexistiert, ohne viel über den jeweiligen anderen zu wissen.

Human Rights Watch wirft Jordanien Folter und Misshandlung vor

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch wirft dem jordanischen Geheimdienst GID vor, willkürlich Menschen zu verhaften und Häftlinge zu misshandeln. Zudem würden Verdächtige ohne Anklage oder Urteil in Isolationshaft gehalten. Dies geht aus einem 66-seitigen HRW-Bericht hervor, der gestern vorgestellt wurde.

Dieser untersucht die Fälle von 16 Leuten, in der Mehrzahl mutmaßliche Islamisten, die von der Geheimpolizei inhaftiert wurden. Als krasses Beispiel von Menschenrechtsverstößen führt HRW das Beispiel von Isam al-Barqawi an. Dieser wurde im Dezember 2004 nach 2 Jahren im Untersuchungsgefängnis vom Vorwurf freigesprochen, einen Anschlag auf die US-Botschaft in Amman geplant zu haben. Weitere sechs Monate vergingen, bis Barqawi schließlich aus der Haft entlassen wurde. Nur eine Woche später, im Juli 2005, wurde er jedoch von der GID erneut festgenommen; laut HRW mit dem Hinweis: "Das Gericht mag dich freigelassen haben, aber wir nicht." Seither wartet Barqawi in Einzelhaft auf eine Anhörung.

Daneben dokumentiert der Report weitere Fälle in denen Personen ohne Urteil teilweise seit mehr als 3 Jahren ohne Anklage im Gefängnis sitzen, mitunter einfach weil sie Verwandte von gesuchten Verdächtigen sind.

In 14 der 16 Fälle legen die Betroffenen oder ihre Verwandten nach Einschätzung von Human Rights Watch überzeugend dar, dass sie vom GID gefoltert oder misshandelt worden sein. Unter anderem sei den Inhaftierten mit Bambusstöcken auf die Fußsohlen geschlagen worden sein, bis diese bluteten. Anschließend wurden die Opfer gezwungen über ein Essig-Salz-Gemisch zu laufen, was schwere Entzündungen zur Folge hatte. Daneben sei Schlafentzug an der Tagesordnung gewesen.

In einem Gespräch diskutierten HRW-Mitarbeiter den Ergebnisbericht mit hochrangigen GID-Offiziellen. Diese erklärten daraufhin: "Der GID arbeitet innerhalb der strengen Bestimmungen jordanischer Gesetze." Die Menschenrechtsgruppe hat nun US-Präsident Bush aufgefordert das Thema bei seinem nächsten Treffen mit seinem jordanischen Bündnispartner König Abdullah II anzusprechen.

Dienstag, 19. September 2006

USA verweigern iranischen Journalisten Berichterstattung von UNO-Vollversammlung

Die Vereinigten Staaten haben nach iranischen Angaben 15 iranischen Reportern die Einreise verweigert, die Ministerpräsident Mahmud Ahmadinejad zur UNO-Vollversammlung nach New York begleiten wollten.

"Wir kritisieren die USA scharf dafür, dass sie sowohl ihre Gastgeberschaft für die Vereinten Nationen als auch die Visavergabe missbrauchen. Das zeigt die Angst der USA vor einem freien Informationsfluss", erklärte Mohammad Ali Husseini, Sprecher des Außenministeriums, im staatlichen iranischen Fernsehen staatlichen iranischen Fernsehen IRIB.

Der TV-Kanal kritisierte weiter, dass die Vereinigten Staaten einerseits iranische Journalisten die Einreise verweigerten, gleichzeitig aber andererseits im vergangenen Jahr 200 US-Reporter den Iran besucht und aus dem Land berichtet hätten.

Seit der islamischen Revolution unterhalten Iran und die USA keinerlei offizielle diplomatische Beziehungen. Präsident Ahmadinejad ist heute in New York eingetroffen und wird eine mit Spannung erwartete Rede vor der UNO-Vollversammlung halten.

Montag, 18. September 2006

Ägypten: Ayman Nour meldet sich aus dem Gefängnis


Ein Jahr nach den Präsidentschaftswahlen in Ägypten hat sich der inhaftierte Gegenkandidat von Staatschef Hosni Mubarak, Ayman Nour, in einem Brief an die Öffentlichkeit gewandt. Darin beschuldigt der Chef der liberalen Partei "el-Ghad" die Staatsführung erneut, die Wahlen manipuliert zu haben.

"Ein Jahr ist seit diesem 7.September vergangen, als Millionen Ägypter vergeblich ihre Stimme abgeben wollten. Die Türen an die sie klopften wurden ihnen vor der Nase zugestoßen." In seinem Schreiben erklärt Nour, dass lediglich 25% der Ägypter das Recht gegeben worden sei, den Staatspräsidenten zu bestimmen. Nach offiziellen Angaben hatte die Wahlbeteiligung bei knapp 30% gelegen.

Nach seiner Wahlniederlage - Nour hatte etwas mehr als 8% der Stimmen erhalten - wurde Mubaraks Gegenspieler im Dezember zu 5 Jahren Haft verurteilt, weil er Unterlagen die zur Zulassung bei den Wahlen eingereicht wurden, gefälscht worden sein sollen.Vorwürfe der Wahlfälschung durch die regierende NDP brachten ihm im Februar ein weiteres Verfahren ein.

Trotz der staatlichen Repressalien rief Nour seine Anhänger auf, weiter für eine Demokratisierung Ägyptens zu kämpfen. "Die lebendigen Träume der Menschen, kann auch der strengste Zensor nicht auslöschen. Er kann sie verschieben aber ihren Ausbruch wird er nicht verhindern können."

Wenig Unterstützung kann die liberale Opposition offenbar von den USA erwarten. In einem am vergangenen Sonntag im "Wall Street Journal" erschienenen Interview lobte Präsident George W Bush stattdessen die Nachwuchsriege der herrschenden NDP um Präsidentensohn Gamal Mubarak. Er sei beeindruckt von diesen "jungen Reformern". Zum Fall Nour erklärte der US-Präsident, Hosni Mubarak werde eine Entscheidung über die Freilassung auf der Grundlage seiner eigenen Gesetze treffen. Gleichwohl unterstütze Bush eine Haftentlassung.

Samstag, 16. September 2006

„Türkengefahr“ und Islam in Luthers Werk - Teil 3:

V. Späte Phase und Koranverlegung

Den kriegerischen Auseinandersetzungen des Jahres 1541 folgte eine militärisch eher ruhige Phase nach der vorläufigen Dreiteilung Ungarns. Insofern erschien ein unmittelbar bevorstehendes Weltenende weniger akut und auch Luther zog daraus prinzipiell Konsequenzen, in dem er sich nun anschickte, die Zeit zu nutzen und sich intensiv mit der islamischen Lehre auseinanderzusetzen. Ein weiterer Anstoß dazu bot Luther ein Koranexemplar, welches ihm 1541 nach Wittenberg übersandt wurde. Dabei handelte es sich um die lateinische Übersetzung des Engländers Robert von Ketton aus dem 12. Jahrhundert. Luther, dessen bisherige Islam- und Korankenntnisse zuvor ausschließlich auf Werken polemischer Kontroversliteratur beruht hatten, konnte somit erstmals auf die wesentliche autoritative Quelle der islamischen Lehre zurückgreifen .

Möglich wurde dieser Schritt vor allem durch ein groß angelegtes Projekt des Baseler Orientalisten Theodor Bibliander, der mit Luther in engem Kontakt stand. Beiden gemein war die Auffassung, dass nur eine gründliche Kenntnis der islamischen Lehre ihre grundlegene Falschheit entlarven könne:

„… das man dem Mahmet oder Turcken nichts verdrieslichers thun, noch mehr schaden zufugen kann, denn das man yhren alcoran bey den christen an den tag bringe, darinnen sie sehen mugen, wie gar ein verflucht, schendlich, verzweivelt buch es sey, voller lugen, fabeln und aller grewel.“

Zu diesem Zweck kompilierte Bibliander 1542 eine Islam-Enzyklopädie, bestehend aus der von-Ketton-Ausgabe und verschiedenen polemischen Werken. Vor allem die Intervention Luthers machte die Verlegung des Werkes jedoch überhaupt erst möglich, da sich Bibliander in Basel mit scharfen Zensurbestimmungen konfrontiert sah .

Luther war nun im Besitz zweier maßgeblicher Schriften, nämlich der Koranausgabe von Kettons und der Streitschrift Montecroces. Die Koranlektüre zerstreute Luthers frühere Kritik an dem allzu polemischen Beschreibung Montecroces und er entschied sich dafür dieses ihm ja schon länger bekannte Werk, und nicht etwa die lateinische Koranübersetzung, zu verdeutschen. Der Grund dafür liegt vielleicht in der stärkeren, polemischen Überzeugungskraft Montecroces, dessen Anschuldigungen gegen den Islam ja in Luthers Augen durch die valide Quelle der Koranausgabe untermauert werde . Insofern ist es auch kaum verwunderlich, dass Luther bei der Übertragung sehr wählerisch mit seiner Quelle umgeht und viele Passagen bearbeitet und vorzugsweise noch polemischer färbt .

Inhaltlich greift er dabei vor allem die von ihm ja schon früher behandelten Themenkreise, z.B. den Wert der Ehe, vor allem aber Stellung und Bedeutung Christi auf. Die Anknüpfungspunkte zu seinen drei großen Türkenschriften wiederum sind eher gering, zu sehr konzentriert sich Luther auf die literarische Widerlegung islamischer Lehren .

In seinem Vorwort zur Islam-Enzyklopädie des Theodor Bibliander fällt dann auch vor allem die fehlende Brisanz der bevorstehenden Apokalypse auf , wenngleich Luther noch einmal Bezug auf den Antichrist nimmt. Dabei charakterisiert er Muhammad als eher grobschlächtigen Häretiker, was in seinen Augen gleichzeitig einen Beweis für die perfide Rolle des Papstes darstellt:

„Und ich halt den Mahmet nicht für den Endechrist, Er machts zu grob und hat einen kendlichen schwartzen Teuffel, der weder Glauben noch vernunfft betriegen kann, Und ist wie ein Heide, der von aussen die Christenheit verfolget… Aber der Babst bey uns ist der rechte Endechrist, der hat den hohen, subtilen, schönen, gleissenden Teuffel, Der sitzt inwendig in der Christenheit.“

Grundsätzlich also dient die polemische Argumentation und die Einbeziehung des Papsttums hier weiterhin auch zur Verteidigung des reformatorischen Glaubensbekenntnisses gegen alle Feinde des Evangeliums.


VI. Schluss

Die vorgelegte Betrachtung sollte gezeigt haben, dass „Türkengefahr“ und islamische Lehre Leben und Werk Luthers maßgeblich begleiteten und einen nicht zu vernachlässigenden Faktor im Denken des Reformators bildeten.

Luthers jeweiliger Wissensstand sowie die allgemeine politisch-militärische Lage im Konflikt mit dem Osmanischen Reich bestimmten dabei Akzent und Richtung in seinen spezifischen Äußerungen. Die deutlichste Zäsur kann hier auf das Jahr 1529 gelegt werden, von wo an er sämtliche Betrachtungen bezüglich der „Türkengefahr“ in sein eschatologisches Schema einzuordnen suchte .

Trotz variierender Standpunkte lassen sich im Luthers Oevre dennoch einige Konstanten ausmachen, von denen er nie abrückte und die stets wesentliche Parameter in seiner Argumentation darstellten. Luthers fundamentale Motivation überhaupt zu agitieren und publizieren war dabei seine Sorge um das Evangelium und dessen vermeintlichen Feinde. Von hier aus lassen sich alle behandelten literarischen Angriffe des Reformators verstehen. In diesem Punkt blieb er, ungeachtet der jeweiligen politischen Situation, seinen Prinzipien treu, indem er dogmatisch jegliche Legitimität von Papsttum und Osmanischem Reich ablehnte. Zwar profitierten die protestantischen Gebiete mittelfristig von der militärischen Überbelastung des Reiches, aber selbst ein Burgfrieden bzw. Zweckbündnis mit Papst oder Osmanen kam für Luther jedoch nie in Frage. Stattdessen versuchte er Zeit seines Lebens den Gegensatz zwischen den Feinden des Evangeliums und den Reformierten herauszuarbeiten. Im Zuge dessen nahm Luthers Zwei-Reiche-Lehre, die auch eine Abkehr von der traditionellen Kreuzzugsidee formulierte, Form an. Darüberhinaus jedoch konnte Luther dem Türkenkrieg keine spürbaren Impulse verleihen, geschweige denn eine militärische Wende herbeiführen.

Die von Luther seit 1541 wieder forciert betriebene Beschäftigung mit der islamischen Lehre diente ebenfalls den oben genannten Zielen. Insofern war eine verständnis- und dialogorientierte Diskussion von Luther nicht zu erwarten . Wenn seine Motive auch deutlich präjudiziert waren und seine Kenntnisse begrenzt blieben, so ist ihm dennoch die erstmalige Verdeutschung von Koranzitaten zuzuschreiben, ebenso wie die Verbreitung von islamischen Quellen wenigstens in Gelehrtenkreisen .

Alles in allem bleibt also festzuhalten, dass Luther sich in seinen Türkenschriften stets zwischen den Rollen als Zeitzeuge, Kommentator, Exeget und Apologet bewegte. Dabei konnte eine dieser Funktion zu bestimmten Zeitpunkten Überhand gewinnen, nie jedoch löste sich Luther komplett aus dem ihm vorgegeben äußeren Rahmen.

Teil 1
Teil 2

Donnerstag, 14. September 2006

„Türkengefahr“ und Islam in Luthers Werk - Teil 2

III. „Türkengefahr“ und Zwei-Reiche-Lehre

Luthers Interesse an einer weitergeheden Beschäftigung mit dem Islam (Luther sprach stets von der "Religion der Türken") stand eine verhältnismäßige Quellenarmut entgegen, die, ebenso wie die päpstliche Zensur, eine vertiefende Kenntnis schon per se erschwerte. Grundsätzlich stützte sich Luther auf eine Streitschrift des Augustinermönches Ricoldo di Montecroce aus dem 13. Jahrhundert, auf ein Pamphlet des Humanisten Nikolaus von Kues sowie eine zu seiner Zeit weit zirkulierende Beschreibung eines ehemaligen Kriegsgefangenen aus Siebenbürgen.

Bei seiner Beschäftigung mit dem Islam erkannte Luther als entscheidenden Angriffspunkt die fehlende Heilsfunktion Christi:

„Da ist Christus kein Erloeser, Heiland, Koenig, kein vergebung der sunden, kein gnad noch
heiliger geist. In dem artickel ists alles verstoeret, das Christus unter und geringer sol sein denn Mahometh.“

Die ihm durch seine Quellen zugänglichen Lehren des Koran interpretiert er als Synkretismus christlicher Häresien, deren Erfolg allein auf Werkgerechtigkeit und Gewalt aufbaut:

„Mahomeths gesetz leret nichts anders, denn was menschliche witze und vernunfft wol leiden kann.“

Der Islam erscheint somit, wie auch das Papsttum, als negatives Spiegelbild des auf Buße und Gottvertrauen basierenden reformatorischen Glaubens- und Heilverständnisses.

Spätestens ab 1526 jedoch zwangen die äußeren Umstände Luther seine Reflexionen bezüglich des Islams zu erweitern. Der junge ungarische König Ludwig II. fiel in der Schlacht von Mohasc gegen die Osmanen und es begann ein intensiv geführter Nachfolgestreit zwischen Habsburg und dem von den Osmanen gestützten Prätendanten Janos Zapolya. Eine kriegerische Intervention deutscher Truppen schien unvermeidlich, so dass Luther seinen Standpunkt bezüglich eines erfolgreichen Feldzuges noch einmal zu präzisieren suchte. Es dauerte jedoch noch drei Jahre bis Luther im Frühjahr 1529 seine erste, vorrangig der „Türkenfrage“ gewidmete, Schrift „Vom Kriege wider den Türken“ publizierte.

Angesichts der aktuellen Lage bekräftigt er die Notwendigkeit eines Türkenkrieges, entflechtet jedoch sorgfältig die jeweiligen Motive und Aufgaben eines solchen Unterfangens. Das Motiv dabei kann kein Krieg im Namen des Glaubens im Sinne des traditionellen Kreuzzugsverständnisses sein, sondern ein weltlicher Verteidigungskrieg:

„Denn ich widder den Tuercken nicht rate zu streiten seines falschen glaubens und lebens halben, sondern seines mordens und verstoren halben.“

Gleichwohl muss sich der Soldat geistig rüsten, um mit Gottes Beistand überhaupt erfolgreich sein zu können, wobei er als Untertan, nicht als Christ, in den Krieg zieht. Die geistige Vorbereitung darauf ist seine Aufgabe, den Krieg als die göttlich legitimierte Obrigkeit anzuführen ist Pflicht und Aufgabe des Kaisers bzw. der Fürsten. Der Papst wiederum hat weder das Recht, sich in einen weltlichen Krieg einzumischen, noch die Fähigkeit zu geistiger Rechtleitung.

Diese im lutherischen Sinne Erfolg versprechende Haltung wird durch den Typus des „Christianus“ und des „Keyser Karolus“ personifiziert und stellt im wesentlichen das von Luther entwickelte Dogma der Zwei-Reiche-Lehre dar:

„Der selbigen menner sind zween und sollen auch allein zween seyn: Einer heist Christianus, der andere Keyser Karolus. Christianus sol der erst sein mit seinem heer… Herr Christianus, das ist der frumen heiligen lieben Christen hauffe, das sind die leute, so zu diesem kriege gerust sind.“

„Keyser Karolus hat die seinen zuverteydingen als eine ordentliche Oberkeit von Gott gesetzt“

Der Grundtenor der Schrift ist insgesamt noch relativ optimistisch. Eine Wende des militärischen Glücks wird durchaus in Aussicht gestellt, wobei Luther auch ausdrücklich die weltliche Hierarchie in ihrer gegenwärtigen Form bestätigt. Der militärische Erfolg des osmanischen Heeres fungiert dabei wie gehabt als Bestrafung Gottes, der im lutherischen Verständnis dieser Phase allerdings die Bußfertigkeit des „Christianus“ auch weltlich belohnen und das Osmanische Reich zerschlagen wird.


IV. „Türkengefahr“ und Weltenende

Hatte Luthers erste ausführliche Türkenschrift fast ein Jahrzehnt auf sich warten lassen, so erschien noch im selben Jahr 1529 ein weiteres Pamphlet des Reformators. Den Anstoß dazu bot die erste Belagerung Wiens, die den Zeitgenossen als bisheriger Höhepunkt der osmanischen Expansions- und Eroberungsbestrebungen erschien.

In der im Herbst diesen Jahres publizierten „Heerpredigt wider den Türken“ nimmt Luther die bisher entscheidenste Modifikation seiner bisherigen Ansichten vor. Viel stärker als zuvor tritt in seiner Bewertung der Ereignisse der eschatologische Charakter zu Tage. Luther zieht dazu die für ihn und sein Geschichtsverständnis einzig valide Quelle heran, nämlich die Bibel. Luthers Äußerungen in der „Heerpredigt“ fielen auch zeitlich mit seiner Übersetzungs- Interpretationsarbeit am Alten Testament zusammen.

Für Luther hat nun die Vergegenwärtigung des bevorstehenden Weltenendes Priorität, wobei er sich an den Voraussagungen der Daniel-Prophetie orientiert und meint, die entscheidenden Anzeichen für die Apokalypse zu erkennen. Beispielhaft hierfür ist die jetzt erstmals explizit auftauchende typologische Verbindung von „Papst“ und „Türke“. In diesen beiden Figuren erblickt Luther nunmehr die geistliche (Papst) und weltliche (Türke) Natur des Antichrists, wie er bei Daniel vorausgesagt wird:

„Einer geistlich mit listen odder falschem Gotts dienst und lere widder den rechten Christlichen glauben und Euangelium, Davon Daniel schreibt am eylfften Capit. … Welchen auch Sanct Paulus nennet den Endchrist … Das ist der Babst mit seinem bastum… Der ander mit dem schwerd leiblich und eusserlich auffs grewlichst, des gleychen auff erden nicht gewest sey, das ist der Tuercke.“

Im Zuge dessen interpretiert Luther auch den Charakter des Osmanischen Reiches entsprechend seiner Quelle. Im Sinne der Vier-Reiche-Lehre kann ein neues Reich nicht mehr kommen und die translatio imperii kann auf das Osmanische Reich ebenfalls nicht angewendet werden. Folglich ist die osmanische Expansion und deren Erfolg als Zeichen des Jüngsten Gerichts zu sehen:

„Denn die zwey Reiche des Babsts und Tuercken sind die letzten zwen grewel und Gottes zorn , wie sie Apocalip. nennet, den falschen Propheten und das Thier, und mussen miteinander ergriffen und in den feurigen pfuhl geworffen werden.“

Die apokalyptische Situation hebt jedoch die von Luther so penibel herausgearbeitete Zwei-Reiche-Lehre keineswegs auf. Der „Christianus“ hat weiterhin das Recht und die Pflicht sich militärisch zu verteidigen und muss sich dafür geistig rüsten und soll im Zeichen der Buße auch die Türkensteuer an den „Keyser Karolus“ entrichten.

Allerdings ist in der lutherischen Argumentation ein militärischer Erfolg angesichts des sicheren Weltenendes kaum mehr das Ziel, vielmehr geht es darum, sich durch Buße und Glaubensstärke für das Jüngste Gericht vorzubereiten. Das gilt auch und insbesondere für Kriegsgefangene, die Luther dazu aufruft, ihr Schicksal ruhig zu ertragen und sich durch innere Glaubenskraft ihr Heil zu sichern.

Trotz dieser düsteren Zukunftsvision ist Luthers grundsätzliche Intention durchaus optimistisch. Zwar ist das Weltenende unabkehrbar, doch wird am Ende Christus in das Geschehen eingreifen und, wie es bei Daniel beschrieben ist, den Bußfertigen zum Sieg über den Antichrist verhelfen. Luther projeziert die alttestamentarischen Prophezeiungen auf die Gegenwart und prognostiziert, dass die osmanische Expansion Deutschland nicht mehr erreichen werde und die Eroberungen in Ungarn die letzten militärischen Erfolge des Antichrists vor dem Weltenende seien, wobei diese letztendliche Siegesgewissheit sicherlich auch eine seelsorgerische Funktion erfüllt:

„Und Daniel gibt yhm kein horn mehr, Dem nach ists zu hoffen, das der Tuercke hinfurt kein Land des Roemischen reichs mehr gewinnen wird, Und was er ynn Hungern und Deudschen landen thut, das wird das letzte gekretze und gereuffe sein.“

An der eschatologischen Sicht der „Türkengefahr“ hielt Luther bis an sein Lebensende grundsätzlich fest. Nach 1529 erfolgten lediglich einige Modifikationen, die sich im wesentlichen in Luthers dritter großer Türkenschrift, der „Vermahnung zum Gebet wider den Türken“ aus dem Jahre 1541 manifestieren.

In der Zwischenzeit war die aggressivste Expansionsphase unter Süleyman dem Prächtigen nach der gescheiterten Belagerung Wiens abgeebbt, ein schlagkräftiger Kriegszug des Reiches hingegen fand ebenfalls nicht statt. Ein unmittelbare und großangelegte Konfrontation schien sich erst 1541, nachdem der ungarische Thronfolgestreit erneut eskaliert war, abzuzeichnen.
Luthers „Vermahnung“ nimmt die eschatologische Vision aus der „Heerpredigt“ wieder auf, der Grundton der Schrift ist jedoch deutlich negativer. Luther ist enttäuscht über die aus seiner Sicht mangelnde Bußfertigkeit der Mehrzahl der Menschen, seine Aufrufe aus den letzten Jahren, trotz der temporär abflauenden militärischen Bedrohung, den Weg der Buße, und das hieß in seinem Sinne natürlich den Weg der Reformation, zu gehen, konnte die große Anzahl der Altgläubigen nicht überzeugen:

„Wem nit zu raten iszt, dem iszt nit zu helfen.“ „Sie wollen ungereformirt sein und kurtz umb keine newerung leiden. Heisst das nicht pestilenz, theur zeit, Tuercken, krieg, mord und allen Gottes zorn und plage erregen?“

Luther zieht daraus den Schluss, dass es nur einem kleinen Häuflein Bußfertiger vergönnt sei, dass Heil zu erreichen. Diese müssten sich jedoch darauf gefasst machen, für die Sünden der Altgläubigen ebenfalls die „Rute Gottes“, verkörpert in der osmanischen Expansion, ertragen zu müssen, wobei er seine frühere Aussage von der Verschonung Deutschlands korrigiert:

„Anno 1600 Turca erit Dominus Germaniae et Italiae, nisi obstiterit extremus Dies.“

Somit kommt Luther nicht daran vorbei, das unmittelbar bevorstehende Weltenende zeitlich nach hinten zu rücken und auch die Charakterisierung des Antichrists gemäß der Daniel-Prophetie erfährt eine weitere Modifikation.

Stellten in der „Heerpredigt“ Papst und „Türke“ noch die zwei Naturen des Antichrists dar, so entflechtet Luther jetzt beide Figuren. Der Papst ist inzwischen sogar schlimmer als der Türke, weil er ja in Rom bewusst dem Evangelium zuwider handele, während der Türke ja nur als unbewusstes Werkzeug Gottes fungiere. Dementsprechend fülle der Papst die Hölle mit Christen, der Türke jedoch den Himmel mit Märtyrern:

„Der babst reisset die edlen seelen von Christo durch seine lesterliche menschen lere und fueret sie auff eigen gerechtigkeit, welchs ist das recht geistliche morden… Vermoechte ers, on zweifel er solt wol groesser mord und blutvergiessen anrichten, denn der Tuercke.“

weiter mit Teil 3

Vereinigte Arabische Emirate: Eltern verklagen Herrscherfamilie

Die Eltern von jugendlichen Kameljockeys haben in den USA eine Zivilklage gegen den Kronprinz von Dubai und andere Angehörige der Herrscherfamilie Maktoum eingereicht. Sie werfen den Monarchen vor, in den vergangenen 30 Jahren zehntausende Kinder versklavt und zur Arbeit als Kameljockey gezwungen zu haben.

Namentlich nicht bekannte Eltern beschuldigen die königliche Familie, sie habe mehr als 30000 Jungen, vorwiegend aus Pakistan und Bangladesch entführt, verkauft und in Wüstencamps eingesperrt. Außerdem seien einige Jungen sexuell missbraucht, sowie Essensrationen und Schlafzeiten beschränkt worden. Auch Hormone sollen ihnen injiziert worden sein, um ein Wachstum der Kinder, und damit ihre Untauglichkeit als Kameljockey, zu verhindern.

Als Hauptschuldige benennen die Eltern der Herrscher über das Emirat Dubai, Muhammad bin Raschid al-Maktoum, sowei seinen Stellvertreter, Hamdan bin Raschid al-Maktoum. "Sheikh Muhammad und Sheikh Hamad haben ihre Kamel besser behandelt als die Kindersklaven, aus dem einzigen Grund, dass die Kamele weitaus wertvoller waren", zitiert al-Jazeera aus der Klageschrift.

Kamelrennen gilt neben der Falknerei als der populärste Sport in den arabischen Golfstaaten und ist beliebter Zeitvertreib der wohlhabenden Herrscherhäuser. Erst gestern wechselte in Dubai ein Rennkamel edelster Abstammung für umgerechnet etwa 500000 Euro den Besitzer.

Mittwoch, 13. September 2006

„Türkengefahr“ und Islam in Luthers Werk - Teil 1

Hier veröffentliche ich eine Seminararbeit, die sich mit der Einstellung des Reformators Martin Luther gegenüber dem Osmanischen Reich und dem Islam befasst. Für eine größere Leserfreundlichkeit habe ich den Text in drei Abschnitte unterteilt; die Teile 2 und 3 erscheinen in den kommenden Tagen.


I. Einleitung

Die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts war maßgeblich durch die osmanische Expansion Richtung Mitteleuropa und die Auseinandersetzung mit dem Habsburgerreich gekennzeichnet. Der dadurch etablierte Diskurs der „Türkengefahr“ stellte somit auch einen wichtigen Faktor innerhalb anderer größerer Problemfelder der Zeit dar.

Das gilt insbesondere für die die frühe Phase der Reformation und ihren bedeutendsten Vertreter im Reich Martin Luther. Sein ganzes Leben und Werk durchzieht die politische wie theologische Beschäftigung mit osmanischer Expansion und islamischer Religion. Dabei nahm Luther verschiedene Rollen ein: Er war Zeitzeuge der aktuellen Ereignisse, aber auch Kommentator und Exeget, der versuchte die „Türkenfrage“ in einen größeren Zusammenhang einzuordnen. Damit verbunden war auch stets die Agitation gegen das Papsttum sowie die Apologie des reformatorischen Glaubensbekenntnisses.

Luthers Stellungnahmen erfolgten zu verschiedenen Zeitpunkten in verschiedenen Kontexten und spiegeln zum einen seinen jeweiligen Wissensstand, zum anderen die Entwicklung bestimmter Dogmen und Glaubenssätze wieder, die sich in der Auseinandersetzung mit diversen Quellen einerseits und mit seinen Gegnern andererseits herausbildeten.

Die vorliegende Arbeit versucht diese Phasen zu verfolgen und dabei die wesentlichen Argumentationsgänge Luthers sowie Kontinuitäten und Brüche in seiner Lehre herauszuarbeiten. Aus dem umfangreichen Werk des Reformators werden dazu hauptsächlich die Schriften, die sich explizit mit der „Türkenfrage“ beschäftigen, herangezogen.

Am Ende sollte die Frage nach Charakter und Originalität von Luthers Gedanken im Hinblick auf den Diskurs der „Türkengefahr“ in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts hinreichend beantwortet werden können.


II. Frühe Deutung der „Türkengefahr“
Von ca. 1480 bis 1520 waren die expansiven Bestrebungen des Osmanischen Reiches vorrangig auf den Nahen Osten konzentriert. Dessen ungeachtet erhob die römische Kurie weiterhin Anspruch auf die Eintreibung von Türkensteuern bzw. –ablässen, die nach der Eroberung Konstantinopels 1453 eingeführt worden waren. Ein Kreuzzug gegen die Osmanen hatte sich dadurch jedoch nicht materialisiert, vielmehr war die zentralistische Macht des Papsttums gestärkt worden.

Die Kritik an den Türkenablässen des Papstes wuchs also zunehmend und bildete auch einen zentralen Angriffspunkt, den der junge Martin Luther in den erklärenden „Resolutiones“ zu den 95 Thesen behandelte.

Dabei zielte er auf zweierlei: Zum einen warf er dem Vatikan mehr oder weniger offen vor, mit den eingetriebenen Geldern die eigenen Taschen zu füllen, zum anderen lehnte er den Absolutionscharakter des Ablasses ab. Den eigentlichen Grund für den militärischen Erfolg des Osmanischen Reiches sah Luther schon damals in der Sündhaftigkeit des Papsttums und der Menschen gleichermaßen. Nicht der Ablass, sondern innere Buße stellte für ihn die einzige Alternative dar. Ebenso kategorisch lehnte er auch einen Feldzug gegen die Türken ab, die in seiner Vorstellung ja als „Zuchtrute Gottes“ fungierten, folglich also ein Ankämpfen gegen sie einem Ankämpfen gegen Gott selbst gleichkäme:

„Widder die Türken streiten ist nit andersz denn widder got streben, der durch den Turcken unszer sund strafft.“

Luthers frühe Äußerungen entsprangen also einem anti-papalistischen, gegen das Ablasssystem zielenden Kontext, und waren noch wenig elaboriert, dafür durchaus mehrdeutig.

Zum Problem wurde das für Luther spätestens ab 1520, als mit Süleyman dem Prächtigen die bisher aggressivste Expansionswelle osmanischer Außenpolitik begann. Ungeachtet der tatsächlichen Gefährdung für das Reichsgebiet erzeugte eine wahre Flut in der Turcica-Publizistik ein gestiegenes, allgegenwärtiges Bedrohungsgefühl. Luthers Aufruf zur Buße als einzige Lösung machte ihn jetzt zusätzlich verdächtig und seine Gegner beschuldigten ihn des Defätismus. Konkreten Ausdruck fand das in der Bannandrohungsbulle des Papstes, woraufhin Luther sich erstmals gezwungen sah, seine Äußerungen zu präzisieren.

In seiner Antwort auf die Bannandrohung rückt er denn auch vom vorher implizierten Gewaltverzicht ab und betont vielmehr seine Prioritätensetzung. Dabei ist innere Buße die Voraussetzung für eine erfolgreiche Kriegsführung:

„Deus contra nos pugnat. Hic primum esset expugnandus lachrymis, puris orationibus, sancta vita et fide pura.”

Gerade das Scheitern früherer Kreuzzugsunternehmen beweist für ihn den mangelnden Gottesbeistand, ausgelöst durch Sünde und bestraft durch die Türken.

Die durch diesen Disput mit Rom, wie auch der häufigeren Frequenz osmanischer Feldzüge ausgelöste Beschäftigung mit der „Türkenfrage“ erlangte in den folgenden Jahren für Luther immer größere Bedeutung. Folglich suchte er sein bis dato nicht einmal rudimentäres Wissen über den Islam zu erweitern, um seinen Standpunkt fundierter vermitteln und verteidigen zu können.

weiter mit Teil 2

Dienstag, 12. September 2006

Iraks Ministerpräsident Maliki auf Staatsbesuch im Iran

Der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki ist zu Beginn seines Staatsbesuches im Iran mit seinem Amtskollegen Mahmud Ahmadinejad zusammengekommen. Ali al-Dabbagh, Sprecher der irakischen Regierung, erklärte zum Ziel der Reise.: "Wir wollen der iranischen Führung deutlich machen, dass der Irak gute Beziehungen zu seinen Nachbarstaaten, aber keine Einmischung in seine inneren Angelegenheiten benötigt."

Viele einflussreiche schiitische Rechtsgelehrte im Irak wie Muqtada as-Sadr verfügen über beste Kontakte in den Iran oder stammen gar aus Persien, wie der Großayatollah Ali al-Sistani. Auch al-Maliki selbst lebte nach dem Verbot der schiitischen Da´wa-Partei in den 1980ern mehrere Jahre im iranischen Exil.

Die USA beschuldigen den Iran, Aufständische zu unterstützen und auszubilden, die besonders im schiitisch dominierten Südirak Anschläge gegen die Koalitionstruppen durchführen. Teheran hat derartige Anschuldigungen bislang stets empört zurückgewiesen.

Im Laufe der zweitägigen Visite, die die erste ihrer Art ist seit der Amtsübernahme al-Malikis im Mai diesen Jahres, will der irakische Premierminister auch mit dem religiösen Oberhaupt des Iran, Ali Khamenei, sprechen. Nur dieser kann nach Ansicht von al-Dabbagh die Beziehungen zwischen den beiden Staaten, die im 1.Golfkrieg zwischen 1980 und 1988 einen für beide Staaten äußerst verhängnisvollen Krieg führten, auf iranischer Seite maßgeblich beeinflussen.

Präsident Ahmadinejad erklärte nach dem heutigen Treffen gegenüber Journalisten, sein Land habe großes Interesse an einem stabilen Irak und sei bereit seinem Nachbarn in Sicherheitsfragen zu unterstützen.

Montag, 11. September 2006

Umfrage in Palästina: Wähler sind unzufrieden mit der Hamas

Die große Mehrheit der Bevölkerung in den palästinensischen Gebieten unterstützt die Bildung einer gemeinsamen Koalition unter Beteiligung von Fatah und Hamas. Einer Umfrage der al-Najah Universität in Nablus zufolge befürworteten fast 85% der befragten Palästinenser aus dem Gaza-Streifen, dem Westjordanland und Ost-Jerusalem eine "Regierung der nationalen Einheit".

Gleichzeitig zeigt die Umfrage einen dramatischen Popularitätsverlust der regierenden Hamas-Bewegung. Würden jetzt Parlamentswahlen abgehalten werden, käme die islamistische Partei lediglich auf knapp 19% der Stimmen. Die Fatah erhielte laut der Befragung, die zwischen Mittwoch und Freitag vergangener Woche durchgeführt wurde, fast 35% Zustimmung. Alle anderen Parteien folgen unter ferner liefen, die Volksfront (PFLP) könnte mit knapp 5%, der islamische Jihad mit etwas mehr als 3% der Wählerstimmen rechnen. Bei den Parlamentswahlen im Januar hatten noch 44,45% der Wähler dem Hamas-geführten "Block für Wechsel und Reform" ihre Stimme gegeben.

Die Bilanz, die die 1360 Befragten 8 Monate nach dem Regierungswechsel ziehen, fällt verheerend aus. 88% von ihnen gaben an, dass sie weder sich selbst, noch ihre Familien oder ihr Eigentum gegenwärtig geschützt fühlten. 3 von 4 Palästinensern erklärten, ihre wirtschaftliche Situation verschlechtere sich.

Gleichzeitig unterstützen 61,3% der Befragten "militärische Operationen", das sind erster Linie Selbstmordanschläge, innerhalb Israels, etwa jeder Dritte lehnt dies ab. 42,5% der Unfrageteilnehmer lehnten den Abschuss von Raketen aus dem Gaza-Streifen aus Israel ab, gleichwohl sind 36,% der Palästinenser laut der Befragung der Ansicht, dieser diene "der palästinenschen Sache".

Nach Angaben der al-Najah-Universität beträgt die Fehlertoleranz der Umfrage etwa 3%.

Reisebericht: Sutur min as-Sa‛udiya - Die Najd Region

Die Sonne versinkt am Horizont. Links und rechts der Straße erstreckt sich Wüste soweit das Auge reicht (400km Strand bis zum Golf). Thomas und ich sitzen bereits seit fünf Stunden im Auto Richtung Riyadh. Noch 300 km liegen vor uns. Die letzten drei Tage waren ein Höhepunkt meiner bisherigen Reise. Wir haben die Städte Buraida, Unaiza und Hail besucht und sind über Jubba weit in den Norden der arabischen Halbinsel vorgedrungen. Ein paar hundert Bildaufnahmen dokumentieren unsere Reise. Der Mietwagen war günstig (3 Tage Toyota Corolla inkl. Versicherung und 150 km/Tag für insgesamt 560 S.R.). Bei einem Preis von umgerechnet 0,12 Euro/Liter ist der Benzinverbrauch eine vernachlässigbare Größe.Außerhalb von Riyadh, Richtung Buraida, passieren wir bald die ersten Beduinenzelte. Die Straßen sind gut ausgebaut und verführen zum Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h.

Die Stadt Buraida (340.000 EW) ist der wichtigste Handelspunkt im konservativen Kernland Saudi Arabiens. Jahrhundertelang diente sie den Pilgern aus dem Osten auf ihrem Weg nach Mekka als Durchgangsstation. Ihre zahlreichen Suqs sind heute der wichtigste Umschlagplatz für Waren aus der Region und Treffpunkt der im Umland lebenden Beduinen.
Die Reputation der ungastfreundlichsten Stadt im Land, wie vom Lonely Planet bescheinigt, teile ich nicht. Buraida gilt als Zentrum islamischer Religiösität in Saudi Arabien und als Lehrstätte des im Land vorherrschenden wahabitischen Islamverständnisses. In der Tat hinterlässt die Stadt einen islamisch-konservativen Eindruck. Frauen tragen normalerweise neben der Abaya auch einen Hijaab, der die Augen verdeckt. Die Gesichter von Modellen auf Werbeplakaten sind geweißt.
Das Hotel Al-Gassim ist trotz eigener Qualitätsstandards empfehlenswert. Ganz in der Nähe befindet sich eine gemütliche „Cocktailbar“ mit Fruchtsaftkreationen aller Art. Neben einigen schönen Moscheen, wie sie in vielen Städten des Königreichs zu bewundern sind, bietet sich der Wasserturm und eine von vielen palmenbepflanzten Grünanlagen als Fotomotiv an.
Ab Buraida wird die Fahrt Richtung Norden einsam. Bald verliert sich der Verkehr und nur die Strommasten am Straßenrand begleiten meinen Freund Thomas und mich auf dem Weg nach Norden. Viele Sandstürme bilden sich in der Mittagshitze entlang der Strecke und fegen als Sandsäulen über die Fahrbahn. Schön anzusehen, aber schwer auf Bildern festzuhalten. Sobald es dunkel wird, erwacht die Wüste zum leben. Im dunklen Nichts zu beiden Seiten der Autobahn sind nun vereinzelt Lichter von den Häusern und Zelten der Einheimischen zu entdecken, die Reisenden in Not Hilfe versprechen.
Rund 200 km nördlich von Buraida liegt die Stadt Hail (245.000 EW). Sie hält für den Touristen gleich eine Reihe Sehenswürdigkeiten bereit. Neben der Qasr al-Qashalah und der Qasr Airif, die besichtigt werden können, erfreut das gesamte Stadtbild den unverwöhnten Saudi-Arabien Touristen. Einige Hotels und viele Restaurants liegen über die Stadt verteilt. Für Familien bietet sich der nah gelegene Vergnügungspark als Kinderattraktion an. Zu empfehlen ist das sehr ursprüngliche Shisha-Café Al-Nasiriya (gebaut in ehemaligen Stallungen). Hail zeichnet sich insbesondere durch saubere Straßen, viele Grünanlagen und einen Aussichtspunkt aus, der einen weiten Blick über die ganze Region und in die Berge nördlich der Stadt bietet.
Die 100km lange Strecke nach Jubba führt über ein Hochplateau. 1000m über dem Meeresspiegel erstrecken sich Sanddünen soweit das Auge reicht. In Jubba endet die Straße nach Norden. Ohne Vorwarnung. Ohne Absperrung. Jetzt Asphalt, plötzlich Sand. In den Felsen am Nordrand der kleinen Stadt sind eindrucksvolle Felsenmalereien zu besichtigen. Hinter Maschendrahtzaun und Stacheldraht verborgen, liegen die ca. 1700 Jahre alten Felsenbemahlungen, die Tiere der Region - vor allem Kamele - darstellen. Die Darstellung eines langhörnigen Büffels, die in der Zeit um 5500 v. Chr. entstanden sein soll und von deren Existenz der „Lonely Planet Saudi Arabia“ berichtet, ist uns leider verborgen geblieben.
Bemerkungen:
Auf unserer Fahrt nach Norden hat die Zahl der Gastarbeiter in den Städten auffällig abgenommen.
Sollten Sie auf Ihrer nächsten Fahrt durch Saudi Arabien Straßenbauarbeiten auf der Gegenfahrbahn bemerken, müssen Sie automatisch mit Gegenverkehr auf der eigenen Fahrbahn rechnen, auch wenn Sie vorher nicht explizit darauf hingewiesen wurden.
Trotz defekter Scheinwerfer sind viele Fahrer nachts auch außerhalb der Städte unterwegs. Intervallartiges Aufleuchten von Fernlicht oder Nebelscheinwerfern im Gegenverkehr ist dann eine beliebte Methode der Fahrer, um auf sich aufmerksam zu machen und ihre ungefähre Position anzuzeigen.

...nächster Stop...die Asir Region

Sonntag, 10. September 2006

Krieg in Darfur: Kofi Annan warnt sudanesische Regierung

UN-Generalsekretär Kofi Annan hat angesichts des fortdauernden Kriegs in Darfur den Druck auf die sudanesische Regierung erhöht. Die Staatsführung könne "kollektiv und individuell" für das Leiden der Bevölkerung in Darfur verantwortlich gemacht werden, sollte sie sich der Stationierung von UN-Blauhelmen in der Region widersetzen, so Annan gestern in einer Erklärung vor Journalisten in New York.

Der UNO-Sicherheitsrat hatte am 31.August in der Resolution 1706 die Verlängerung des UNIMIS-Mandats beschlossen und eine Auftockung des Blauhelm-Kontingents im Sudan auf 17300 Soldaten beschlossen. Im Resolutionstext heißt es, die UNO "laden den Sudan zur Zustimmung ein". Die Regierung Khartoum und Umar al-Bashir hat gleichwohl stets deutlich gemacht, dass sie die Entsendung von Blauhelmsoldaten im Anschluss an die derzeitige gescheiterte Friedensmission der Afrikanischen Union entschieden ablehnt. Die AU will ihre 7000 Soldaten Ende Oktober abziehen.

UNO-Generalsekretär Kofi Annan stellte gestern nochmals klar, dass die geplante UN-Truppe, "nicht als Invasionsarmee kommt sondern dem Sudan im wesentlichen helfen soll, sein eigenes Volk zu schützen." Ein im Mai diesen Jahres geschlossenes Friedensabkommen zwischen der Zentralregierung und einer der wichtigsten Rebellengruppen in Darfur konnte die Gewalt dort nicht stoppen.

Der UN-Sicherheitsrat wird morgen die Lage in Darfur neu diskutieren. Zu dem Treffen sind auch Vertreter der sudanesischen Regierung, der Arabischen Liga und der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) eingeladen.

Samstag, 9. September 2006

Libanon: Armenier protestieren gegen türkische UNO-Soldaten

Im Beiruter Vorort Burj Hammoud haben gestern mehrere hundert Armenier gegen die Beteiligung türkischer Soldaten an der UNO-Friedenstruppe im Libanon demonstriert. Sie erinnerten an die Vertreibung und Ermordung von über einer Million in der heutigen Türkei lebender Armenier in den letzten Jahren des Osmanischen Reichs zwischen 1915 und 1918.

"Genozid, Massaker, Deportation - die türkische Definition von Frieden" - war auf Spruchbändern während der Kundgebung am Freitag zu lesen, berichtet "Kuwait Times". Andere forderten: "Nein zur Beteiligung türkischer Soldaten an den UN-Truppen im Libanon".

Ein Demonstrant erklärte: "1,5 Millionen Angehörige unseres Volkes wurden unter den Türken massakriert. Jetzt erwartet ihr von uns, dass wir sie wollkommen heißen?" Hunderttausende Armenier suchten im Libanon Schutz vor dem Genozid an ihrem Volk. Neben Burj Hammoud, nebenbei der Geburtsort des Hizbollah-Generalsekretärs Hassan Nasrallah, ist die Kleinstadt Anjar im östlichen Bekaa-Tal ein Zentrum armenischen Lebens in der Levante. Nach Schätzungen leben heute zirka 200000 Armenier im Zedernstaat und stellen damit etwa 5% der Bevölkerung. Staatspräsident Emil Lahoud ist Sohn einer armenischen Mutter.

Die Türkei will nach Angaben ihres Außenministers Abdullah Gül knapp 1000 Soldaten für die Friedenstruppe im Libanon stellen, die das militärische Potential der Hizbollah einschränken soll. Vorher fordern Sprecher der armenischen Gemeinde im Libanon aber eine Anerkennung armenischen Leids durch die türkische Regierung. Jacques Choukhadarian, ehemaliger Abgeordneter des Parlaments erklärte am Freitag.: "Die Türkei, die grausame Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat, darf an keinem Friedensprozess bteiligt sein, so lange sie nicht das Massaker am armenischen Volk anerkennt."