Dienstag, 31. Oktober 2006

Algerien: 3 Tote bei Anschlägen auf Polizeistationen

Bei zwei koordinierten Anschlägen auf Polizeistationen in Algerien sind in der Nacht zum Montag nach jüngsten Angaben drei Menschen getötet und 24 weitere verletzt worden - Beobachter sprechen von den ausgefeiltesten Anschlägen seit Jahren.

Die Explosionen ereigneten sich in Dergana, einem Vorort der Hauptstadt Algier, sowie in Reghaia, einer Stadt 30 Kilometer östlich der Metropole. Gegen Mitternacht explodierten ferngesteuerte Autobomben, zunächst in Reghaia, 10 Minuten später in Dergana. Nach Augenzeugenberichten folgten beide Anschläge dem gleichen Muster. Zunächst hätten Bewaffnete mit Maschinenpistolen in den Eingangsbereich der Gebäude geschossen, anschließend hätten Komplizen die mit Sprengstoff beladenen Autos abgestellt und seien geflohen. Kurze Zeit später seien die Fahrzeuge dann per Fernzündung zur Explosion gebracht worden.

Bislang hat sich niemand zu dem Anschlag bekannt, doch gilt es als wahrscheinlich, dass die "Salafisten-Gruppe für Predigt und Kampf" (GSPC) hinter den Attentaten steckt. Der al-Qaida-Ideologe Aiman az-Zawahiri hatte im September bekanntgegeben, seine Organisation habe eine Allianz mit den Salafisten geschlossen. Die GSPC war gegen Ende des algerischen Bürgerkriegs aus der "Bewaffneten Islamischen Gruppe" (GIA) hervorgegangen. Neben dem algerischen Staat benennt sie die ehemalige Kolonialmacht Frankreich als ihren Hauptgegner. Einem am 31.August 2006 ausgelaufenen Amnestieangebot von Präsident Bouteflika hat sich der Großteil ihrer Kämpfer verweigert.

Montag, 30. Oktober 2006

Irak: Treffen zwischen US-Armee und Auständischen in Amman?

In Jordaniens Hauptstadt Amman laufen offenbar Vorbereitungen für ein Treffen zwischen Vertretern der US-Armee und irakischen Aufständischen. Wie die Tageszeitung "al-Arab al-Yaum" in ihrer gestrigen Ausgabe berichtet, wird in den kommenden Tagen eine irakische Delegation in Amman eintreffen, die letzte Vorbereitungen für die Zusammenkunft treffen und im einzelnen nicht genannte Forderungen der irakischen Rebellengruppen umsetzen soll, die Voraussetzung für die Teilnahme der Aufständischen seien.

Nach Angaben der Zeitung haben 10 Rebellengruppen ihre Bereitschaft signalisiert unter bestimmten Voraussetzungen an Gesprächen mit der US-Armee teilzunehmen. Der überwiegende Teil von ihnen operiert in der größten irakischen Provinz al-Anbar, die an Jordanien grenzt und deren größte Städte Ramadi, Fallujah und Haditha als Hochburgen des sunnitisch-dominierten Widerstands gegen die Koalitionsstreitkräfte gelten.

Über konkrete Themen die bei den Gesprächen behandelt werden könnten ist bislang wenig bekannt. "al-Arab al-Yaum" spekuliert, dass zu den Forderungen der Auständischen unter anderem der Rückzug der US-Armee aus weiteren Regionen und Städten des Landes gehören könnte.

Vorbereitet wurden die Gespräche offenbar vom irakischen Vizepräsidenten Tarek al-Hashemi, der sich während seines jüngsten Besuchs in Amman vermutlich mit Vertretern sunnitischer Aufständischer traf und anschließend erklärt hatte, einen Dialog mit den Rebellengruppen beginnen zu wollen, um die Sicherheitslage im Irak zu verbessern.

Sonntag, 29. Oktober 2006

Libanon: Fortsetzung des "Nationalen Dialogs" verzögert sich

Die Wiederaufnahme des so genannten "Nationalen Dialogs" gestaltet sich auch 2 Monate nach den Ende des Krieges im Libanon weiterhin schwierig. Parlamentssprecher Nabih Berri musste den für Montag geplanten Beginn der neuen Gesprächsrunde auf den 6.November verschieben, nachdem wichtige anti-syrische Politiker erklärt hatten, der Termin käme ihnen ungelegen.

Voraussetzung für einen Erfolg des Treffens sei jedoch die Anwesenheit des maronitischen Ex-Präsidenten Amin Gemayel, des Drusenführers Walid Joumblatt, sowie des sunnitischen Mehrheitsführers im Parlament Saadeddine Hariri, die sich unter der Bezeichnung "Kräfte des 14.März" zusammengeschlossen haben. Dieser Titel erinnert an das Datum der Massenkundgebung in Beirut, auf der im vergangenen Jahr jeder 4.Libanese einen Abzug Syriens aus dem Zedernstaat forderte.

Der "Nationale Dialog" war im März dieses Jahres initiiert, jedoch schon vor Beginn des Julikriegs ausgesetzt worden. Die Vertreter aller Konfessionen und fast aller Parteien sollen bei den Gesprächen nach Wegen suchen, das Wahlsystem zu reformieren und den in der Verfassung verankerten Konfessionalismus zu überwinden. Die Kräfte des 14.März haben zudem angekündigt die militärische Zukunft der Hizbollah debattieren zu wollen. Die Tageszeitung "an-Nahar" spekuliert, dass die Weigerung Berris, dieses thema auf die Tagesordnung zu setzen, der eigentliche Grund für das angekündigte Fernbleiben der Hizbollah-Kritiker sei.

Das drängendste Problem stellt für die anti-syrischen Parteien jedoch der noch von Damaskus eingesetzte Staatschef Emile Lahoud dar. Dieser sei ein Bremsklotz an dem vorbei die Regierung von Fuad Siniora keine Entscheidungen treffen könne. Der einzige offene Bewerber um seine Nachfolge, der ebenfalls Syrien-freundliche Ex-General Michel Aoun, ist bislang jedoch nicht an den Gesprächen beteiligt. Die mit ihm verbündete Hizbollah macht sich jedoch für seine Teilnahme am "Nationalen Dialog" stark.

Samstag, 28. Oktober 2006

Demokratieforum beginnt morgen in Doha

In Qatars Hauptstadt Doha beginnt morgen die 6.International Conference on New or Restored Democracies . Für Brisanz sorgte im Vorfeld die angekündigte Teilnahme der israelischen Außenministerin Tzipi Livni, da der Golfstaat und Israel bislang keine offiziellen diplomatischen Beziehungen unterhalten. Bis zuletzt unklar ist daher auch, ob die palästinensische Hamas-Regierung einen offiziellen Vertreter zu dem Treffen entsenden wird, oder nur einzelne Parlamentsmitglieder der Fatah nach Qatar reisen werden.

Die Konferenz unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen soll den Erfahrungsaustausch zwischen jenen Ländern erleichtern, die in den letzten Jahren Anstrengungen für eine (Re-)demokratisierung ihrer Geselschaften unternommen haben. In diesem Jahr soll die Teilnahme von Frauen am politischen Geschehen im besonderen Fokus der Konferenzteilnehmer stehen.

Insgesamt haben 75 der 192 UN-Mitgliedsstaaten ihre Teilnahme an dem Treffen zugesagt, 27 von ihnen schicken ihren Außenminister als Chef der Delegation. Diese sollen bis Mittwoch den 1.November unter anderem über 17 Studien debattieren, die den demokratischen Entwicklungsprozess in den einzelnen Ländern dokumentieren. Am Ende soll eine "Erklärung von Doha" verabschiedet werden, die die Ziele für die kommenden drei Jahre formuliert.

Erstmalig wurde die International Conference on New or Restored Democracies 1988 in Manila ausgerichtet. Das zweite Treffen fand 1994 in Managua statt, seitdem trafen sich die Konferenzteilnehmer im Drei-Jahres-Rhythmus in Bukarest, Cotounou (Benin) und 2003 in Ulan-Bator.

Freitag, 27. Oktober 2006

Nablus

In diesem Bericht wurden die Namen sämtlicher Beteiligter verändert.

Morgens um zehn am Jerusalemer Busbahnhof nahe des Damaskustors: anfangs treffe ich aufgrund meines Vorhabens, alleine nach Nablus zu fahren, auf Unverständnis beim Busfahrer und seinen Freunden, letztendlich überwiegt jedoch die Gleichgültigkeit und die Fahrt kann beginnen. Wir passieren die Stadtgrenze an einer Stelle, an der die Mauer noch nicht fertig gestellt wurde. Nahe dem Qalandiya-Checkpoint, der Ramallah von Jerusalem trennt, endet der erste Teil meiner Reise. Das gelbe Nummernschild, das zur Benutzung der Straßen in Israel und in allen Gebieten, die Israel für israelisch hält, autorisiert, wird gegen das grüne Nummernschild der Palästinensischen Gebiete ausgetauscht. Die Weiterreise verzögert sich ein Wenig, da es dauert, bis sich genügend Leute für ein Service-Taxi nach Nablus zusammen gefunden haben. Nach einem leckeren Frühstück mit den Taxifahrern und mal wieder hitzigen Diskussionen, ob Hitler ein Freund der Araber war, geht es schließlich weiter. Die Straße führt uns durch landschaftlich sehr reizvolles, hügeliges Gebiet bis wir schließlich den Checkpoint Hawara kurz vor Nablus erreichen. Ohne einen Ausweis zu zeigen, dürfen wir passieren. Indessen hat sich Bilal, einer der Passagiere im Service-Taxi, meiner angenommen. Gemeinsam bewältigen wir die letzten Kilometer mit dem Taxi ins Zentrum von Nablus.

Bilal schlägt vor, mir eine halbe Stunde lang die Stadt zu zeigen. Zunächst zeigt er mir das moderne, ziemlich unansehliche Zentrum der Stadt. Anschließend schlendern wir durch den Haupt-Suq am unteren Ende der Altstadt. Neben den in den Palästinensischen Gebieten überall präsenten Hamas und Fatah-Flaggen sind während dieser Tagen in Nablus Libanon- beziehungsweise Hizbullah-Flaggen besonders begehrt. Des Weiteren bekommt man in einigen Läden Sadam Hussein-Poster und ziemlich stylisch aussehende Hizbullah-T-Shirts für zwei Dollar. Außer mir hat es an diesem sonnigen Tag wohl keine weiteren Ausländer in die als sehr konservative geltende Stadt verschlagen. Zum Abschluss trinken Bilal und ich noch gemeinsam Frucht-Cocktails an dem Ort, wo er als Kind immer nach der Schule hinging. Bilal hat keinen israelischen Pass beziehungsweise eine Jerusalem-ID, das heißt, er darf eigentlich nicht nach Israel einreisen. Da er aber als Kranfahrer einen Job in der "Heiligen Stadt" gefunden hat, steigt er ein Mal in der Woche um sechs Uhr morgens mit hunderten anderen Palästinensern mit Leitern über die acht Meter hohe Mauer, während der Panzer auf Streife für wenige Minuten außer Reichweite ist. Bevor wir uns verabschieden bittet mich Bilal, nicht alleine in die Altstadt zu gehen und die Stadt vor der Dunkelheit zu verlassen.

Sobald er gegangen ist, mache ich mich dennoch auf den Weg in die wunderschöne Altstadt mit ihren verwinkelten Gässchen. Die Wände sind gepflastert mit Postern von Märtyren der Al-Aqsa-Brigaden, Islamischer Jihad etc. In den Straßen herrscht (fiktiver) Krieg; da die Kinder wegen Aid Al-Fitr Ferien haben, sind alle auf den Straßen. Jeder einzelne hat eine Spielzeugpistole beziehungsweise ein Gewehr, die den echten Waffen zum Verwechseln ähnlich sehen. Banden ziehen durch die Straßen und streiten sich, wer Terrorist oder Armee sein darf. Wenn man in der Realität jeden Tag mit diesen Kämpfen konfrontiert wird, die älteren Brüder mit echten Waffen "spielen", im Fernsehen nichts anderes zu sehen ist und darüber hinaus im Internetcafé nur das Terroristen-gegen-Armee-Spiel gespielt wird...ich bin auf jeden Fall in meinem ganzen Leben noch nicht so häufig imaginär erschossen worden.

Kurz nachdem ich die belebte Hauptachse der Altstadt verlassen habe und mich freudig auf Entdeckungsreise ins Innere der Altstadt begebe, ruft aus einiger Entfernung ein bewaffneter Milizionär. Erst als er mit seiner auf mich gerichteten Maschinenpistole in meine Richtung läuft, realisiere ich, dass meine Wenigkeit Anlass für seine Entrüstung darstellt. Er packt mich, schreit auf Arabisch, was ich hier verloren hätte und packt meinen Rucksack. Nachdem dieser eingehend untersucht wurde und ich ihm geklärt habe, was ich in Palästina mache und warum ich nach Nablus gekommen bin, beruhigt er sich schließlich. Dies sei alles zu meinem Schutz geschehen, da an gleicher Stelle vor drei Wochen ein amerikanischer Student entführt worden sei. Schließlich gibt er mir unmissverständlich zu verstehen, dass ich in der Altstadt nichts zu suchen hätte.

Ziemlich frustriert verlasse ich also die Altstadt, die ich seit Ewigkeiten entdecken wollte, und denke schon darüber nach, zurück ins verhältnismäßig friedliche Jerusalem zu fahren. Nach einem Besuch der orthodoxen Kirche am Rande der Altstadt, arbeite ich mich wieder etwas weiter in die kleinen Gassen von Nablus, doch angesichts vieler misstrauischer Blicke und drohenden Sprüchen, verlasse ich ein weiteres Mal resigniert die Altstadt.

Auf dem Weg zur Taxi-Station spricht mich ein junger Mann namens Yassir an. Es folgen ca. 20 Minuten Kontrollfragen, bis er Vertrauen in mich gefasst hat. Danach schlägt Yassir vor, mir seinen Bruder vorzustellen. Dem stimme ich zu und in Yassirs Arm eingehakt bringt er mich in ein Café auf dem Dach eines Hochhauses. Nach einer vorher abgesprochenen Begrüßungsformel folgen weitere 20 Minuten Kontrollfragen seitens Yassirs Bruder Omar und seinem Freund Abu Alaa. Diese Fragen habe ich wohl zufriedenstellend beantwortet, denn nachdem wir unseren Kaffee getrunken haben, fordern mich die Beiden auf, mit ihnen in ihr Versteck in die Altstadt zu gehen. In der Hoffnung endlich etwas mehr von der Altstadt zu sehen, folge ich Omar, Abu Alaa und Yassir. Die beiden Älteren sind bewaffnet. Als ich den alten Uhrturm in der Altstadt erblicke und bewundernd in die Richtung schaue, verjagen meine aufmerksamen Begleiter die Kinder im Umkreis und steigen mit mir auf den Turm. Die Aussicht auf Nablus, das zwischen zwei Bergen gedrängt unter uns liegt, ist traumhaft. Im Versteck der Jungs angekommen folgt erstmal eine kleine Belehrung: Omar gehört den Al-Aqsa-Brigaden an und Abu Alaa sowie ein Dritter, den alle "Sheikh" nennen, kämpfen für den Islamischen Jihad. Neben jedem einzelnen liegt ein geladenes Maschinengewehr russischer Produktion sowie ein Munitionsgürtel, den mir die Jungs stolz vorführen. In den einzelnen Fächern befinden sich Magazine für die MGs, Handgranaten und, der Dramatik zuliebe am Ende präsentiert, eine Taschenbuchausgabe des Korans.

Bei leckerem Knafa, einer süßen Spezialität aus Nablus, entwickelt sich bei entspannter Atmosphäre eine fast schon philosophische Diskussion über das "Gute und Böse" in dieser Welt, die meine Arabischkenntnisse letztendlich etwas überfordert. Dafür ist das Fazit erstaunlicherweise um so leichter zu verstehen: Jeder der gegen das "Böse", namentlich Israel und den großen Bruder USA, ankämpft, setzt sich für das "Gute" ein. In diesem Zusammenhang nennt Abu Alaa, der neben seinen Widerstandsaktivitäten auch an der Al-Najah Universität BWL studiert, in einem Satz "Che" Guevara, Adolf Hitler, Usama Bin Ladin und Hassan Nasrallah als Verfechter der Gerechtigkeit. Zum Teil wirken die Männer sehr intelligent und es mach richtig Spaß mit ihnen zu diskutieren. Man interessiert sich für meine Sicht der Dinge und reagiert beispielsweise auch nicht gereizt, als ich von der Notwendigkeit eines israelischen Staates in den Grenzen vor 1967 spreche.

Fast jeden Abend rückt die israelische Armee in Nablus mit Panzern ein. Für Abu Alaa, Omar usw. sind diese Schusswechsel zur Routine geworden, viele ihrer Freunde sind längst nicht mehr am Leben und hängen jetzt als Märtyrerposter in dem kleinen Versteck. Den Männern ist sehr bewusst, dass sie nicht mehr lange am Leben sein werden. Da nach den drei Älteren seit einiger Zeit gefahndet wird und sie sich somit nicht außerhalb Nablus bewegen können, ist der Widerstand nach eigener Aussage die einzige Option. Auf die Frage angesprochen, ob sie nicht Angst um ihr Leben hätten, kommt lediglich ein "Gott ist mit uns".

Während ich mit den Jungs zusammensitze, muss ich immer wieder an den Film "Paradise Now" denken, der auch in Nablus spielt. Aus der jetzigen Perspektive wirkt der Film um so realer: neben der Umgebung mit den kleinen Gässchen und den schmalen Eingängen zu dunklen kahlen Räumen ähneln sich vor allem die Charaktere. Wie im Film wirken die Männer wenig fanatisch, sie sind freundlich und zeigen großen Humor. Kurz gesagt, man würde am Liebsten jeden Tag mit ihnen rumhängen, wie gute Kumpels eben.

Nach einiger Zeit fragt mich der "Sheikh", ob ich mich denn in dem Versteck nicht unsicher fühle. Ich verneine die Frage, weil mich Abu Alaa und Co. respektvoll behandeln und ich davon ausgehe, dass die Gefechte mit der israelischen Armee erst nach Anbruch der Dunkelheit beginnen. Als mich der "Sheikh" jedoch aufklärt, dass in der Vergangenheit schon andere Verstecke tagsüber durch die Armee aufgestöbert wurden und in diesem Falle ein Schusswechsel zwangsläufig wäre, verlasse ich "meine neuen Freunde" etwas früher als geplant. Omar gibt mir noch seine Telefonnummer und bietet mir "jedwede Hilfe" an.

Yassir bietet mir schließlich Geleitschutz durch die Altstadt und bringt mich zum Taxi-Stand. Er will es sich nicht nehmen lassen das Taxi zu bezahlen. Bei der herzlichen Verabschiedung drückt Yassir mir noch ein Foto seines Bruders in die Hand.

Nach all diesen aufwühlenden Erlebnissen bin ich froh, im warmen Taxi zu sitzen und freue mich auf eine entspannte Rückfahrt. Die Hinfahrt hat 90 Minuten gedauert ohne ein Mal meine Papiere zeigen zu müssen. Nicht so bei der Rückfahrt, aus 90 werden werden 400 Minuten inklusive fünf (zum Teil mobiler) Checkpoints. Der zweite ist besonders spannend. Der vielleicht 19-jährige Soldat will seiner süßen Kollegin imponieren, indem er jedem Araber bescheuerte Fragen stellt. Sie findet es klasse und macht irgendwann fröhlich mit. Dann bin ich an der Reihe:Soldat (m): "What you do in Nablus?" - "I visited the old city, it was beautiful and interesting".Kurzes ungläubiges Kopfschütteln, dann zu mir flüsternd: "I know what you did, you fucked Arabs!!!". Seine Kollegin spuckt aus: "They are so ugly, he would never fuck Arabs!"...dann darf ich gehen.Checkpoint 3 und 4 sind langweilig, bei Nummer 5 ist dafür die Hölle los. Am Terminal Qalandiya muss man durch zwei elektronische Drehtüren, danach folgen Taschen- und Passkontrolle. Die Soldaten sitzen hinter Glasscheiben, sodass es keine beziehungsweise nur durch Lautsprecher verbale Kommunikation gibt. Zwischen der ersten und der zweiten Drehtüre sind ca. 100 Leute auf ein paar Quadratmetern eingepfercht, bestimmt ein Drittel davon Kleinkinder. Alle paar Minuten blinkt ein grünes Licht und die Menschen drängen nach vorne, sodass möglichst viele Personen während der Grünphase in den nächsten Bereich kommen. Immer wieder werden Leute in den Drehtüren verletzt, mein Arm leidet auch noch darunter.

Nach der Ankunft fühlt sich Jerusalem plötzlich sehr friedlich an.

Kuwait erhält weitere Kompensationen für irakische Invasion

Die Kompensationskommission der Vereinten Nationen (UNCC) hat die Auszahlung von weiteren 417,8 Millionen US-Dollar an Opfer der irakischen Invasion in Kuwait angeordnet. Die Gelder werden an die Regierung, sowie namentlich nicht genannte internationale Organisationen und Firmen überwiesen. Unter anderem sollen mit den Finanzmitteln Umweltschäden behoben werden, die durch die Inbrandsetzung kuwaitischer Ölfelder durch die irakische Armee entstanden waren.

In früheren Runden wurden auch Entschädigungszahlungen an Privatleute, denen durch den irakischen Angriff auf Kuwait im August 1990 Schaden zugefügt wurde, beschlossen, doch sind diese Fälle nach Angaben von UNCC-Chef Mojtaba Kazazi bereits abgearbeitet worden. Bislang wurden Kompensationszahlungen in einer Höhe von 21,4 Milliarden US-Dollar überwiesen. Die UNCC hat angeordnet, dass insgesamt 52,5 Milliarden Dollar als Entschädigung für Kriegsschäden und - opfer bereitgestellt werden sollen.

Der Kommission gehören die 15 Mitgliedsstaaten der UN-Sicherheitsrats an. Sie wurde 1991 nach dem Ende des 2.Golfkriegs gegründet. Die Gelder, die von der UNCC verteilt werden, speisen sich aus den Erdöleinnahmen des Irak. Vor dem Sturz Saddam Hussains 2003 zog die Kommission ein Viertel der irakischen Einnahmen aus dem "Öl-für Lebensmittel-Programm" ein, um die Kompensationszahlungen leisten zu können.

Donnerstag, 26. Oktober 2006

Ärger über al-Jazeera - Tunesien zieht Botschafter aus Qatar ab

Aus Protest über den arabischen Nachrichtenkanal "al-Jazeera" hat Tunesien seinen Botschafter aus Qatar abberufen. Der in Doha ansässige Satellitensender wird von der tunesischen Regierung beschuldigt, eine "feindliche Kampagne" gegen den Maghrabstaat zu führen.

Auslöser des Aufruhrs waren zwei Interviews mit dem im Pariser Exil lebenden Oppositionellen Moncef Marzouki. In den Gesprächen am 14. und 21. Oktober hatte dieser die tunesische Regierung scharf angegriffen und zu "zivilem Ungehorsam" gegen den Staat aufgerufen. Marzouki ist Vorsitzender der verbotenen Oppositionspartei "Kongress für die Republik" und war lange Jahre Chef der tunesischen Menschrechtsliga. Immer wieder macht er als solcher auf Menschenrechtsverstöße in dem Mittelmeerstaat aufmerksam.

Die tunesische Regierung bezichtigte al-Jazeera daraufhin, eine "feindliche Kampagne zur Schädigung Tunesiens" durchzuführen und die "moralischen Prinzipien" auf denen Journalismus fuße verlassen zu haben. Daraufhin habe man, wie erst heute bekannt wurde, bereits am vergangenen Donnerstag sein gesamtes Botschaftspersonal aus Doha abgezogen. Gleichwohl legte das Außenministerium in Tunis Wert auf die Feststellung, dass sich dieser Schritt allein gegen al-Jazeera, nicht aber gegen den "Bruderstaat Qatar" richte.

Der Chef der Nachrichtensenders, Waddah Khanfar, wies die Anschuldigungen der tunesischen Seite zurück und lud "jeden tunesischen Offiziellen ein sich auf dem Sender zu äußern". Es ginge dem Sender, dessen Leitmotto "Meinung und Gegenmeinung" lautet, nicht darum sich mit Leuten, die im Programm Gelegenheit bekommen sich zu äußern, gemein zu machen.

Auseinandersetzungen zwischen dem meinungsfreudigen Satelliten-TV und den Regierungen der arabischen Welt haben seit dem ersten Ausstrahlungstag im November 1996 Tradition. So hatten in der Vergangenheit bereits Marokko und Libyen ihre Botschafter aus Qatar aus Protest über den Sender zeitweise abgezogen. Seit 2004 darf al-Jazeera auch im Irak kein Studio mehr unterhalten. Ebenso untersagen ihm Saudi-Arabien und Bahrain die Berichterstattung. Auch Algerien unterband zeitweise die Berichterstattung, nachdem der Sender über Massaker der Armee während des Bürgerkriegs berichtet hatte.

Als Ägyptens Staatschef vor einigen Jahren in der al-Jazeera-Zentrale in Doha zu Gast war soll er gefragt haben: "Und diese Blechdose macht den ganzen Ärger?"

Mittwoch, 25. Oktober 2006

"Reporter ohne Grenzen" zur Pressefreiheit im Nahen Osten

Gestern hat die Organisation "Reporter ohne Grenzen" ihre jährliche Rangliste zur Lage der Pressefreiheit veröffentlicht. Diese dokumentiert deutliche Verbesserungen der Pressefreiheit besonders in den Ländern des Maghreb und der arabischen Halbinsel, zeigt aber auch deutliche Defizite in anderen Staaten auf.

Das am besten platzierte Land der Region in der Liste ist Israel auf Rang 50. Differenziert betrachtet wird jedoch das Verhalten israelischer Verantwortlicher außerhalb der eigenen Staatsgrenzen. Die israelische Armee behindere die Berichterstattung aus den besetzten Gebieten. Für diesen extra-territorialen Raum landet das Land auf Rang 135 und ist damit um eine Position schlechter platziert als die palästinensische Autonomiebehörde.

Der Libanon, traditionell das arabische Land in der Region mit der buntesten Presselandschaft fiel in den vergangen fünf Jahren dramatisch vom 56. auf den 107. Platz. Grund hierfür ist zum einen die Bombenserie gegen syrien-kritische Journalisten 2005 und zum anderen der Julikrieg zwischen Israel und der Hizbollah.

Erfreulich ist, dass mit Ausnahme Saudi-Arabiens und Jemen die Länder der arabischen Halbinsel ihre Position im Vergleich zum Vorjahr verbessern konnten. Vorreiterrolle nimmt hier Kuwait (Platz 73) ein, dicht gefolgt von Vereinigten Arabischen Emiraten und Qatar auf den Rängen 77 bzw. 80.

Deutliche Fortschritte attestierte Reporter ohne Grenzen den Maghrebstaaten. Mauretanien gelang von allen 168 teilnehmenden Staaten der größte Sprung nach vorn. In Folge des Sturzes von Diktator Taya wurde die strikte Zensur deutlich gelockert, wodurch sich das Land in der Rangliste vom 138. Platz 2004 auf den 77.Platz 2006 nach vorn katapultierte.

Marokko verbesserte sich um 23 Plätze, Algerien und Libyen um 3 bzw. 10 Positionen. Zum ersten Mal überhaupt durften Beobachter von Reporter ohne Grenzen nach Libyen reisen. Positiv bewertet wurden unter anderem der größere Zugang der Bevölkerung zu Onlinemedien und Satelliten-TV.

Sehr schwierig sind die Arbeitsbedingungen für Journalisten weiterhin in Syrien (Platz 153) und Saudi-Arabien (161). Hier sind die Medien fest in der Hand des Staatsapparats beziehungsweise des Königshauses, die nicht kritisiert werden dürfen. Noch schlechter platziert ist der Iran auf Platz 162. Zwar erscheint hier eine Vielzahl von Zeitungen und Magazinen, doch unterliegen diese alle staatlicher Kontrolle. Kritische Blätter sind latent von der Schließung bedroht.

Nur wenig besser ist es um die Pressefreiheit im Irak des Jahres 2006 bestellt. Die allgemein instabile Sicherheitslage macht das unabhängige Berichten besonders für Journalisten aus dem westlichen Ausland lebensgefährlich. Vor der US-geführten Invasion beslegte der Irak des Saddam Hussein Platz 130 in der Rangliste, heute rangiert er auf Rang 154.

Indirekt beeinflusste die arabisch-islamische Welt auch das Abschneiden Dänemarks. Im vergangenen Jahr hatte das Königreich noch auf Platz 1 der Liste gelegen, rutschte nun aber auf den 19.Platz ab. Grund hierfür waren die Todesdrohungen gegen Journalisten in Folge der Veröffentlichung der Mohammed-Karikaturen.

Dienstag, 24. Oktober 2006

Syrien: Russland gegen UN-Sanktionen

Syrien muss nach Einschätzung des russischen Außenministers Sergej Lawrow keine UN-Sanktionen befürchten, da Damaskus umfassend mit den UN-Ermittlern im Mordfall Hariri zusammengearbeitet habe. "Ich sehe nichts, was Syrien getan haben könnte um Sanktionen zu verdienen", so Lawrow in einem Interview mit der in London erscheinenden Zeitung al-Sharq al-Awsat.

Darin bescheinigt der russische Außenminister der syrischen Regierung eine aktive Zusammenarbeit mit dem UN-Ermittlerteam des Belgiers Serge Brammertz, der den Berliner Oberstaatswanwalt Detlev Mehlis als Chef der Untersuchungskommission ablöste. Die Ermittler seien mehrfach nach Syrien gereist und hätten sich mit Verantwortlichen getroffen. Ihm seien keine Beschwerden über eine Behinderung der Untersuchungen bekannt, so Lawrow weiter.

Anders als die USA lobte der 56-Jährige zudem die Rolle Syriens im jüngsten Krieg zwischen Israel und der Hizbollah. Eine Ausbreitung des Konflikts habe verhindert werden können, "weil die syrische Regierung eine sehr vernünftige Haltung einnahm".

US-Außenministerin Condoleezza Rice hatte in den vergangenen Wochen für weitere Sanktionen gegen Syrien geworben. Damit sollte das Regime Bashar al-Assads unter anderem für die "Destabilisierung Libanons und des Irak" sowie für die Unterstützung der Hamas-Bewegung bestraft werden.

Montag, 23. Oktober 2006

Arabische Juden wollen Anerkennung als Flüchtlinge des Nahost-Konflikts

Jüdische Interessengruppen haben gestern eine Kampagne gestartet mit der sie erreichen wollen, dass Juden, die aus arabischen Staaten stammen, als Flüchtlinge des Nahost-Konflikts anerkannt werden. Organisiert und koordiniert wird die Aktion von der in den USA beheimateten Organisation "Justice for Jews from Arab Countries (JJAC)".

Ihrer Einschätzung nach sind seit 1948 knapp eine Million Juden aus den Ländern der arabischen Welt vertrieben worden, besonders hervorgehoben werden Libyen, Ägypten, Libanon, Syrien, Irak und Jemen. Mindestens 600000 von ihnen emigirierten nach Israel, andere fanden Zuflucht in Frankreich oder den USA.

Ziel der Kampagne soll es sein, dass Leid der Vertriebenen zu dokumentieren, finanzielle Verluste zu beziffern und Lobbyarbeit bei westlichen Regierungen zu betreiben. Nach Angaben der "World Organisation of Jews from Arab Countries (WOJAC)" konfiszierten die arabischen Regierungen insgesamt mehr als 100 Milliarden US-Dollar von den jüdischen Gemeinden ihrer Länder.

Stanley Urman, Vertreter der WOJAC erklärte gestern in Jerusalem zum Ziel der Kampagne: "Die Welt sieht das Leiden der palästinensischen Flüchtlinge und ohne deren Leid leugnen zu wollen, muss anerkannt werden, dass Juden in arabischen Ländern ebenso zu Opfern des Arabisch-Israelischen Konflikts geworden sind. Wenn es eine Kompensation für palästinensische Flüchtlinge gibt, muss es auch eine Kompensation für jüdische Flüchtlinge geben."

Schätzungen zufolge leben heute in den Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas weniger als 20000 Menschen jüdischen Glaubens. Die größte Gemeinde in einem arabischen Land gibt es gegenwärtig in Marokko, wo laut offiziellen Angaben knapp 6000 Juden leben.

Sonntag, 22. Oktober 2006

Sudan: Ultimatum für UN-Gesandten Jan Pronk

Sudans Regierung hat den UNO-Gesandten in Khartoum, den Holländer Jan Pronk, ultimativ aufgefordert das Land bis zum Mittwoch zu verlassen. Grund für die Ausweisung ist ein ein Bericht des UN-Botschafters vom 14.Oktober , in dem dieser von Verlusten der sudanesischen Armee in Darfur berichtet, die sich auch auf der Moral der Truppe niederschlugen.

Daraufhin hat Sudans Regierung Jan Pronk nach eigenen Angaben heute aufgefordert, den Sudan binnen 72 Stunden zu verlassen. Das Ultimatum läuft Mittwoch Mittag aus. Regierungsstellen erklärten heute, Pronk habe seinen Aufgabenbereich verletzt, indem er über "sehr sensible Themen" des Friedensprozesses zwischen Nor- und Südsudan öffentlich geredet habe.

Auf seiner persönlichen Website berichtet der höchstrangige Vertreter der Vereinten Nationen im Sudan unter anderem davon, dass die Moral der Armee in Norddarfur gesunken sei, und zahlreiche Soldaten die Befehle ihrer Vorgesetzten ignorierten. Mehrere Schlachten hätten die Regierungstruppen demnach gegen Rebellengruppen aus Darfur verloren. Außerdem habe die Regierung in Khartoum die berüchtigten Reitermilizen der Janjaweed gegen die Aufständischen und Zivilisten im Ostsudan mobilisiert.

Die sudanesische Regierung bezeichnet die Ausführungen Pronks als Teil einer Kampagne des Westens gegen den Sudan, die eine "Kolonisierung" des Landes durch UN-Blauhelmtruppen zum Ziel habe.

Donnerstag, 19. Oktober 2006

Ägypten: Prozess gegen Sadat-Neffen

In Kairo hat gestern der Prozess gegen Talaat as-Sadat, Neffe des ermordeten ägyptischen Präsidenten Anwar as-Sadat begonnen.Dem Parlamentsabgeordneten wird vorgeworfen die ägyptische Armee diffamiert zu haben. Nach einer kurzen Anhörung des Angeklagten wurde das Verfahren zunächst vertagt.

In einem Interview mit dem pan-arabischen TV-Sender "Orbit TV" hatte Talaat Anfang Oktober die Ermordung seines Onkels als das Resultat einer "internationalen Verschwörung" bezeichnet. Neben den USA und Israel gehöre die persönliche Präsidentengarde Sadats zu den Hintermännern des Attentats während einer Militärparade am 6.Oktober 1981, soi der Vorwurf des Politikers.

"Kein Mitglied der persönlichen Schutztruppe des Präsidenten feuerte einen einzigen Schuss zur Verteidigung ihres Chefs ab und kein einziger von ihnen wurde vor Gericht gestellt.", so Talaat Sadat. Stattdessen habe Anwars Nachfolger im Amt des Präsidenten, der amtierende Staatschef Hosni Mubarak, einige der Verantwortlichen im Nachhinein befördert.

Zuvor hatte Talaat Sadat, der für die Opposition in der äygptischen Nationalversammlung sitzt die seine Immunität inzwischen aufhob, in der Zeitung al-Masri al-Yaum die Bildung eines Parlamentssausschusses gefordert, der die Hintergründe des Attentas untersuchen sollte. Andernfalls werde er bei der UNO auf die Bildung einer Untersuchungskommission nach dem Vorbild der Hariri-Ermittlunge drängen. Einen entsprechenden Internetaufruf unterzeichneten bislang knapp 9500 Menschen.

Mittwoch, 18. Oktober 2006

Israel: Gericht fordert Einreiserlaubnis für palästinensische Studenten

Der Oberste Gerichtshof Israels hat die Armee des Landes angewiesen, das Einreiseverbot für Palästinenser zu überdenken. Hintergrund ist der Fall der 29-jährigen Palästinenserin Sawsan Salameh. Die Armee verweigert der Frau aus Anata, einer unweit von Jerusalem gelegenen Kleinstadt im Westjordanland die Einreise nach Israel, obwohl sie von der Hebrew University of Jerusalem zum Chemiestudium zugelassen wurde. Die Rektoren hatten Verteidigungsminister Amir Peretz daraufhin aufgefordert das Einreiseverbot für palästinensische Studenten aufzuheben.

Das Gericht forderte die Armeeführung nun auf, innerhalb von sieben Tagen mit den Anwälten der Studentin eine Regelung zu treffen, die ihr den Universitätsbesuch ermöglicht. Staatsanwalt Avinoam Segal erklärte sich in einer ersten Stellungnahme bereit, über eine begrenzte Einreiseerlaubnis zu diskutieren, die der jungen Frau zwei bis vier Tagesbesuche wöchentlich in Jerusalem gestatten würde.

Auch Bildungsministerin Yuli Tamir und Kulturminister Ophir Pines-Paz forderten ihren Kabinettskollegen Peretz auf, das Einreiseverbot für palästinensische Studenten an israelischen Hochschulen aufzuheben. Es sei "inakzeptabel" die Einreise sämtlicher Studenten zu verbieten ohne dass es Geheimdiensterkenntnisse gäbe, nach denen von den Betreffenden eine Gefahr ausgehe. Pines warnte vor einem möglichen Boykott akademischer Institutionen als Ergebnis der israelischen Politik gegenüber den Studenten.

Seit Beginn der sogenannten "Al-Aqsa-Intifada" 2000 wurden die Einreisebestimmungen für Palästinenser stetig weiter verschärft. Seit die Hamas an die Regierung in den palästinensischen Gebieten gewählt wurde, ist es gerade für viele junge Palästinenser noch schwieriger geworden von den israelischen Sicherheitsbehörden eine Einreisegenehmigung zu erhalten - selbst für jene die mit israelischen Staatsbürgern verheiratet sind.

Dienstag, 17. Oktober 2006

Iran: Ahmadinejad verbietet Rauchen in der Öffentlichkeit

Irans Präsident Mahmud Ahmadinejad hat am Montag die Umsetzung eines umfassenden Anti-Raucher-Gesetzes angeordnet, das unter anderem das Rauchen in der Öffentlichkeit und Tabakwerbung verbietet.

Laut einer auf der Website des Präsidenten verbreiteten Erklärung müssen Iraner, die an öffentlichen Plätzen rauchen mit Geldstrafen zwischen umgerechnet 5 und 10 US-Dollar rechnen. Auch der Verkauf von Zigaretten an Minderjährige wird künftig stärker geahndet. Wiederholungstäter müssen hier mit Geldstrafen von bis zu 1000 Dollar rechnen. Die Regierung behält sich vor, die Höhe der Bußgelder alle drei Jahre neu zu regeln.

Auch jegliche Werbung für den Tabakkonsum, sowie dessen "direkte und indirekte" Förderung wird künftig untersagt. Offiziellen Statistiken zufolge geben die knapp 70 Millionen Iraner pro Jahr fast 7 Milliarden US-Dollar für Zigaretten aus.

Rosh Haschana - Ramadan - Yom Kippur Vol. 2

Langsam neigt sich der muslimische Fastenmonat Ramadan, der neunte Monat im islamischen Mondkalener, dem Ende zu. Sobald "ihr in der Morgendämmerung einen weißen von einem schwarzen Faden unterscheiden könnt!“ (Sure, 2, Vers 187) ist den Muslimen Enthaltung vom Verzehr jedweder irdischer Substanzen, Speisen und Getränken, Rauchen, Geschlechtsverkehr, Menstruation, Trunkenheit und Irrsinn geboten.

Fast zwangsläufig scheint im Fastenmonat folgerichtig alles anders: Tagsüber spielt sich das Leben auf Sparflamme ab, die Menschen sind träge und schließen ihre Läden früher als gewöhnlich. Man sollte während des Ramadan nicht zuviel von seinen Mitmenschen verlangen, sonst reagieren selbst normalerweise ausgeglichene Gemüter äußerst gereizt, wie ich auf der Straße und bei der Arbeit hautnah miterleben konnte.

Ca. eine Stunde vor dem Sonnenuntergang erwacht die Stadt aus ihrer Lethargie, plötzlich herrscht auf den Straßen reges Treiben. Jeder will noch einige Lebensmittel besorgen, bevor das große Fressen beginnen kann. Während der Muezzin das Abendgebet singt verkündet ein lauter Kanonenschlag den Moment des Fastenbrechens.

Die Prozedur beginnt mit dem genüsslichen Verspeisen einer Dattel. Aus meiner Erfahrung ist aber das erste Glas Wasser nach 10 Stunden ohne Flüssigkeit durch nichts zu übertreffen (nach zwei Tagen schrecklichen Leidens und völliger Unproduktivität sind aus meiner aktiven Solidariät mit den Muslimen bewundernde Lippenbekenntnisse geworden). Bei den so genannten Iftars werden Unmengen an Leckereien verschlungen. Auf eine Suppe und verschiedene Salate folgen in der Regel Lamm und Huhn mit Reis. Als Dessert werden süße Spezialitäten serviert, die nur während des Ramadan angeboten werden. Nach dem Essen werden schließlich die tagsüber nicht gerauchten Zigaretten und die nicht getrunkenen Kaffee fleißig nachgeholt. Was das Verbot von Alkohol anbetrifft, so zeigt sich mein muslimisches Umfeld als sehr konsequent.

Da man während des Ramadan jeden Abend zu einem üppigen Festmahl bei Familienmitgliedern oder bei Freunden eingeladen ist, scheint es nicht weiter verwunderlich, dass der Großteil der Bevölkerung (im FASTENMONAT) einige Kilos zulegt. Es ist statistisch nachgewiesen, dass während des Ramadan die Lebensmittelkosten um ein Vielfaches steigen. Dementsprechend wachsen die Müllberge im Kidron-Tal, durch das ich zu unserem Büro gelange, deutlich spürbar.

Hinsichtlich der Atmosphäre während des Fastenmonats konnte man einen schleichenden Prozess beobachten. Anfangs wirkten die Menschen sehr fröhlich, insbesondere die Altstadt war sehr belebt und bis Mitternacht spielte sich das Leben draussen ab.
Die Beleuchtung der Straßen mit bunten Halbmonden erinnert auch jetzt noch an ein wunderschön kitschiges Weihnachten im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, doch mittlerweile ist die Magie der ersten Festmahle verflogen. Heute meinte beispielsweise unsere Sekretärin, die konsequent den Fastenmonat ignoriert und weiterhin ihre Zigaretten und Kaffee genießt, zum Fasten: "I am so sick of fasting, sick of seeing my family every day for the feast and I am sick of all these people pretending to be good muslims for one month".

Außerdem schlägt die extreme israelische Polizei- und Armeepräsenz der Bevölkerung aufs Gemüt. Auch in diesem Jahr wurden tausende Palästinenser, die nicht in Jerusalem residieren, an Checkpoints und durch Straßensperren daran gehindert, im heiligen Monat Ramadan in der Al-Aqsa Moschee zu beten. Selbst ich werde täglich von diesen Soldaten penetriert: in der Altstadt werde ich oft durch Soldaten aufgehalten, die mich bestimmte Gassen nicht passieren lassen wollen. In der Regel lautet die Begründung: "It´s dangerous!!! There are lots of Muslims". Nachdem ich den Soldaten dann erkläre, dass ich mit diesen gefährlichen Muslimen zusammenlebe, darf ich dann meinen Weg unter verständnislosen Blicken schließlich fortsetzen,

Montag, 16. Oktober 2006

Tunesien: Härteres Vorgehen gegen Kopftuchträgerinnen


Tunesiens Regierung hat angekündigt das Kopftuchverbot in staatlichen Behörden und an öffentlichen Plätzen zukünftig stärker durchsetzen zu wollen. Seit 1981 ist es Tunesiens Frauen untersagt in Schulen, Regierungsgebäuden ein Kopftuch zu tragen. Vertreter der Regierungspartei RCD haben in den vergangenen Tagen erklärt, das Kopftuch unterstütze eine Spaltung der Gesellschaft und "ist unserem Land, unserer Kultur und unseren Traditionen fremd", wie etwa Außenminister Abdel Waheb Abdallah am vergangenen Freitag erklärte.

Seit Mitte der 1990er ist es Tunesiens Frauen auch zumindest formal verboten, das Kopftuch an "öffentlichen Plätzen" zu tragen. Dieser Erlass stand im Zusammenhang mit dem Verbot der islamistischen Partei al-Nahda als Reaktion auf den Bürgerkrieg im Nachbarland Algerien. Das Tragen des Kopftuchs wurde damals als Zeichen der Zugehörigkeit zu den Islamisten gewertet. Wirklich umgesetzt wurde diese Vorgabe jedoch nur selten.

Das nun angekündigte härtere Eintreten gegen Kopftuchträgerinnen wird nun auch mit der Gefahr des Islamismus begründet. Innenminister Rafik Belhaj Kassem argumentiert etwa, das Tragen des Kopftuchs sei Ausdruck der Zugehörigkeit zu einer bestimmten politischen Richtung die sich als Religion maskiere. Tatsächlich diene das Kleidungsstück jedoch nur dazu die Frauen ihrer Rechte zu berauben.

Sonntag, 15. Oktober 2006

Die Schlacht von Poitiers (732) - Teil 3

IV. Der Kontext der spanischen Historiographie

Die mit Sicherheit ausführlichste Beschreibung der arabisch-fränkischen Auseinandersetzungen bietet die einzige zeitgenössische Quelle aus Spanien, die sogenannte mozarabische Chronik. Dieser wohl um 754 in einem christlichen Kloster als Fortsetzung des Werkes Isidors von Sevilla entstandene Bericht ist besonders aus zwei Gründen äußerst wertvoll. Zum einen zeichnet er ein sehr differenziertes Bild von der Anfangszeit des muslimischen Spanien bis zum umayyadischen Umsturz 751, zum anderen werden die Einfälle der Muslime ins Frankenreich, einschließlich der Schlacht von Poitiers 732, sehr detailliert dargestellt, so dass die Fredegarfortsetzung nicht nur ergänzt, sondern in wesentlichen Teilen auch widerlegt werden kann.

Der rasche Zusammenbruch des Westgotenreichs, mit dem die Geschichte der muslimischen Herrschaft in Spanien 711 beginnt, ist, so berichtet die Mozarabische Chronik, auf die Einladung muslimischer Truppen von Seiten westgotischer Adelsfamilien zurückzuführen, die um diese Zeit in einem Bürgerkrieg um die Herrschaft verwickelt waren. So scheinen denn auch am Anfang einige wesgotische Notabeln mit den muslimischen Invasoren verbündet gewesen zu sein. Das anfängliche Bündnis wandelte sich aber relativ schnell zur Unterwerfung, besonders nach dem Zusammenbruch der Zentralgewalt, die der Einnahme der westgotischen Hauptstadt Toledo folgte.

Die folgenden Jahre bis 720 waren durch die, für die muslimische Expansion typische, Aushandlung von Kapitulationen mit lokalen Herrschern und den Versuch, die errungene Macht zu etablieren, gekennzeichnet. Zwei Regionen des vormaligen westgotischen Herrschaftsgebietes blieben allerdings zunächst uneingenommen. Im Nordwesten konnte sich Asturien behaupten und entwickelte sich in den folgenden Jahrhunderten zum Ausgangspunkt der Reconquista. Die in diesem Zusammenhang oft als Startpunkt gerühmte Schlacht von Covadonga ca. 718 findet in der mozarabischen Chronik übrigens keine Erwähnung und um so mehr bedarf deren spätere Aufwertung einer kritischen Einschätzung.

Im Nordosten hingegen hielt sich Septimanien und rückte immer mehr in den Fokus der arabischen Befehlshaber. Ab 720 überquerten diese dann auch immer regelmäßiger die Pyrenäen. Als Ergebnis dieses ersten Vorstoßes vermeldet die mozarabische Chronik die Einnahme Narbonnes, der Hauptstadt Septimaniens, unter dem Gouverneur As-Samh. Bei der folgenden Belagerung von Toulouse 721 werden die Muslime allerdings von Eudo zurückgeschlagen (s. o.), der hier erstmalig in diesem Kontext auftaucht.

Die zweite Welle muslimischer Einfälle folgte verstärkt in den Jahren 724/25 unter As-Samhs Nachfolger ’Anbasah. Hierbei wurden, wie vor allem die südfranzösischen Chroniken berichten, Carcassonne und Nimes in der Provence erobert und geplündert und von hier ging auch ein Beutezug die Rhône hinauf bis nach Autun. Hauptmotiv bei diesen Zügen war wohl vorrangig die Aussicht auf reiche Beute, die in den südfranzösischen Städten zu holen war.

Die folgenden Jahre bis ca. 729 waren jedoch von gravierenden inneren Spannungen auf muslimischer Seite geprägt, von denen auch die mozarabische Chronik zu berichten weiß. Denn nicht nur zwischen zwischen arabischen Stämmen erwachten alte Rivalitäten, viel folgenreicher entwickelten sich die Auseineinandersetzungen zwischen den erst kürzlich islamisierten Berbern, die das Gros der Eroberungsheere stellten, und der arabischen Elite, die alleinig die Befehlsgewalt innehatte. Vor allem in die Grenzregionen, wie Septimanien, wurden berberische Garnisonen verlegt, fühlten sich aber bei der Verteilung der Beuteerträge oft benachteiligt.

Diesen Gegensatz, überhaupt eine Unterscheidung innerhalb der in der zeitgenössischen Darstellung sonst nur als Sarazenen bezeichneten Masse, nimmt die mozarabische Chronik vor und bringt ihn auch in Verbindung mit den folgenden Auseinandersetzungen um Karl Martell und Eudo. Denn hier wird der Berberfürst Manuzza eingeführt, dessen Rolle ein sehr viel differenzierteres Bild der Ereignisse zwischen 729-732 erkennen lässt.

Eben dieser Manuzza schloß 729 ein Bündnis mit Eudo, mit welchem der Aquitanier seine Südgrenze gegen weitere arabische Übergriffe schützen wollte. Manuzza hingegen dachte einen Verbündeten im nun folgenden Berberaufstand gegen den neuen Gouverneur Abderrahman Al-Ghafiqi gefunden zu haben. Abderrahman, der nach einer unruhigen Phase mit sechs verschiedenen Gouverneuren zwischen 725 -729 an die Macht gekommen war, erstickte die von Katalonien aus geplante Erhebung im Keim und warf Manuzza relativ schnell nieder. Der neue Gouverneur zog jedoch noch weitere Konsequenzen und beabsichtigte, in der Unruheprovinz Septimanien zu intervenieren und auch den vermeintlichen Instigator Eudo auszuschalten.

Somit drangen die Truppen Abderrahmans 732 in die Francia ein, vorrangig um Eudo zu bestrafen. Nach dessen schneller Niederschlagung an der Garonne trat jedoch wieder das Beutemotiv in den Vordergrund. Das nahe gelegene Bordeaux wurde geplündert, Eudo aber konnte nach Norden fliehen, woraufhin die Truppen Abderrahmans die Verfolgung aufnahmen. Ihr Vorstoß vollzog sich aber, ganz im Gegensatz zu den sonst üblichen Beutezügen relativ langsam, da sie das eroberte Gut aus Bordeaux ebenfalls mitgeführten und auch noch Poitiers plünderten.

Die mozarabische Chronik berichtet nun von einem Hilfsgesuch Eudos an Karl Martell. Dass dieser so schnell reagierte und die gegnerische Streitmacht umgehend zwischen Tours und Poitiers abfing, deutet auf zweierlei. Zum einen schien er sich, wie schon vermutet, bereits auf einen Zug nach Süden zu befinden, zum anderen konnte sich Eudo immer noch auf eine Art Bündnis mit Karl berufen, wie es die mozarabische Chronik anführt. Bei Poitiers kämpfte also Karl mit dem Hilfe ersuchenden Eudo gegen die Truppen Aberrahmans – eine völlig andere und viel schlüssigere Darstellung als in der Fredegarfortsetzung, in der Eudo ja bekanntlich die arabische Streitmacht zur Hilfe gegen Karl ins Land führt. Denn jetzt wird auch ersichtlich warum Eudo bis zu seinem Tod 735 Fürst in Aquitanien blieb.

Die mozarabische Chronik bezieht in ihrer Beschreibung der Schlacht also sowohl die Erfolge Eudos als auch Karls ein, wobei beide als fränkische Generäle bezeichnet werden. Die Bezeichnung europenses dagegen, die für die Truppen aus dem Norden Verwendung findet, sollte mit Vorsicht betrachtet werden. Nur ein einziges Mal wird solch eine Designierung, die oft zur Geburtsstunde des Europäerbegriffs erkoren worden ist, vorgenommen und spricht wahrscheinlich eher für die subjektive Sichtweise des Autors auf die inneren Verhältnisse der Francia, welche aufgrund der nicht einmal vorgenommenen Unterscheidung von Frankenreich und Aquitanien kritisch zu hinterfragen und eher als Fremdzuschreibung zu werten sind.

Zum Schluss soll noch einmal ein Blick auf die arabische Historiographie hinsichtlich der behandelten Problematik geworfen werden. Dieser fällt allerdings sehr kurz aus, da das Ereignis entweder, wie etwa bei Al-Tabari (gest. 923), gar nicht erwähnt oder lediglich als Episode am Rande gestreift wird. Ibn Abd Al-Hakam (803-871), widmet der Schlacht immerhin einen Satz, wobei er die muslimischen Truppen als Ghazi bezeichnet, was zwar im Kontext der islamischen Expansion auch eine religiöse Konnotation besitzt, aber auch die Bezeichnung für einen Teilnehmer an einem razzia-artigen (daher auch der Begriff) Beutezug darstellt.

Wenn es für die genannten Historiker etwas über die Konflikte in Al-Andalus zu dieser Zeit (720-750) zu berichten gibt, so sind dies vor allem die langwierigen Berberrevolten und die Vorgeschichte der umayyadischen Machtbündelung zur Mitte des Jahrhunderts. Weitaus mehr Aufmerksamkeit erfahren dagegen die Kämpfe mit Byzanz und die Belagerung Konstantinopels. Erst im Hochmittelalter hingegen prägten im Zuge der Reconquista muslimische Historiker in Al-Andalus den Begriff Balat Asch-Schuhada’ (=Pfad der Märtyrer) für die Schlacht von Poitiers 732.


V. Schlussbetrachtung

Die vorgelegten Untersuchungen haben gezeigt wie unterschiedlich die arabischen Einfälle ins Frankenreich und die Schlacht von Poitiers 732 in den zeitgenössischen Quellen bewertet werden.

Wichtig ist hierbei, dass auch den Quellen ein bestimmter Kontext zugrunde liegt, der sich auf deren Konzeption und Formulierung maßgeblich auswirkt. Hinter den ausgewählten Darstellungen stecken auch immer Intentionen und Interessen, wie in der Fredegarfortsetzung etwa die Glorifizierung und Legitimierung Karl Martells oder typisch frühmittelalterliche, biblisch-christlich geprägte Weltbilder, wie sie bei Beda auftauchen. Auch vorsätzliche Geschichtsklitterungen treten zu Tage und müssen, wie im Fall Paulus Diakonus, aufgedeckt werden, um zu zeigen, wann bestimmte Zusammenhänge und vermeintliche Fakten, erinnert sei an Zahl der 375.000 gefallenen Sarazenen, konstruiert wurden.

Um so dringlicher müssen also zeitgenössische Quellen zum Vergleich herangezogen werden, um ein vollständigeres Bild zu erhalten. So widerlegen die Ausführungen der mozarabischen Chronik die Fredegarfortsetzung in wesentlichen Punkten und bieten gleichzeitig eine erweiterte Perspektive, so dass die in der Einleitung angeführten einseitig verallgemeinernden und prätentiösen Sichtweisen keine historisch valide Erklärungsmacht mehr besitzen.

Teil 1

Teil 2

Mittwoch, 11. Oktober 2006

Die Schlacht von Poitiers (732) - Teil 2

III. Der Kontext der kirchlichen Historiographie

a) Die theologischen Ausführungen Bedas

Im folgenden soll nun untersucht werden, wie der bedeutendste Universalgelehrte des Frühmittelalters, Beda (673-735), dessen Werke über Jahrhunderte Standard blieben und der schon zu Lebzeiten mit dem Ehrentitel venerabilis bedacht wurde, Sarazeneneinfälle und die Schlacht von Poitiers beurteilt.

Zunächst ist festzuhalten, dass die Historie im Frühmittelalter, wie sie auch der Theologe Beda betrieb, lediglich einen Teil der Exegese bildete, in dem überlieferte Kenntnisse aus der antiken Historiographie in die göttliche Heilsgeschichte eingebunden wurden. Für das Verständnis des Islams und der rasanten Ausbreitung der Araber innerhalb kürzester Zeit bot die Antike allerdings kaum eine Erklärung. Als theologische Herausforderung, wie sie im Hochmittelalter eine reichhaltige Literatur produzierte, wurde der Islam in dieser frühen Phase von Beda weder begriffen, noch in irgendeiner Weise überhaupt thematisiert. Folglich findet sich bei ihm auch keine formale Unterscheidung zwischen der Religion der Sarazenen und der Götzendienerei der Slawen oder Magyaren.

Vielmehr ist er daran interessiert, mittels des wirksamsten intellektuellen Instrumentes des Mittelalters, nämlich der Bibel, den Sarazenen einen festen Platz im christlichen Geschichtsbild zuzuweisen. Hierfür zieht er das schon von Isidor von Sevilla verwendete Erklärungsmuster Sarazenen = Agarenen = Ismaeliten heran. Sarazenen finden sich in der Bibel nicht, die Beschreibung Ismaels jedoch passt zu den zeitgenössischen Berichten von den aus der Wüste kommenden Sarazenen. Die Bezeichnung Agarenen, von Ismaels Mutter Hagar, abgeleitet, erfüllt noch einen anderen Zweck. Da Hagar als Sklavin Abrahams dessen Frau Sara, der Mutter Isaaks, untergeordnet war, postuliert Beda die daraus folgende natürliche Unterlegenheit der Söhne Hagars: eine den gegenwärtigen militärischen Realitäten zu Bedas Zeit kaum entsprechende Hierarchie.

Die rasche Expansion der Sarazenen wirkt denn auf Beda, seinem christlichen Weltbild entsprechend, als biblische Plage, wobei letztendlich natürlich die Christenheit, deren Überlegenheit ja auf exegetischem Weg von ihm bewiesen wurde, überwiegen wird. Soweit wie der wohl eifrigste Missionar des Frühmittelalters, Bonifatius, aber, der in einem Brief an den englischen König Æthelbert hinsichtlich dessen moralischer Verfehlungen mit der Gottesstrafe des Sarazeneneinfalls droht, geht Beda so deutlich nicht. Göttliche Zeichen hingegen erkennt er an und bringt sie mit historischen Ereignissen in Zusammenhang. So geht bei Beda der Schlacht von Poitiers eine Kometenerscheinung voraus, die das Fanal für den von Gott begünstigten Sieg gegen die Sarazenen setzt, wobei sich bei Beda, der ja 735 stirbt, wahrscheinlich die Hoffnung auf eine Wendung der militärischen Verhältnisse verbindet.


b) Die Position der römischen Kirche

Während Beda sich in England relativ ungestört seinen exegetischen Übungen widmen konnte, befand sich das römische Pontifikat in einer Umbruchphase, die maßgeblich durch weltliche Interessen bestimmt war.

Diese äußerten sich in den 720er Jahren jedoch erst einmal in theologischen Problemfragen. Gerade als die arabische Belagerung Konstantinopels 718 abflachte, bahnte sich ein Konflikt an, der kaum das Bild von einer vereint kämpfenden Christenheit vermittelte. Das von Kaiser Leo III. 726 erlassene Bilderverbot, läutete den Beginn des Ikonoklasmusstreites ein, der wesentlich zur Abspaltung des römischen Pontifikats vom oströmischen Kaisertum beitrug. Maßgeblich hierfür war die entschiedene Ablehnung Papst Gregors II. nicht nur des Bilderverbots, sondern auch generell der Einmischung des Kaisers in theologische Angelegenheiten, für die der Bischof von Rom immer vehementer Deutungshoheit beanspruchte.

Desweiteren war Byzanz in den 720er Jahren aufgrund ständiger Beanspruchung durch die Araber militärisch nicht mehr in der Lage in Italien zu intervenieren. Auch das byzantinische Exarchat von Ravenna konnte seine Schutz- und Aufsichtsfunktion für Rom nicht mehr erfüllen, so dass die Päpste quasi zu de facto säkularen Herrschen wurden. Allerdings stellte sich für das Papsttum jetzt noch dringlicher die Frage nach einer Schutzmacht, da es immer stärker von den, ebenfalls katholischen (sic), Langobarden bedrängt wurde, dessen König Luitprand eine Vereinigung Italiens anstrebte. Das römische Papsttum erlebte zu dieser Zeit also ein Phase verstärkter Konflikte mit christlichen Mächten.

Territorial bedrohten die Araber Italien im frühen 8. Jahrhundert noch nicht, wenngleich Berichte über deren Expansion angesichts der ungewissen Ausmaße auch für Unbehagen in Rom sorgten. Ein Partner, der sich der Sarazenenabwehr rühmen konnte, war somit militärisch und ideologisch für Rom äußerst attraktiv. Zu diesem Kreis möglicher Anwärter scheint Anfang der 720er Jahre wohl auch Eudo gezählt zu haben. Die für 721 bezeugte Korrespondenz wurde oben bereits angeführt und in diesem Zusammenhang taucht auch zum ersten Mal die weit übertriebende Zahl von 375.000 getöteten Sarazenen in der Schlacht von Toulouse auf, die, glaubt man dem Liber Pontificalis, durch die Übersendung geheiligter Reliquien aus Rom zurückzuführen ist.

Genau diese Angaben tauchen bei dem langobardischen Historiographen Paulus Diakonus knapp ein halbes Jahrhundert später wieder auf, diesmal aber in einem anderen Zusammenhang. Er schreibt sie nämlich der Schlacht von Poitiers zu und damit Karl Martell, und das, obwohl Gregor II. bereits 731 verstorben war. Ob der lange Zeit am Hof Karls des Großen arbeitende Paulus Diakonus lediglich fehlerhaft aus dem Liber Pontificalis exzerpierte oder vorsätzlich den ersten Karolinger glorifizierte, ist nicht eindeutig zu ermitteln, jedenfalls blieb seine Darstellung über Jahrhunderte Grundlage für die Rezeption der Schlacht von Poitiers.

Karl Martell rückte nach seinen militärischen Erfolgen gegen die Araber als Hauptansprechpartner Roms in den Vordergrund, doch war sein Verhältnis zum Papsttum bei weitem nicht so eng, wie es die spätere Historiographie glauben machen wollte. Die Fredegarfortsetzung berichtet zwar von der Übersendung der Fesseln und Schlüssel des heiligen Petrus an Karl im Jahre 737, zu einem Zeitpunkt wohlgemerkt, ab dem dieser nach dem Tod Theuderichs IV. ohne König regierte, aber Karl ging auf diese Bündnis nie ein.

Seine Überlegungen waren weniger von der Vision eines vereint kämpfenden christlichen Abendlandes im Bündnis mit dem Papsttum, sondern vielmehr von pragmatischen, militärischen und politischen Interessen geleitet. So erklärt sich auch seine Kooperation mit dem Langobardenkönig Luitprand, der nicht nur seinen Sohn Pippin 737 offiziell adoptierte, sondern auch 739 dem Hilfsgesuch Karls gegen die Araber nachkam. Erst unter seinem Nachfolger Pippin sollte paradoxerweise der völlige Bruch mit den Langobarden und das Bündnis mit Rom zustande kommen. Karl Martell jedenfalls können solche Bestrebungen nicht nachgewiesen werden.

Teil 1

Teil 3

Vereinigte Arabische Emirate: Aufregung um Schönheitswettbewerb

Dubais Polizeichef hat angekündigt die Wahlen zur "Miss Emirates 2007" untersagen zu wollen, da ein derartiger Wettbewerb gegen die Religion und Kultur der Emirate verstieße. Der Zeitung "Imarat al-Yaum" sagte er, man wolle verhindern, dass sich Frauen der Nacktheit hingäben, da Misswahlen von den Teilnehmerinnen erwarteten, sich in Kleidern zu präsentieren, die nicht den Bräuchen und der Kultur des Islam entsprächen. Außerdem würde das soziale Leben in den Vereinigten Arabischen Emiraten von der Austragung des Beauty Contest in Dubai nicht profitieren.

In den vergangenen Tagen waren laut Presseberichten Plakate aufgetaucht, auf denen ein unbekanntes Unternehmen Frauen aufforderte an dem Schönheitswettbewerb teilzunehmen. Zugelassen werden sollten sowohl Staatsbürgerinnen aus einem der sieben Emirate, aber auch Ausländerinnen mit festem Wohnsitz in den VAE. Die Teilnehmerinnen müssten zwischen 18 und 28 Jahre alt sein und über ein Uni-Diplom verfügen, hieß es weiter.

In einigen Orten reagierten die Einwohner sehr verärgert auf die Werbung. Einige Emiratis störten sich daran, dass ausgerechnet im heiligen Monat Ramadan für die Misswahlen geworben wurde, anderen forderten gleich die Absage der Wettbewerbs. Das Emirat Sharjah hat angekündigt die Werbeposter umgehend entfernen zu wollen, um Interessenten, die in Zukunft ähnliche Schönheitswahlen abhalten wollen, abzuschrecken.

Dienstag, 10. Oktober 2006

Die Schlacht von Poitiers (732) - Teil 1

In diesem Monat jährt sich die Schlacht von Poitiers zum 1274 mal. Zu diesem Anlass veröffentliche ich hier in den kommenden Tagen eine Seminararbeit zum Thema.:


I. Einleitung

Die Schlacht von Poitiers 732 ist in der historiographischen Tradition des Abendlandes lange Zeit herausgestellt und zum Wendepunkt der europäischen Geschichte stilisiert worden. Dem fränkischen Hausmeier Karl Martell kam hierbei die Rolle als Retter eines christlichen Abendlandes zu Teil und die christlich-islamischen Feindseligkeiten von Kreuzzügen und Reconquista im Hochmittelalter wurden recht selbstverständlich auch in das frühe 8. Jahrhundert zurück verortet. Beispielhaft dafür stand auch das Diktum Edward Gibbons, wonach ganz Europa bei einer Niederlage Karl Martells 732 vom Islam überrollt und in Oxford heute der Koran gelehrt worden würde.

Allerdings erfuhren solcherlei Urteile vor allem in den letzten Jahrzehnten eine kritische Neubewertung und einschneidende Relativierungen. Vergleichende Untersuchungen[besonders zeitnaher Quellen ergaben ein sehr differenziertes Bild der arabischen Einfälle ins Frankenreich sowie der Schlacht von Poitiers 732 und entwirrten zeitgenössische Darstellungen und spätere Instrumentalisierungen.

Ganz ähnlich ist der Ansatz dieser Arbeit: Die arabischen Aktivitäten im Frankenreich im allgemeinen und die Schlacht von Poitiers 732 im speziellen sollen in jeweils drei räumlich und perspektivisch unterschiedliche Kontexte eingeordnet werden. Der zu betrachtende Zeitraum wird hierbei auf ca. 720-740 n.Chr. beschränkt, die maßgeblichen Quellen vor allem auf die zweite Hälfte des 8. Jahrhunderts, um möglichst zeitnahe Sichtweisen aufzuzeigen.

Der erste Teil beschäftigt sich mit den Ereignissen aus Sicht der frühkarolingischen Historiographie, wie sie hauptsächlich in der Fortsetzung des sogenannten Fredegar, daneben in einigen kleineren Annalen zu Tage tritt. Im Mittelpunkt steht dabei die Einordnung der fränkisch-arabischen Begegnungen in die Integrationspolitik Karl Martells und deren prätentiöse Darstellung.

Im zweiten Teil werden die arabische Expansion und die Abwehrschlachten Karl Martells von der Perpektive der (westlichen) Kirche aus untersucht. Zum einen werden die Elaborationen des wohl bedeutendsten Universalgelehrten des Frühmittelalers, des Angelsachsen Beda, betrachtet. Zum anderen soll die Position des Papsttums innerhalb des betrachteten Zeitraums hinsichtlich seiner Etablierungspolitik verfolgt und mit den Vorgängen im Frankenreich in Zusammenhang gebracht werden.

Der dritte Teil bringt die untersuchten Ereignisse in den Kontext der arabischen Eroberungspolitik auf der iberischen Halbinsel. Grundlegend hierfür ist die einzige zeitgenössische Quelle aus dem eroberten Spanien, die 754 verfasste mozarabische Chronik, daneben soll aber auch die arabische Historiographie einbezogen werden. Maßgeblich ist in allen drei Teilen die Frage nach Art und Weise der Darstellung der Ereignisse, der handelnden Akteuere sowie deren Einordnung in Selbst- und Fremdwahrnehmung.


II. Der Kontext der fränkischen Historiographie

Das Jahr 719 sah einen fränkischen Maior Domus Karl Martell, der sich in den fünf Jahren zuvor seine austrasische Hausmacht erkämpft hatte und sich nun anschickte seine neustrischen Rivalen endgültig auszuschalten. Mit dem Sieg in der Schlacht von Soissons diesen Jahres gewann denn Karl auch die Überhand über seinen langjährigen Gegenspieler, den neustrischen Hausmeier Raganfred. Dessen Verbündete, der Merowinger Chilperich II. und der aquitanische Fürst Eudo mussten Karls praktische Vormachtstellung anerkennen. Raganfred zog sich völlig nach Angers zurück und Eudo, so berichtet die Fortsetzung der Fredegarchronik und führt den aquitanischen Fürsten somit erstmals ein, schloss einen Vertrag mit Karl und übergab ihm den eigentlich von den Neustriern eingesetzten Chilperich II. samt dessen Staatsschatz.

Die folgenden zehn Jahre waren zum einen durch Karls Bemühen gekennzeichnet seine in Neustrien errungene Macht auch politisch zu festigen. Durch Einsetzung treuer Gefolgsleute schaltete er die alteingesessenen neustrischen Adelsfamilien aus, baute ein klientelistisches Netzwerk auf und strebte somit einer Integration der beiden Reichsteile Austrasien und Neustrien entgegen. Zum anderen brach Karl in dieser Phase beinahe jährlich zu Feldzügen jenseits der Reichsgrenzen aus. Diese zielten vor allem auf die noch heidnischen Stammeskonföderationen der Sachsen und Friesen und die Herzogtümer von Alamannien und Bayern. In die anderen Teile der Francia, zu der ja formell auch noch Burgund gehörte, sowie peripher auch Aquitanien und die Provence, zog es ihn bis 730 nicht.

In der langen Epoche der austrasisch-neustrischen Kämpfe im 7. Jahrhundert war die Fragmentierung des Merowingerreiches voran geschritten und es hatten sich politisch de facto unabhängige Fürstentümer, z.B. in Aquitanien heraus gebildet. Zwar waren diese in sozialer, ökonomischer und kultureller Hinsicht teilweise fest in die Francia integriert, austrasische und neustrische Kloster hielten beispielsweiselich natürlich auch kirchliche Güter in Aquitanien, doch bezogen sie ihre Macht offiziell, so wie auch Karl Martell, von den merowingischen Königen und beriefen sich in ihrer Ablehnung des fränkischen Hausmeiers auch darauf. Ab 730 jedoch schien Karl Martell in der Lage gewesen zu sein seinen Einfluss auch in diese Regionen auszuweiten.

In diesem Zusammenhang tritt nun auch wieder jener aquitanische Fürst Eudo hervor, den die Fredegarfortsetzung knapp ein Jahrzehnt früher erstmalig erwähnt hatte. Berichtet wird von einem (nicht näher ausgeführten) Vetragsbruch Eudos, auf den Karl mit einem Strafzug im Jahre 731 reagiert. Dass sein alter Rivale Raganfred in diesem Jahr in Angers stirbt, findet jedoch auch Erwähnung und dürfte Karls Entscheidung, die Loire Richtung Süden zu überqueren, sicherlich auch beeinflusst haben.

Laut Fredegar-Kompilator ist es nun Eudo, der sich nach seiner Niederlage gegen Karl, gedemütigt und verspottet, mit den Sarazenen verbündet und diese zur Hilfe gegen Karl ins Land holt. Ein ähnlicher Vorwurf taucht später auch gegen den provençalischen Fürsten Maurontus auf, dem die Einladung der Sarazenen zur Last gelegt wird, woraufhin Karl Martell 737 auch in die Provence zieht. In diesen beiden Episoden nun tritt Karl Martell in der Beschreibung des Fredgar-Kompilators als triumphierender Sieger über die Sarazenen in Erscheinung, widerspenstige Lokalfürsten, insbesondere Eudo, dagegen obliegt die Schuld, für von den Sarazenen angerichtete Verwüstungen maßgeblich mitverantwortlich zu sein. Nicht erwähnt hingegen werden militärische Abwehrerfolge Eudos, wie sie beispielsweise die Chronik von Moissac für die Schlacht von Toulouse 721 gegen die Araber ausweist, die den Aquitanier in irgendeinem postiven Licht erscheinen lassen könnten.

Was die Schlacht von Poitiers anbetrifft, so ist die Struktur des Fredegar-Kompilators für die Rollenverteilung und deren Kontext klar: Karl Martell ist derjenige dem die Rettung des Martinsdom in Tours vor dem durch Eudo verursachten Sarazeneneinfall zufällt. Dieser spezifischen Darstellung der beteiligten Parteien liegen einige Intentionen zugrunde, die im folgenden ausgeführt werden.

Die Fortsetzung der Fredegarchronik im allgemeinen ist, als erstes und maßgebliches Geschichtswerk der frühkarolingischen Historiographie, darauf angelegt, den Aufstieg der Karolinger zu legitimieren und besonders Charakter und Befähigung Karl Martells hervorzuheben. Dafür sorgte vor allem auch Childebrand, ein Halbbruder und Mitstreiter Karl Martells, unter dessen Aufsicht die Fredegarfortsetzung ab ca. 751 kompiliert wurde. Die Darstellungen der Schlacht von Poitiers 732 und der Aktivitäten Karls in der Provence, insbesondere die Belagerung Avignons 737, unterliegen dementsprechend auch der Prämisse, Karl als, wenn nicht königlichen, dann doch zumindest königsgleichen Herrscher auszuweisen, der die nötige Befähigung besitzt um monarchische Macht legitim auszuüben, daher auch die Titulierung princeps für Karl.

In diesem Kontext ist auch die überaus biblisch gefärbte Sprache der Fredegarfortsetzung zu deuten. Christo auxiliante erringt Karl die Siege über die Sarazenen, aber auch über seine anderen Gegner, erscheint also als von Gott begünstigt und in seinem Anspruch bestätigt. Gar mit dem Ansturm auf Jericho, also deutlich altestamentarischem Bezug, wird auch die Belagerung Avignons verglichen.

Die überaus negative Darstellung Eudos hingegen hat noch ihren eigenen Grund. Wie oben bereits angeführt, stand der Aquitanier auf der Seite Raganfreds gegen Karl Martell und errang 721 bei Toulouse, worauf später noch ausführlicher einzugehen ist, einen nicht unerheblichen, zeitlich vor Poitiers liegenden Abwehrerfolg gegen die Araber. Desweiteren weist der Liber Pontificalis eine daraufhin folgende Korrespondenz zwischen Eudo und Papst Gregor II. auf. Es scheint also, dass es im Süden mit Eudo einen Akteur gab, dessen Erfolge und Stellung der beabsichtigten Glorifizierung Karl Martells entgegen liefen.

Überaus interessant ist schließlich auch die Darstellung der Araber. In Anbetracht des Feindbildes Eudo scheinen sie keine eigenständige Wirkungsmacht zu entfalten. Zwar werden sie als Christengegner ausgewiesen, was auf der zweifellos richtigen Beobachtung von Kirchenplünderungen beruht, doch viel mehr, gar Informationen zu ihren Glaubensvorstellungen oder überhaupt zu ihren expansiven Motiven, vermag die Fredegarfortsetzung nicht zu berichten. Auch die Bezeichnung als gens perfida o.ä. ist nicht besonders originell, wenn man die gängigen Beschreibungen beispielsweise der heidnischen Sachsen und Friesen heranzieht.

Über die innere Hierarchie der Sarazenen kann der Kompilator aber immerhin einige Informationen geben. Der Rex Abdirama, übrigens ein in Anbetracht späterer Namensverstümmelungen noch außerordentlich gut überlieferter Name, wird bei Poitiers getötet. Daneben gibt es aber noch weitere reges Sarracinorum, beispielsweise, der, den Karl bei Narbonne belagert, und der, der diesem aus Spanien zu Hilfe eilt.

Ein direktes Ergebnis der Schlacht von Poitiers, nämlich die angeblich vollständige Niedermachung der soweit nördlich vorgedrungenen Sarazenen, wird durch die Vita Pardulfi widerlegt, die von Plünderungen der auf dem Rückweg nach Narbonne befindlichen Sarazenen zu berichten weiß. Überhaupt sind die praktischen Folgen der vielgerühmten Schlacht, auch in der Fredegarfortsetzung, sehr differenziert zu betrachten. Unstrittig ist, dass ihm der Sieg zumindest soviel Ansehen einbrachte, dass er sich in der Lage sah noch im gleichen Jahr nach Burgund zu ziehen, dort einflussreiche Persönlichkeiten, wie den Bischof Eucherius, auszuschalten, und die renitente Region wieder stärker ins Reich zu integrieren.

In Aquitanien hingegen herrschte bis zu seinem Tod 735 Eudo, erst danach unternahm Karl einen vereinzelten Zug bis zur Garonne. Zwar erkannte Eudos Sohn Hunoald Karl Martell politisch an, was denn auch wohl Karls eigentliches Anliegen war, doch dieses Verhältnis überlebte ihn nicht. Es sollte erst seinen Söhnen gelingen das aquitanische Fürstentum nach langen Kämpfen endgültig zu unterjochen. Mit der Wiedereingliederung Burgunds war für Karl auch der Weg in die Provençe frei. Auf diese Region konzentrierten sich denn auch seine militärischen Expeditionen in den letzten Jahren seiner Herrschaft ab 737. Neben der Absetzung des schon erwähnten Dux Maurontus konnte er hier auch die letzten Überbleibsel der alten neustrischen Opposition beseitigen, die in der Provençe Exil gesucht hatten.

Neben dieser eigentlich innenpolitischen Maßnahme gelang ihm in dieser Region zwar die Zurückdrängung der Araber nach Narbonne, welches zu dieser Zeit, wie Septimanien im allgemeinen, als gotisch verstanden und bezeichnet wurde, doch es war gerade die Provençe, die in den kommenden zwei Jahrhunderten mit am stärksten von arabischen Beutezügen betroffen sein sollte.

Teil 2

Montag, 9. Oktober 2006

Libanon: 21 Tote durch israelische Blindgänger seit Kriegsende

Seit dem Ende des Krieges zwischen der Hizbollah und Israel sind im Libanon 21 Menschen durch die Explosion israelischer Bomben getötet worden. Diese waren während des Kriegs abgeworfen worden, dann aber nicht detoniert, sodass die Blingänger nun wie Zeitbomben in den Dörfern des Südlibanon wirken. Das UN-Büro für humanitäre Angelegenheiten (OCHA) gab an, dass bis zum 3.Oktober 124 Menschen durch nicht explodierte Munition im Libanon verwundet oder getötet worden seien.

Nach Angaben der libanesischen Polizei sind seit Kriegsende am 14.August 16 Zivilisten und 5 Experten für Kampfmittelräumung durch israelische Bomben ums Leben gekommen. Die libanesische Armee schätzt nach Angaben des "Daily Star" , dass bis zu 1 Million Bomblets - also hoch explosive Bestandteile von Streubomben - im Südlibanon herumliegen. Besonders in den letzten Kriegstagen, als ein Waffenstillstand praktisch nur noch eine Frage der Zeit war, warf die israelische Luftwaffe hunderte dieser Cluster-Bombs ab. Israel erklärte, die Waffen nur nach internationalem Recht eingesetzt zu haben, OCHA-Chef Jan Egeland bezeichnete den Einsatz der Waffen als "völlig unmoralisch".

Egelands Organisation ist nun damit beschäftigt, die Abwurfstellen der Streubomben zu identifizieren. Bislang wurden mehr als 600 Gebiete identifiziert, in denen Blindgängern ruhen, täglich kommen etwa weitere 30 hinzu. Hinzu kommen zirka 500000 israelischen Minen aus der Besatzungszeit die noch immer im Südlibanon vergraben liegen und von denen bis zum Julikrieg nur knapp 60000 entschärft werden konnten. Israel selbst will die Karten auf denen die Lage der Minen verzeichnet ist noch immer nicht an den Libanon oder die UNIFIL übergeben.

Freitag, 6. Oktober 2006

Bahrain: Wahlkampf hat begonnen - Parlamentswahlen am 25.November


Die wichtigste schiitische Oppositionsgruppe im Königreich Bahrain, al-Wifaq , hat gestern mit der Vorstellung ihrer Kandidaten den Wahlkampf für die Parlamentswahlen am 25.November eingeläutet. Mit 19 Bewerbern will das Bündnis um Mandate in der 40-köpfigen Deputiertenkammer kämpfen. Daneben unterstützt al-Wefaq jedoch auch zahlreiche anderer Kandidaten, die nicht zu der schiitisch-islamistischen Gesellschaft gehören, unter ihnen auch mindestens eine Frau.

Für al-Wifaq selbst werden jedoch nur Männer, unter ihnen zahlreiche schiitische Würdenträger ins Rennen gehen. Der Generalsekretär der Schiitenpartei, Shaikh Ali Salman, erklärte gegenüber der in den Emiraten erscheinenden Zeitung "Khaleej Times", man hoffe zwischen 12 und 14 Parlamentssitze erringen zu können. Die letzten Wahlen zur Volksvertretung im Jahr 2002 wurden von al-Wefaq noch boykottiert.

Als konkrete politische Ziele seiner Bewegung im Parlament gab Ali Salman den Kampf gegen die Korruption, das Eintreten für Fortschritt und Wohlstand und das Ringen um die Unabhängigkeit der Justiz im Golfstaat an. In den vergangenen Monaten hatten einige Vertreter von al-Wifaq die in kommunale Vertretungen gewählt worden waren, sehr nationalistische Töne angeschlagen. Unter anderem wollte ein Abgeordneter die hunderttausenden südasiatischen Gastarbeiter aus bestimmten Vierteln der Hauptstadt Manama verbannen.

Auf der Pressekonferenz am Donnerstag betonte al-Wifaq-Chef Ali Salman jedoch, dass man für alle Bahrainis, ganz gleich ob Sunniten, die nach offiziellen Angaben aus dem Jahr 2001 die Mehrheit der Bevölkerung auf der Golfinsel stellen, oder Schiiten da sein werde. Daher wandte sich der im iranisch Qum ausgebildete 41-Jährige auch gegen das aktuelle Wahlsystem, in dem die Wahlkreise weitgehend entlang konfessioneller Grenzen gezogen wurden.

Seit einer Verfassungsreform 2002 gibt es in Bahrain ein Zwei-Kammern-Parlament. Neben dem vom Volk bestimmten Unterhaus ernennt der König einen 40 köpfigen Schura-Rat, der dem Monarchen beratend zur Seite stehen soll.

Donnerstag, 5. Oktober 2006

Diplomatische Spannungen zwischen Jordanien und Qatar

Jordanien hat seinen Botschafter aus Qatar abberufen, weil der Golfstaat dem jordanischen Kandidaten für die Nachfolge von UNO-Generalsekretär Kofi Annan die Unterstützung verweigert. Jordanien wollte den Prinzen Zayd bin Hussain als Kandidaten für die arabisch-islamische Welt ins Rennen um den UNO-Chef schicken, das Emirat will jedoch die Bewerbung des Südkoreaners Ban Ki-Moon untertützen obwohl sich die Arabische Liga bei ihrem letzten Gipfeltreffen einstimmig auf die Unterstützung Zayds verständigt hatte. Als Reaktion darauf vermeldete die staatliche jordanisch Nachrichtenagentur PETRA gestern, die Regierung habe seinen Botschafter in Doha "zu Konsultationen nach Amman zu beordern".

Qatar begründete seinen Entschluss damit, dass 14 der 15 Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats die Kandidatur des Südkoreaners unterstützen, unter ihnen die ständige Mitglieder in dem Gremium. Gleichzeitig verwies Außenminister Hamad bin Jassem bin Jabur al-Thani gegenüber al-Jazeera darauf, dass man schon vor sechs Monaten erklärt habe, den thailändischen Bewerber für den UNO-Posten zu unterstützen. Dies habe man auch beim Teffen der Arabischen Liga deutlich gemacht. Nach dem Rückzug des Thailänders habe man sich nun zur Unterstützung der südkoreanischen Bewerbung entschlossen, so der Minister weiter.

Gleichzeitig bedauerte Hamad die Reaktion der Jordanier. Gegenüber der Tageszeitung "The Peninsula" erklärte das Mitglied der Herrscherfamilie: "Wir verstehen, dass das Thema für unsere Brüder in Jordanien von Bedeutung ist und wir respektieren ihre Entscheidung. Wir aber haben lange zuvor deutlich gemacht, dass wir einen anderen Weg gehen wollen. An einer Verschlechterung der Beziehungen zu Jordanien - was im Interesse anderer Staaten liegt - ist uns nicht gelegen."

Man habe den Thailändern und Koreanern das Versprechen gegeben, ihren Kandidaten zu unterstützen. Daran werde man sich halten, auch wenn man keinerlei Vorbehalte gegenüber dem jordanischen Bewerber habe.

Mittwoch, 4. Oktober 2006

Sutur min As-Sa'udiya: ...zur Sicherheit


Bild: Innenministerium Riyadh

Unser Büro liegt downtown Riyadh. Drei Stockwerke oberhalb des "Komitee zur Befreiung Palästinas" und zwei Stockwerke über der Repräsentanz der "Mohammed Bin Laden Law Firm" fühle ich mich sicher wie in Abrahams Schoss. Aber die Anschläge von 2003 und 2004, die Entführung und Hinrichtung des Amerikaners Paul M. Johnson sind bei den „Westenern“ hierzulande nicht vergessen.


Die meisten von ihnen leben in einem der über 20 Compounds in und um Riyadh. Dabei handelt es sich um hochgesicherte, militärisch bewachte Wohnanlagen, die von ihren Bewohnern liebevoll „Saudi fun parks“ genannt werden. Unternehmen, wie die Firma British Aerospace, die in Riyadh die saudische Luftwaffe ausbildet, bauen sogar firmeneigene Compounds für das eigene Personal. Auch neue Wohnanlagen sind in Planung, die als Hochsicherheitsfestungen zum Teil außerhalb von Riyadh erbaut werden. Compounds bieten Ihren Bewohnern zahlreiche Möglichkeiten der Freizeitgestaltung (Fittnessräume, Bowling, Basketball-, Fussballplatz, etc.). Das Management ist in der Regel bemüht, innerhalb der Mauern eine Insel westlicher Vertrautheit zu schaffen. Während die Zäune und Mauern der Compounds ihre Bewohner nach innen vor terroristischen Anschlägen schützen sollen, grenzen sie gleichzeitig einen Teil westlichen Lebensraum ein, in dem besondere Richtlinien gelten. Saudis bleibt der Zutritt auch auf Einladung eines Bewohners in der Regel verschlossen. Frauen tragen weder Schleier noch Mantel, im Compound Restaurant gibt es keine getrennte Family-Section und selbst im Fitnessraum trainieren und schwitzen beide Geschlechter zusammen. Westlicher Kleidungsstil ist in manchen Compounds vorgeschrieben.
Einige Westener verzichten auf die Annehmlichkeiten der Compounds und bevorzugen das Leben in einer Wohnung oder Stadtvilla downtown. Auch wenn man sich für das Wohnen in einer saudischen Nachbarschaft entscheidet, bleibt es in Riyadh schwer, Kontakte zu Einheimischen über ein Gespräch auf der Straße hinaus zu vertiefen. Häuser sind traditionell von hohen Mauern umgeben und verbergen den Lebensraum vor den Blicken von außen. In den vergangenen drei Monaten habe ich mich zu keinem Zeitpunk bedroht oder gefährdet gefühlt. Auch auf meinen Reisen in die Najd-Region, an die Ost- und Westküste, in die Asir-Region oder an die jordanische Grenze fühlte ich mich sicher. Trotzdem ist die Sicherheitslage, gerade in Riyadh, schwer einzuschätzen. Zu offensichtlich treten die Widersprüche in der Öffentlichkeit der saudischen Hauptstadt zu Tage. Eine (An)Spannung ist spürbar. Mein Gefühl von Sicherheit könnte sich bei einem erneuten Anschlag nachträglich als Fata Morgana im Wüstensand Riyadhs erweisen.

Dienstag, 3. Oktober 2006

Rosh Haschana - Ramadan - Yom Kippur Vol.1


Israel und Palästina stehen in diesen Wochen ganz im Zeichen der jüdischen Feiertage Rosch Haschana und Yom Kippur sowie des muslimischen Fastenmonats Ramadan. Deshalb folgen in den nächsten Tagen meine ganz persönlichen Erlebnisse während dieser Feiertage...

Rosch HaSchana ( zu deutsch Kopf des Jahres) ist das jüdische Neujahrsfest, welches nach dem jüdischen Kalender auf den 1.Tischri und folglich nach dem gregorianischen Kalender auf Ende September beziehungsweise in die erste Hälfte des Oktober fällt. In diesem Jahr ist es am 23. September so weit und aus diesem Grund mache ich mich von Jerusalem auf den Weg zu meinem Freund Meidan nach Galiläa. Per Anhalter - während der Fahrten erfahre ich, dass Trampen aufgrund von Sicherheitsbedenken verboten ist - führt mich mein Weg über die Stationen Tel Aviv, Haifa und Karmiel in das kleine jüdische Dorf Manov im Landkreis Misgav. Manov liegt, wie könnte es auch anders sein, auf einem Hügel, von dem man die umliegenden arabischen Dörfer im Tal wunderbar überschauen kann.
Da "meine Fahrer" mir auf dem Weg von Jerusalem in den Norden immer wieder versichert haben, dass Rosch HaSchana meist im kleinen Kreis der Familie gefeiert wird und ich meinen Freund Meidan nach seiner Einladung tagelang nicht erreichen konnte, ist mir etwas mulmig zumute, als sich das Haus der Familie schließlich gefunden habe. Glücklicherweise lösen sich die Befürchtungen jedoch in Luft auf, als ich die Türe öffne und mir neben der Familie auch zahlreiche Nachbarn und weitere Verwandte in gemütlichem Zustand zuprosten. Die Atmosphäre lässt sich mit Weihnachten in einer deutschen säkularen (und glücklichen) Familie vergleichen, es gibt leckere Gerichte (keine Spur von koscherem Essen), die Leute bechern fröhlich Wein und während des gesamten Abends wird kein einziges Gebet gesprochen. Ich komme mit einem Nachbarn ins Gespräch, der als Archäologe arbeitet und deshalb sehnsüchtig meinen Erzählungen von Baalbak, Palmyra oder Persepolis zuhört; alles Ausgrabungen in Ländern, die er aufgrund seiner Staatsbürgerschaft nicht besuchen darf. Wir verbleiben schließlich, dass ich ihm zumindest viele viele Fotos schicken werde.

Nach dem Essen verabschieden wir U-30-Jährigen uns, um auf einen nahen Berg zu fahren, wo jedes Jahr zum Neujahrsfest ein nicht-kommerzielles Reggae-Festival stattfinden. Geschlaucht von einer mittelschweren Nachtwanderung erreichen wir das Gelände und treffen zunächst auf die Organisatoren des Festivals, die mich - lediglich in Schafsfellen gekleidet- an Hirten zu Zeiten Jesu erinnern. Bei entspannten Reggae-Rhythmen werden neben dem erfrischenden Goldstar-Bier in erster Linie pflanzlichen Drogen gefröhnt. Im Laufe des Abends steigt die Beatfrequenz der Musik und die Tanzfläche, die laut Angaben der Organisatoren in wochenlanger Schwerstarbeit von Felsen und Steinen geräumt wurde, füllt sich zunehmend. Neben der Tanzfläche liegen Dutzende Matten ausgebreitet, auf der sich die müden Krieger der Schicksalsgemeinschaft neben- und in beträchtlichem Maße auch aufeinander zur Ruhe legen. Auch mich packt kurz vor Anbruch der Morgendämmerung die Müdigkeit und inmitten von Trancebeats, Geräuschen der Liebe und zufriedenem Schnarchen entschwinde ich ins Reich der Träume.

Die ersten Sonnenstrahlen wecken mich sanft auf. Noch immer beweisen einige Wenige auf der Tanzfläche Stehvermögen, derweil ich mich von der fröhlichen Kommune entferne, um die Ruhe in der wunderschönen Umgebung Galiläas zu genießen. Im Tal liegen die arabischen Dörfer Deir Hanna, Araba und SAKHNIN, wo vor zwei Jahren ein einzigartiges Fussballmärchen begann. Bnei Sakhnin (zu deutsch die Söhne Sakhnins) waren 2003 als erste arabische Mannschaft in die erste israelische Liga aufgestiegen. Ohne über ein eigenes Stadion zu verfügen gewannen die "Söhne Sakhnins" 2004 sensationell den israelischen Landespokal und qualifizierten sich somit als erstes und bislang einziges arabisches Team für den europäischen Klubwettberb (UEFA-Cup). Nach heldenhaftem Kampf scheiterte Sakhnin schließlich an dem international renommierten Klub Newcastle United...heute verfügt Sakhnin durch Spendengelder aus Katar über ein eigenes Stadion, jedoch dümpelt man wieder in der zweiten Liga herum...

In Sakhnin konnte ich übrigens auch erstmals jüdisch-arabische Interaktion im großen Stil beobachten. Am Schabbat verirren sich nämlich zahlreiche jüdische Israelis in die arabische Kleinstadt, um zu tanken, Geld abzuheben oder um Zigaretten zu kaufen. Ich meine sogar ab und zu ein "Danke" oder ein "Wie geht´s?" gehört zu haben... so viel zur Kommunikation im täglichen Leben...

Montag, 2. Oktober 2006

London: Iranisch-Israelisches Joint Venture bei West Ham United?

West Ham United - der Verein aus dem Osten Londons stand bisher fuer so genannten "ehrlichen" aber auch ziemlich erfolglosen Fussball - ein iranischer Geschaeftsmann will zumindest letzteres nun aendern. Der 35-jaehrige Kia Joorabchian steht kurz davor Mehrheitseigner bei den Hammers zu werden. Als Chef des Investorenfonds Media Sports Investment hatte der gebuertige Londoner mit iranischem Pass bereits im letzten Jahr einen Versuch unternommen den Traditionsklub zu uebernehmen, scheiterten damals jedoch am Veto des Vorstands.

Nun will Joorabchian offenbar einen erneuten Versuch starten und sichert sich dabei pikanterweise auch die Unterstuetzung des israelischen Milliardaers Eli Papouchado. Der 35-Jaehrige hatte Ende September seine Bereitschaft erklaert dem Investoren-Konsortium des Iraners beizutreten. Dem serioesen Blatt "The Independant" zufolge sieht der Plan der Investoren einen Umzug der Hammers in das fuer die Olympischen Spiele 2012 neu zu errichtende Olympiastadion vor. Auf dem bisherigen Vereinsgelaende sollen im Gegenzug Wohn- und Geschaeftshaeuser errichtet werden. Ein Teil des Erloeses soll dann zurueck in den Club und den Kauf internationaler Stars reinvestiert werden.

Als deutliches Zeichen des ernsthaften Interesses, das Joorabchian an einem Kauf West Hams hegt, darf der spektakulaere Transfer der beiden argentinischen WM-Stars Carlos Tevez und Javier Mascherano nach London gewertet werden. Die MSI haelt die Transferrechte der beiden, die nun zu den Stars in einem ansonsten eher durchschnittlichen Premier League Team aufgebaut werden sollen. Die Londoner Boulevardpresse schwaermte in den vergangenen Wochen bereits von einem zweiten Chelsea, das am andern Ende der Stadt entstehen solle.

Als Zuschauer im Upton Park konnte sich der oeffentlichkeitsscheue Joorabchian gestern selbst davon ueberzeugen, dass es bis dahin jedoch davon ueberzeugen, dass bis dahin noch ein weiter Weg zurueckzulegen sein wird und dem Team in dieser saison wohl ein Kampf gegen den Abstieg bevor steht. Beim Premier League Spiel gegen den FC Reading, bis auf Ecuadors WM-Teilnehmer Ulises De La Cruz ein Team der Namenlosen, gerieten die Hammer schon nach 78 Sekunden in Rueckstand. Anschliessend muehten sich die Hausherren 90 Minuten lang vergeblich eine 100-prozentige Chance, geschweige denn ein Tor, heruszuspielen. Ins besondere in Strafraumnaehe agierte das Team, aus dem Tevez noch herausragte, viel zu umstaendlich und auch "Super-Sub" Teddy Sheringham konnte dem Spiel keine Wendung geben. Damit wartet das Team von der Green Street seit nunmehr 488 Minuten auf einen Torerfolg und der Druck auf Trainer Alan Pardew waechst.

Joorabchian hat bereits durchblicken lassen, dass er bei einer Clubuebernahme keinen geringeren als den Brasilianer Luiz Felipe Scolari als neuen Mann an der Linie installieren wolle. Der aktuelle Coach der portugiesischen Nationalelf ist ein langjehriger Freund des Iraners. Der Clubvorstand hat erklaert am Mittwoch das weitere Vorgehen beraten zu wollen.

Gespannt sein darf man darauf, wie die Fans von West Ham United auf eine Uebernahme durch ein auslaendisches Konsortium reagieren werden. Als der US-Milliardaer Malcolm Glazer im vergangenen Jahr 98% der Anteile an Manchester United erwarb, verbrannten aufgebrachte Fans in Manchester Uncle Sam-Puppen und amerikanische Flaggen. Brennende iranische Flaggen in einer europaeischen Grossstadt waeren ein Novum.