Dienstag, 17. April 2007

Fotos aus 3 Monaten Libanon und Syrien

Es war der langsamen Internetverbindung im Libanon geschuldet, dass bisher kaum Fotos von unseren Reisen durch den Libanon und nach Syrien online gestellt wurden. Das ändert sich jetzt. Mit einem Klick auf die Fotos unten könnt ihr euch durch unsere Alben klicken. Viel Spaß dabei.

Ashura


Libanon


Damaskus

Freitag, 13. April 2007

Letzte Zeilen aus Beirut

In wenigen Stunden geht unser Flieger in Richtung Heimat, knapp 3 Monate im Libanon werden dann zu Ende gehen. Die Zeit war sehr schoen, spannend, lehrreich. Wir sind in den vergangenen Wochen durch das ganze Land gereist, haben mit vielen Leuten gesprochen, gelacht, nur selten gestritten.

Wir haben seit Mitte Februar eine Umfrage unter Studenten verschiedener libanesischer Universitaeten durchgefuehrt. Insgesamt waren wir an 20 Campi in Tripoli, Beirut
Jounieh, Zahle, Khalde, Saida, Nabatieh und Rmeish. Etwa 1500 Studenten aus allen Fachbereichen haben dort einen von uns konzipierten Fragebogen ausgefuellt, in dem die Studenten zu religiosen Wertvorstellungen, politischen Einstellungen, Zukunftsaussichten und Mediennutzung befragt wurden.

Auch wenn die Auswertung noch vor uns liegt kann man nach einem ersten Blick in die Frageboegen und nach unzaehligen Gespraechen mit den Studenten folgende Trends ausmachen.: Die Unzufriedenheit mit dem politischen System und der Unfaehigkeit der politischen Elite des Landes zum Wohle des Libanon zu arbeiten ist gross. Unser Eindruck ist, dass im gegenwaertigen Machtkampf zwischen Regierung und Opposition eine deutliche Mehrheit der Studenten mit dem Oppositionslager sympathisiert. Gleichzeitig beklagen viele Studenten, dass ein grundlegender Mentalitaetswandel mit einer Reform des politischen Systems einhergehen muesse. Immer wieder werden die grassierende Korruption und praktisch nicht vorhandende Transparenz im Umgang mit Steuergeldern als Hauptversaeunisse der Politik ausgemacht.

Viele Studenten geben an, nach dem Ende ihres Studiums ins Ausland gehen zu wollen. Sie sehen keine Perspektive fuer sich in einem Land, in dem lukrative Jobs praktisch nur ueber Patronageverhaeltnisse vergeben werden und in dem praktisch an jedem Tag ein neuer Krieg ausbrechen koennte der das Land wieder um Jahre zurueckwerfen wuerde.

Von Anhaengern der Opposition muss man sich als Deutscher des Oefteren den Vorwurf der Heuchelei gefallen lassen. Der Westen fuehre sich immer wieder als Vorreiter fuer Demokratie und Selbstbestimmung auf, heisst es dann, unterstuetze aber gleichzeitig eine libanesische Regierung, die die Mehrheit des Volkes gegen sich habe. Wenn pro-westliche Demonstranten in Zeltstaedten gegen ihre Regierungen protestierten, wie etwa in der Ukraine oder im Libanon 2005, werde das als Zeichen einer Demokratisierung der Gesellschaft gewertet, die Proteste der libanesischen Opposition wuerden jedoch als undemokratisch verurteilt, nur weil sie auch gegen die US-Politik im Nahen Osten gerichtet seien.

Natuerlich wird man auch nach dem Holocaust gefragt. Es gibt Studenten die das Ausmass des Massenmords an den europaeischen Juden in Frage stellen. Gegenargumente von uns blocken an ihnen meistens unbeeindruckt ab, haeufig wird erklaert, das Ausmass werde von westlichen Forschern und Politikern uebertrieben dargestellt um die Existenz des Staates Israel und dessen Politik gegenueber den Palaestinensern und dem Libanon zu legitimieren.

Fuer die nahe Zukunft des Libanon kann in der momentanen Lage niemand verlaessliche Voraussagen treffen. In den letzten Wochen scheint das Land zunehmend in Apathie zu verfallen, ohnmaechtig schaut das Volk den Politikern dabei zu, wie sie immer wieder die Nationale Einheit beschwoeren, saemtliche Gespraeche am Ende aber doch ergebnislos zu Ende gehen. Hizbollah-Fuehrer Hassan Nasrallah hat in einer Rede am Ostermontag erklaert, ein Referendum oder Neuwahlen seien die beiden einzigen Wege aus der Krise, mit dem Regierungslager sei durch Verhandlungen kein Kompromiss zu erreichen, die Entscheidung muesse nun dem Volk ueberlassen werden.

Irgendwie scheint jeder darauf zu warten, dass etwas passiert, ein Attentat, ein erneuter Anschlag auf einen Politiker, irgendwas. Dann bleibt nur zu hoffen, dass nicht ein aehnlicher Gewaltexzess beginnt wie heute vor 32 Jahren. Am 13.April 1975 begann der libanesische Buergerkrieg.

Samstag, 7. April 2007

Eine finstere Prophezeiung

Wir hatten gestern den Sohn eines Parlamentsabgeordneten der Hizbollah zu Gast. Seine Prognose fuer die weitere Entwicklung des Iran-Konflikts klingt aeusserst alarmierend und laesst einen Flaechenbrand im Nahen Osten vermuten.

Demnach war die juengste Krise um die Gefangennahme 15 britischer Soldaten durch den Iran nur ein erstes Kraeftemessen, bei dem ausgelotet wurde, inwiefern beide Seiten fuer einen Krieg bereit seien. Bei einem erneuten Zwischenfall zwischen den USA oder Grossbritannien und dem Iran sei ein Krieg unvermeidlich, so die Einschaetzung unseres Gastes.

Innerhalb der Hizbollah gehe man davon aus, dass die Vereinigten Staaten, Grossbritannien und verbuendete Staaten schon "innerhalb der nachsten zwei Monate" Luftschlaege gegen den Iran durchfuehren werden. Als Reaktion darauf wuerde dann der Iran, zusammen mit seinen arabischen Verbuendeten Syrien und der Hizbollah, Staedte in Israel angreifen. Die Hizbollah sei dafuer besser geruestet als vor dem Juli-Krieg gegen Israel. Man habe in grosser Zahl neue Raketen aus dem Iran erhalten und koenne nun "ohne Probleme" auch Tel Aviv treffen. Dazu sei die Hizbollah zwar auch schon waehrend des letzten Krieges in der Lage gewesen, habe aber aus strategischen Gruenden darauf verzichtet.

Donnerstag, 5. April 2007

Studentenparty in Nabatieh

Seit einigen Jahren unterhaelt die renommierte libanesische Universite Saint Joseph eine Zweigstelle in Saida, einer Kuestenstadt etwa 40 Kilometer suedlich von Beirut. Die knapp 400 Studenten kommen aus dem gesamten Suedlibanon hierher, die groesste Teil von ihnen sind Schiiten, danach folgen Sunniten, Maroniten und Katholiken. Die Athmosphaere auf dem kleinen Campus wirkt bei unserem Besuch am Dienstag geloest, politische Meinungsverschiedenheiten unter den Studenten werden mit Humor genommen. Fuer den Mittwoch Abend werden wir zu einer Party eingeladen, wie sie einmal pro Monat von Studenten organisiert wird.

Also treffen wir uns am gestrigen Abend mit reichlich Verspaetung vor der Uni in Saida. Per Bus geht es von hier weiter nach Nabatieh, einer Stadt 50 Kilometer weiter im Landesinneren aus deren Umgebung der Grossteil der Studenten kommt. Am Stadteingang von Nabatieh passieren wir eine Gedenktafel, die den etwa 50 "Hizbollah-Maertyrern" der Stadt gewidmet ist, die waehrend des Julikriegs getoetet wurden. Das beliebteste Restaurant der Stadt, die man ohne Uebertreibung als Hizbollah-Hochburg bezeichnen kann, "Kentucky Fried Chicken", lassen wir links liegen und fahren stattdessen zu einem Ausflugslokal Nabatiehs, wo die Party steigen soll.

Etwa 60 junge Libanesen zwischen 18 und 25 fuellen den Saal. Bei den Jungs stehen Hemden und weisse Jackets hoch im Kurs, die jungen Damen haben sich genauso rausgeputzt wie Frauen die in Schwedt, Kiel oder Berlin in die Disco gehen, nur zwei Maedchen tragen Kopftuch. Mit Haargel und der Parfumflasche wird im Libanon deutlich offensiver umgegangen als in Deutschland. Am Buffet kann man sich mit Tabbouleh, dem typisch libanesischen Petersiliensalat, Blaetterteigrollen und Pizza versorgen. Alkoholfreie Getraenke gibt es kostenlos, die Flasche Wodka kostet 20 US-Dollar - ein Preis der den nicht jeden Libanesen abschreckt.

Der DJ spielt einen wilden Mix aus Techno, R'n'B und den aktuellen arabischen Charthits. Anders als in deutschen Discos ist es hier noch ueblich, dass der Mann die Dame zum Tanz bittet und fast nur Paerchen zusammen tanzen. Das aendert sich jedoch beim Dabka, dem arabischen Schreittanz bei dem sich alle an den Haenden fassen, eine Reihe bilden und im Takt huepfen. Ein weiterer Hoehepunkt des Abends ist eine Breakdance-Performance von vier Studenten.

Als die Musik stoppt und das Licht angeht ist es zu spaet um noch nach Beirut zurueckzukehren, Hasan bietet uns an in seinem Haus in Nabatieh zu schlafen. Hasans Vater ist noch wach als wir dort ankommen, wir trinken Tee, reden ueber dieses und jenes. Waehrend des letzten Libanonkriegs harrte die 8-koepfige Familie die ersten 15 Tage in ihrem Haus aus, dann wurde die Situation jedoch unertraeglich und man entschloss sich zur Flucht nach Saida. Ihr Haus blieb bis auf ein paar kaputte Fenster unbeschaedigt, 200 Meter entfernt kam jedoch eine befreundete Familie in den Trummern ihres Hauses ums Leben, die Bombe hatte sie im Schlaf ueberrascht. Dort wo bis zum Juli das Lokalstudio des Hizbollah-nahen TV-Senders "al-Manar" in Nabatieh stand, klafft heute ein 10 Meter tiefer Krater. Von den knapp 100000 Einwohnern seien waehrend der israelischen Angriffe nur 2000 Menschen in der Stadt geblieben, die zirka 15 Kilometer von der Grenze entfernt liegt.

Hasans Vater freut sich ueber die Verstaerkung der UNIFIL-Truppen im Sueden. "Ein neuer Krieg ist dadurch unwahrscheinlicher geworden. Frankreich, Italien, Deutschland und die anderen haben ihre Soldaten ja nicht zum Sterben hierher geschickt." Wenn die Soldaten abgezogen wuerden, wisse man jedoch, dass ein erneuter israelischer Angriff bevorstuende.

Hassan, 20-jaehriger Wirtschaftsstudent, ist Anhaenger der Hizbollah geht jedoch nicht in allen Punkten mit der "Partei Gottes" konform. So stehe er voll hinter dem islamischen Widerstand gegen Israel, der eine religioese Pflicht fuer die Schiiten sei, gesellschaftspolitisch sei ihm die Hizbollah jedoch zu konservativ. Hassan ist gegen die Verschleierung der Frau und gegen das Alkoholverbot, zwei Ziele die von der Hizbollah verfolgt werden.

Auch Hassans Mutter traegt kein Kopftuch, ihre beiden juengsten Kinder, ein Zwillingspaerchen - Junge und Madchen - werden an der langen Leine gelassen, tollen uebermuetig mit ihrem gleichaltrigen Cousin der zu Besuch ist, im Haus herum. Doch auch im Spiel der Kinder hat der Krieg seine Spuren hinterlassen. Wenn ein Kind ploetzlich "Flugzeug, Flugzeug" schreit, muessen die beiden anderen so schnell wie moeglich auf den Boden werfen und Schutz suchen.