Seit einigen Jahren unterhaelt die renommierte libanesische Universite Saint Joseph eine Zweigstelle in Saida, einer Kuestenstadt etwa 40 Kilometer suedlich von Beirut. Die knapp 400 Studenten kommen aus dem gesamten Suedlibanon hierher, die groesste Teil von ihnen sind Schiiten, danach folgen Sunniten, Maroniten und Katholiken. Die Athmosphaere auf dem kleinen Campus wirkt bei unserem Besuch am Dienstag geloest, politische Meinungsverschiedenheiten unter den Studenten werden mit Humor genommen. Fuer den Mittwoch Abend werden wir zu einer Party eingeladen, wie sie einmal pro Monat von Studenten organisiert wird.
Also treffen wir uns am gestrigen Abend mit reichlich Verspaetung vor der Uni in Saida. Per Bus geht es von hier weiter nach Nabatieh, einer Stadt 50 Kilometer weiter im Landesinneren aus deren Umgebung der Grossteil der Studenten kommt. Am Stadteingang von Nabatieh passieren wir eine Gedenktafel, die den etwa 50 "Hizbollah-Maertyrern" der Stadt gewidmet ist, die waehrend des Julikriegs getoetet wurden. Das beliebteste Restaurant der Stadt, die man ohne Uebertreibung als Hizbollah-Hochburg bezeichnen kann, "Kentucky Fried Chicken", lassen wir links liegen und fahren stattdessen zu einem Ausflugslokal Nabatiehs, wo die Party steigen soll.
Etwa 60 junge Libanesen zwischen 18 und 25 fuellen den Saal. Bei den Jungs stehen Hemden und weisse Jackets hoch im Kurs, die jungen Damen haben sich genauso rausgeputzt wie Frauen die in Schwedt, Kiel oder Berlin in die Disco gehen, nur zwei Maedchen tragen Kopftuch. Mit Haargel und der Parfumflasche wird im Libanon deutlich offensiver umgegangen als in Deutschland. Am Buffet kann man sich mit Tabbouleh, dem typisch libanesischen Petersiliensalat, Blaetterteigrollen und Pizza versorgen. Alkoholfreie Getraenke gibt es kostenlos, die Flasche Wodka kostet 20 US-Dollar - ein Preis der den nicht jeden Libanesen abschreckt.
Der DJ spielt einen wilden Mix aus Techno, R'n'B und den aktuellen arabischen Charthits. Anders als in deutschen Discos ist es hier noch ueblich, dass der Mann die Dame zum Tanz bittet und fast nur Paerchen zusammen tanzen. Das aendert sich jedoch beim Dabka, dem arabischen Schreittanz bei dem sich alle an den Haenden fassen, eine Reihe bilden und im Takt huepfen. Ein weiterer Hoehepunkt des Abends ist eine Breakdance-Performance von vier Studenten.
Als die Musik stoppt und das Licht angeht ist es zu spaet um noch nach Beirut zurueckzukehren, Hasan bietet uns an in seinem Haus in Nabatieh zu schlafen. Hasans Vater ist noch wach als wir dort ankommen, wir trinken Tee, reden ueber dieses und jenes. Waehrend des letzten Libanonkriegs harrte die 8-koepfige Familie die ersten 15 Tage in ihrem Haus aus, dann wurde die Situation jedoch unertraeglich und man entschloss sich zur Flucht nach Saida. Ihr Haus blieb bis auf ein paar kaputte Fenster unbeschaedigt, 200 Meter entfernt kam jedoch eine befreundete Familie in den Trummern ihres Hauses ums Leben, die Bombe hatte sie im Schlaf ueberrascht. Dort wo bis zum Juli das Lokalstudio des Hizbollah-nahen TV-Senders "al-Manar" in Nabatieh stand, klafft heute ein 10 Meter tiefer Krater. Von den knapp 100000 Einwohnern seien waehrend der israelischen Angriffe nur 2000 Menschen in der Stadt geblieben, die zirka 15 Kilometer von der Grenze entfernt liegt.
Hasans Vater freut sich ueber die Verstaerkung der UNIFIL-Truppen im Sueden. "Ein neuer Krieg ist dadurch unwahrscheinlicher geworden. Frankreich, Italien, Deutschland und die anderen haben ihre Soldaten ja nicht zum Sterben hierher geschickt." Wenn die Soldaten abgezogen wuerden, wisse man jedoch, dass ein erneuter israelischer Angriff bevorstuende.
Hassan, 20-jaehriger Wirtschaftsstudent, ist Anhaenger der Hizbollah geht jedoch nicht in allen Punkten mit der "Partei Gottes" konform. So stehe er voll hinter dem islamischen Widerstand gegen Israel, der eine religioese Pflicht fuer die Schiiten sei, gesellschaftspolitisch sei ihm die Hizbollah jedoch zu konservativ. Hassan ist gegen die Verschleierung der Frau und gegen das Alkoholverbot, zwei Ziele die von der Hizbollah verfolgt werden.
Auch Hassans Mutter traegt kein Kopftuch, ihre beiden juengsten Kinder, ein Zwillingspaerchen - Junge und Madchen - werden an der langen Leine gelassen, tollen uebermuetig mit ihrem gleichaltrigen Cousin der zu Besuch ist, im Haus herum. Doch auch im Spiel der Kinder hat der Krieg seine Spuren hinterlassen. Wenn ein Kind ploetzlich "Flugzeug, Flugzeug" schreit, muessen die beiden anderen so schnell wie moeglich auf den Boden werfen und Schutz suchen.
Donnerstag, 5. April 2007
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