Samstag, 3. Oktober 2009

Verbotene Rhythmen

Der Libanon bleibt ein Land der Widersprüche. Welten liegen zwischen bunten internationalen Festivals und der Meinung religiöser Zeloten zu solchen weltlichen Feierlichkeiten. Jetzt beendet ein schiitischer Rechtsgelehrter aus Tyros eine brasilianische Samba-Tournee vorzeitig

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2 Kommentare:

M.A. hat gesagt…

Es tut mir Leid es so sagen zu müssen, aber das im Duktus des Artikels durchscheinende Unverständis für die Entscheidung der Geistlichen protzt nicht gerade von kultureller Feinfühligkeit.

Abgesehen davon, dass nicht Tyrus, sondern Bint Jbeil zur inoffiziellen "Hauptstadt des Widerstands" gekrönt wurde, gehört es nunmal nicht zu den Sitten der Ortschaft, dass halbnackte Menschen auf Umzugswäglein durch die Stadt geführt werden. Da mögen wir in Europa anders denken. In "Sur", wie die Libanesen Tyrus nennen ist das eben nicht gern gesehen. Andere Länder andere Sitten. Vergleichbar wäre das damit, dass in Deutschland örtliche Behörden einen Umzug von Nudisten verbieten.

R. Chatterjee hat gesagt…

zu der eher marginalen Frage, welche Stadt nun die "inoffizielle Hauptstadt des Widerstands" ist, nur ganz kurz. Darauf können auch Nabatiyeh und Tyros Anspruch erheben. Tyros war immerhin die mit Abstand größte Stadt unter israelischer Besatzung nach 1982 und hier fanden auch Ende 1982 die ersten größten Anschläge auf israelische Soldatenbarracken statt...Zudem habe ich den werten Sheikh Ali Yassin zitiert, der als Lokalpatrioit natürlich die Stellung seiner eigenen Stadt hervorhebt.

Interessant ist doch, wie eben jener seine Ablehnung begründet: nämlich aus Angst vor Kontrollverlust...Im übrigen hat Hizbullah zu der ganzen Sache keine Stellung genommen (zumindest ist das mir nicht bekannt). Da diese Tournee nicht spontan durchs Land gezogen ist, sondern vorher geplant wurde, ist anzunehmen, dass die Stadtverwaltung von Tyros, so wie in den anderen Städten auch, das Event genehmigt hatte, und auch Hizbullah prinzipiell keine Einwände hatte.

Erklärungsmustern von grundsätzlicher kultureller Unvereinbarkeit stehe ich sowieso skeptisch gegenüber. Man bedenke etwa Pop-Sternchen Haifa Wahbe, die Unterstützung für Hizbullah und den Einsatz ihrer weiblichen Reize vereint: Das ist halt einer dieser vielen libanesischen Widersprüche, die man überall im Land findet.

Aber nochmals zurück zur Samba-Truppe: Ich denke, dass die Organisatoren des Umzugs Tyros vor allem wegen seiner beeindruckenden antiken Kulisse ausgesucht haben, und nicht um die religiösen Gefühle der Menschen bewusst zu verletzen. Die Samba-Truppe wäre also nicht eifach "durch die Stadt gezogen", sondern auf einer festen Umzugsstrecke auf dem Gelände der Ruinen aufgetreten.
Zudem hatte die brasilianische Botschaft ja einen Kompromiss bei der Bekleidung angeboten, der aber abgelehnt und- auch das ist zu beachten - widerspruchslos akzeptiert wurde. Nicht gefragt oder involviert war hingegen die Bevölkerung von Tyros. Sheikh Yassin hat über ihre Köpfe hinweg etwas entschieden, seine Meinung und die seiner Kollegen wurde z.B. in der Presse wiedergegeben, nicht zwingend die der Bevölkerung.
Ich denke, dass die meisten Menschen in Tyros von der Veranstaltung bestenfalls peripher gehört haben und das es bei weitem nicht die befürchteten Tumulte ausgelöst hätte, zumal die Veranstaltung ja auch räumlich ausgelagert worden wäre.