Donnerstag, 15. Oktober 2009

Zensur im Libanon - Behörden kürzen "The One Man Village"

Auf der Berlinale wurde der Film gefeiert, auf internationalen Fimfestivals von Dubai bis Monaco mit Preisen bedacht: "The One Man Village" von Regisseur Simon El Habre. Im Libanon ist der Film nun aber der Zensur zum Opfer gefallen und um fünf Minuten gekürzt worden.

Der Dokumentarfilm "The One Man Village" erzählt die Geschichte von Semaan. Der Bauer lebt als Einziger in dem kleinen Bergdorf Ain al-Halazoun, das in den 1980er Jahren wie so viele Dörfer im Choufgebirge fast vollständig zerstört wurde. Die Bevölkerung war zuvor zermürbt von den Angriffen der israelischen Armee und der verschiedenen rivalisierenden Milizen geflohen. Nach Ende des Krieges wurde in den 90er Jahren eine nationale Versöhnung ausgerufen und den vertriebenen Christen erlaubt, in ihre Heimatorte zurückzukehren. Doch heute ist Ain al-Halazoun noch immer ein Geisterdorf. Nur Semaan El Habre lebt hier allein mit seinen Hunden, Pferden und Kühen.

In seinem ebenso berührenden wie humorvollen Film befasst sich Simon El Habre mit der kollektiven Amnesie, mit der viele Libanesen auf die Ereignisse des Bürgerkriegs, der fast 100000 Tote gefordert hatte, reagieren. Gleichzeitig beschäftigt er sich mit der Frage, ob eine von oben angeordnete Versöhnung möglich ist in einem Land in dem im Laufe der Jahrzehnte fast jeder irgendwann gegen jeden kämpfte.

Seit heute läuft der Film nun auch im Libanon. Allerdings ist der Streifen zuvor um 5 Minuten von den libanesischen Zensurbehörden gekürzt worden. In dem zensierten Abschnitt schildern ehemalige Dorfbwohner die Umstände ihrer Flucht aus Ain al-Halazoun. Konkret beschuldigt Milhem El Habre darin die sozialistische Partei von Drusenführer Walid Jumblatt das Dorf beschossen und damit die Bewohner in die Flucht getrieben zu haben.


Mit diesen Aussagen gegen einen der einflussreichsten libanesischen Warlords und Politiker gefährde Habre jedoch die soziale Sicherheit im Libanon, entschieden die Behörden. "al-Akhbar", eine der großen libanesischen Tageszeitungen berichtet auf ihrer Titelseite ausführlich über die Affäre. Das Blatt fühlt sich an Zustände aus dem Osmanischen Reich des 19. Jahrhunderts erinnert. Zugleich kritisiert die Zeitung Innenminister Ziad Baroud dafür, dass er nicht dafür gesorgt habe, dass der Film ungekürzt im Libanon gezeigt werden dürfe. Das Zensurrecht liegt bei der Abteilung "Innere Sicherheit", die im Innenministerium in Beirut angesiedelt ist.

Bei der ersten Ausstrahlung des Films Anfang des Jahres durfte die strittige Passage noch gezeigt werden, berichtete uns Regisseur Simon El Habre am Rande der Berlinale. Doch schon damals erregte die Kritik an Jumblatts Miliz den Argwohn der Zensurbehörde.

Im multi-konfessionellen Libanon entzündet sich regelmäßig Streit an Büchern oder Filmen, die angeblich die Gefühle und Befindlichkeiten einzelner Religionsgruppen verletzten. So wurde die iranische Comic-Verfilmung "Persepolis" mit Rücksicht auf die Schiiten zunächst ebenso verboten wie Dan Browns Bestseller "Das Sakrileg".

Der Fall des "One Man Village" zeigt exemplarisch woran eine Aufarbeitung des libanesischen Bürgerkriegs bis heute scheitert. Die Ereignisse der Jahre 1975 bis 1990 werden unter den Teppich gekehrt, Verantwortlichkeiten dürfen nicht offen benannt werden, es sei denn man kann mit dem Finger auf ausländische Akteure zeigen, die pauschal für alle Greueltaten des Bürgerkriegs verantwortlich gemacht werden- vorzugsweise Israel und Syrien

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