Die Zeitungslandschaft im Libanon gilt noch immer als die vielfaeltigste und liberalste in der Arabischen Welt. Eine Zensur durch den Staat findet praktisch nicht statt, die Blaetter sind sehr meinungsfreudig und fast alle Zeitungen lassen die politische Agenda ihrer Finanziers auf ihren Meinungsseiten und in ihren Leitartikeln deutlich durchblicken. Generell hat die Bedeutung der Presse in den letzten Jahren durch das Aufkommen der Satellitenkanaele aus dem Libanon und dem arabischen Ausland, sowie die flaechendeckende Verbreitung des Internet deutlich nachgelassen. Eine offizielle Statistik ueber Auflage- oder Verkaufszahlen der einzelnen Zeitungstitel wird nicht gefuehrt, es wird jedoch davon ausgegangen das "al-Nahar" mit einer taeglichen Auflage von ueber 30000 das meistverbreitete Blatt im Libanon ist.
Seit seiner Gruendung 1933 befindet sich "an-Nahar" , "Der Tag", im Besitz der Familie Tueni. Zuletzt war Gebran Tueni, Enkelsohn des gleichnamigen Gruenders, Herausgeber und Chefredakteur der Qualitaetszeitung. Am 12.Dezember 2005 wurde Gebran durch einen Autobombenanschlag in Beirut getoetet. Syrien wird von vielen als Auftraggeber fuer den Mord betrachtet, Gebran Tueni war ein prominenter und lautstarker Kritiker der syrischen Praesenz im Libanon. Nach der Ermordung Gebrans hat sein 81-jaehriger Vater Ghassan Tueni sowohl die Leitung der Zeitung als auch das Parlamentsmandat seines Sohns uebernommen. Politisch steht das Blatt auf Seiten der libanesischen Regierung. Beruehmt ist "an-Nahar" fuer seinen Kulturteil, der als einer der besten im Nahen Osten gilt.
Eine aehnlich bedeutende Publikation ist "as-Safir", "der Botschafter". Die Zeitung erscheint seit 1974 und bezeichnet sich selbst als "Stimme fuer jene, die keine Stimme haben." Aehnlich wie "an-Nahar" ist "as-Safir" gerade unter libanesischen Intellektuellen sehr beliebt. Im politischen Spektrum steht as-Safir jedoch deutlich weiter links und ist weitaus USA-kritischer. In den Meinungsartikeln aeussert das Blatt Sympathien fuer die libanesische Opposition, nicht nur deshalb wird es haeufig als "Syrien-freundlich" bezeichnet.
Sehr neu in der libanesischen Presselandschaft ist "al-Akhbar", "die Nachrichten", eine Zeitung die im August letzten Jahres erstmals erschien. Chefredakteur wurde Joseph Samaha, der vorher lange fuer as-Safir geschrieben hatte. Zwei Monate spaeter stiess Ziad Rahbani hinzu, ein beruehmter Theaterregisseur und Musiker und Sohn der libanesischen Gesangslegende Fairouz. Nach eigener Darstellung ist "al-Akhbar", "liberal, demokratisch und gegen das US-amerikanische Projekt im Nahen und Mittleren Osten". Innenpolitisch ergriff Samaha in seinen Leitartikeln Partei fuer die libanesische Opposition. In kurzer Zeit gelang es dem Chefredakteur seine Zeitung am Markt zu etablieren und bei Kritiker wie Lesern erfolgreich zu werden. Am 25.Februar verstarb Joseph Samaha jedoch ploetzlich und erwartet durch einen Herzinfarkt - welche Auswirkungen dies auf "al-Akhbar" haben wird, bleibt abzuwarten.
Seit 1988 erscheint "ad-Diyar". Eigentuemer und Chefredakteur ist Charles Ayoub, der sich selbst als syrischer Nationalist bezeichnet. Im Zuge der Ermitlungen im Mordfall Hariri wurde Ayoub sechs mal befragt, unter anderem weil in seinem Blatt brisante Informationen ueber Zeugen des Anschlags veroeffentlicht wurden. Der damalige UN-Ermittler Detlev Mehlis setzte die Offenlegung seiner Kontobewegungen durch, weil Ayoub zwischenzeitlich Mitwisserschaft am Anschlag unterstellt wurde. Ayoub ist entschiedener Gegner der aktuellen libanesischen Regierung, die den USA hoerig sei, und unterstuetzt die Forderungen der Opposition.
Relativ neu ist "al-Balad", "das Land" auf dem Zeitungsmarkt im Libanon. Die Geldgeber kommen aus Kuwait, im innenpolitischen Konflikt ist das Blatt um Neutralitaet bemueht. "al-Balad" erscheint seit 2003 und ist die Zeitung mit dem vielleicht modernsten Layout im Libanon und richtet sich in erster Linie an eine junge, staedtische Leserschaft. Als erstes Blatt warb "al-Balad" bei seiner Markteinfuehrung mit Abo-Praemien und Rabattaktionen agressiv um neue Leser.
Die wichtigste franzoesisch-sprachige Zeitung des Libanon ist "L'Orient le Jour", die 1970 durch die Fusion der beiden Blaetter "L'Orient" und "Le Jour" entstand. Gelesen wird das Blatt zumeist von libanesischen Christen, die eine franzoesisch-sprachige Schulbildung genossen haben. Herausgeber der Zeitung, die nach eigenen Angaben in einer taeglichen Auflage von 18000 Exemplaren erscheint, ist der Maronit Michel Edde, der seit 1966 mit Unterbrechungen in vielen libanesischen Regierungen als Minister taetig war, auch unter Rafiq Hariri. Rafiqs Sohn Saad und dessen politischen Verbuendeten ist das Blatt bis heute verbunden.
Der in Beirut erscheinende "Daily Star" ist bis heute die vielleicht bedeutendste englisch-sprachige Zeitung des Nahen Ostens. 1952 erstmals erschienen, musste das Blatt infolge des libanesischen Buergerkriegs 1985 sein Erscheinen einstellen und erst 1996 wurde "The Daily Star" wiederbelebt. Seit 2000 erscheint das Blatt in Kooperation mit der "International Herald Tribune". Die Zeitung richtet sich in erster Linie an Auslaender im Nahen und Mittleren Osten, gerade das Internetangebot in dem alle aktuellen Artikel der Zeitung kostenlos verfuegbar sind dient auch vielen Auslandslibanesen als wichtige Informationsquelle. Innenpolitisch ist die Redaktion um Neutralitaet bemueht, auf den Meinungsseiten laesst die Zeitung Regierungs- und Oppositionsvertreter gleichermassen zu Wort kommen.
Donnerstag, 29. März 2007
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
1 Kommentar:
Danke für die Zusammenstellung! Ich habe nur gehört, dass der "Nahar" qualitativ ziemlich eingebüsst hat seit Hariris Ermordung, da er seither konfessionelle Propaganda betreibt.
Kommentar veröffentlichen