Samstag, 24. Dezember 2011

Anschläge in Damaskus - Die nächste Eskalationsstufe

Einen Tag nach dem Doppelanschlag auf zwei Einrichtungen des syrischen Geheimdienstes und der staatlichen Sicherheitskräfte in Damaskus, bei denen laut offiziellen Angaben 44 Menschen getötet und mehr als 160 weitere verletzt wurden, ist noch vollkommen offen wer hinter der Tat steckt. Klar scheint hingegen, dass das Attentat im Stadtteil Kfar Sousa dem angeschlagenen Regime in die Hände spielt, denn es fügt sich in dessen Lesart, die besagt, dass in Syrien kein Volksaufstand sondern eine islamistische Terrorserie tobt.

Keine Stunde war nach den Explosionen am Freitag Vormittag vergangen, da verkündeten staatliche Medien, das Terrornetzwerk al-Qaida würde hinter den Anschlägen stecken. Wenig später flimmerten grausame Bilder über die syrischen Fernsehbildschirme: Verstümmelte Körper, verkohlte Leichen, abgetrennte Gliedmaßen. Wohl mit Bedacht hatten die Verantwortlichen die Tatorte und die Opfer der Autobombenanschläge solange unangetastet gelassen, bis die staatlichen TV-Sender – und nur die dürfen ungehindert aus Syrien berichten – ihre Bilder im Kasten hatten. Nach bisherigen Anschlägen in Damaskus hatten sich die syrischen Medien in der Vergangenheit deutluch zurückhaltender gezeigt.

Die Botschaft, die diese Bilder vermitteln sollen ist klar: Stellt euch hinter die Führung des Präsidenten Baschar al-Assad oder es werden weitere Anschläge dieser Art folgen. Im Staatsfernsehen schäumten Kommentatoren vor Wut darüber, dass die Arabische Liga, die Syrien wegen seiner gewaltsamen Unterdrückung der Opposition scharf kritisiert und bestraft hatte, den Anschlag nicht verurteilt habe. „Wo sind die Araber jetzt? Wo ist ihre Verurteilung des Blutvergießens, wo ihr Mitgefühl mit den Märtyrern und ihren Familien?“, brüllte ein Studiogast.

Dazwischen wurden mehrfach angeblich spontane Telefonanrufe von syrischen Fernsehzuschauern geschaltet. Diese erklärten, die Opposition habe den al-Qaida-Terroristen den Weg geebnet, priesen Präsident Assad und forderten die Sicherheitskräfte auf, hart und gnadenlos gegen die Feinde des syrischen Staates vorzugehen. Zu lange sei die Regierung zu tolerant mit den Protestierenden umgegangen. Sie seien Teil einer Verschwörung uns müssten gestoppt werden, erklärte ein Anrufer. Spätestens jetzt müssten doch alle Syrer, die arabischen Nachbarn und der Westen begriffen haben, dass die Regierung lediglich Terroristen bekämpfe, so der Tenor. Zeitgleich demonstrierten landesweit tausende Syrer um dem Assad-Regime seine Unterstützung im Kampf gegen die Staatsfeinde zu versichern. Ob spontan, wie von den Staatsmedien dargestellt oder auf Befehl von oben, ist nicht überprüfbar.

Auszuschließen ist eine Verantwortung al-Qaidas für die Taten keinesfalls. Nur 24 Stunden vor dem Doppelanschlag von Damaskus explodierten in Iraks Hauptstadt Bagdad fast zeitgleich mehrere Bomben, die mehr als 60 Menschen töteten. Die Grenzen zwischen beiden Staaten sind durchlässig, enge Beziehungen zwischen sunnitischen jihadistischen Gruppen in beiden Ländern existieren seit langem.

Hinzu kommt, dass al-Qaida bislang zu den großen Verlierern der Umsturzbewegungen in der Arabischen Welt gehört. Die Jihadisten spielten bei den Rebellionen keine Rolle und wurden seither von gemäßigten Islamisten wie der En-Nahda in Tunesien und den Muslimbrüdern in Ägypten kontinuierlich an den Rand gedrückt. Möglich, dass al-Qaida mit den Anschlägen vom Freitag ein Lebenszeichen senden will. In den letzten Wochen hatte das Netzwerk mehrfach erklärt, auf Seiten der sunnitischen Aufständischen in Syrien zu stehen – im Kampf gegen das von den Alawiten dominierte syrische Regime, einer Religionsgruppe, deren Anhänger von den sunnitischen Jihadisten nicht als Muslime anerkannt werden. Üblicherweise bekennt sich al-Qaida aber nach Anschläge zu ihren Taten – noch ist kein Bekennervideo aufgetaucht.

Das syrische Außenministerium erklärte am Freitag, zwei Tage vor den Explosionen habe man eine Warnung aus dem Libanon erhalten, laut denen al-Qaida-Terroristen auf dem Weg nach Syrien seien. Verhindern konnte man die Taten offenbar nicht.

Der Zeitpunkt der Anschläge hätte der syrischen Führung jedenfalls kaum gelegener kommen können. Am Freitag sollte eigentlich eine Gruppe arabischer Diplomaten ihre Arbeit aufnehmen, die eine Beobachtermission der Arabischen Liga vorbereitet. Anstatt das Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten zu untersuchen, mussten die Beobachter nun zunächst einmal die Anschlagsorte inspizieren. Die Arbeit der der arabischen Delegation dürfte durch die Gewalteskalation weiter erschwert werden.

Fragen wirft auch das Ziel der Anschläge auf. Einrichtungen von Sicherheitskräften und Geheimdiensten in Syrien sind üblicherweise hermetisch gesichert. Unklar ist, wie die Attentäter mit ihren Autos voller Sprengstoff bis zu den Gebäuden vordringen konnten. Aus Sicht einiger syrischer Oppositioneller spricht dieser Umstand dafür, dass das Attentat vom syrischen Regime selbst in Auftrag gegeben wurde. Ein Präsident, der für den Machterhalt tausende Landsleute töten lässt, wird nicht zögern auch Mitglieder von Geheim- und Sicherheitsdiensten zu opfern, wenn es seiner Sache dient, so die Argumentation. Unisono verurteilte jedenfalls die Opposition die Anschläge.

Wer auch immer für das Doppelattentat verantwortlich ist und damit die landesweit eskalierende Gewalt in die Hauptstadt getragen hat – eine weitere Verschärfung der Lage droht in jedem Fall. Sollte tatsächlich al-Qaida hinter der Tat stehen droht der Beginn einer Anschlagsserie. Sollte – auch das ist eine vage Möglichkeit – die Freie Syrische Armee desertierter Soldaten dahinter stecken, würde diese eine weitere Militarisierung des Aufstandes bedeuten. Ohne Zweifel liefern die Bombenexplosionen dem Regime den idealen Vorwand um die Proteste nun noch brutaler niederzuschlagen.  

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