Der libanesische Premierminister überweist 32 Millionen Dollar für ein
Tribunal, das Hizbollah-Mitglieder verfolgt – und rettet der Hizbollah
so die Macht. Geschichte eines kuriosen Kuhhandels.
Wochenlang tobte in der libanesischen Regierung der Streit über das Sondertribunal für den Libanon (STL), genauer gesagt über dessen Finanzierung. Premier-Minister Najib Mikati war dafür, das UN-Tribunal weiterhin finanziell zu unterstützen – seine Koalitionspartner, allen voran die Hizbollah, waren dagegen. Es ging um mehr als 30 Millionen US-Dollar, die der Libanon bis spätestens Ende Oktober nach Den Haag hätte überweisen sollen. Mikati, der selbst erst seit Juni im Amt ist, sagte schließlich: „Ich lehne es ab, einer Regierung vorzustehen, die ihren internationalen Verpflichtungen nicht nachkommt“ – sollte der Libanon also, nach gerade einmal fünf Monaten, schon wieder ohne Regierung dastehen?
Das STL untersucht den Anschlag in der Beiruter Innenstadt im Februar 2005, bei dem der ehemalige libanesische Premierminister Rafiq al-Hariri und 21 weitere Menschen ums Leben kamen. Auch wenn es ein UN-Tribunal ist, so muss der Libanon doch für 49 Prozent seiner Finanzierung aufkommen. Nach mehreren Verwirrungen, Informationslecks und Fehlverdächtigungen erhob das Tribunal schließlich Ende Juni 2011 Anklage gegen vier mutmaßliche Hizbollah-Mitglieder, die hinter dem Anschlag stecken sollen. Der Generalsekretär der „Partei Gottes“, Hassan Nasrallah, hatte das Tribunal schon zuvor als Israel- und US-gesteuert bezeichnet und erklärt, „in dreihundert Jahren“ werde niemand die Haftbefehle ausführen, jede Hand, die seine Kämpfer antaste, werde er „abschlagen“, und natürlich war er auch gegen dessen Finanzierung.
Die Situation war also Folgende: Für Mittwochnachmittag war eine Kabinettssitzung angesetzt, in der das Thema abschließend diskutiert werden sollte. Mikati hatte aber keine Mehrheit, um die zweiunddreißig Millionen einhundertvierunddreißig Tausend Dollar nach Den Haag zu überweisen. Für den Fall, dass ihm das Kabinett die Zustimmung verweigert, hatte der Regierungschef seinen Rücktritt angedroht. Sollte also zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres eine libanesische Regierung am STL zerbrechen? Im Januar 2011 verlor der damalige Regierungschef Saad al-Hariri mehr als ein Drittel seiner Kabinettsmitglieder – Minister der Hizbollah und ihrer christlichen Verbündeten - die gegen das Tribunal waren und damit auch seinen Posten. Da trat Mikati am Mittwochmittag vor die bass erstaunte Presse und erklärte, er habe das Geld schon überwiesen, die Kabinettssitzung sei vertagt und die Regierung gerettet.
Wie war das möglich? Mikati bediente sich der „High Commission for Relief“, also eines Hilfsfonds für gute Zwecke, der unter der Oberhoheit des Premierministers steht. In der Vergangenheit wurde das Geld aus diesem Fond laut offiziellen Quellen vor allem für Nahrungs- und Transportmittel, Matratzen, Bettdecken und Kinderbedarf ausgegeben – dieses Jahr eben für den Internationalen Strafgerichtshof. Der gute Zweck ist anscheinend Definitionssache. So umging Mikati die verfassungsmäßig vorgeschriebene Zustimmung des Kabinetts und schlug der Hizbollah ein Schnippchen – so der erste Eindruck. Aber der täuscht ja meistens.
Denn laut der libanesischen Tageszeitung al-Nahar rief Parlamentspräsident Nabih Berri am Abend vor der geplanten Kabinettssitzung bei Mikati an und erklärte, die Hizbollah hätte der Überweisung zugestimmt. Mikati bestand aber demzufolge darauf, diese Zustimmung persönlich zu erhalten. Daraufhin fuhr Hassan Khalil, ein hochrangiges Hizbollah-Mitglied, noch um Mitternacht zu Mikati und erklärte persönlich das Einverständnis mit der Überweisung, wenn dadurch der Zusammenbruch der Regierung verhindert würde.
Nasrallah selbst erklärte einen Tag später in einer Fernsehansprache: “Wir stehen zu dieser Regierung und wollen die Spaltung überwinden. Wir haben mit ihr zusammengearbeitet, um dieses Problem zu lösen. Wir werden wegen des Tribunals keinen Ärger machen. Trotzdem bleibt das STL für uns verfassungswidrig, Israeli- und US-gesteuert und repressiv.“ Und er fügte noch den interessanten Satz hinzu: „Ich weiß immer noch nicht, ob die Art und Weise der Finanzierung überhaupt legal war.“
Diese Frage stellen sich viele Libanesen. Vor allem die Opposition, die Bewegung des 14. Märzes, angeführt von Saad Hariri, dem Sohn des 2005 ermordeten Politikers, schäumt vor Wut. Zwar ist sie eigentlich für das Tribunal, aber die Vorfreude auf einen Zusammenbruch der Mikati-Regierung war groß. So behauptet sie, die Finanzierung sei illegal, und sie verdächtigen Syriens Präsidenten Bashar al-Assad, hinter dem Einlenken der Hizbollah zu stecken. Für den käme in der Tat eine Regierungskrise im kleinen Nachbarland gerade zur Unzeit. Schließlich ist die aktuelle libanesische Regierung einer der letzten treuen Partner. So lehnt sie beispielsweise die Sanktionen der Arabischen Liga gegen Syrien ab.
Mikati hat den Kopf aus der Schlinge gezogen und die Regierung für den Moment gerettet. Denn statt dem STL „die Hand abzuschlagen“ hat die Hizbollah in dessen Finanzierung eingewilligt. Und warum auch nicht – die vier angeklagten Hizbollah-Mitglieder sind weiterhin in Freiheit. Und daran wird sich wohl auch nichts ändern.
Wochenlang tobte in der libanesischen Regierung der Streit über das Sondertribunal für den Libanon (STL), genauer gesagt über dessen Finanzierung. Premier-Minister Najib Mikati war dafür, das UN-Tribunal weiterhin finanziell zu unterstützen – seine Koalitionspartner, allen voran die Hizbollah, waren dagegen. Es ging um mehr als 30 Millionen US-Dollar, die der Libanon bis spätestens Ende Oktober nach Den Haag hätte überweisen sollen. Mikati, der selbst erst seit Juni im Amt ist, sagte schließlich: „Ich lehne es ab, einer Regierung vorzustehen, die ihren internationalen Verpflichtungen nicht nachkommt“ – sollte der Libanon also, nach gerade einmal fünf Monaten, schon wieder ohne Regierung dastehen?
Das STL untersucht den Anschlag in der Beiruter Innenstadt im Februar 2005, bei dem der ehemalige libanesische Premierminister Rafiq al-Hariri und 21 weitere Menschen ums Leben kamen. Auch wenn es ein UN-Tribunal ist, so muss der Libanon doch für 49 Prozent seiner Finanzierung aufkommen. Nach mehreren Verwirrungen, Informationslecks und Fehlverdächtigungen erhob das Tribunal schließlich Ende Juni 2011 Anklage gegen vier mutmaßliche Hizbollah-Mitglieder, die hinter dem Anschlag stecken sollen. Der Generalsekretär der „Partei Gottes“, Hassan Nasrallah, hatte das Tribunal schon zuvor als Israel- und US-gesteuert bezeichnet und erklärt, „in dreihundert Jahren“ werde niemand die Haftbefehle ausführen, jede Hand, die seine Kämpfer antaste, werde er „abschlagen“, und natürlich war er auch gegen dessen Finanzierung.
Die Situation war also Folgende: Für Mittwochnachmittag war eine Kabinettssitzung angesetzt, in der das Thema abschließend diskutiert werden sollte. Mikati hatte aber keine Mehrheit, um die zweiunddreißig Millionen einhundertvierunddreißig Tausend Dollar nach Den Haag zu überweisen. Für den Fall, dass ihm das Kabinett die Zustimmung verweigert, hatte der Regierungschef seinen Rücktritt angedroht. Sollte also zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres eine libanesische Regierung am STL zerbrechen? Im Januar 2011 verlor der damalige Regierungschef Saad al-Hariri mehr als ein Drittel seiner Kabinettsmitglieder – Minister der Hizbollah und ihrer christlichen Verbündeten - die gegen das Tribunal waren und damit auch seinen Posten. Da trat Mikati am Mittwochmittag vor die bass erstaunte Presse und erklärte, er habe das Geld schon überwiesen, die Kabinettssitzung sei vertagt und die Regierung gerettet.
Wie war das möglich? Mikati bediente sich der „High Commission for Relief“, also eines Hilfsfonds für gute Zwecke, der unter der Oberhoheit des Premierministers steht. In der Vergangenheit wurde das Geld aus diesem Fond laut offiziellen Quellen vor allem für Nahrungs- und Transportmittel, Matratzen, Bettdecken und Kinderbedarf ausgegeben – dieses Jahr eben für den Internationalen Strafgerichtshof. Der gute Zweck ist anscheinend Definitionssache. So umging Mikati die verfassungsmäßig vorgeschriebene Zustimmung des Kabinetts und schlug der Hizbollah ein Schnippchen – so der erste Eindruck. Aber der täuscht ja meistens.
Denn laut der libanesischen Tageszeitung al-Nahar rief Parlamentspräsident Nabih Berri am Abend vor der geplanten Kabinettssitzung bei Mikati an und erklärte, die Hizbollah hätte der Überweisung zugestimmt. Mikati bestand aber demzufolge darauf, diese Zustimmung persönlich zu erhalten. Daraufhin fuhr Hassan Khalil, ein hochrangiges Hizbollah-Mitglied, noch um Mitternacht zu Mikati und erklärte persönlich das Einverständnis mit der Überweisung, wenn dadurch der Zusammenbruch der Regierung verhindert würde.
Nasrallah selbst erklärte einen Tag später in einer Fernsehansprache: “Wir stehen zu dieser Regierung und wollen die Spaltung überwinden. Wir haben mit ihr zusammengearbeitet, um dieses Problem zu lösen. Wir werden wegen des Tribunals keinen Ärger machen. Trotzdem bleibt das STL für uns verfassungswidrig, Israeli- und US-gesteuert und repressiv.“ Und er fügte noch den interessanten Satz hinzu: „Ich weiß immer noch nicht, ob die Art und Weise der Finanzierung überhaupt legal war.“
Diese Frage stellen sich viele Libanesen. Vor allem die Opposition, die Bewegung des 14. Märzes, angeführt von Saad Hariri, dem Sohn des 2005 ermordeten Politikers, schäumt vor Wut. Zwar ist sie eigentlich für das Tribunal, aber die Vorfreude auf einen Zusammenbruch der Mikati-Regierung war groß. So behauptet sie, die Finanzierung sei illegal, und sie verdächtigen Syriens Präsidenten Bashar al-Assad, hinter dem Einlenken der Hizbollah zu stecken. Für den käme in der Tat eine Regierungskrise im kleinen Nachbarland gerade zur Unzeit. Schließlich ist die aktuelle libanesische Regierung einer der letzten treuen Partner. So lehnt sie beispielsweise die Sanktionen der Arabischen Liga gegen Syrien ab.
Mikati hat den Kopf aus der Schlinge gezogen und die Regierung für den Moment gerettet. Denn statt dem STL „die Hand abzuschlagen“ hat die Hizbollah in dessen Finanzierung eingewilligt. Und warum auch nicht – die vier angeklagten Hizbollah-Mitglieder sind weiterhin in Freiheit. Und daran wird sich wohl auch nichts ändern.
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