Benjamin Netanjahu hat am vergangenen Dienstag zum fünften Mal seit 1993 den Vorsitz des Likud gewonnen. Israels Ministerpräsident kann nun entspannt auf das innenpolitische Tohuwabohu blicken, meint Dominik Peters.
»Fortuna ist ein Weib; um es unterzukriegen, muss man es schlagen und stoßen«, heißt es bei Machiavelli. Benjamin Netanjahu hat den italienischen Philosophen verinnerlicht. Mit Raffinesse, ausgefahrenen Ellenbogen und dem richtigen Timing hat er sich bei den parteiinternen Wahlen um den Likud-Vorsitz mit 75 Prozent den Sieg geholt.
Der 62-Jährige befindet sich nun auf dem Zenit seiner Macht.
Dass es nicht zu einer »Nacht der langen Messer« kam, wie 1986, war im Vorfeld klar, Diadochenkämpfe waren nie in Sicht. Männer der Mitte wie Michael Eitan und Dan Meridor – die Avigdor Lieberman jüngst abwertend als »Feinschmecker-Fraktion« bezeichnete – fassten gar nicht erst den Mut, um die Führung des Likud zu kämpfen. Einzig Mosche Feiglin versuchte es. Netanjahus langjähriger Rivale, der den national-religiösen Flügel »Manhigut Jehudit« der Partei führt, konnte 24 Prozent der Wähler für sich mobilisieren; ein Achtungserfolg, wie bereits 2007. Mehr jedoch nicht.
Zwar hatten im Vorfeld alle unisono im Rudel aufgeheult, als Netanjahu Anfang Dezember erklärte, die Wahl würde vorgezogen werden. Schließlich fehlte jedoch jedem Einzelnen das Charisma und die Chuzpe, gegen die Blitzentscheidung des Parteivorsitzenden zu intervenieren und eine Mehrheit hinter sich zu bringen. – obwohl die Begründung Netanjahus für die vorgezogenen Wahlen von vielen als fadenscheinig bezeichnet wurde. Netanjahu hatte erklärt, da am 31. Januar turnusmäßig verschiedene Parteigremien gewählt werden, könne man vier Millionen Schekel einsparen, weil sowohl die Wähler als auch die Wahlurnen bereits vorhanden seien.
Einzig Tzipi Hotovely, die zum »Mahigut Jehudit«-Kreis zählt, warf sich in den vergangenen Wochen immer wieder mit Verve gegen diese Entscheidung – und verlangte von ihrem Parteivorsitzenden zudem Aufklärung. Aufklärung eines Gerüchtes, das seit geraumer Zeit an der Basis sein Unwesen treibt.
Netanjahu wird unterstellt, er plane eine Reform des parteiinternen Wahlvorgangs bei der Aufstellung der Knesset-Kandidaten. Die würde es auch externen Politiker ermöglichen, auf einem der vorderen Plätze der Likud-Liste für das israelische Parlament 2013 zu kandidieren. Der Grund hierfür: Der langjährige Weggefährte Netanjahus, Verteidigungsminister Ehud Barak, steht mit seiner Anfang 2011 gegründeten Partei »Azmaut“«im politischen Niemandsland – und könnte so dennoch den Weg in die Knesset finden.
»Er hat keine Prinzipien – gar keine«
Der Vorwurf, Netanjahu arbeite mit Taschenspielertricks und sei ein Wendehals, der sich am eigenen mehr als am Parteiwohl labe, ist nicht neu. Bereits 1997 hatte Jitzchak Schamir, selbst ehemaliger Parteivorsitzender, im Interview mit der israelischen Tageszeitung Maariv über Netanjahu gesagt: »Er arbeitet gegen die Prinzipien des Likud. Er hat keine Prinzipien – gar keine.«
Dennoch hat er es wiederum geschafft, dem rechten Flügel der Partei den Wind aus den Segeln zu nehmen – trotz der Tatsache, dass mehr als 30 Prozent der Neumitglieder Siedler aus dem Westjordanland sind, wie das Massenblatt Israel Hajom berichtet.
Benjamin Netanjahu steht nun endgültig als großer Steuermann des Likud da. Und Israels.
Gewiss, auch unter Menachem Begin war die konservative Partei – sowie ihre Vorgänger Cherut und Gachal – ein Einmannbetrieb. Der Schüler Wladimir Jabotinskys zog seine Anhänger aus dem rechten Lager mit rhetorischer Brillanz in den Bann, war Jahrzehnte ihr unumstrittener Führer – und das, obwohl er seinerzeit acht Wahlkämpfe hintereinander verlor. Begin gelang es jedoch nur vergleichsweise kurze Zeit, von 1977 bis 1983, auch das Land zu regieren. Er hatte einen starken Gegner, die Arbeiterpartei.
Benjamin Netanjahu aber hat diesen nicht.
Bei der sephardischen Schas-Partei bekommt man angesichts des Comebacks von Ariyeh Deri Alpträume. Daneben ist Innenminister Eli Jischai zurzeit schwerer Kritik ausgesetzt – vor allem aufgrund seines Verhaltens in puncto Aufklärung der Karmel-Waldbrände. »Jisrael Beitenu« taugt ebenfalls nicht dazu, dem Likud-Vorsitzenden schlaflose Nächte zu bereiten; auch dann nicht, wenn, wie so oft spekuliert, Avigdor Lieberman die Koalition aufkündigte, ergo: Neuwahlen stattfinden würden.
Daneben steht die größte Oppositionspartei, Kadima, unter der Führung Tzipi Livnis kurz vor dem Zerfall und avanciert bei Wählerumfragen zur israelischen Variante der FDP. Mit Yair Lapid hat man zudem einen knallharten Konkurrenten – und Shelly Yachimovitchs Avoda ist in einer Neufindungsphase, die noch einige Zeit dauern wird.
Zum fünften Mal seit 1993 zum Parteivorsitzenden gewählt, kann Benjamin Netanjahu deshalb in den kommenden Monaten aus einer Position der Stärke heraus entspannt auf das innenpolitische Tohuwabohu blicken.
Mittwoch, 1. Februar 2012
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