Montag, 20. April 2009

Libanon - Parlamentswahlen am 7. Juni - Das Wahlgesetz

Am 7. Juni wird im Libanon ein neues Parlament gewählt. In keinem anderen arabischen Land sind die Wahlen so pluralistisch, ist der Wahlausgang auch nur annähernd so unvorhersehbar. Dementsprechend aufmerksam werden die Wahlen auch in den arabischen Medien verfolgt. Bevor hier im Blog in den kommenden Wochen der Wahlkampf beleuchtet wird und die politischen Ränkespiele erläutert werden, an dieser Stelle zunächst ein paar Erläuterungen zum nicht ganz einfach zu verstehenden Wahlsystem.

Die Wahlberechtigten, alle Libanesen ab 21 die sich haben registrieren lassen , wählen insgesamt 128 Abgeordnete aus 26 Distrikten (Qazas) und 11 Konfessionsgruppen. Die Wähler können über alle zu vergebenden Sitze ihres Bezirks abstimmen, unabhängig von ihrer eigenen Konfession. So werden als Beispiel im Qaza Baabda 6 Mandate vergeben - 3 für Maroniten, 2 für Schiiten, 1 für einen drusischen Politiker. Also kann der Wähler dort 3 Stimmen an maronitische Kandidaten, 2 an Schiiten und für einen drusischen Kandidaten stimmen. Ins Parlament ziehen die 3, 2 bzw der eine Kandidat mit den meisten Stimmen ein. Die Wähler haben die Möglichkeit geschlossen für die Wahlvorschläge auf einer Liste zu stimmen, können ihre Stimmen aber auch splitten und Bewerber verschiedener Listen wählen.

Im Vergleich zu den letzten Parlamentswahlen 2005 hat das Wahlgesetz eine Reihe von Veränderungen durchlaufen, die im Zuge des Abkommens von Doha zwischen den rivalisierenden libanesischen Fraktionen beschlossen wurden. Erstmals finden die Wahlen an einem Tag und nicht an vier Sonntagen hintereinander statt. 2005 gab es nur 14 Wahldistrikte, die Zahl der Wähler pro Bezirk war also weitaus größer, wodurch sich religiöse Minderheiten marginalisiert fühlten. In diesem Jahr gibt es 10 Qazas in denen nur Abgeordnete einer Konfession gewählt werden.

Einige Kritiker bemängeln, dass die Wahlen dadurch noch mehr von konfessionalistischen Gesichtspunkten bestimmt würden und die Einzelinteressen der Konfessionen über das Gesamtwohl des libanesischen Volkes gestellt würden. Dagegen kann eingewendet werden, dass die kleineren Distrikte die Konkurrenz zwischen den Parteien stärkt. Außerdem werde verhindert, dass die bevölkerungsstärkste Konfession in einem Distrikt mit ihrem Stimmengewicht allein die Abgeordneten für die kleineren Religionsgemeinschaften bestimmt.

Bis zum Anmeldeschluss am 7. April hatten sich 702 Kandidaten beim Innenministerium für die Wahlen registrieren lassen. Seither haben jedoch schon einige von ihnen ihre Kandidatur zurückgezogen, weil bei der Bildung von Wahllisten und Allianzen verschiedene Parteien ihre Kandidaten zugunsten von Politikern anderer Parteien fallengelassen werden. Andere zogen sich zurück, weil sie mit anderen Kandidaten auf ihrer Liste nicht einverstanden waren.

Zu den Hintergründen dieser Wahlallianzen und den Chancen der beiden großen rivalisierenden Blöcke "March 8" und "March 14" und in den nächsten Wochen mehr.

1 Kommentar:

Raphaelth hat gesagt…

"In keinem anderen arabischen Land sind die Wahlen so pluralistisch, ist der Wahlausgang auch nur annähernd so unvorhersehbar."

Sind diese Wahlen tatsächlich pluralistisch, und vor allem unvorhersehbar?

Zum einen ist es der Fall, dass es fast keine unabhängigen Kandidaten gibt, sondern fast alle zu einem der beiden großen Blöcke (March 8, March 14) gehören, und zum anderen wird der tatsächlichen Wahlausgang nicht viel an den bestehenden Verhältnissen ändern.

Schaut man auf die vergangenen Jahre dann lässt sich feststellen, dass keine der großen Partei sich jemals als guter Verlierer präsentiert hat.
Vielmehr ist es gang und gäbe, fehlende politische durch militärische Macht auszugleichen. Nicht umsonst unterhält jede Partei auch knapp 20 Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs noch eine gut bewaffnete Miliz.

Gerade mal ein Jahr ist es her, dass das libanesische Parlament die Abschaltung des Kommunikationsnetzwerks der Hisbollah beschlossen hat, nur um die Entscheidung wieder Rückgängig zu machen, nachdem die Hisbollah und ihre Verbündeten West-Beirut militärisch einnahmen.

Die Folge war eine "Große Koalition" zwischen March 8 und March 14, welche meiner Meinung nach die einzig mögliche Konstellation darstellt um Gewalt zu verhindern, und daher auch das Ergebnis der Wahlen sein wird.