Freitag, 28. August 2009
Die Quadratur des Kreises
Das Ergebnis der ersten Generalversammlung der Fatah, der »Bewegung zur nationalen Befreiung Palästinas«, der größten der Parteien der PLO, seit 20 Jahren ist ambivalent. Sie hat sich in Bethlehem neu erfunden, um zugleich ganz die Alte zu bleiben
weiterlesen
Mittwoch, 26. August 2009
Quo vadis Irak?
weiterlesen
Freitag, 21. August 2009
Gazas neue Islamisten fordern die Hamas heraus
Seit über zwei Jahren beherrscht Hamas den Gazastreifen, und ist seitdem einem wachsenden Druck ausgesetzt, radikalere Positionen zu beziehen. Viele ihrer Anhänger sind strikt religiös und erwarten von einer Hamas-Regierung die kompromisslose Islamisierung des öffentlichen Lebens und die Einführung der Sharia, die für alle gelten soll. Diesem Druck, der auch aus den eigenen Reihen kommt, gab die Hamas-Führung in Gaza bereits nach: Das Religionsministerium hat vor kurzem eine „Tugendhaftigkeits-Kampagne“ gestartet, die zum Ziel hat, die Menschen zu einem strikten muslimischen Leben zu erziehen. Seitdem patrouilliert die Polizei die Strände, um zu kontrollieren, dass sich keine gemischt geschlechtlichen Gruppen bilden und dass Männer nicht mit freiem Oberkörper herumlaufen. Auch Schaufensterpuppen in Unterwäsche werden nicht gern gesehen. Das geht vielen aber noch nicht weit genug. Der Hamas wird außerdem eine Annäherung an den Westen vorgeworfen. Es bilden sich daher vermehrt radikalere Gegenbewegungen. Der Hamasführung in Gaza fällt es immer schwerer, diese extremistischen Islamisten unter Kontrolle zu halten, die nur noch in Kriegszeiten willkommene Verbündete sind.
Am 14. August kam es in Rafah zu den bisher blutigsten Auseinandersetzungen zwischen der Hamas und einer Gruppierung, die sich Jund Ansar Allah nennt. Deren Anführer Abdel Latif Moussa rief in einer Moschee das „Islamische Emirat“ aus. Kurz darauf eroberte Hamas die Moschee gewaltsam – 28 Menschen starben, darunter auch einige Zivilisten die sich in der Nähe der Moschee aufhielten. Moussa, ein bekennender Anhänger Osama Bin Ladens, sprengte sich bei seiner Festnahme selbst in die Luft und riss dabei einen Hamas-Polizisten mit in den Tod.
Hamas-Offizielle rechtfertigten das harte Vorgehen damit, dass die Islamistengruppe die Legitimität der Regierung missachtet und in letzter Zeit mehrere Bombenanschläge in Gaza verübt hätte. Die Splittergruppe Jund Ansar Allah wurde zwar militärisch zerschlagen und ihre Anführer sind in den Kämpfen umgekommen. Doch der radikale Islamismus bleibt eine ernsthafte Herausforderung für die Hamas, deren Führer sich Verhandlungsoptionen für die Realisierung eines Staates Palästina offen halten und daher einen pragmatischen Ansatz verfolgen wollen. Ihnen geht es um realistische Interessenpolitik. Und sie wollen eine Programmatik vertreten, die auch bei den nächsten Parlamentswahlen noch mehrheitsfähig ist. Konkrete aktuelle Themen, womit sich die Hamas zur Zeit beschäftigt sind die Verhandlungen um einen Gefangenenaustausch mit Israel, die Vorbereitung der im kommenden Jahr anstehenden Wahlen und Verhandlungen um eine Einheitsregierung mit der Fatah. Blinder Fanatismus hat dabei keinen Platz.
Moussas radikale Botschaften wirkten besonders unter jugendlichen Muslimen anziehend. Das hat auch mit der allgemeinen Situation im Gazastreifen zu tun, denn die anhaltende Blockade, die Mangelversorgung und die immer noch allgegenwärtigen Kriegsschäden sind ein idealer Nährboden für wachsenden Extremismus. Religion ist unter diesen Umständen für viele der einzige Hoffnungsträger. Und Leute wie Abdel Latif Moussa erscheinen da wie Propheten einer neuen Zeit.
Mittlerweile ist ein Schreiben von Jund Ansar Allah und vier weiterer gleichgesinnten Gruppierungen aufgetaucht, indem die Hamas eines Massakers beschuldigt wird. Zudem heißt es: „Die Aktionen der Hamas dienen den jüdischen Thronräubern Palästinas und den Christen, die die Muslime im Irak, Afghanistan, Tschetchenien und Somalia bekämpfen“.
Mittwoch, 19. August 2009
Hosni Mubarak bei Barack Obama - Zwischen Wunsch und Wirklichkeit
weiterlesen
Sonntag, 16. August 2009
Hisbollah: Kampfbereit und in Feierlaune
weiterlesen
Samstag, 15. August 2009
Menschlichkeit und Sicherheit
weiterlesen
Donnerstag, 13. August 2009
Clotilde Reiss
am 1. Juli wurde Clotilde Reiss bei ihrer Ausreise aus Iran am Teheraner Flughafen festgenommen. Der 24-Jährigen wird Spionage und Verschwörung gegen das iranische Regime vorgeworfen. Laut Staatsanwalt Said Mortasawi ist das Verfahren - im Rahmen eines medienwirksamen Schauprozesses - gegen die französische Lektorin mittlerweile beendet. Gegen eine Kaution könne sie möglicherweise das Gefängnis verlassen - sie müsse jedoch in Iran bleiben, bis das Urteil verkündet werde.
Mein Freund Nicolas Kayser-Bril, der mit Clotilde Reiss in Lille studierte und sie näher kennt, äußert sich an dieser Stelle zu den Vorwürfen gegen Clotilde.
By Nicola Kayser-Bril:
Clotilde Reiss has been in an Iranian jail since July 1. She’s been charged with spying and conspiring against the Iranian regime, as you’ve read.
It’s always been clear to me that Clotilde was imprisoned for political reasons. I’ve known her 3 years ago as we were organizing conferences about the Middle East in our university. Her goal was to show us, students, that Iran wasn’t only about the mullahs and nuclear weapons. She was committed to sharing her love of the Iranian world.
Apparently, not everyone knows that. I’m very sad to read that some commenters, writing under articles about Clotilde, hold her responsible for what’s happening to her. See here in Die Kleine Zeitung or in Focus Online, among many others.
I’ll try to get a few facts straights to clarify the situation.
• If she’s in jail, she must be guilty of something.
Innocent until proven guilty stands at the core of any judicial system, even in Iran. That’s why we’ll take a look at the charges before stating on her possible guilt.
• What’s she complaining about? She was looking for trouble.
Actually, Clotilde arrived in Iran months before the election, and she’s had plans to move there for the past 2 years. She didn’t go there at that time on purpose.
• She was stirring trouble against the regime.
The charges related to her involvement in the demonstrations are based on pictures she took with her mobile phone. Would shooting a few pictures of an NPD demonstration in Berlin make you an NPD supporter?
• She’s really a spy.
Clotilde did research for the Commission for Atomic Energy (CEA). This job was a mandatory internship, part of her curriculum. (I did mine at the IT department of Voice of America – Does that make me an American propagandist?) There, she had to explain Iranian politics to the people in charge of the Iranian issue. She was basically reading Iranian newspapers on the internet and summarizing them up. Quite a traditional internship, actually. True, her father works at the CEA. But if you start jailing people because of their parent’s deeds, you’re on a very sloppy ride.
• Yes, she’s a spy. Clotilde sent a report to the French embassy during the riots.
The Iranians really stretched the boundaries of common sense on this one. Seemingly purposefully, the Iranian press agencies covering the trial translated “1-page e-mail” into “report”, so as to confuse us on the nature of the message she wrote.
What’s more, it was sent to the French Institute of Research in Iran, which is linked to the embassy in Tehran. The French have such institutes in every country. Their role is to centralize and help French scholars when they carry out research on the field. These institutes happen to be financed by the Ministry of Foreign Affairs for historical reasons.This way, you understand that she just sent an email to the researchers she was working with.
Clotilde is just a toy in a political game between Iran and France. She was at the wrong place at the wrong time, that’s all.She was never involved in anything for or against the Iranian regime.That’s why we ask for her immediate release and for the charges against her to be dropped.
You can help by signing the petition
Mittwoch, 12. August 2009
Sex and the Saudi
weiterlesen
Sonntag, 9. August 2009
Bares für konfessionelle Mischehe im Irak
hier ein Beitrag von Natalia Gorzawski, die in Zukunft unser alsharq-Team bereichern wird, zu konfessionellen Mischehen im Irak.
Samstag, 8. August 2009
Ende des Schweigens - Häuserräumungen in Ost-Jerusalem
Liebe Leser,
hier ein Artikel zu den jüngsten Häuserräumungen in Ost-Jerusalem, der über den Tellerrand des Tagesgeschehens hinausblickt. Unser Dank gilt den Autoren Judith Althaus und Henrik Meyer, die in Ost-Jerusalem für die Friedrich-Ebert-Stiftung tätig sind.
Die abendliche Klezmer-Musik am Wallfahrtsort und Grab von Rabbi Shimon HaTzadik im Ost-Jerusalemer Stadtteil Sheikh Jarrah klingt seinen Bewohnern laut in den Ohren. Gerade haben die Siedler mit dem Einzug zweier jüdischer Familien Zuwachs erhalten. Die Häuser der palästinensischen Familien Al-Ghawi und Al-Hanoun wurden soeben von der israelischen Armee geräumt und jüdischen Siedlern übergeben. Ein Grund zum Feiern für die einen, Ursache von Verzweiflung und Trauer für die anderen.
Gleichzeitig wird aber auch der Protest der internationalen Gemeinschaft angesichts der jüngsten Räumungen lauter und der Ton schärfer. Die schwedische Ratspräsidentschaft nennt das Vorgehen Israels „inakzeptabel und illegal“. Israels provokantes Auftreten stünde der Schaffung einer Atmosphäre, in der eine lebensfähige und glaubwürdige Lösung für den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern gefunden werden kann, im Weg. Der Sprecher des Britischen Konsulats zeigt sich von den Räumungen erschüttert und fordert Israel auf, es nicht zuzulassen, dass „Extremisten die Agenda bestimmen“. Robert Serry, der UN-Sonderkoordinator für den Nahost-Friedensprozess, verurteilt die Räumungen, mit denen Israel die Friedensbemühungen untergrabe. Zuletzt reiht sich auch die U.S.-Regierung mit ungewohnter Klarheit und Schärfe in die Gruppe der Kritiker ein. Nachdem der israelische Botschafter ins Auβenministerium bestellt wird, nennt Hillary Clinton Israels Handeln „zutiefst bedauerlich und nicht im Einklang mit Israels Verpflichtungen.“
Dabei stehen die jüngsten Räumungen in Sheikh Jarrah in einer langen Tradition. Zuletzt wurde im November 2008 das Haus der siebenköpfigen al-Kurd Familie geräumt. Grundlage für die Räumungen ist ein Beschluss des israelischen Obersten Gerichtshofs, der 27 Häuser in Sheikh Jarrah dem Sephardic Community Committee zuspricht.
Trotz mehr als 8,000 zerstörter Wohnstrukturen in Ost-Jerusalem unter israelischer Besatzung ist Sheikh Jarrah ein besonderer Fall, der das Kernproblem des Konflikts um Jerusalem verdeutlicht und zugleich erhebliche Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als den Anspruch auf ganz Jerusalem, um die Identität der heiligen Stadt. Zur Durchsetzung dieses Anspruchs auf Jerusalem als „ewige und ungeteilte Hauptstadt Israels“ ist die Regierung Netanjahu, wie bereits die Regierung Olmert, scheinbar gewillt, beträchtliche Risiken in Kauf zu nehmen. Denn für die demographische Kontrolle über den Berghang zwischen Hebräischer Universität und dem Büro Tony Blairs im American Colony Hotel ist Israel nun sogar bereit, durch die Hintertür ein Thema wieder auf die politische Bühne zu holen, dass der jüdische Staat bislang fürchtete wie der Teufel das Weihwasser: Den Anspruch auf Rückkehr in Territorium, das vor 1948 im Besitz der anderen Seite war.
Der Anspruch der jüdischen Siedler auf die Häuser in Sheikh Jarrah, auf dessen Grundlage die Evakuierungen durchgeführt wurden, beruht auf Dokumenten aus osmanischer Zeit, in denen jüdische Präsenz in diesem Teil Jerusalems bestätigt wurde. Die Akte ist lang und selbst Eingeweihten fehlt es mitunter an Überblick über die tatsächlichen, wechselhaften Besitzverhältnisse. Die politische Tragweite der heutigen Eigentumsübertragung geht jedoch über diesen technischen Aspekt weit hinaus. Völkerrechtlich gehört Ost-Jerusalem schließlich nicht zu Israel, sondern zu einem zukünftigen Staat Palästina. Dass der israelische oberste Gerichtshof nun auf der Grundlage von Besitzverhältnissen vor der Staatsgründung Israels neue Fakten schafft, eröffnet Palästinensern unverhofft ganz neue Möglichkeiten, das vielbeschworene „Recht auf Rückkehr“ in die Tat umzusetzen. Hunderttausende Palästinenser sind nämlich noch im Besitz von Urkunden, die ihr Eigentum an Immobilien bestätigen, aus denen sie im Zuge der israelischen Staatsgründung vertrieben wurden. Teddy Kollek, Israels langjähriger Bürgermeister, hatte stets vor der Schaffung eines Präzedenzfalls in Sheikh Jarrah gewarnt. Hiermit werde die „Büchse der Pandora“ geöffnet, unabsehbare Konsequenzen könnten folgen, an deren rechtlicher Logik letztlich die Existenz des Staates Israel zerbrechen könnte.
Die Auswirkungen auf ein mögliches Friedensabkommen wären verheerend. Die neue US-Administration scheint die Tragweite dieser Entwicklungen erkannt zu haben und ist im Gegensatz zu ihrer Vorgängerregierung bereit, sich offensiv zu positionieren. Denn trotz der weitreichenden Konsequenzen des Urteils haben die Räumungen in der Vergangenheit nur leisen Protest in der Internationalen Gemeinschaft ausgelöst. Im November noch konnte die französische Ratspräsidentschaft sich nur zu einer „tiefen Besorgnis“ angesichts der Evakuierung der al-Kurd Familie durchringen. Die USA demarchierten lediglich auf Botschafter-Ebene. Sheikh Jarrah war eines von vielen Problemen auf der Nahost-Agenda, deren Lösung in bekannter Bush-Manier „den Konfliktparteien überlassen“ wurde. Dass der Stadtteil nunmehr solch groβe Beachtung erfährt, deutet auf einen Prioritäten-, wenn nicht Politikwechsel hin. Für die al-Kurds, Al-Ghawis und Al-Hanouns kommt der Protest der internationalen Gemeinschaft zu spät. Die verbleibenden 25 Familien in Sheikh Jarrah können nur hoffen, dass die laut gewordene Kritik nicht auf taube Ohren stöβt.
Freitag, 7. August 2009
Der ewige Querschläger
Kaum ein libanesischer Politiker hat so oft das politische Lager, seine Rhetorik und seine politischen Positionen geändert wie Walid Dschumblat. Nun hat der so schillernde wie umstrittene Drusenführer erneut zugeschlagen und steht wieder einmal im Zentrum der politischen Diskussion
weiterlesen
Dienstag, 4. August 2009
Fatah-Kongress in Bethlehem eröffnet
Die Fatah hat in den 60-er Jahren den bewaffneten palästinensischen Widerstand initiiert und angeführt. Als die arabischen Staaten den Sechstagekrieg und damit das Vertrauen unter den Palästinensern verloren hatten, wurde die Fatah politisch wie militärisch zu einer regionalen Großmacht. Eng mit dem palästinensischen Widerstand verbunden ist der Name Yassir Arafat, der die Bewegung gründete und bis zu seinem Tod 2004 anführte. Seine bitterste Niederlage erlitt Arafat, als seine Fatah durch die israelische Armee 1982 aus Beirut vertrieben wurde und infolgedessen an Bedeutung verlor. Dies war zugleich der Beginn alternativer, meist islamischer Befreiungsbewegungen. Durch die Osloer Verträge konnte die Fatah 1994 ihre Zentrale in die besetzten palästinensischen Gebiete verlegen, und Arafat wurde erster Präsident der neu geschaffenen Palästinensischen Autonomiebehörde (PA). Der Friedensprozess entwickelte sich jedoch kaum weiter. Folge war der Aufstieg radikaler Kräfte, vor allem der Hamas, die den islamischen Widerstand propagiert und die Osloer Verträge ablehnt. Mit jedem Rückschlag im Friedensprozess und mit jedem Misserfolg der Fatah stieg die Popularität und Bedeutung der Hamas weiter. Sie mobilisiert ihre Anhänger vor allem dadurch, dass sie Fatah als korrupten Handlanger Israels und Amerikas darstellt. Unter den Flüchtlingsgemeinschaften in den Nachbarländern ist die Enttäuschung über die Fatah besonders groß. Sie fühlen sich von ihr im Stich gelassen. Ihre Rückkehr erscheint heute ferner denn je. Unterstützung erfährt Hamas von Syrien und Iran, deren jeweilige Bedeutung in der Nahostregion auch mit einer starken Hamas in Zusammenhang steht. Spätestens seit den Parlamentswahlen von 2006 kann die Fatah nicht mehr glaubwürdig den Alleinvertretungsanspruch aufrecht erhalten. Auch die westlichen Staaten scheinen die Hamas mittlerweile als unumgängliches Übel für einen neuen Anlauf im Friedensprozess anerkannt zu haben. Vorsichtig werden diplomatische Beziehungen zu ihr aufgebaut.
Nach dem Tod ihres charismatischen Führers Arafat und dem Verlust Gazas an die Hamas 2007 geht es auf dem Generalkongress in Bethlehem in den nächsten Tagen um nicht weniger als die Zukunft der Bewegung, wenn nicht gar um ihr Überleben.
In Bezug auf eine programmatische Neuausrichtung steckt die Fatah in einem Dilemma. Sie muss einerseits das Vertrauen und den Rückhalt der palästinensischen Massen zurückerobern, indem sie entweder einen realistischen Plan zur Erlangung staatlicher Unabhängigkeit vorlegt, oder indem sie radikaler und militanter gegenüber Israel auftritt. Da mit der gegenwärtigen Regierung in Israel ein erfolgversprechender Friedensprozess nicht wahrscheinlich ist, bleibt nur die zweite, die radikale Option. Doch zugleich muss Fatah auch als moderate Bewegung in Erscheinung treten, will sie weiterhin international relevant bleiben und den Friedensprozess – wenn er denn wieder in Gang kommt – für die palästinensische Seite führen.
Abgesehen von der strategischen Ausrichtung geht es auf dem Parteitag aber zuallererst um eine personelle Neuordnung. Fatah-Chef Mahmoud Abbas, zugleich Präsident der PA, hat es bislang versäumt, die Führungsriegen zu verjüngen. Oberste Priorität sollte auch die Bekämpfung der Korruption, eine Demokratisierung der autoritären Parteistrukturen sowie die Wiederherstellung innerer Geschlossenheit haben. Der stete Bedeutungsverlust der Fatah hat nämlich zu Flügelkämpfen in der Partei geführt. Neuster Höhepunkt des inneren Konflikts war der Vorwurf Farouk Qaddumis, eines langjährigen Fatah-Veterans, Mahmoud Abbas sei in den vermeintlichen Mord an Arafat verwickelt gewesen (wir berichteten).
Als mögliche alternative Führungsfigur zu Abbas fällt oft der Name Marwan Barghouti. Er führte schon die erste und die zweite Intifada an, bevor Israel ihn verhaften konnte. Ihm wird zugetraut, wie einst Arafat, als integrativer Führer von allen Flügeln anerkannt zu werden. Doch er müsste die Neuausrichtung der Fatah aus seiner Gefängniszelle in Israel heraus organisieren. Eine Freilassung lehnt Israel auch im Falle seiner Wahl zum Fatah-Chef ab. Dazu wird es auf diesem Kongress sicher noch nicht kommen. Aber eine allgemeine Stimmungslage wird wohl deutlich werden.
Zu dem Kongress reisten Fatah-Offizielle aus der ganze Welt an. Sogar die palästinensischen „Botschafter“ aus Syrien und dem Libanon durften mit einer Sondererlaubnis nach Bethlehem reisen. Nur die Delegierten aus dem Gazastreifen durften nicht kommen, weil die dort regierende Hamas das nicht zuließ. Osama Hamdan, Hamas-Chef im Libanon, erklärte, dass deren Ausreise nur genehmigt werde, wenn im Gegenzug alle Hamas-Gefangenen im Fatah-regierten Westjordanland frei kämen. So werden die etwa 400 Fatah-Mitglieder aus Gaza, die zum Parteitag eingeladen waren, die Veranstaltung vor dem Fernseher verfolgen müssen.
Prestige per Satellit
weiterlesen
Sonntag, 2. August 2009
Von Möchtegern-Taliban und anderen politischen Konflikten - Eine kleine Sekte sorgt für Aufruhr in Nigeria
Hier ein Gastkommentar von Björn Zimprich, einem befreundeten Studenten. Zurzeit schreibt Zimprich seine Diplomarbeit über Islam in Gambia. Darüber hinaus verbrachte er mehrere Monate in verschiedenen westafrikanischen Ländern.
Im Norden Nigerias ist in der letzten Woche der Konflikt zwischen der Staatsmacht und einer islamistischen Sekte eskaliert. Demnach attackierten Mitglieder einer Gruppierung, welche sich gern als „nigerianische Taliban“ bezeichnet Polizeistation in verschiedenen Städten. Soldaten der Regierung reagierten hart auf diese Angriffe, beschossen und stürmten schließlich das Hauptquartier der Bewegung in der Stadt Maiduguri. Nach übereinstimmenden Medienberichten starben dabei über 200 Menschen, darunter auch der Anführer der Sekte Mohammed Youssuf. Nach Armeeangaben handelte es sich bei den 200 Toten ausschließlich um islamistische Kämpfer. Menschrechtsorganisation vermuten dagegen, dass unter den Toten auch viele Zivilisten sind, da die nigerianischen Sicherheitskräfte für ihre rücksichtloses Vorgehen bekannt seinen.
Im Zusammenhang mit diesen Auseinandersetzungen wurden Befürchtungen laut, dass sich die Kämpfe zu einem Flächenbrand ausweiten könnten. So kommt es in Nigeria regelmäßig zu gewaltsamen Konflikten entlang religiöser Linien, denen in den letzten Jahren bis zu 10.000 Menschen zum Opfer gefallen sind. Häufig reicht ein kleiner Funke aus um gewaltsame Ausschreitungen und Pogrome in anderen Landesteilen ausbrechen zu lassen. Nigeria ist dabei vereinfacht religiös in zwei Teile zu gliedern. Dem islamisch-geprägten Nordteil steht der Süden mit einer mehrheitlich christlichen Bevölkerung gegenüber.
Die ethnische Verteilung Nigerias ist dagegen weit komplizierter. Neben hunderten kleineren ethnischen Gruppen existieren drei große Ethnien, welche im Wesentlichen die politische Landkarte dominieren. Neben den Ibos im Südosten und den Yoruba im Südwesten sind dies die muslimischen Hausa-Fulani im Norden Nigerias. Religiöse Rhetorik hat sich im politischen Prozess Nigerias als äußerst erfolgreicher Mobilisierungsfaktor erwiesen. Insbesondere die traditionellen Hausa-Fulani Eliten haben dabei versuchte über die Einführung der Scharia in den 12 nördlichen Bundesstaaten im Jahre 1999 ihren alten politischen Einfluss zurück zu gewinnen.
Auf diesen Zug sind die „nigerianischen Taliban“ aufgesprungen. Diese fordern die Scharia in allen 36 nigerianischen Bundesstaaten, und damit auch im mehrheitlich christlichen Süden einzuführen. Dass dies keine realistische politische Forderung ist, liegt auf der Hand. Darüber hinaus richtet sich die Gruppierung gegen jegliche westliche Bildung in Nigeria, was sie über „Boko Haram“ („Bildung ist Sünde“) einem ihrer zahlreichen weiteren Namen propagiert. Insgesamt scheint es sich bei der Gruppierung eher um eine jihadistische Sekte, denn um eine breite politische Bewegung zu handeln.
Gegründet wurde sie erst vor fünf Jahren von Mohammed Youssuf. Dieser wurden nun erschossen, als er sich in Polizeihaft befand. Es scheint nahe zu liegen, dass er hingerichtet wurde. Bisher ist noch nicht abzusehen, welche Wirkung die Tötung ihres Führers auf die Gruppe haben wird, ob Mohammed Youssuf zum Märtyrer stilisiert werden kann oder durch das Fehlen der Führungsfigur die Gruppe auseinander fallen lässt. Organisatorisch scheint sie in jedem Fall schwächer entwickelt zu sein, als ihre offizielle Rhetorik vermuten lässt. Kontakte oder gar Kooperation mit den Taliban oder Al-Qaida scheinen (noch) nicht zu bestehen. Über breite Unterstützung in der Bevölkerung oder der Eliten des Nordens wird ebenfalls nichts berichtet.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die nigerianischen Taliban wohl für mehr Furore gesorgt haben, als ihre tatsächliche Schlagkraft rechtfertigen ließe. Dennoch heißt dies nicht, dass nicht auch militante Splittergruppen das fragile Gleichgewicht in Nigeria empfindlich stören können und einen Flächenbrand auslösen können. Da bisher der Konflikt fast nur zwischen Soldaten und Islamisten und nicht zwischen Angehörigen der beiden großen Religionsgruppen stattfand, ist jedoch zu hoffen dass eine Eskalation des religiösen Konflikts in ganz Nigeria nicht unmittelbar bevorsteht.