Montag, 11. April 2011

Interview mit Ja'akov Katz: "Wir werden die Grenzen von 1967 niemals akzeptieren"

Liebe Leserinnen und Leser,


wie bereits erwähnt bin ich momentan in Jerusalem, um ein Kompendium zu israelischen und palästinensischen Parteien und Bewegungen zu schreiben. Das Buch wird voraussichtlich im September 2011 erscheinen. Im Rahmen dieses Buchprojekts führe ich Interviews mit Vertretern der verschiedenen Parteien aus Israel und Palästina. Nachdem ich im Februar ein Interview mit Khalida Jarrar von der PFLP veröffentlichte, folgt hier als weiterer Vorgeschmack auf das Buch ein Beitrag zur israelischen Politik.

Ja'akov „Katzele“ Katz ist Vorsitzender der Wahlliste „Die Nationale Union“ (Ichud Leumi), die derzeit mit vier Abgeordneten im israelischen Parlament, der Knesset, vertreten ist. Der 59-Jährige ist einer der wichtigsten politischen Vertreter der israelischen Siedlungsbewegung und ein entschiedener Gegner der Zweistaaten-Lösung. Mit Alsharq sprach Katz über sein Parteienbündnis und die Zukunft des israelisch-palästinensischen Konflikts.

Herr Katz, was macht die Nationale Union einzigartig innerhalb des israelischen Parteienspektrums?

Vor zehn oder zwanzig Jahren waren unsere Positionen überhaupt nicht einzigartig. Alle Spitzenpolitiker glaubten zu dieser Zeit an das Recht der Juden auf ganz Eretz Israel, einschließlich Judäas und Samarias. Nehmen Sie Rabin, Netanyahu, Olmert oder Livni, die vor gar nicht langer Zeit sogar das Ostufer des Jordans für Israel beanspruchte. Aber während die anderen Parteien einknickten, haben wir an unserer Position festgehalten. Deshalb betrachte ich unser Bündnis auch nicht als extremistisch, wie es die Linken, die Liberalen und die Radikalen tun, die die Medien kontrollieren. Es ist vielmehr eine normale und gesunde Bewegung.


Wir werden niemals die “Auschwitz-Grenzen” von 1967 akzeptieren, die uns von den Vereinten Nationen aufgezwungen wurden. Archäologische Ausgrabungen beweisen den historischen und religiösen Anspruch der Juden auf ganz Eretz Israel Die Juden kamen nicht aus der Diaspora nach Tel Aviv zurück sondern eher nach Judäa und Samaria. Deshalb ermutigen wir Juden sehr, sich in Judäa und Samaria anzusiedeln. Dank unserer hohen Geburtenraten werden in zehn Jahren mehr als eine Million Juden in Judäa und Samaria leben. Unsere Präsenz im Heiligen Land wird unumkehrbar sein. Niemand wird es wagen uns zu vertreiben nach den schrecklichen Erfahrungen der Nazi-Herrschaft in Deutschland und der Spanischen Inquisition 1492.

Wie erklären Sie diesen Politikwechsel führender israelischer Politiker?

Die Diaspora- oder Ghetto-Mentalität schwächt Israel. Es ist sehr schwierig diese Selbstwahrnehmung, dass man unterlegen sei, zu verändern. Obwohl wir militärisch stark sind, floh Barak 2000 aus dem Libanon – die Konsequenz war Terror. Livni nahm eine kompromissbereite Haltung ein, weil die Welt gegen uns ist. Diese Appeasement-Politik könnte zu einem neuen 1938 führen.

Währenddessen zerfleischen wir Juden uns selbst, es ist eine jüdische Krankheit. Die Regierung war bereit, Juden aus Gaza auszusiedeln, aber es wird als unmoralisch betrachtet, Araber aus ihren Dörfern zu vertreiben. Der Abzug aus Gaza und die Vertreibung von Juden aus ihren Häusern wird in der jüdischen Geschichte als ein Verbrechen in Erinnerung bleiben. All jene, die für dieses Verbrechen verantwortlich sind – Sharon, Olmert, Katsav oder Halutz – sind bestraft worden. Wir sind religiöse Menschen und glauben an göttliche Einmischung.

Betrachten Sie die arabischen Nachbarn als Bedrohung für Israel?

Hamas und die Hizbullah wollen uns zerstören, 30.000 Raketen bedrohen Israel an der Nordgrenze. Aber auch in den arabischen Teilen von Judäa und Samaria, die vom so genannten “moderaten” Abu Mazen kontrolliert werden, reden die Medien und die Schulbücher über die Zerstörung Israels. Deshalb ist es überraschend, dass so ein Massaker wie in Itamar, bei dem eine jüdische Familie ermordet wurde, nur einmal geschehen ist.

Wie sollte Ihrer Meinung nach ein israelisch-palästinensischer Kompromiss aussehen?

Lassen Sie mich eines sagen, bevor ich Ihre Frage beantworte. Die arabische Gesellschaft ist eine totalitäre Gesellschaft, die Bevölkerung hat nichts dagegen, in einem totalitären System zu leben. Sie sind nicht bereit für die Demokratie und dafür, andere Kulturen zu akzeptieren.

Israel ist der einzige Ort wo Araber gleichberechtigt in eine Demokratie unter dem Rechtsstaatsprinzip leben. Deshalb wollen die israelischen Araber auch nicht Teil Palästinas werden. Deshalb wollen viele Araber in Judäa und Samaria ins israelisch-kontrollierte Jerusalem ziehen. 95 Prozent der Palästinenser – übrigens ein neues, künstliches Volk, das wir geschaffen haben – würden es vorziehen, unter israelischer Verwaltung und nicht unter der Palästinensischen Autonomiebehörde zu leben.

Lassen Sie mich klarstellen, dass ich nichts gegen Araber habe. Ich rede oft mit dem arabischen Knesset-Abgeordneten Ahmad Tibi. Wir wollen ihnen keinen Schaden zufügen und sind bereit, ihnen alle demokratischen Rechte als israelische Bürger zu gewähren. In diesem Zusammenhang lehne ich die Idee des Außenministers Liberman ab, die einen Bevölkerungsaustausch vorsieht.

Die Notwendigkeit eines Kompromisses ist heute Konsens in Israel Aber Israels Sicherheit hat für unsere Führer oberste Priorität. Eine Ein-Staaten-Lösung ist die einzige Option. Selbstbestimmung für die Palästinenser auf lokaler Ebene ist akzeptabel. Aber alle Sicherheitsbefugnisse müssen bei Israel bleiben. Israelische Kommandounternehmen im Westjordanland verhindern Terrorismus. Gaza und den Libanon haben wir verlasse, seitdem bedrohen uns von dort aus Terroristen.

Wie sieht Ihre Vorstellung von einem idealen Staat aus?

Wir sind religiöse Menschen, die auf den Messias warten, der Gerechtigkeit bringen wird. Bis er kommt befürworten wir ein demokratisches System.

Die Nationale Union wird bislang überwiegend von Aschkenasim, also aus Osteuropa stammenden Juden, unterstützt. Gibt es Versuche, die Kluft zwischen Aschenasim und Mizrachim, also den arabisch- und persisch-stämmigen Juden, zu überwinden?

Wir befinden uns in einem Prozess des Wandels. Glücklicherweise besteht unsere Führungsriege nicht mehr nur ausschließlich aus Aschkenazim. Trotzdem braucht Israel mehr Sephardim, Frauen und Säkulare in Führungspositionen. Wir arbeiten hart daran, mehr Leute aus diesen Gruppen in der Nationalen Union einzubeziehen. Ich denke, dass in zwei Generationen die Frage nach Aschkenazim und Mizrachim nicht mehr gestellt wird.

Wer sind Ihre natürlichen Verbündeten in der Knesset?

Der Likud ist wahrscheinlich die Partei, die uns am nächsten steht, auch wenn Netanyahu seine Rhetorik verändert hat. Er repräsentiert nicht die Mehrheit des Likud, die seine Bereitschaft zu zwei Staaten in Eretz Israel ablehnt. Aber wir betrachten auch andere, etwa die Shas-Partei als unsere Verbündeten: All jene, die für die Verbindung zwischen Land und Nation stehen, in der Vergangenheit und in der Zukunft.

Welche Erwartungen haben Sie für die Zukunft des Staates Israel?

In zwanzig Jahren wird es höchstwahrscheinlich keine Diskussionen über zwei Staaten mehr geben. Die Menschen werden die Siedlungen als Realität akzeptieren. Es könnte eher Diskussionen darüber geben, ob das Ostufer des Jordan zu Eretz Israel dazugehören sollte.

Das Problem mit den Muslimen wird die westliche Welt mehr als Israel betreffen. Schon heute leidet Europa mehr unter den Muslimen und dem Kampf der Kulturen als wir es tun. Europa fürchtet die Besetzung durch die Muslime, die zum Beispiel sagen: “Wir wollen, dass Deutschland muslimisch wird.”

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hammerhart. Immer wieder erstaunlich, wie sehr sich die Denkmuster von Extremisten (Rassisten, religiöse Fanatiker, Antisemiten) ähneln - man braucht wirklich nur einzelne Worte auszutauschen. Genauso erstaunlich ist dann aber auch, dass ein Extremismus wie der Ja'akov Katz niemals die gleiche Empörung - oder die gleichen politischen Schlussfolgerungen - bei europäischen Meinungsmachern hervorrufen wird wie jener der Taliban.