Sonntag, 23. September 2012

Josef "Tommy" Lapid: Faszination Leben



Die einen liebten ihn, die anderen hassten ihn: Der Journalist und Politiker Tommy Lapid war laut und selbstverliebt, aggressiv und ein Freund von deftiger Hausmannskost. Sein Sohn hat den unglaublichen Lebensweg des Multitalents aufgeschrieben und damit ein Leseerlebnis der besonderen Art kreiert. 


Von Dominik Peters

Tommy Lapid. Personifizierter Donnerhall. Ein Mann, laut, aggressiv und von sich überzeugt, dessen beste Freunde Israels ehemaliger Ministerpräsident Ehud Olmert und der geniale Satiriker Ephraim Kischon waren und der Rudolf Kasztner, eine der tragischsten Persönlichkeiten in der Geschichte des Landes, sowie Ezriel Carlebach seine Mentoren nannte.

Der studierte Jurist, der eine Vorliebe für deftige Hausmannskost vom Balkan hatte und eine nicht minder deftige Sprache sprach, eine Femme fatale zur Mutter hatte, durch den Ausbruch des Sinai-Krieges 1956 vom Lokalreporter des Wüstennestes Beersheva zum Starreporter avancierte und diesen Status bis zu seinem Tod im Sommer 2008 beibehielt, lässt sich kaum beschreiben, sein Leben gleicht der Fahrt mit einer Achterbahn. 

Doch sein Sohn, der nicht minder berühmte Jair Lapid, hat es versucht – auf eine ganz eigene Art und Weise: Er schlüpft in die Rolle seines Vaters, dem personifizierten Orthodoxen-Fresser, schreibt aus dessen Perspektive und kreiert damit ein Leseerlebnis der besonderen Art. 

Eines, das von jenem ungarischen Einwandererkind handelt, das beinahe seine gesamte Familie in den Öfen von Ausschwitz und Mauthausen verloren hatte, es in Israel nicht nur zum Politiker-Star und Aushängeschild der säkularen „Schinui“-Partei und rechten Hand des Medienmoguls Robert Maxwell, sondern auch zu einem der einflussreichsten Journalisten des Landes brachte. 

Der sich dabei immer treu blieb, ob als Justizminister und Vize-Ministerpräsident unter Ariel Scharon, Generaldirektor des staatlichen israelischen Rundfunks oder als polemische und wortgewaltige Edelfeder der konservativen Tageszeitung „Maariv“, deren Chefredakteur und England-Korrespondent er lange Zeit war, sowie als Mann für das Grobe und doch gleichzeitig auch den intelligenten Wortwitz in der legendären Polit-Talkshow Popolitika, deren Einschaltquoten bis heute unerreicht und dessen Folgen auf Youtube ein Hit sind, weil dieser Mann eine nur schwer zu füllende Lücke in der israelischen Gesellschaft hinterlassen hat.

Es gibt Bücher, die den Leser von der ersten Seite an nicht mehr loslassen – die Memoiren Tommy Lapids gehören in diese Kategorie, sind sie doch Bericht und Zeugnis eines faszinierenden Lebens, meisterhaft erzählt und elegant verknüpft mit den großen Ereignissen des jüdischen Staates.

Yair Lapid:
Memories After My Death
Elliott & Thompson
368 Seiten

24,99 Euro

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