Dienstag, 27. Februar 2007
USA blockieren Wiederaufbau im Libanon
Als Grund hierfuer gibt das Ministerium an, dass die Fuehrung der NGO der Hizbollah unterstellt sei und Geld vom iranischen Staat erhalte. In einer Presseerklaerung des US-Finanzministeriums heisst es, die Hizbollah nutze Jihad al-Binaa, um "Unterstuetzung im Volk durch die Bereitstellung von zivilen Aufbauhilfen zu erzielen. Wir werden gegen alle Facetten dieser toedlichen Terrorgruppe vorgehen."
Im juengsten Krieg zwischen Israel und der Hizbollah wurden mindestens 86000 Wohnungen im Libanon zerstoert oder schwer beschaedigt, der Grossteil von ihnen durch Waffen die in den USA hergestellt wurden. Gegenwaertig sind im Suedlibanon 1000 Ingenieure und 5000 Freiwillige noch immer damit beschaeftigt die Schaeden zu registrieren, der eigentliche Wiederaufbau wurde wegen der instabilen Lage vorerst auf Eis gelegt. Libanesen, deren Haeuser unbewohnbar sind, wurden Soforthilfen bereitgestellt, etwa um Ausweichquartiere zu bezahlen. Auch wenn das Ministerium auf ihre finanzielle Unterstuetzung fuer den libanesischen Staat hinweist, so ist dieser nicht in der Lage den Wiederaufbau des Landes allein voranzutreiben. Aus diesem Grund sind die Opfer der israelischen Luftangriffe und Bodeninvasion diejenigen die am meisten unter der US-Entscheidung zu leiden haben.
Auch wenn Jihad al-Binaa vermutlich keine groesseren Geldeinlagen bei amerikanischen Banken haben duerfte, so sorgt allein der symbolische Akt der US-Regierung fuer Unmut im Libanon. Einmal mehr sehen sich viele darin bestaetigt, dass Washington parteiisch auf Seiten Israels steht, dem man erst die Waffen liefere, ihm waehrend des Kriegs freie Hand lasse, um dann anschliessend den Wiederaufbau im Libanon zu sabotieren. Wie, so fragt man sich im Libanon, kann der Wiederaufbau von Wohnhauesern als terroristischer Akt verstanden werden?
Dass die Entscheidung des US-Finanzministeriums geeignet ist, der Hizbollah Unterstuetzung im Volk zu entziehen oder die Position des Regierungslagers im aktuellen inner-libanesischen Machtkampf zu staerken, darf bezweifelt werden.
Samstag, 24. Februar 2007
Unsere Strasse
An einem Ende unserer Strasse, die etwa einen halben Kilometer lang ist, steht seit Wochen ein Panzer. Die Besatzung wirkt ziemlich gelangweilt und ist weitaus mehr damit beschaeftigt den Maedchen hinterherzublicken als nach potentiellen Unruhestiftern Ausschau zu halten. Nach wenigen Metern kommt man zum ersten und einzigen Schawarma-Imbiss unserer Strasse. Von frueh bis spaet ist ein Mann in roter Uniform hier damit beaschaeftigt das Fleich auf zwei Spiessen - einer Huhn, der andere Rind - knusprig werden zu lassen. Ein grosses Shawarma kostet umgerechnet einen Euro.
Einige Schritte weiter faellt das Bild von Ali ins Auge, das zwischen den Wohnhaeusern an zwei Seilen befestigt ueber der Strasse haengt, dort wo waehrend der Fussball-WM eine grosse Deutschlandfahne gehangen haben soll. Ali, dem Foto nach zu urteilen Mitte Zwanzig, hat bis zum Juli in der Strasse gewohnt. Jetzt ist Ali tot, gefallen als "Maertyrer" auf Seiten der Hizbollah im Krieg gegen Israel. Auch viele Ladenbesitzer haben Alis Bild in ihren Schaufenstern zu haengen, versehen mit dem Zusatz: "Du wirst in unseren Herzen bleiben, Ali".
Neben Alis Konterfei sind die Portraits anderer Maertyrer ebenso allgegenwaertig wie Fotos von Nabih Berri und Hassan Nasrallah, sowie dem 1979 in Libyen verschwundenen Imam Musa as-Sadr. Aus vielen Fenstern haengt und auf zahlreichen Wandmalereien prangt zudem das gruen-weisse Logo der Amal-Bewegung die in dieser Strasse auch ihr Beiruter Parteibuero unterhaelt.
Die sechs- bis siebenstoeckigen Wohnhaeuser in unserer Strasse duerften aus den 70-er Jahren stammen, praktisch jede Hausfassade ist uebersaet mit Einschussloechern aus der Zeit des Buergerkriegs. Jede Wohnung verfuegt einen Balkon der mit gruenen oder orangenen Vorhaengen vor den Blicken Neugieriger geschuetzt wird. Den naechtlichen Hahnenschreien nach zu urteilen nutzt mancher Anwohner seinen Balkon wohl auch zur Gefluegelzucht.
Weitere Highlights in unserer Strasse sind ein erstklassiger Sandwichhaendler, der eine ganze Flotte an Motorrollerfahrern beschaeftigt um die Anwohner des Viertels zu beliefern, sowie ein kleiner Supermarkt der fast rund um die Uhr geoeffnet zu haben scheint und auch daenische Molkereiprodukte im Sortiment hat. Daneben gibt es einen etwas eigentuemlichen Bananenhaendler, der die Aura eines gescheiterten Religionsgelehrten versprueht. Wann immer er grad keine Bananen aus dem Suedlibanon zum Kilopreis von 50 Cent verkauft, also etwa 90% seiner Zeit, liest er versonnen in einer Miniaturausgabe des Koran oder laesst gedankenverloren die Perlen seiner Gebetskette durch die Finger gleiten.
Daneben warten gleich drei Herrenfriseure und ein Damencoiffeur in unserer Strasse auf Kundschaft. Vor ihren Schaufenstern haben sie Spendenbuechsen aufgestellt, in denen Geld fuer die "Befreiung Jerusalems" gesammelt wird. Ausserdem gibt es zwei Fleischereien in deren Schaufenstern halbe Hammel und Kaelber an Haken von der Decke baumeln. Abends werden die Knochenreste einfach in Tueten auf die Strasse gestellt, sehr zur Freude der zahlreichen hier umherstreunenden Katzen.
Hauptattraktion der Strasse ist aber momentan eine Art kleiner Wanderbaustelle, die sich ihren Weg vom einen Ende der Strasse zum anderen bahnt. Dem Anschein nach werden wohl Kabel oder Rohre verlegt. Gebannt schauen stets einige Maenner und Kinder den Arbeitern beim Buddeln und Schaufeln zu und verbringen damit Grossteile ihres Tages.
Am Ende der Strasse befindet sich eine Moschee, die "Masjid Selim Selam". Nach 4 Wochen gelingt es dem Muezzin, der etwa 40 Meter Luftlinie von meinem Kopfkissen seine Stimme erhebt, zumindest nicht mehr in jeder Nacht, mich um kurz nach halb 5 aus dem Schlaf zu reissen.
Donnerstag, 22. Februar 2007
Zur Lage im Libanon
Seither ist eine Loesung des Machtkampfs zwischen der von der USA, der EU und den sunnitischen arabischen Staaten unterstuetzten Regierung und der von Syrien und Iran gefoerderten Opposition zwar keinen Schritt naeher gerueckt, direkte Zusammenstoesse zwischen den rivalisierenden Lagern hat es seitdem jedoch nicht mehr gegeben. Gleichwohl bleibt die Lage angespannt, weiterhin blockieren tausende Oppositionelle das wirtschaftliche Zentrum des Landes und noch immer kann man in Beirut kaum einen Schritt tun ohne in 50 Meter Umkreis einen schwer bewaffneten Soldaten zu erblicken.
Am Dienstag vergangener Woche dann explodierten in zwei Pendlerbussen im libanesischen Bergdorf Ain Alaq zwei Bomben die 3 Menschen toeteten. Wer hinter dem Attentat steckt ist unklar, bekannt hat sich zu dem ersten gezielt auf Zivilisten gezielten Anschlag seit Ende des Buergerkriegs niemand, Regierung und Opposition verurteilten das Verbrechen unisono. Fuehrende Koepfe des Regierungsbuendnisses wie Samir Geagea und Walid Joumblatt machten umgehend Syrien fuer den Anschlag verantwortlich und erklaerten die drei Opfern zu "Maertyrern der Unabhaengigkeit", die damit in einer Reihe mit Rafiq Hariri, Gebran Tueni und Pierre Gemayel jr. stuenden.
Gleichwohl gibt es kritische Stimmen, die Zweifel an dieser Darstellung anmelden. Wie kann es etwa sein, dass Industrieminister Gemayel am hellichten Tag im November 2006 im belebten christlichen Vorort Jdeideh aus kuerzester Distanz von mehreren Schuessen in seinem Auto toedlich getroffen werden kann, ohne dass ein Zeuge eine Taeterbeschreibung liefern kann? Wie koennen Unbekannte zwei Sprengstoffladungen in Bussen deponieren, ohne dass jemand davon Notiz nimmt oder hinterher die Taeter beschreiben kann? Warum war in ersten Berichten nach dem Busattentat von 12 Toten die Rede? Hatte jemand ein Interesse die Zahlen medial nach oben zu treiben um so die Spannungen unter den verschiedenen Bevoelkerungsgruppen weiter anzuheizen? All diese Frage hat man in den vergangenen Tagen in Beirut auch gehoert, Antworten hierauf kann bislang niemand geben.
Amin Gemayel, in der Naehe dessen Heimatorts die Anschlaege auf die Busse stattfanden, beeilte sich jedoch zu erklaeren, "fremde Haende" seien fuer die Attentat verantwortlich und versteifte sich gar zu der Behauptung: "Libanesen toeten keine Libanesen." Wohl kaum eine Aussage skizziert das Dilemma dieses Landes deutlicher und zeigt anschaulich, woran eine Aufarbeitung des Buergerkriegs bislang gescheitert ist. Etwa 150000 Libanesen wurden zwischen 1975 und 1990 getoetet - die Verantwortung hierfuer hat niemand uebernommen.
Die Milizenfuehrer von einst, an deren Haenden das Blut Tausender klebt - sei es Amal-Chef Nabih Berri, sei es der Fuehrer der Lebanese Forces Samir Geagea oder sei es Drusenfuehrer Walid Joumblatt, sitzen auch heute noch entweder als Parlamentssprecher oder als wichtige Unterstuetzer von Premier Fuad Siniora an den Schaltstellen der Macht. Ein ehrliches Wort des Bedauerns oder ein Schuldeingestaendnis fuer in ihrem Auftrag begangene Graeueltaten waehrend des Krieges kam bislang nicht ueber ihre Lippen. Viel lieber macht man die USA, Syrien oder Israel dafuer verantwortlich, wenn Libanesen auf Libanesen schiessen, ob im Buergerkrieg oder heute.
Gleichzeitig scheint jede politische Gruppierung im Libanon, und sei sie noch so klein, geradezu besessen von der Losung der "Nationalen Einheit" zu sein. Jeder Politiker nimmt fuer sich und seine Partei in Anspruch im Namen aller Libanesen zu sprechen und einzig und allein das Wohl und die Einheit des gesamten Libanon im Auge zu haben. In kaum einem Land der Welt duerfte die Staatsflagge so omnipraesent sein wie momentan im Libanon. Aus vielen Haueserfenstern flattert die rot-weisse Flagge mit der gruenen Zeder und bei jeder Kundgebung scheint die Anzahl der Fahnen die Anzahl der Demonstranten zu uebersteigen - egal ob die Opposition oder das Regierungsbuendnis zu der Kundgebung aufruft.
Die Wahrheit ist, dass die Kluft zwischen den Konfessionen unvermindert gross ist, teilweise scheint sie noch groesser zu werden. Wie, so fragt man sich, steht es um "die nationale Einheit", wenn etwa ein Schiit nicht bereit ist, das sunnitische Viertel, dass sich 5 Minuten Fussweg von seinem Wohnhaus entfernt befindet, auch nur zu betreten?
Sonntag, 18. Februar 2007
Eine Wanderung durch die libanesischen Berge
Wir treffen uns in Cheka, einem kleinen Kuestenort eine knappe Autostunde noerdlich der Hauptstadt und fahren von hier einige Kilometer bergauf ins Landesinnere. Wir begeben uns ins "Marunistan", das Herzland der maronitischen Gemeinde im Libanon. Entlang der Strasse passieren wir mehrmals Sperrzaeune mit der Warnung, die Strasse nicht zu verlassen, da die Umgebung vermint sei - Ueberreste des libanesischen Buergerkriegs.
In der Naehe des kleinen Dorfes Hardin lassen wir das Auto stehen und wir beginnen unsere Wanderung. Der Weg fuehrt uns zunaechst ueber kleinere Huegel, an einem ehemaligen Kloster vorbei in den verlassen wirkenden Ort Hardin. Ausser einem Esel sind an diesem Samstag Mittag nur wenige Enwohner zu sehen. Viele Familien hier haben ihre Doerfer verlassen, sind nach Beirut oder ins Ausland gezogen und kehren nur noch in den Sommermonaten in ihre Heimat zurueck.
Entlang unseres Weges kommen wir immer wieder durch Olivenplantagen und Eichenwaeldchen. Riad erklaert uns, dass der Eichenbestand in der Region in den letzten Jahren immer staerker von der Abholzung bedroht ist. Das Holz gerade der jungen Baeume wird in der juengeren Vergangenheit in immer groesserem Stil zu Holzkohle verarbeitet, die dann auf den Wasserpfeifen der Beiruter Restaurants landet.
Nach etwas mehr als 2 Stunden Fussmarsch erreichen wir einen ersten Gipfel auf etwa 1300 Metern Hoehe. Auch hier stehen noch die Ruinen eines verlassenen Klosters, ein paar Schritte bergab finden wir eine Hoehle in der vor Jahrhunderten ein Eremit gelebt haben soll.
Knapp 400 Meter ueber uns erblicken wir auf einem Berggipfel zwei grosse Antennenmasten, sowie zwei Saeulen die als Ueberreste eines Tempels aus roemischer Zeit erhalten geblieben sind. Riad schwaermt uns von der Aussicht von der Bergsspitze vor und so nehmen wir den steilen Anstieg in Angriff, der dadurch erschwert wird, dass sich hier am Nordhang noch etwa 20 Zentimeter Schnee gehalten haben, die uns auf dem Weg nach oben ein ums andere Mal ins Rutschen bringen.
Der strategisch wichtige "Jabal Mnihha" wurde zu Zeiten des Buergerkriegs von den Lebanese Forces gehalten, die von hier die Orte an der etwa 25 Kilometer entfernten Mittelmeerkueste beschiessen konnten. Auch gestern finden wir noch die verrosteten Ueberreste einer Rakete im Schnee liegen. Auf dem Gipfel zeugen zwei Bunker von der Geschichte des umkaempften Bergs.
Riad hat uns nicht zuviel versprochen, die Aussicht von dem 1700 Meter hohen Berggipfel ist in der Tat atemberaubend. Entlang der Kueste im Westen kann man von Beiruts nordlichen Vororten, ueber Batroun und Tripoli bis nach Tartus hinter der syrischen Grenze gucken. Auf der oestlichen Seite bietet sich an diesem sonnigen Tag ein traumhafter Blick auf die majestaetischen Gipfel des "Jabal Lubnan". Einige tausend der 10452 Quadratkilometer des Libanon liegen uns hier oben zu Fuessen.
Die gestrige Wanderung hat Lust auf mehr gemacht.
Freitag, 16. Februar 2007
Mittwoch, 14. Februar 2007
Gedenken an Hariri: Ein Augenzeugenbericht
Normalerweise nimmt diese Strecke knapp 25 Minuten Fussweg in Anspruch.
Als wir jedoch schon von weitem die wichtigsten Zufahrtsstrassen ins Zentrum abgesperrt und bewacht sehen, ist uns klar, dass wir heute einen mehr oder weniger grossen Umweg in Kauf nehmen muessen. Wir treten an einen Soldaten heran und erkundigen uns nach dem kuerzesten Umweg nach Downtown. "You want to go to the camp or to Hariri?" entgegnet er und erklaert uns damit implizit die weitraeumigen Absperrungen: Die Besucher der Gedenkkundgebung, die sich ueberwiegend dem Regierungslager zugehoerig fuehlen, muessten zwangslaeufig die Zeltstadt der Opposition ueberqueren - die Sicherheitskraefte sind bestrebt jedes Risiko eines Zusammenstosses zu verhindern.
Ueber den oestlichen Stadtteil Achrafijeh gelangen wir schliesslich doch noch zum Maertyrerplatz. Eilig verteilen junge Maenner libanesische Flaggen, Halsbaender sowie Schilder mit dem Konterfei Rafiq Hariris und der Aufschrift "Wir vermissen dich wirklich sehr" an die vorbeiziehenden Massen.
Wir positionieren uns auf einer kleinen Anhoehe unmittelbar neben der markanten Statue, die dem Maertyrerplatz seinen Namen gibt, um von dort einen besseren Ueberblick zu bekommen. Etwas wagemutiger sind einige junge Maenner, die neben uns die Statue, etwas weiter entfernt sogar die ca. 10 Meter hohen Laternenmasten erklommen haben.
Zwar zeigt sich das Wetter heute ueberaus freundlich, dennoch werden wir etwas ungeduldig: Das Vorprogramm zieht sich fuer unseren Geschmack ein wenig zu lang hin und beschraenkt sich im wesentlichen auf ein paar Saetze des Andenkens an Rafiq Hariri und die weiteren bei Anschlaegen getoetete Politiker und Journalisten, wie Gebran Tueni, George Hawi, Samir Kassir und Pierre Gemayel. Daneben werden die Demonstranten mit patriotischen Liedern aus den Lautsprechern bei Laune gehalten.
Wir versuchen indessen die Vielzahl der vertretenen Fahnen zuzuordnen. Neben dem Meer an libanesischen Flaggen sind besonders die Lebanese Forces ueberdurchschnittlich stark vertreten und machen auch verbal hoerbar auf sich aufmerksam.
Nach knapp anderthalb Stunden ist es soweit. Von der Rednerkabine, die fuer uns guenstig einsehbar zwischen Statue und der neuerrichteten Moschee gelegen ist, lueftet sich der Vorhang und die Rednerliste ist eroeffnet. Hinter dickem kugelsicheren Glas darf so ziemlich jede mit dem Regierungsbuendnis "14. Maerz" verbundene Gruppierung einen Redebeitrag beisteuern. Selbst die sunnitisch-islamistische "Jamaa Islamiyaa" darf die Anwesenden mit einem "Bismilla arr-rahman ar-rahim" begruessen. Eher gleichgueltig verfolgen die Demonstranten die relativ monotonen und sich sehr aehnelnden Ansprachen der kleineren Splittergruppen. Auffaellig ist, dass versucht wird alle Konfessionen zu erfassen, so dass auch der sonst wenig einflussreiche, aber gegen Hizbullah positionierte schiitische Gelehrte Ali Al-Amin zu Wort kommt.
Die meisten Anwesenden warten indes ungeduldig auf die Reden der Haupttraeger des Regierungsbuendnisses und kommentieren unter sich die zahlreichen Vorredner oft mit einem "Danke, der naechste bitte".
Um ca. 12.30 Uhr brandet um uns herum ploetzlich lauter Jubel auf. Samir Geagea, der Fuehrer der Lebanese Forces betritt das Rednerpult und wird von seinen Anhaengern mit frenetischen "Hakim, Hakim"-Rufen begruesst. Wenn auch im Verlauf der gesamten Demonstration kaum eine Oppositionsgruppe direkt angegriffen wurde, so formuliert Geagea seine Kritik an Hizbullah in fuer alle Anwesenden verstaendlichen Worten: "Die libanesische Armee - sie ist der Widerstand. Der libanesische Staat - er ist der Widerstand. Die libanesische Regierung - sie ist der Widerstand." - ein direkter Seitenhieb auf Hizbullah, die sich selber als nationalen Widerstand definiert.
Auch die nachfolgende Rede des Politprofis Walid Jumblatt findet regen Zuspruch, wenn seine gegenwaertigen Standpunkte auch wohlbekannt sind. Wiederholt kritisiert er das "syrisch-iranische System", das den Libanon in einen neuen Irak verwandeln wolle.
Zum Abschluss der Kundgebung tritt schliesslich Saad Hariri vor das Mikrofon. Er fordert einen "Libanon des Dialogs", preist das gegenwaertige Kabinett Fouad Sinioras als :"Regierung des Dialogs" und fordert seine Zuhoerer gleichfalls auf, ein "Volk des Dialogs" zu sein.
In Anbetracht der Tatsache, dass ihre Dialogpartner wenige Meter von ihnen entfernt in der Zeltstadt sitzen, koennte dies als Anstoss zum Dialog genutzt werden, schliesslich sehen auch die Oppositionsanhaenger Rafiq Hariri als ihren Maertyrer, die Kundgebung loest sich nach den letzten Worten jedoch schnell wieder auf und die Demonstranten gehen ihrer Wege, ohne die Oppositionellen eines Blickes zu wuerdigen.
Dienstag, 13. Februar 2007
Libanon am Tag vor dem Hariri-Gedenken
Ueber die Hintermaenner des Anschlages kann zum gegenwaertigen Zeitpunkt nur spekuliert werden. Klar scheint nur, dass es sich um Kraefte handeln muss, die den Libanon mit Macht in einen neuen Buergerkrieg ziehen wollen. In Stellungnahmen gegenueber verschiedenen libanesischen Fernsehsendern verurteilten Vertreter von Regierung und Opposition unisono die Anschlaege.
In ersten Berichten war sogar von bis zu 12 Toten die Rede, spaeter korrigierte das Libanesische Rote Kreuz die Zahl der Opfer auf 3. Doch so oder so laesst der heutige Anschlag Schlimmes befuerchten. Zum ersten Mal naemlich wurden gezielt normale Libanesen auf dem Weg zur Arbeit ins Visier genommen. Bislang richteten sich die Anschlaege in den vergangenen zwei Jahren gezielt gegen Politiker oder Journalisten, die die syrische Besatzung des Libanon kritisiert hatten. Vielen Libanesen und westlichen Beobachtern gilt daher das Regime Damaskus als Drahtzieher der Attentatsserie.
Die Moeglichkeit, dass die heutigen Anschlaege von Selbstmordattentatern durchgefuehrt wurden kann bislang nicht ausgeschlossen werden. Nach Angaben der al-Jazeera-Reporterin am Anschlagsort gibt es jedoch eine Augenzeugin die behauptet, gesehen zu haben, wie einer der Taeter eine Sprengstoffladung in einem der Pendlerbusse deponierte.
Morgen werden hunderttausende Libanesen zu einer Gedenkveranstaltung anlaesslich des Hariri-Tods auf dem Maertyrerplatz im Zentrum Beiruts erwartet. Sie werden dann lediglich durch einen Zaun von den Oppositionsanhaengern getrennt sein, die seit dem 1.Dezember im Stadtzentrum campieren um den Sturz der Regierung zu erzwingen.
Um Zusammenstoesse zu verhindern haben fuehrende Politiker beider Lager ihre Anhaenger fuer morgen zu Ruhe und Besonnenheit aufgerufen, das Andenken an den "Maertyrer Hariri" solle nicht gestoert werden.
In Beirut wirft der morgige Gedenktag schon laenger seine Schatten voraus. Mit Hariri-Bildern geschmueckte Autos fahren durch die Strassen, aus Lautsprechern toenen patriotische Lieder. Anhanger der Mustaqbal-Jugend, der Nachwuchsorganisation der Hariri-Partei, fahren fahnenschwenkend auf ihren Mofas durch die Stadt. Auf unzaehligen Plakaten ist Rafiq Hariri ohnehin stets allegegenwaertig.
An den Aussenmauern des im Besitz der Hariri-Familie befindlichen Fernsehsenders "Future TV - al-Mustaqbal" werden die letzten Stationen im Leben des ermordeten Politikers auf Fotos abgebildet. Hariri lachend im Parlament, Hariri beim Verlassen des Parlaments, Hariri auf dem Weg durch Beirut Downtown, Hariri beim Einstieg ins Auto und schliesslich die Bilder von den brennenden Autos seines Konvois in denen am 14.Februar 2005 Hariri selbst und 21 Begleiter den Tod fanden.
Sonntag, 11. Februar 2007
Party in Beirut, Ausflug nach Byblos
Zwar treffen nach 21 Uhr fast im Minutentakt SMS-Absagen ein, dennoch entwickelt sich ein feuchtfröhlicher Abend. 12 Libanesen unterschiedlichen Glaubens und unterschiedlicher politischer Einstellungen können sich tatsächlich über Stunden in einem Raum aufhalten ohne dass es zu Handgreiflichkeiten kommt. Lediglich die einzige deutsche Frau hat alle Hände voll zu tun einen allzu aufdringlichen Libanesen in die Schranken zu weisen. Andreas, Praktikant am Goethe-Institut unterhält die Gäste mit seiner Gitarre, die Travis Version von "Baby, One more Time" wird zum Hit des Abends. Noch bevor der Muezzin von der Moschee gegenüber zum Morgengebet ruft, hat der letzte Gast unsere Wohnung verlassen.
Heute Mittag unternehmen wir dann ausgenüchtert einen Ausflug nach Byblos, eine Stadt etwa 40 Kilometer nördlich von Beirut die für ihre antiken Ruinen und ihren beschaulichen Fischerhafen bekannt ist. Die meisten Geschäfte in der beschaulichen Altstadt sind am Sonntag geschlossen, auch in dem Ruinenfeld, in dem Phönizier, Römer, Araber und Kreuzfahrer ihre Spuren hinterlassen haben verlieren sich nur wenige Gäste.
Dagegen kann sich "Pepes Fishing Club", bis zum Bürgerkrieg ein Treffpunkt des internationalen Jet-Sets über mangelnden Zuspruch nicht beklagen. Am Hafen und auf der Mole flanieren libanesische Kleinfamilien mit ihren afrikanischen oder südasiatischen Kindermädchen. Das Wasser hier scheint klar, viele Steine am Ufer zeigen jedoch deutliche Spuren von der Ölverschmutzung die durch einen israelischen Bombenangriff auf ein Elektrizitätswerk während des Julikriegs entstanden war. Auch am Strand liegen noch immer unzählige kleine schwarze Klumpen, die von der Ölpest zeugen, deren Langzeitfolgen noch immer nicht absehbar sind.
Byblos, arabisch Jbail, ist eine mehrheitlich von Christen bewohnte Stadt. Das Parteilogo der Kataib sowie Fotos von Libanons ermordetem Expräsident Baschir Gemayel sind allgegenwaertig, an einigen Autorückspiegeln hängt das Logo der Forces Libanaises. Byblos und die umliegenden Orte sind Tourismuszentren, die in den Sommermonaten besonders von Gästen aus den arabischen Golfstaaten besucht werden. Davon zeugt neben den zahlreichen Hotels, Restaurants und Cafes die große Zahl an "Super Night Clubs", sprich Bordellen.
Samstag, 10. Februar 2007
Die Schiiten im politischen System des Libanon - Teil 3
Wenn die Schiiten 40% der Libanesen stellen, sollten ihnen in dem nach Konfessionen aufgeteilten Parlament auch 40% der Abgeordnetenmandate zustehen. Es gehört zu den demokratischen Grundsätzen, dass im Parlament die verschiedenen Bevölkerungsgruppen angemessen repräsentiert werden. Aus diesem Grund ist diese Forderung "absolut legitim", sprich nach demokratischen und moralischen Grundsätzen gerechtfertigt. Mit welcher Begründung sollte man den Schiiten dieses Recht verwähren?
Wem die Schiiten dann bei künftigen Wahlen ihre Stimmen geben, sollte allein ihnen überlassen bleiben, schließlich können auch Hariri, Geagea oder Joumblatt schiitische Kandidaten aufstellen.
Natürlich geht es der Hizbollah in dem gegenwärtigen Konflikt um mehr Macht. Ihr Ziel ist es, dass in Zukunft kein politischer Akteur im Libanon an ihr vorbei Entscheidungen treffen kann. Wie erwähnt liegt es dann jedoch am libanesischen Wähler wem er seine Stimme gibt.
Es kann nicht im Sinne der Demokratie sein, den schiitischen Anteil im Parlament gegen die demographischen Realitäten künstlich klein zu halten, mit der Begründung damit ein Erstarken der Hizbollah zu verhindern. Der Glaubwürdigkeit der Demokratie im Libanon würde man damit einen Bärendienst erweisen. Vielmehr besteht dadurch die Gefahr einer Radikalisierung unter den schiitischen Libanesen. Wie soll sich deren Verhältnis zum Staat entwickeln, wenn ihre Stimme bei Wahlen weniger wert ist als die eines Christen oder Sunniten?
Da auf absehbare Zeit eine neue Volkszählung im Libanon nicht realistisch ist und am Widerstand der christlichen Minderheit scheitert, wird am Ende ein Kompromiss stehen müssen. Nach diesem wird der Anteil der Schiiten in Parlament und Regierung größer sein, an der Aufteilung der Ämter des Staatspräsidenten, Regierungschefs und Parlamentssprechers unter den Konfessionen wird nicht gerüttelt.
Dass bei einem solchen Kompromiss auch die Hizbollah Zugeständnisse wird machen müssen liegt auf der Hand. Solange jedoch die Hizbollah über die Schia im Libanon hinaus als "Widerstandsbewegung" begriffen wird, ist es bis zu einer Entwaffnung der Hizbollah ein weiter Weg.
Vor diesem Hintergrung sind auch Elie Khourys Ansaetze zwar durchaus interessant, werden so jedoch nie in die Tat umgesetzt. Bezueglich der in meinem letzten Beitrag erbetenen Begriffsdefinition erfährt man von ihm wenig Neues. Die Anhänger des "14. Maerz" sind die "Gemäßigten", alle anderen in Abstufungen mehr oder weniger "radikal".
Freitag, 9. Februar 2007
"Der Text macht einen sprachlos" - Eine Erwiderung
"Der Text macht einen sprachlos. Eine Umverteilung der politischen Macht nach dem vorgestellten Modell stärkt die radikalen, nicht-staatstragenden Kräfte. Was kommt danach? Der islamische Gottesstaat? Diese Perspektive führt zur Auswanderung der gemäßigten Libanesen. Man könnte dagegen aber auch das Wahlrecht für Auslandslibanesen fordern. Dann sähe die Verteilung im Parlament anders aus. Aber die Radikalen boykottieren diese Forderung. Vielleicht ist eine Separation des Staates die bessere Alternative. Die Gemäßigten zahlen schon seit langem einen zu hohen Preis für die Koexistenz mit Radikalen."
Fakt ist, dass die Schiiten als zahlenmäßig größte Konfessionsgruppe im Libanon im Parlament unterrepräsentiert sind. Es ist daher absolut legitim, dass diese Gruppe nun eine Vertretung im Parlament für sich beansprucht, die anteilsmäßig den demographischen Realitäten im Land Rechnung trägt. Dies ist ein demokratisches Grundrecht.
Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass nur eine Minderheit der Schiiten im Libanon "radikal" und nicht jeder Schiit Hizbollah-Anhänger ist. Es ist vielmehr die Ausgrenzung und Benachteiligung der Schiiten in vielen Bereichen von Politik und Gesellschaft, die die radikalen Kräfte innerhalb der Religionsgemeinschaft stärkt. Eine angemessene Repräsentation der Schiiten in der Nationalversammlung wäre der erste Schritt zu einer wirklichen Integration der Schiiten in den libanesischen Staat. Gegenwärtig sind 27 von 128 Abgeordneten Schiiten. Will man an dem konfessionellen Wahlsystem festhalten, ist das schlicht zu wenig.
Vom Ideal eines Gottesstaats hat sich die Hizbollah im Übrigen längst verabschiedet, wenn es dieses überhaupt je entschieden verfochten hat. Die Partei ist sich durchaus bewusst, dass auch die Schiiten nur eine der 18 religiösen Minderheiten im Land sind, die den anderen Konfessionen nicht ihr Staatsideal aufzwingen kann.
Das Wahlrecht fuer Auslandslibanesen ist in der Tat ein brisantes Thema. Sollten die etwa 1,2 Millionen Exil-Libanesen der zweiten Generation tatsächlich das Wahlrecht bekommen, würde dies natürlich die Zusammensetzung des Parlaments beeinflussen, da etwa drei Viertel von ihnen christlichen Glaubens sind. Gleichwohl muss die Frage erlaubt sein, wie demokratisch ein Wahlsystem ist, in dem dann ein Drittel der Wähler im Ausland lebt und von den politischen Entscheidungen im Libanon nur sehr mittelbar betroffen ist.
Eine Aufspaltung des Libanons entlang der Konfessionen ist erstens nicht praktikabel, da nur wenige Teile des Landes ausschließlich von einer Konfessionsgruppe bewohnt werden und ein solcher Schritt nur zun noch mehr Tod und Vertreibung führen wuerde. Das libanesische Volk wird über kurz oder lang einen Modus Vivendi finden müssen, in dem sich die religiöse Vielfalt des Landes angemessen widerspiegelt.
Zum Abschluss eine Aufgabe für die Leserschaft: Gesucht werden Definitionen für die Begriffe "radikaler Libanese" und "gemäßigter Libanese".
Donnerstag, 8. Februar 2007
Libanon - Wege aus der Krise?
Heute, knapp zwei Jahre und einen Krieg mit Israel später, durchlebt der Zedernstaat die wohl schwerste innenpolitische Krise seit dem Ende des Bürgerkriegs. Die Regierung von Fuad Siniora, die maßgeblich von Hariri-Sohn Saad, Drusenführer Walid Joumblatt und den Forces Libanaises von Samir Geagea unterstützt wird, steht einer Opposition aus den Schiitenbewegungen Amal und Hizbollah, der Partei des christlichen Ex-Generals Michel Aoun, sowie anderer kleinerer sunnitischer und drusischer Gruppierungen gegenüber.
Das Vorgehen der Oppositionellen in diesem Machtkampf ist durchaus fragwürdig. Im November vergangenen Jahres traten die schiitischen Minister aus freien Stücken aus der Regierung der Nationalen Einheit aus und diffamierten das Kabinett fortan als "Regierung Jeffrey Feltmans", da der amerikanische Botschafter im Libanon im Hintergrund alle Fäden
in der Hand halte. Ausserdem seien die libanesischen Schiiten nun nicht mehr in der Regierung vertreten und diese somit illegitim.
Kaum jemand bestreitet, dass die Opposition mit ihrer Kritik an der Regierung wunde Punkte trifft. Die Staatsverschuldung steigt rapide, die grassierende Korruption im Land bekämpft das Kabinett nur sehr halbherzig. Das zuvor immer wieder angebrachte Argument, Syrien würde das Land ausbeuten und sei für die Missstände verantwortlich, greift seit 2 Jahren nicht mehr.
Im Grunde geht es in dem aktuellen Konflikt jedoch um mehr. Die Schiiten wollen mehr Gewicht in den innenpolitischen Kräefteverhaltnissen im Libanon gewinnen. Laut dem Taif-Abkommen, das Ende 1989 den Büergerkrieg beendete, steht den libanesischen Christen die Hälfte der 128 Parlamentssitze zu. Die andere Hälfte geht an muslimische Abgeordnete, unter ihnen Sunniten, Schiiten und Drusen.
Die Schiiten halten damit momentan weniger als ein Viertel der Abgeordnetenmandate in der Nationalversammlung. Die demographischen Realitäten spiegelt das Parlament damit nicht wieder. Da die letzte Volkszählung im Libanon 1932 unternommen wurde, lässt sich über die konfessionelle Zusammensetzung des Libanon nur spekulieren, dennoch gilt als sicher, dass die Schiiten momentan mehr als ein Drittel der im Land lebenden Libanesen ausmachen. Etwas geringer wird der Anteil der Sunniten geschätzt, etwas mehr als jeder Vierte Libanese dürfte sich zu einer der christlichen Konfessionen bekennen.
Das Taif-Abkommen vermochte es - unter Anerkennung der syrischen Vorherrschaft - den Nachkriegs-Libanon zu stabiliseren und die Spannungen zwischen den Bürgerkriegsparteien von einst zu dämpfen. Nun jedoch pochen Libanons Schiiten, allen voran die Hizbollah, auf mehr Mitsprache und unter dem Motto "Ein Drittel plus eine Stimme" um mehr Gewicht in Parlament und Regierung.
Der Zeitpunkt hierfür ist günstig gewählt. Innenpolitisch ging die Hizbollah gestärkt aus dem Julikrieg mit Israel hervor. Außenpolitisch scheint ein Friedensabkommen zwischen Syrien und Israel nach den jüngsten Gerüchten über Geheimverhandlungen nicht mehr völlig utopisch. Die syrische Unterstützung für die Hizbollah würde dann ein Ende finden.
Soll der gegenwaertige Konflikt friedlich gelöst werden, kann nach jetzigem Stand am Ende nur ein Kompromiss stehen, in dem das schiitische Lager gestärkt wird. Möglich wäre etwa ein Modell, das die Konfessionen im Parlament folgendermassen aufteilt.: 32% Christen, 32% Sunniten, 32% Schiiten, 4% Drusen.
Ein christlicher Würdenträger im Libanon, der der Parteinahme für die Opposition unverdächtig ist, meinte im Hinblick auf die momentane Lage im Land gestern zu uns.: "Die Schiiten fordern ihr rechtmäßiges Stück am libanesischen Kuchen. Je schneller wir Christen das akzeptieren, desto besser für unser Land."
Montag, 5. Februar 2007
Sonntag, 4. Februar 2007
Wochenende in Beirut
Also stehen wir um kurz vor Mitternacht vor dem Club im Beiruter Stadtteil Sinn el-Fil, gerade rechtzeitig um in den Genuss des verlockenden Sondertarifs zu gelangen, der da lautet: "Für umgerechnet 10 Euro sind die ganze Nacht lang alle Getränke umsonst." Neben dem Eintrittsgeld lassen einige Besucher auch gleich noch ihre mitgebrachte Pistole am Tresen zurück.
Die Musik im Acid ist sehr laut und sehr elektrisch, die Gäste zum Teil sehr extrovertiert. Wir bilden als nicht Drogen konsumierende, heterosexuelle Ausländer zwar in vielerlei Hinsicht eine Minderheit haben aber dennoch unseren Spaß, der Alkohol tut sein Übriges.
Am Sonnabend machen wir uns dann ein Bild davon, welch verheerenden Auswirkungen die Belagerung von Beirut Downtown durch die libanesischen Oppositionsanhänger hat. Der Besucher des Viertels muss sich seinen Weg durch die Zeltstadt der Protestierenden bahnen, die Kunden bleiben weg, viele Geschäfte in den piekfeinen Straßen sind seit Wochen geschlossen. Auf den fünf Etagen des Virgin Megastores am Märtyrerplatz verlieren sich am Samstag Nachmittag genau sechs Kunden. Der Sicherheitsmann am Eingang freut sich über jeden Rucksack den er durchsuchen kann, die etwa 20 gelangweilten Mitarbeiter vertreiben sich die Zeit mit Zeitung lesen oder sinnlosem Rumstehen. Wie lange das nocht gut gehen soll, weiß niemand.
Ein ähnliches Bild dann am Abend im Ausgehviertel um die Rue Monot, die nur einen Steinwurf von den ersten Zelten entfernt verläuft. Schon um halb Zwei werden hier bildlich gesprochen die Bürgersteige hochgeklappt und ein beeindruckender Konvoi an Autos der Marken Mercedes, Chrysler und Hummer rollt in Richtung der Beiruter Vororte. Viele Laden- und Kneipenbesitzer haben an die Türen oder über die Tresen den Slogan "Keine Politik" gehängt um Streitigkeiten unter den Gästen zu verhindern.
Natürlich berichten auch die zehlreichen arabischen Sportsender in großer Ausführlichkeit von der Handball-WM. Die al-Jazeera-Reporterin in Köln interviewt in der Halbzeitpause des WM-Finals eine Gruppe ziemlich geschmacklos gekleideter deutscher Fans, die man sich eigentlich nicht als Botschafter gegenüber der Arabischen Welt wünscht. Während des Spiels gerät der Reporter ein ums andere Mal über die Leistung von "al-Mannschaft" im Allgemeinen und "Jansen Torsten" im Besonderen in Verzückung.
Überhaupt hat man als Deutscher im Libanon nach wie vor einen ziemlich guten Stand, auch wenn es Gerüchte gibt, im Vorfeld des Prozesses gegen die "Kofferbomber" versuche die Familie eines der Angeklagten einen oder mehrere Deutsche, am liebsten Diplomaten, zu entführen um so die Freilassung ihres Angehörigen zu erreichen.
Ab und zu wissen Libanesen jedoch auch Abenteuerliches über Deutschland zu berichten. So klärt uns ein Taxifahrer auf, dass auf den deutschen UNIFIL-Schiffen, die vor der libanesischen Küste Waffenlieferungen an die Hizbollah unterbinden sollen, stets israelische Generäle stationiert seien, die pausenlos damit beschäftigt sein sollen den Libanon auszuspionieren und dessen Fischer zu drangsalieren. Wirklich erstaunt ist unser Chauffeur darüber nicht, er hat auch gar nichts anderes erwartet, schließlich sei mit Angela Merkel eine Jüdin Bundeskanzlerin.
Freitag, 2. Februar 2007
Angespannte Ruhe im Libanon
Dies lässt die Hoffnung unter den Libanesen steigen, dass eine Lösung des gegenwärtigen Machtkampfes zwischen Opposition und Regierung doch noch auf dem Verhandlungswege erreicht werden kann. Gleichwohl meinen Viele, dass selbst ein Rücktritt von Ministerpräsident Siniora, Neuwahlen oder ein anderer Kompromiss keine stabile Basis für die politische Entwicklung des Zedernstaates in den kommenden Jahren bilden kann. Dafür bedürfe es eines grundlegenden Mentalitätswandels sowohl innerhalb des Volkes als auch unter den politischen Eliten des Landes.
Seriöse Aussagen über die Unterstützung von Regierung bzw. Opposition im Volk lassen sich nur sehr schwer treffen. Zwar scheint die Opposition momentan die Mehrheit der Libanesen hinter sich zu haben, doch heißt dies nicht, dass viele ihrer Sympathisanten, sollte es zu Neuwahlen kommen, in der Wahlkabine nicht doch wieder ihr Kreuz bei einem Kandidaten des Regierungsbündnisses machen.
Erstaunlich einig sind sich sowohl Anhänger des Regierungslagers als auch der Opposition, dass die Hizbollah von allen politischen Akteuren momentan das geringste Interesse an einer bürgerkiegsähnlichen Zuspitzung der Lage haben dürfte. Damit würde die Partei viel Rückhalt unter ihren Sympathisanten aus dem christlichen oder sunnitischen Lager verlieren. Diesen hatte sich die Bewegung von Generalsekretär Nasrallah verstärkt nach dem Sommerkrieg 2006 erworben, in dessen Folge die Hizbollah nicht mehr nur als schiitische sondern in stärkerem Maße als libanesische Widerstandsbewegung gegen Israel gesehen wird.
Aus diesem Grund bezichtigen viele Oppositions-Anhänger in diesen Tagen die USA und Israel, die Hizbollah in einen neuen libanesischen Bürgerkrieg hineinziehen zu wollen, um die Schiiten-Bewegung zu diskreditieren und somit auch innerhalb des Libanon eine breitere Zustimmung fuer die Entwaffnung der Hizbollah zu erreichen. Viele Sympathisanten Michel Aouns oder der Hizbollah sehen den Führer der maronitischen Lebanese Forces, Samir Geagea, als treibende Kraft hinter Bestrebungen einen neuen Bürgerkrieg an der Levante zu entfachen, schon allein deshalb weil der ruchlose Warlord von einst dieses Handwerk am besten beherrscht.
Umso spannender dürfte sein, wie die nächsten Schritte der Opposition im Machtkampf mit der Regierung sein werden. Nach mehreren Großdemonstrationen, der wochenlangen Belagerung des Regierungsviertels und einem Generalstreik scheinen die Hizbollah und ihre Verbündeten ihr Blatt weitgehend ausgereizt zu haben.