Am kommenden Mitwoch jährt sich das tödliche Attentat auf den ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafiq Hariri zum zweiten Mal. In den Wochen danach erschütterte eine Anschlagsserie das Land, Massenproteste und internationaler Druck führten schließlich zum Abzug der syrischen Armee aus dem Libanon.
Heute, knapp zwei Jahre und einen Krieg mit Israel später, durchlebt der Zedernstaat die wohl schwerste innenpolitische Krise seit dem Ende des Bürgerkriegs. Die Regierung von Fuad Siniora, die maßgeblich von Hariri-Sohn Saad, Drusenführer Walid Joumblatt und den Forces Libanaises von Samir Geagea unterstützt wird, steht einer Opposition aus den Schiitenbewegungen Amal und Hizbollah, der Partei des christlichen Ex-Generals Michel Aoun, sowie anderer kleinerer sunnitischer und drusischer Gruppierungen gegenüber.
Das Vorgehen der Oppositionellen in diesem Machtkampf ist durchaus fragwürdig. Im November vergangenen Jahres traten die schiitischen Minister aus freien Stücken aus der Regierung der Nationalen Einheit aus und diffamierten das Kabinett fortan als "Regierung Jeffrey Feltmans", da der amerikanische Botschafter im Libanon im Hintergrund alle Fäden
in der Hand halte. Ausserdem seien die libanesischen Schiiten nun nicht mehr in der Regierung vertreten und diese somit illegitim.
Kaum jemand bestreitet, dass die Opposition mit ihrer Kritik an der Regierung wunde Punkte trifft. Die Staatsverschuldung steigt rapide, die grassierende Korruption im Land bekämpft das Kabinett nur sehr halbherzig. Das zuvor immer wieder angebrachte Argument, Syrien würde das Land ausbeuten und sei für die Missstände verantwortlich, greift seit 2 Jahren nicht mehr.
Im Grunde geht es in dem aktuellen Konflikt jedoch um mehr. Die Schiiten wollen mehr Gewicht in den innenpolitischen Kräefteverhaltnissen im Libanon gewinnen. Laut dem Taif-Abkommen, das Ende 1989 den Büergerkrieg beendete, steht den libanesischen Christen die Hälfte der 128 Parlamentssitze zu. Die andere Hälfte geht an muslimische Abgeordnete, unter ihnen Sunniten, Schiiten und Drusen.
Die Schiiten halten damit momentan weniger als ein Viertel der Abgeordnetenmandate in der Nationalversammlung. Die demographischen Realitäten spiegelt das Parlament damit nicht wieder. Da die letzte Volkszählung im Libanon 1932 unternommen wurde, lässt sich über die konfessionelle Zusammensetzung des Libanon nur spekulieren, dennoch gilt als sicher, dass die Schiiten momentan mehr als ein Drittel der im Land lebenden Libanesen ausmachen. Etwas geringer wird der Anteil der Sunniten geschätzt, etwas mehr als jeder Vierte Libanese dürfte sich zu einer der christlichen Konfessionen bekennen.
Das Taif-Abkommen vermochte es - unter Anerkennung der syrischen Vorherrschaft - den Nachkriegs-Libanon zu stabiliseren und die Spannungen zwischen den Bürgerkriegsparteien von einst zu dämpfen. Nun jedoch pochen Libanons Schiiten, allen voran die Hizbollah, auf mehr Mitsprache und unter dem Motto "Ein Drittel plus eine Stimme" um mehr Gewicht in Parlament und Regierung.
Der Zeitpunkt hierfür ist günstig gewählt. Innenpolitisch ging die Hizbollah gestärkt aus dem Julikrieg mit Israel hervor. Außenpolitisch scheint ein Friedensabkommen zwischen Syrien und Israel nach den jüngsten Gerüchten über Geheimverhandlungen nicht mehr völlig utopisch. Die syrische Unterstützung für die Hizbollah würde dann ein Ende finden.
Soll der gegenwaertige Konflikt friedlich gelöst werden, kann nach jetzigem Stand am Ende nur ein Kompromiss stehen, in dem das schiitische Lager gestärkt wird. Möglich wäre etwa ein Modell, das die Konfessionen im Parlament folgendermassen aufteilt.: 32% Christen, 32% Sunniten, 32% Schiiten, 4% Drusen.
Ein christlicher Würdenträger im Libanon, der der Parteinahme für die Opposition unverdächtig ist, meinte im Hinblick auf die momentane Lage im Land gestern zu uns.: "Die Schiiten fordern ihr rechtmäßiges Stück am libanesischen Kuchen. Je schneller wir Christen das akzeptieren, desto besser für unser Land."
Donnerstag, 8. Februar 2007
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1 Kommentar:
Der Text macht einen sprachlos. Eine Umverteilung der politischen Macht nach dem vorgestellten Modell stärkt die radikalen, nicht-staatstragenden Kräfte. Was kommt danach? Der islamische Gottesstaat? Diese Perspektive führt zur Auswanderung der gemäßigten Libanesen. Man könnte dagegen aber auch das Wahlrecht für Auslandslibanesen fordern. Dann sähe die Verteilung im Parlament anders aus. Aber die Radikalen boykottieren diese Forderung. Vielleicht ist eine Separation des Staates die bessere Alternative. Die Gemäßigten zahlen schon seit langem einen zu hohen Preis für die Koexistenz mit Radikalen.
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