Das erste was wir sahen, als wir heute vor 4 Wochen in Beirut ankamen, war eine dichte schwarze Rauchwolke die sich ueber dem Westen der Stadt erhob. Armeefahrzeuge rollten durch die Strassen, Soldaten zogen hastig an uns vorbei, in der Ferne fielen Schuesse. An jenem 25.Januar hatte sich in der Cafeteria der Arabischen Universitaet ein Streit zwischen Anhaengern der Opposition und der Regierung entzuendet - am Ende waren 4 Studenten tot, 150 weitere verletzt. Weitaus groessere Wirkung als die nackten Zahlen hatten die Bilder von Heckenschuetzen, die aus den umliegenden Haeusern auf Menschen schossen, die am Abend ueber die libanesischen Fernsehbildschirme flimmerten und bei vielen hier boese Erinnerungen an den Buergerkrieg weckten, als sich christliche und muslimische Millizen auf gleiche Weise bekaempften.
Seither ist eine Loesung des Machtkampfs zwischen der von der USA, der EU und den sunnitischen arabischen Staaten unterstuetzten Regierung und der von Syrien und Iran gefoerderten Opposition zwar keinen Schritt naeher gerueckt, direkte Zusammenstoesse zwischen den rivalisierenden Lagern hat es seitdem jedoch nicht mehr gegeben. Gleichwohl bleibt die Lage angespannt, weiterhin blockieren tausende Oppositionelle das wirtschaftliche Zentrum des Landes und noch immer kann man in Beirut kaum einen Schritt tun ohne in 50 Meter Umkreis einen schwer bewaffneten Soldaten zu erblicken.
Am Dienstag vergangener Woche dann explodierten in zwei Pendlerbussen im libanesischen Bergdorf Ain Alaq zwei Bomben die 3 Menschen toeteten. Wer hinter dem Attentat steckt ist unklar, bekannt hat sich zu dem ersten gezielt auf Zivilisten gezielten Anschlag seit Ende des Buergerkriegs niemand, Regierung und Opposition verurteilten das Verbrechen unisono. Fuehrende Koepfe des Regierungsbuendnisses wie Samir Geagea und Walid Joumblatt machten umgehend Syrien fuer den Anschlag verantwortlich und erklaerten die drei Opfern zu "Maertyrern der Unabhaengigkeit", die damit in einer Reihe mit Rafiq Hariri, Gebran Tueni und Pierre Gemayel jr. stuenden.
Gleichwohl gibt es kritische Stimmen, die Zweifel an dieser Darstellung anmelden. Wie kann es etwa sein, dass Industrieminister Gemayel am hellichten Tag im November 2006 im belebten christlichen Vorort Jdeideh aus kuerzester Distanz von mehreren Schuessen in seinem Auto toedlich getroffen werden kann, ohne dass ein Zeuge eine Taeterbeschreibung liefern kann? Wie koennen Unbekannte zwei Sprengstoffladungen in Bussen deponieren, ohne dass jemand davon Notiz nimmt oder hinterher die Taeter beschreiben kann? Warum war in ersten Berichten nach dem Busattentat von 12 Toten die Rede? Hatte jemand ein Interesse die Zahlen medial nach oben zu treiben um so die Spannungen unter den verschiedenen Bevoelkerungsgruppen weiter anzuheizen? All diese Frage hat man in den vergangenen Tagen in Beirut auch gehoert, Antworten hierauf kann bislang niemand geben.
Amin Gemayel, in der Naehe dessen Heimatorts die Anschlaege auf die Busse stattfanden, beeilte sich jedoch zu erklaeren, "fremde Haende" seien fuer die Attentat verantwortlich und versteifte sich gar zu der Behauptung: "Libanesen toeten keine Libanesen." Wohl kaum eine Aussage skizziert das Dilemma dieses Landes deutlicher und zeigt anschaulich, woran eine Aufarbeitung des Buergerkriegs bislang gescheitert ist. Etwa 150000 Libanesen wurden zwischen 1975 und 1990 getoetet - die Verantwortung hierfuer hat niemand uebernommen.
Die Milizenfuehrer von einst, an deren Haenden das Blut Tausender klebt - sei es Amal-Chef Nabih Berri, sei es der Fuehrer der Lebanese Forces Samir Geagea oder sei es Drusenfuehrer Walid Joumblatt, sitzen auch heute noch entweder als Parlamentssprecher oder als wichtige Unterstuetzer von Premier Fuad Siniora an den Schaltstellen der Macht. Ein ehrliches Wort des Bedauerns oder ein Schuldeingestaendnis fuer in ihrem Auftrag begangene Graeueltaten waehrend des Krieges kam bislang nicht ueber ihre Lippen. Viel lieber macht man die USA, Syrien oder Israel dafuer verantwortlich, wenn Libanesen auf Libanesen schiessen, ob im Buergerkrieg oder heute.
Gleichzeitig scheint jede politische Gruppierung im Libanon, und sei sie noch so klein, geradezu besessen von der Losung der "Nationalen Einheit" zu sein. Jeder Politiker nimmt fuer sich und seine Partei in Anspruch im Namen aller Libanesen zu sprechen und einzig und allein das Wohl und die Einheit des gesamten Libanon im Auge zu haben. In kaum einem Land der Welt duerfte die Staatsflagge so omnipraesent sein wie momentan im Libanon. Aus vielen Haueserfenstern flattert die rot-weisse Flagge mit der gruenen Zeder und bei jeder Kundgebung scheint die Anzahl der Fahnen die Anzahl der Demonstranten zu uebersteigen - egal ob die Opposition oder das Regierungsbuendnis zu der Kundgebung aufruft.
Die Wahrheit ist, dass die Kluft zwischen den Konfessionen unvermindert gross ist, teilweise scheint sie noch groesser zu werden. Wie, so fragt man sich, steht es um "die nationale Einheit", wenn etwa ein Schiit nicht bereit ist, das sunnitische Viertel, dass sich 5 Minuten Fussweg von seinem Wohnhaus entfernt befindet, auch nur zu betreten?
Donnerstag, 22. Februar 2007
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