Montag, 25. Mai 2009

Hizbollah, Hariri und Der Spiegel - Scoop oder Ente?

Die Meldung schlug ein wie eine Bombe: Am Samstag veröffentlichte "Der Spiegel" auf seiner englischsprachigen Website einen Artikel, indem die Hizbollah beschuldigt wird, den ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafiq Hariri ermordet zu haben. Der Bericht von Erich Follath löste im Libanon ein breites Echo aus und dominiert seither die Berichterstattung in den libanesischen Medien.

Follaths Enthüllungen, die auch im aktuellen Magazin veröffentlicht wurden, stützen sich auf die Aussagen nicht namentlich genannter Quellen aus dem Umfeld des Sondertribunals in Den Haag. Daneben habe der Autor Einsicht in interne Dokumente erhalten, die nicht genauer spezifiziert oder abgedruckt wurden.

In jedem Fall hat der Bericht das Potential die politische Landschaft im Libanon schwer zu erschüttern - besonders angesichts der Wahlen, die am 7. Juni anstehen. Aus diesem Grund haben die rivalisierenden politischen Lager im Libanon bislang äußerst zurückhaltend auf den Spiegel-Artikel reagiert. Walid Jumblatt, Führer der drusischen PSP und derzeit (noch) ein innenpolitischer Gegner der Hizbollah, erinnerte an die Ereignisse die zum Ausbruch des Bürgerkriegs 1975 geführt hatten und warnte, der Spiegel-Bericht könnte eine ähnliche Wirkung entfalten.

Diese Befürchtung scheint keinesfalls übertrieben und in der aktuellen Lage könnte jedes falsche Wort eines libanesischen Parteichefs die Lage jederzeit eskalieren lassen. Sollten sich die im Spiegel veröffentlichen Anschuldigungen gegen die Hizbollah bestätigen drohe ein neuer Bürgerkrieg, fürchten Analysten.

Bislang wird der Bericht in der libanesischen Presse weitgehend einhellig zurückgewiesen. Hinter der angeblichen Quelle stecke Israel, das mit dem Bericht für Unruhe im Libanon sorgen wolle. Einige Blätter sehen in Follaths Bericht eine Reaktion auf die angeblichen israelischen Spionage-Ringe, die in den letzten Wochen im Libanon enttarnt wurden.

Über die Glaubwürdigkeit des Spiegel-Artikels fällt es derzeit schwer, konkrete Aussagen zu treffen. In keinem Fall außer Acht sollten ältere Artikel Erich Follaths, in denen der Journalist kaum Zweifel daran ließ, dass Syrien für den Mord an Hariri verantwortlich sei. Man sollte jedoch auch davon ausgehen können, dass Follaths jetzige Quelle einigermaßen seriös ist, denn der Spiegel-Journalist dürfte sich der Auswirkungen seiner Geschichte bewusst sein. Auch für das Hamburger Nachrichtenmagazin steht einiges auf dem Spiel. Sollte sich der vermeintliche Scoop als Ente entpuppen, droht die Glaubwürdigkeit des Spiegel - gerade hinsichtlich der Nahost-Berichterstattung - schweren Schaden zu nehmen.

Einige Punkte in dem Bericht werfen jedoch Fragen auf - besonders die nach dem Motiv für den Mord: Die Behauptung, Rafiq Hariri sei auf dem Wege gewesen Hassan Nasrallah in puncto Popularität zu überflügeln, scheint jedenfalls sehr weit hergeholt. Dafür, dass der Multi-Milliardär als Gegenmodell zu Nasrallah an Beliebtheit gewann, gibt es keine Belege. Hariri war beliebt unter Sunniten; bei den Schiiten - und nur die dürften aus Sicht Nasrallahs interessant sein - war der Zuspruch für den Hizbollah-Generalsekretär ungebrochen, wie etwa die Demonstration am 8.März 2005 kurz nach dem Mord an Hariri bewies.

Daneben ist von persönlichen Konflikten zwischen Nasrallah und Hariri nichts bekannt. Beide sollen sich regelmäßig getroffen haben - ihre politischen Bewegungen waren zudem keine direkten Konkurrenten, die etwa um die gleiche Wählerschaft konkurrierten.

Seltsam erscheint auch dass dieser Ermittlungs-Durchbruch mehr als 4 Jahre nach dem tödlichen Anschlag von Beirut gelungen sein soll. Dass mehrere Mobiltelefone bei dem Anschlag eine Rolle gespielt haben sollen, ist seit Langem bekannt. Merkwürdig erscheint daher, dass man erst jetzt herausgefunden haben will, dass diese zum Umfeld der Hizbollah gehört haben sollen. Warum aber wurden diese dann in Tripoli gekauft - einer sunnitischen Hochburg, fernab von den Gebieten, die von der Hizbollah kontrolliert werden?

Das größte Fragezeichen hinter dem Bericht wirft jedoch der Zeitpunkt seiner Veröffentlichung auf. 14 Tage vor den mit Spannung erwarteten Parlamentswahlen im Libanon glaubt kaum jemand an einen Zufall und es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Bericht politisch benutzt wird.

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich stimme damit überein, dass für den Spiegel eine Menge auf dem Spiel steht, wenn der Bericht falsch ist. Auszuschliessen ist es nicht, dass der Autor falschen Informationen aufgesessen hat.
Aber der Spiegel hat genügend Erfahrungen mit investigativen Geschichten. Die Redaktion sollte in der Lage sein diese Art von Information gründlich zu überprüfen. Bislang ist mir keine Geschichte bekannt, bei der der Spiegel eine große Pleite (wie beim Stern: Hitlertagebücher) erlebt hat.

Wenn ich für die Ermittlungen verantwortlich wäre, würde ich auch mit der Veröffentlichung der Informationen bis zur letzten Minute warten, gerade dann, wenn die Täter aus dem Libanon kommen. Was den Ort des Kaufes der Mobiltelefone (Cellulaires) in Tripoli durch HA-Vertraute angeht, sehe ich keinen Widerspruch. Dies fällt unter der Kategorie Spuren legen und verwischen.

Zum Thema Timing, gut, es sieht so aus, als ob der Zeitpunkt für die Veröffentlichung just für Wahlkampfzwecke gewählt wurde, aber dies muss die Gegenseite beweisen und nicht behaupten bzw. nur unterstellen. Solche Informationen veröffentlicht man dann, wenn man sie hat um sie als Erster bringen zu können und man wartet nicht als Gentleman Termine wie die Wahlen ab.

In diversen arabischen Blogs wird dem Autor unterstellt, aufgrund eines seiner Bücher, mit dem israelischen Geheimdienstes Kontakte zu haben, auch wird dem Spiegel eine pro-israelische Position unterstellt, letzters bezweifele ich. Für die erste Unterstellung möchte ich Beweise sehen und keine Verschwörungstheorien lesen. Sollte die Story nicht stimmen, wird der Spiegel viel von seiner Reputation verlieren. Ob durch diese Story im Libanon ein Bürgerkrieg entstehen könnte, kann ich nicht beurteilen. Ich kann mir aber vorstellen, dass die HA, wenn sie in die Enge (z.B. durch erdrückende Beweise) getrieben wird, eine Art von Putsch im Libanon unternimmt.

Anonym hat gesagt…

Meiner Meinung nach sind es mehrere Punkte, die die Glaubwürdigkeit der Spiegel-Meldung von Herrn Follath in Frage stellen. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung sowie die Beziehung zwischen Rafik Hariri und Hisbollah und vor allem die Frage: Welche Vorteile würde die Hisbollah durch Hariris Ermordung erzielen wollen?
Aber zurück zu Herrn Follath. In seinen bisherigen Beiträgen über Hariris Ermordung sprach er von "erdrückenden Beweisen" zu Lasten syrischer Drahtzieher. Diese Beweise haben sich inzwischen in Luft aufgelöst(gekaufte Zeugen etc.). Dadurch wurden vor kurzem die 4 Beschuldigten nach 4 Jahren Haft ohne Anklage freigelassen. Die o.g. erdrückenden Beweise wurden infolge der Ermittlung von Herrn Mehlis und vor allem seinem Assistenten Gerhard Lehmann herbeigeschafft. Als Ergänzung sollte man diesen Artikel lesen http://www.jungewelt.de/2009/05-22/033.php

Anonym hat gesagt…

Mehlis in Paris vorgeladen...

das ist ja lächerlich.

Libanesischer Geheimdienstchef klagt in Paris...

mir kommen die Tränen.

Mehlis war UNO-Beauftragter als er die vier hat festsetzen lies, es kann somit kein nationales Gericht über seine Handlungen urteilen (PUNKT!). Und um es aus zwei anderen Perspektiven zu betrachten: Im Libanon und Syrien kann man fast alle hohen Politiker und hohen Funktionäre ins Gefängnis stecken, die haben genug Dreck am stecken. Und man tut damit keinem Unrecht. Wenn Syrien die Untersuchung durchgeführt hätte, würden sie womöglich nicht mehr leben (s.a. die seltsamen Tötungsfälle der syrischen Funktionäre, die im Libanon tätig waren, nach Mai 2005 in Syrien).
Und wenn Sie für ihre Untätigkeit bestraft werden, weil sie das Attentat bzw. die Attentate nicht verhindert zu haben.

Frankreich wird allein schon aus gutnachbarschaftlichen Gründen nicht zulassen, dass ein deutscher Oberstaatsanwalt zu Schaden kommt.

Anonym hat gesagt…

>>Im Libanon und Syrien kann man fast alle hohen Politiker und hohen Funktionäre ins Gefängnis stecken.......<<

Könnte sein - das kann ich aber nicht beurteilen. Aber, sollten die Beschuldigungen gegen Mehlis bzw. gegen Gerhard Lehmann sich als wahr erweisen, dann gehören beide ins Gefängnis.
Ob es dazu kommt.. das ist eine andere Frage..

Anonym hat gesagt…

Ich kopiere hier mal, was ich gerade auf SPIEGELblog.net hinterlassen habe, vielleicht auch für Euch interessant:

Alles bereits vor 6 Monaten publiziert?

Wie es scheint, sind die Informationen des Speigels nicht neu: Auf Al-Manar TV ist ein Artikel zu lesen, der besagt, dass alle Aussagen des besagten Spiegelartikels (inklusive der Mobilnummernstory) bereits vor 6 Monaten auf einer syrischen Oppositionsseite veröffentlicht wurden.

Um ehrlich zu sein: Ich habs nicht nachrecherchiert. Natürlich ist Al-Manar auch nicht gerade die neutralste Quelle. Allerdings schon spannend und legt die Vermutung nahe: Hier wird Wahlkampf (oder vielleicht “Vorherrschaftskampf im Nahen Osten”?) betrieben.

Hier der Artikel:
http://www.almanar.com.lb/NewsSite/NewsDetails.aspx?id=87143&language=en

Anonym hat gesagt…

Bitte lest mal: http://friday-lunch-club.blogspot.com/2009/05/remember-these-le-hezbollah-theory-in.html und http://www.lefigaro.fr/international/2006/08/21/01003-20060821ARTFIG90101-l_ombre_du_hezbollah_sur_l_assassinat_de_hariri.php

Mit denselben "Neuigkeiten" gehen manche seit Jahren hausieren - warum bringt nun der Spiegel das groß raus? Warum steigen jetzt alle darauf ein?