Mehr als vier Jahre nach dem Mordanschlag auf den ehemaligen libanesischen Ministerpräsidenten Rafiq Hariri scheinen die Ermittlungen zur Aufklärung des Attentats in eine Sackgasse geführt zu haben. In der vergangenen Woche entschied das Sondertribunal für den Libanon in Den Haag, dass die vier Hauptverdächtigen auf freien Fuß gesetzt werden.
Die inhaftierten Generäle, Mustafa Hamdan - ehemaliger Kommandeur der Präsidentengarde, Jamil al-Sayyed - Direktor des libanesischen Sicherheitsdienstes, Polizeichef Ali Hajj und Raymond Azar - Chef des Armeegeheimdienstes, saßen seit April 2005 im Gefängnis. Ihre Festnahme erfolgte damals auf der Grundlage des ersten Berichts des UN-Ermittlungsteams, das damals vom Berliner Staatsanwalt Detlev Mehlis geleitet wurde.
Seinen Ermittlungen zufolge waren für das Attentat auf Hariri ein technischer Aufwand und eine logistische Planung notwendig, die nicht ohne das Wissen oder die Zustimmung hochrangiger libanesischer und syrischer Sicherheits- und Geheimdienstmitarbeiter möglich gewesen wären. Seither scheinen die Bemühungen um die Aufklärung des Anschlags vom 14. Februar 2005 kaum vorangekommen zu sein, eine Anklageschrift ist nicht in Sicht.
Mehlis' Nachfolger als Chefankläger, der Kanadier Daniel Bellemare, hatte bei der Anhörung am Mittwoch vergangener Woche selbst die Freilassung der vier Generäle beantragt, da, wie er eingestand, die Beweise gegen die Inhaftierten nicht ausreichend seien. Nur Stunden später wurden die Männer aus dem libanesischen Gefängnis in Roumieh freigelassen.
Diese Entscheidung bedeutet keinesfalls, dass die Generäle unschuldig sind. Bellemare kann sie zu einem späteren Zeitpunkt anklagen oder jederzeit verhören. Gleichwohl verdeutlicht diese Entwicklung jedoch, dass es mehr als 1500 Tage nach dem Mord an Hariri unwahrscheinlicher denn je scheint, dass die Tat jemals aufgeklärt wird. Dies bedeutet gleichzeitig, dass Syriens Staatschef Bashar al-Assad fürs Erste aufatmen kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass sein Regime als Auftraggeber für den Mord überführt und syrische Offizielle in Den Haag angeklagt werden, ist geringer denn je.
Aus diesem Grund gibt es auch Stimmen, die vermuten, dass die Entscheidung aus Den Haag das Resultat einer geheimen Absprache zwischen den USA und Syrien sein könnte. Eine Anklage syrischer Regierungs- oder Geheimdienstmitarbeiter hätte die Nahostpolitik der neuen amerikanischen Regierung erheblich erschwert. Daher, so die Mutmaßungen, sei Druck auf die UN-Ermittler ausgeübt worden, die inhaftierten Generäle freizulassen. Gleichzeitig erscheint die Mutmaßung, Obamas Regierung würde Beweise gegen Syrien unterdrücken einigermaßen absurd.
Einen Monat vor den Parlamentswahlen im Libanon ist es schwierig abzuschätzen, welchen Einfluss die Entscheidung des Gerichts in Den Haag auf den Wahlausgang haben wird. Saad Hariri, Sohn des ermordeten Ex-Premiers und Führungsfigur im Bündnis "14. März" sieht sich gezwungen gute Miene zum bösen Spiel zu machen und erklärte, er vertraue darauf, dass die Ermittler die wahren Schuldigen am Anschlag auf seinen Vater finden werden. Gerüchten zufolge sollen Vertreter des 14. März in den Tagen zuvor versucht haben, das Gericht davon zu überzeugen, die Freilassung bis nach den Wahlen zu verschieben.
Das rivalisierende Bündnis 8. März nutzte die Gelegenheit zu einer Anklage gegen die libanesische Justiz, die es zugelassen habe, dass Unschuldige ohne Beweise vier Jahre lang inhaftiert wurden. Anhänger der Hizbollah feierten die Freilassung mit Feuerwerk und Böllerschüssen.
Am Ehesten könnte ihr christlicher Verbündeter Michel Aoun von dieser Entwicklung profitieren. Er kann vor den christlichen Wählern, die bei der Wahl das Zünglein an der Waage sein werden, sein Bündnis mit den von Syrien unterstützten Parteien nun noch besser rechtfertigen. Das Argument seiner Gegner, Aoun würde mit den Mördern Hariris (indirekt) paktieren, wird durch die Entscheidung aus Den Haag fürs Erste entkräftet.
Donnerstag, 7. Mai 2009
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