Montag, 30. August 2010

Hizbollah in der Enge? Einige Schlussfolgerungen zu den Zusammenstößen in Burj Abi Haidar

Seit Wochen wachsen die politischen und konfessionellen Spannungen im Zedernstaat. Seitdem der Hizbullah-Generalsekretär Hassan Nasrallah Ende Juli verlautbart hatte, dass Mitglieder seiner Bewegung vom Internationalen Sondertribunal zur Aufklärung des Mordes am ehemaligen Ministerpräsidenten Rafiq Hariri angeklagt werden könnten, schwebt wieder das Schreckgespenst bewaffneter Auseinandersetzungen über der libanesischen Hauptstadt.

Am vergangenen Dienstag dem 24. August kam es nun im Verlauf des Abends zu schweren Gefechten zwischen Hizbollah und Anhängern einer Sunnitischen Gruppierung mit Namen Ahbash. Die Kämpfe, bei denen 3 Personen getötet und zahlreiche Verletzt wurden, waren die schwersten seit der Eroberung der sunnitischen Viertel Westbeiruts durch Hizbollah und ihre Verbündeten im Mai 2008.

Seit den Kämpfen vom vergangenen Dienstag kocht die Diskussion im Libanon hoch. Zahlreiche Politiker fordern, dass alle Parteien und Milizen ihre Waffen aus Beirut abziehen und die Hauptstadt waffenfreie Zone wird. Präsident Sleiman warnte am Donnerstagabend eindringlich vor weiteren konfessionellen Zusammenstößen. Der Staat werde entschieden gegen jede weitere Gewalttätigkeiten vorgehen.

Einige libanesische Kommentatoren sehen die Auseinandersetzungen vom Dienstag dabei als geplante Eskalation an. Demnach hätten entweder Hizbollah oder Ahbash die Auseinandersetzung vorbereitet. Hintergrund sei demnach ein Bruch zwischen den einstigen Verbündeten Hizbollah und Syrien. Demnach versuche die Hizbollah den Einfluss Syriens aus dem Libanon zurückzudrängen und diesen Platz als Hegemonialmacht für ihren treuesten Verbündeten den Iran freizuhalten.


Es gibt jedoch einige Hinweise die dagegen sprechen, dass die Kämpfe von einer der beteiligten Partei von langer Hand geplant waren.

So ist ein vorbereiteter Angriff von Seiten der Hizbollah auf Strukturen der Al-Ahbash im Grunde auszuschließen. Dagegen spricht, dass gleich zu Beginn der Auseinadersetzungen mit Mohammed Fawwaz ein hochrangiger Hizbollah-Kader getötet worden ist. Man darf Hizbollah durchaus unterstellen, dass sie strategisch so klug vorgeht und keine Kader in vorderster Front in eine geplante Eskalation zu schickt.

Des weiteren hätte Hizbollah bei einem geplanten militärischen Vorgehen innerhalb von vier Stunden die Ahbash deutlich stärker treffen können, als es am Dienstag geschehen ist. 
Es scheint aber ebenfalls unwahrscheinlich dass Abhash als syrischer Stellvertreter alleine mit der Hizbollah aufnehmen wollte. Zu groß wäre die Gefahr, dass die Partei Gottes ein deutliches Exempel statuiert. Zudem ist Infrastruktur der Abhash, wie beispielsweise ein Supermarkt der Abhash bzw. ihren Mitgliedern zerstört worden. Die Abhash war im Verlaufe des Dienstagabend defacto nicht in der Lage, alle ihr zugeschriebene Einrichtungen zu verteidigen. Bei einer geplanten militärischen Auseinandersetzung mit Hizbollah wären bessere Verteidigungsmaßnahmen ratsam gewesen.

Es scheint also weiterhin so, als ob eine, durch wen auch immer ausgelöste Streitigkeit in den Kämpfen mündete.

Aber selbst wenn man eine Reihe von kursierenden Verschwörungstheorien bei Seite schiebt, deuten die Spannungen die am Dienstag die Kämpfe eskalieren ließen, zweifelsfrei auf eine Neuordnung der politischen Verhältnisse im Libanon hin. Demnach sind die Politischen Bündnisse von March 14 und March 8 in Auflösung begriffen. Die ohnehin vereinfachende Dichotomie von Pro-Syrisch (March 8) vs. Anti-Syrisch (March 14) scheint immer weniger dazu geeignet die politischen Lager zu einen.

Den Anfang dazu machte der Drusenführer Joumblatt im Jahre 2009 als er seinen Austritt aus dem March 14 Bündnis erklärte.

Nun werden mit den Kämpfen vom Dienstag auch Auflösungserscheinungen auf Seiten des March 8 Allianz offensichtlich. Das sich zwei Koalitionäre über vier Stunden mitten in Beirut mit Panzerfäusten bekämpfen ist auch für den Bürgerkriegserprobten Libanon nicht normal.
Wichtig ist zudem, dass sich die schiitische Amal-Miliz von Parlamentspräsident Nabih Berri nicht an den Kämpfen an der Seite der ebenfalls schiitischen Hizbollah gegen die sunnitische Abhash beteiligte. Die Verbündeten kämpften noch 2008 Seite an Seite gegen die sunnitisch-dominierten Regierungsvertreter in Westbeirut. Wie gegenüber Al-Sharq berichtet wurde, sollen Amal-Mitglieder, zumindest im späteren Verlauf der Kämpfe Angriffe auf Einrichtungen der Al-Abhash unterbunden haben.

Es gibt damit also Anzeichen, dass sich Hizbollah zur Zeit nicht auf seine Verbündeten verlassen kann. Dies könnte eine schwierige Situation für die Partei bedeuten, die sich gerade ohnehin durch die möglichen Anschuldigungen des STL in die Enge gedrängt sieht. Ihr Handlungsspielraum würde dadurch zusehends kleiner.

Noch ist es aber verfrüht sichere Prognosen über die weiteren Entwicklungen im Libanon abzugeben. Erfahrungsgemäß sollte man dabei auch die strategischen Fähigkeiten der Führungskader der Partei Gottes nicht unterschätzen.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Die These, dass Hisbollah in ihren Handlungsspielräumen mehrfach eingegrenzt ist, habe ich diese Tage auch gehört. Hierzu zählt die de facto Eingrenzung 1) durch die UN-Resolution nach dem Sommerkrieg 2006, die insbesondere ihren Handlungsspielraum im Südlibanon betrifft, 2) durch die syrisch-saudische Annäherungspolitik, 3) durch die weltweite Isolation des Sponsors und Unterstützers Iran durch die Festnahmen einer Mitglieder in Ägypten sowie 4) durch das Attentat auf den militärischen Kopf in Damaskus und nun 5) durch die Anschuldigungen des Sondergerichtshofs. Durch die Mai Übergriffe in West-Beirut hat Hisbollah auch an Ansehen in der Libanesischen Bevölkerung verloren und kann sich nicht mehr als Widerstandsgruppe überzeugend darstellen. Aber andererseits kann diese Eingrenzung auch gefährlich werden, da die Gefahr steigt, dass Hisbollah versucht einen Befreiungsschlag auszulösen, d.h. einen Krieg mit Israel vom Zaun zu brechen oder eine Islamisch-schiitische Revolution in ihrem Gebiet ausrufen.

Anonym hat gesagt…

@Anonym:

1). Von eingeschrenkten Handlungsspielraum der Hisbollah durch die lächerliche Resolution 1701, kann wohl nicht die Rede sein. 1701 sollte ursprünglich ganz anders aussehen und eher so gestaltet werden, wie es sich die Besatzungsmacht Israel und die USA vorgestellt haben. Allein die erfolgreiche Verteidigungstaktik und die immer mehr größer werdenden Verluste der IDF Mörder auf israelischer Seite, haben 1701 gestaltet.

2)Syrisch-saudische Annährung?? Ich denke nach dem Erfolg der Opposition im Libanon gegenüber den US-willigen Leuten, haben die Saudis keine andere Wahl. Sie stellen es so dar als ob die Syrier auf die Saudis angewiesen wären.

3)Weltweite Isolation des Iran? Ich denke der Westen ist weder Weltweit noch die Welt. Illegale UN-Sanktionen von dem US-Dominierten Weltsicherheitsrat? Es gibt 30 Jahre schon illegale Sanktionen und die haben diese Land eher geholfen als isoliert. Siehe Finanzzusammenbruch.

4)Die Vergangenheit hatt gezeigt, das Mordoperationen gegen den Kader des Widerstand ihn eher gestärkt als geschwächt haben. Sie sollten sich mit einen Thema wie die Hisbollah etwas mehr beschäftigen.

5)Die neuen Anschuldigung durch den Sondergerichtshof sind haltlos und ohne jegliche Glaubwürdigkeit. Ist ja nicht dat erste mal, das man jemanden mal eben so ohne jeglichen Beweise beschuldigt hat. Hat uns dank dem 14. März sehr viele lib. Opfer und mehr als 400 Leben von syrischen Arbeitern im Libanon gekostet. Aktuell hat der Herr Harriri zugegeben, das es ein Fehler war, so gegen Syrien vorzugehen. WOW!!! Fällt den Herrn ja früh ein wa? Was macht er in 3 Jahren? Dat gleichen quasseln über die Hisbollah??

Zu der von den Medien bewusst hochgepuschten Burj Abi Haidar story nochmals zurück. Anscheinend hat das lib. Militär es für besser befunden, durch Hisbollah-Gebiet zum Ort der Eskalation zu gelangen, als durch Harriri Gegend.