Freitag, 8. Oktober 2010

Der Fall Ibrahim Eissa - Wie Ägyptens Regime kritische Stimmen zum Schweigen bringen will

Die ägyptische Zeitung „al-Dustur“ gehörte bislang zu den wenigen unabhängigen Blättern im Land, die regierungskritischen Stimmen eine Plattform gaben. Damit dürfte nun Schluss sein, denn ihr prominenter Chefredakteur Ibrahim Eissa wurde Anfang der Woche entlassen. Dafür sorgte der neue Zeitungseigentümer, Sayid Badawi, der das Blatt vor zwei Monaten zum Preis von vier Millionen US-Dollar kaufte. Badawi ist Chef der ägyptischen Wafd-Partei, einer einstmals stolzen liberalen Partei, die mittlerweile jedoch vom Regime kooptiert wurde und keine wirkliche Alternative zur herrschenden Nationaldemokratischen Partei von Präsident Husni Mubarak darstellt.

Ägyptens Opposition sieht Eissas Entlassung als Teil einer Regierungskampagne gegen die Pressefreiheit im Vorfeld der Parlamentswahlen im November. Das Regime wolle eine kritische Berichterstattung und Berichte über mögliche Manipulationen und Unregelmäßigkeiten unterbinden. Ibrahim Eissa nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein. In seiner Zeitung, deren Titel übersetzt „Die Verfassung“ lautet, hat er in der Vergangenheit mehrfach kritisch über Präsident Mubarak und seine Regierung berichtet. Im Oktober 2008 brachte ihm ein Artikel über den kritischen Gesundheitszustand des greisen Staatschefs eine sechsmonatige Haftstrafe ein. Bereits vor wenigen Wochen wurde Eissas TV-Show auf dem Satellitensender ONTV, in der er Ägyptens Politik kritisch kommentierte, abgesetzt.

Offiziell setzte Sayid Badawi den Chefredakteur vor die Tür, weil dieser die Zeitung inkompetent gemanaget und zuviel Gehalt erhalten haben soll. Tatsächlich war es im aktuellen Fall wohl eher die geplante Veröffentlichung eines Artikels aus der Feder von Mohamed El Baradei, dem ehemaligen Generaldirektor der Internationalen Atomenergier-Agentur (IAEA) und möglichen Herausforderer Mubaraks bei der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr, die den Anlass für Eissas Entlassung lieferte.

In seinem kurzen Artikel anlässlich des Jahrestags des Oktober-/Yom Kipppur-Krieges 1973 kritisiert El Baradei, dass die Werte, die Ägypten 1973 zum Sieg über Israel geführt hätten, wie „Loyalität, Transparenz, Ehrlichkeit, Kameradschaft, Rationalität“, im Ägypten unter Mubarak verloren gegangen sein. Ganz konnte die neue Führung von „al-Dustur“ die Veröffentlichung des Artikels nicht verhindern. Die Website der Zeitung steht bislang noch immer unter der Kontrolle der Belegschaft, die Eissa treu verbunden ist. Auch El Baradeis Beitrag ist dort online weiterhin abrufbar. Via Facebook solidarisieren sich die Redakteure mit ihrem gefeuerten Chef. „Wir Journalisten von `al-Dustur´ lehnen die Entlassung Ibrahim Eissas ab und wir lehnen die Entscheidung der neuen Eigentümer ab, die Ausrichtung der Zeitung zu verändern“, heißt es dort. Die Belegschaft ist in einen Streik getreten.

Ibrahim Eissa gründete „al-Dustur“ im Dezember 1995 mit einer Lizenz aus Zypern, um das rigide ägyptische Pressegesetz zu umgehen. Drei Jahre später wurde das Blatt erstmals verboten, da es angeblich religiöse Spannungen schüre. Im März 2005 wurde „al-Dustur“ zunächst als Wochenblatt wiederbelebt, seit 2007 erscheint sie täglich. Neben den Zeitungen „al-Masry al-Yaum“ und „al-Shorouq“ gehört sie zu den wenigen regierungskritischen Blättern in Ägypten. „al-Dustur“ gilt als die Zeitung, die in ihren Kommentarspalten das breiteste Meinungsspektrum widerspiegelt. Ibrahim Eissa schrieb eine tägliche Kolumne.

Derzeit scheint es zweifelhaft, ob das Regime die kritische Stimme Ibrahim Eissas dauerhaft zum Schweigen bringen wird. Seine Entlassung und das breite Echo darauf, werfen ein Schlaglicht auf den verheerenden Stand der Pressefreiheit am Nil. Und in Zeiten des Internet lassen sich Informationen und Meinungen ohnehin nicht mehr so leicht unterdrücken wie noch vor zehn Jahren. Das Exempel, das an Eissa statuiert wurde, steigt im Vorfeld der wichtigen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in den kommenden Monaten der Druck auf Ägyptens Zeitungsmacher. Viele Journalisten dürften sich in den kommenden Wochen noch genauer als vorher überlegen, was sie schreiben und was nicht, wenn sie ihren Job behalten wollen.

1 Kommentar:

M.A. hat gesagt…

Danke für den Artikel, man liest viel zu wenig über das bevölkerungsreichste Land der arabischen Welt! Bitte bei dem Thema am Ball bleiben!