Ein Gastbeitrag von Giovanni Patriarca
Die jüngsten Ereignisse und sozialen Unruhen in Nordafrika haben, wie es offensichtlich wird, eine destabilisierende Wirkung auf die ganze arabische Welt. Tunesien ist es in hervorragender Weise gelungen, die gemeinsamen Gefühle vieler Bevölkerungsgruppen zu wecken, welche unter langjährigen wirtschaftlichen Problemen leiden, die durch die Finanzkrise und eine hohe Jugendarbeitslosigkeit noch verstärkt werden.
Da gerät allzu leicht ausser Acht, dass genau in dieser Region in sog. ruhmreichen Zeiten aber zweifelsohne auch blutigen Zeiten, der Ursprung par excellence einer gemeinschaftlichen Sozialzugehörigkeit innerhalb der islamischen Welt war. Dieses Thema scheint in den letzen Tagen des Umbruchs und Machtwechselforderung, das Leitmotiv vieler Kommentatoren und Analysten des Mittleren Ostens zu sein.
Assabiya (عصبية) vom Philosophen Ibn Khaldun (1332-1406) in wunderbarer Weise beschrieben, ist ein im Westen weitgehend unbekannter Begriff. Im Laufe der Geschichte haben viele Gelehrte versucht, die zugrundeliegenden Aspekte zu beleuchten. Um eine verständlichere Darlegung zu erreichen, verwendeten sie teilweise kunstvolle rhetorische Mittel. Den unzähligen Übersetzungen nach zu folgern, handelt es sich um das Phänomen eines sozialen Zusammengehörigkeitsgefühls, einer öffentlichen Stimmung, eines gemeinsamen Willens, eines Gemeinschaftsgeistes oder, laut deutsch-orientalischer Geschichtsschreibung, um eine explosive Lebenskraft.
Jede dieser Definitionen birgt in sich eine Teilwahrheit, aber, um die ursprüngliche Bedeutung in ihrer vollen Tiefe zu verstehen, darf man nicht nach Maßstab der sekulären Mentalität eine Aufteilung vornehmen, weder glatt noch künstlich, von einer starken religiösen Unterschicht, welche diesen nuancenreichen Begriff nicht selten in ein Mystisches Licht rückt. Eine innige Gegenseitigkeit bindet jedes Mitglied der Gemeinschaft in eine solidarische Kraft, ausgerichtet auf ein Gemeinschaftsziel. Von diesem Volksstreben hängt das Schicksal der Gesellschaft ab, weil die Assabiya “die motorische Kraft im staatlichen Geschehen “ (Rosenthal) ist. In der historischen Entwicklung jeder Kultur, und – in diesem Fall – jeder politischen Saison, ist es möglich die Entwicklung, den Höhepunkt und den Verschleiß der treibenden Kräfte dieser solidarischen Bande abzulesen.
Die Ausarbeitung der Sozialphilosophie von Ibn Khaldun, welche immer genau zu Krisenzeiten und Phasen des Niedergangs neu entdeckt und hervorgebhoben wird, bietet sich heute in globalem Maßstab als Wundermittel gegen die Missgeschicke und Probleme der arabisch-islamischen Welt an. Dies geht manchmal schleppend und in politisch aufwieglerischer Art und Weise vor sich, wie es schon teilweise zu Zeiten der Dekolonialisierung in Nordafrika in extremer Form der nationalen Ansprüche geschehen ist. Zweifellos kommt der “spirituelle Klebstoff”, gestützt von Koran- und Theologienachweisen, in Verbindung mit der Verdammung der fitna (welche in sich die Begriffe von Aufstand, Korruption, Skandal und sogar Bürgerkrieg einschließt) besonders zum tragen.
Es könnte für politische Zwecke und Wahlen bei den nächsten Beratungen genutzt werden. Zu diesen sind und werden möglicherweise viele Länder aufgerufen, welche an dieser Welle des berechtigten Strebens, welche solche bleiben könnten, wenn nicht eine größere demokratische Beteiligung und dringende Eingriffe von wirtschaftlicher Erneuerung geschehen.
Giovanni Patriarca hat Politikwissenschaften an der Universität Camerino (Italien) und Philosophie an der Päpstlichen Lateran Universität (Vatikan) studiert. Ende Juli 2006 hat er das "Diplom in Islamischen Studien" am Päpstlichen Institut für Arabistik und Islamistik (P.I.S.A.I.) erhalten. 2008 wurde er in Philosophie an der Päpstlichen Universität Regina Apostolorum in Rom promoviert.
Die jüngsten Ereignisse und sozialen Unruhen in Nordafrika haben, wie es offensichtlich wird, eine destabilisierende Wirkung auf die ganze arabische Welt. Tunesien ist es in hervorragender Weise gelungen, die gemeinsamen Gefühle vieler Bevölkerungsgruppen zu wecken, welche unter langjährigen wirtschaftlichen Problemen leiden, die durch die Finanzkrise und eine hohe Jugendarbeitslosigkeit noch verstärkt werden.
Da gerät allzu leicht ausser Acht, dass genau in dieser Region in sog. ruhmreichen Zeiten aber zweifelsohne auch blutigen Zeiten, der Ursprung par excellence einer gemeinschaftlichen Sozialzugehörigkeit innerhalb der islamischen Welt war. Dieses Thema scheint in den letzen Tagen des Umbruchs und Machtwechselforderung, das Leitmotiv vieler Kommentatoren und Analysten des Mittleren Ostens zu sein.
Assabiya (عصبية) vom Philosophen Ibn Khaldun (1332-1406) in wunderbarer Weise beschrieben, ist ein im Westen weitgehend unbekannter Begriff. Im Laufe der Geschichte haben viele Gelehrte versucht, die zugrundeliegenden Aspekte zu beleuchten. Um eine verständlichere Darlegung zu erreichen, verwendeten sie teilweise kunstvolle rhetorische Mittel. Den unzähligen Übersetzungen nach zu folgern, handelt es sich um das Phänomen eines sozialen Zusammengehörigkeitsgefühls, einer öffentlichen Stimmung, eines gemeinsamen Willens, eines Gemeinschaftsgeistes oder, laut deutsch-orientalischer Geschichtsschreibung, um eine explosive Lebenskraft.
Jede dieser Definitionen birgt in sich eine Teilwahrheit, aber, um die ursprüngliche Bedeutung in ihrer vollen Tiefe zu verstehen, darf man nicht nach Maßstab der sekulären Mentalität eine Aufteilung vornehmen, weder glatt noch künstlich, von einer starken religiösen Unterschicht, welche diesen nuancenreichen Begriff nicht selten in ein Mystisches Licht rückt. Eine innige Gegenseitigkeit bindet jedes Mitglied der Gemeinschaft in eine solidarische Kraft, ausgerichtet auf ein Gemeinschaftsziel. Von diesem Volksstreben hängt das Schicksal der Gesellschaft ab, weil die Assabiya “die motorische Kraft im staatlichen Geschehen “ (Rosenthal) ist. In der historischen Entwicklung jeder Kultur, und – in diesem Fall – jeder politischen Saison, ist es möglich die Entwicklung, den Höhepunkt und den Verschleiß der treibenden Kräfte dieser solidarischen Bande abzulesen.
Die Ausarbeitung der Sozialphilosophie von Ibn Khaldun, welche immer genau zu Krisenzeiten und Phasen des Niedergangs neu entdeckt und hervorgebhoben wird, bietet sich heute in globalem Maßstab als Wundermittel gegen die Missgeschicke und Probleme der arabisch-islamischen Welt an. Dies geht manchmal schleppend und in politisch aufwieglerischer Art und Weise vor sich, wie es schon teilweise zu Zeiten der Dekolonialisierung in Nordafrika in extremer Form der nationalen Ansprüche geschehen ist. Zweifellos kommt der “spirituelle Klebstoff”, gestützt von Koran- und Theologienachweisen, in Verbindung mit der Verdammung der fitna (welche in sich die Begriffe von Aufstand, Korruption, Skandal und sogar Bürgerkrieg einschließt) besonders zum tragen.
Es könnte für politische Zwecke und Wahlen bei den nächsten Beratungen genutzt werden. Zu diesen sind und werden möglicherweise viele Länder aufgerufen, welche an dieser Welle des berechtigten Strebens, welche solche bleiben könnten, wenn nicht eine größere demokratische Beteiligung und dringende Eingriffe von wirtschaftlicher Erneuerung geschehen.
Giovanni Patriarca hat Politikwissenschaften an der Universität Camerino (Italien) und Philosophie an der Päpstlichen Lateran Universität (Vatikan) studiert. Ende Juli 2006 hat er das "Diplom in Islamischen Studien" am Päpstlichen Institut für Arabistik und Islamistik (P.I.S.A.I.) erhalten. 2008 wurde er in Philosophie an der Päpstlichen Universität Regina Apostolorum in Rom promoviert.
1 Kommentar:
Inwieweit unterscheidet sich diese Sozialphilosophie von der Sozialphilosophie (beispielsweise der katholischen Soziallehre (christliche Gesellschaftslehre)? Ein Unterschied ist ganz klar der Islamische bzw. der Christliche Glaube.
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