Von Lea Frehse
Im Gazastreifen eskalieren seit fünf Tagen die
seit einigen Jahren anhaltenden militärischen Konfrontationen. Das Getöse des
Bomben- und Raketenhagels schreckt die Weltöffentlichkeit auf. Und so übertönt
militärische Gewalt die betäubende Stille politischer Visionslosigkeit für Gaza.
Gaza ist der Inbegriff
politischer Kurzsichtigkeit und Lebensferne. In der Küsten-Enklave leben mehr
als 1,6 Millionen Menschen auf einer Fläche kleiner als das Land Bremen. Gaza besteht
im Zustand ständiger Belagerung, überwacht und unter konstant drohender Gewalt.
Um den Gazastreifen herum leben ähnlich viele Menschen in Angst vor der Willkür
halb-professioneller Raketen. Nun bombardiert Israel das eingeschlossene Gaza
und Militante in Gaza schießen Raketen auf Israel. In was für eine Zukunft die
Akteure Gaza damit steuern wollen, bleibt indes unklar.
2007 übernahm die Hamas
die Macht in Gaza, seitdem blockiert Israel den Personen- und Warenverkehr aus
dem mit Hochsicherheitsanlagen abgeriegelten Streifen. Die Hamas hat sich als
erstaunlich funktionales autoritäres Regime etabliert. Militante Kräfte in der Hamas
selbst sowie eine Vielzahl kleiner islamistischer Milizengruppen bäumen sich mit
anhaltendem Raketenbeschuss in das südliche Israel gegen den ‚zionistischen
Feind’ auf. Teils befiehlt oder toleriert das die Hamas, teils fehlt ihr die
Kontrolle über Splittergruppen. Außer israelischen Gegenschlägen und weiterer
Repressionen erreichen die Raketen wenig.
In Israel wird der
Beschuss aus Gaza zwar oft als Teil der Bedrohung gegen den
‚jüdisch-demokratischen Staat’ angeführt. Doch hinkt der Süden Israels dem Rest
des Landes wirtschaftlich hinterher und ist politisch marginalisiert. Die
Bevölkerung dort leidet seit Jahren unter den Angriffen, muss aber um jede
Unterstützungsleistung der Zentralregierung ringen. Die momentane Eskalation
der Gewalt lenkt die öffentliche Aufmerksamkeit kurzzeitig zurück auf ihr Leid,
doch ziehen die wenigsten im Süden Israels die kurzfristige Militäraktion wahren
Bemühungen für ein nachhaltiges Ende der Waffengewalt vor.
Die politischen
Entscheidungsträger aller Seiten jedoch bemühen sich stärker für Machterhalt
und Ideologie als um das Wohl der Menschen, deren Loyalität sie einfordern. Die
palästinensischen Gebiete sind politisch tief gespalten zwischen Hamas im
Gazastreifen und Fatah im Westjordanland. Palästinensische Forderungen nach
Selbstbestimmung haben so immer mehr an Gewicht verloren. Die Bevölkerung zieht
sich indes immer weiter aus dieser Politik der Rivalitäten zurück.
In Israel ist es kaum
mehr möglich ernsthaft über Frieden zu debattieren: Der öffentliche Diskurs wird
mit nationalistischen Argumenten für ‚die Sicherheit’ geradezu erstickt.
Regierung und Staatsapparat verlassen sich auf ihre Position der Stärke und
Kontrolle. Israel schottet ab, überwacht und degradiert die Palästinenser und
stützt sich dabei auf immer gezieltere und allgegenwärtige physische Gewalt. Nicht
nur durch Sperranlagen, auch auf politischer Ebene sind die Konfliktparteien
immer deutlicher getrennt. Und so schlingert man nun seit mehr als einem halben
Jahrzehnt ratlos in einem Zustand der Nicht-Lösung und Nicht-Diskussion.
In Gaza wird das Paradox
aus vermeintlicher Allmacht und Machtlosigkeit beider Seiten wohl am
deutlichsten. Die Blockade des Streifens durch Israel sollte die Hamas schwächen
und die Bevölkerung für ihre Wahl bestrafen. Stattdessen begriffen die Menschen
in Gaza sie als weitere Boshaftigkeit der Israelis und konnte die Hamas die
Macht weitgehend monopolisieren. Die Hamas wiederum, angetreten mit der
Rhetorik absoluter Ablehnung gegenüber Israel, musste feststellen, dass sie
sich zwar an der Macht halten, die Situation um keinen Deut verändern kann.
Der jüngste Gewaltausbruch
ergibt sich aus einer Verkettung gebrochener Versprechen auf beiden Seiten. Die
Eskalation steht zweifellos in Verbindung mit den anstehenden Parlamentswahlen
in Israel. Die Israelische Armee ermordete den Militärchef der Hamas zu einer
Zeit, in der inoffizielle Verhandlungen eine längerfristige Beruhigung gerade möglich
scheinen ließen. Die Hamas und andere Milizen wiederum rächten sich einmal mehr
mit Raketen und nahmen bewusst zum ersten Mal auch das entferntere Kernland um
Tel Aviv und Jerusalem unter Beschuss. In Hinblick auf die Lage der Zivilisten
ist das politischer Zynismus beider Seiten.
De facto täuscht doch der
beidseitige Beschuss mehr schlecht als recht darüber hinweg, dass allen
Parteien wahre Visionen für die Zukunft Gazas mangeln. Ziel des israelischen
Militärschlags sei, so erklärte Verteidigungsminister Ehud Barak, den
militanten Kräften im Gazastreifen einen „gewichtigen Schlag zu versetzen“ und
„die Ruhe im Süden wieder herzustellen“. Die Hamas-Raketen wiederum sollen
Israel wachrütteln und den Tod des Militärchefs Ahmad Al-Jabari rächen. Auf
mehr als die Aushandlung eines neuen, temporären Waffenstillstandes liefen aber
weder eine – von keinem wirklich gewollte – Bodenoffensive, noch der andauernde
Schusswechsel hinaus.
Das Getöse der Bomben in
Gaza steht für Tod und Zerstörung. Betäubend viel stiller aber liegen
Unfreiheit, Perspektiv- und Ausweglosigkeit über den Menschen im Gazastreifen.
Ähnlich, wenn auch in diesem höchst asymmetrischen Konflikt deutlich anders,
leben die Menschen in Süd-Israel mit der Angst. Die politische Nicht-Lösung der
Situation, das Aufrechterhalten eines eindeutig instabilen und unmenschlichen
Status Quo der Isolation lässt Hass und Ignoranz weiter gedeihen. Mit
unrealistischen, radikalen Forderungen gegenüber Israel lässt die Hamas ihre
eigene Bevölkerung im Stich. Mit Unterdrückung und dem so eindeutigen Unwillen
zum Frieden verrät Israel den eigenen Staat und jegliches Ideal der
Menschlichkeit. Wohin aber soll das führen? Diese Frage stellen sich weder die
politischen Akteure noch die Medien mit genug Mut für die Lebensrealität.
Die israelische wie
palästinensische Politik braucht neue Visionen, mutige und doch erreichbare
Szenarien für die gemeinsame Zukunft. Es bedarf Menschen, die es wagen der
Realität ins Auge zu blicken und Auswege zu durchdenken. Die Freiheit und
Sicherheit für alle Menschen gleichermaßen anstreben. Und Gaza, Gaza braucht diesen
Ausblick am aller dringendsten.
1 Kommentar:
AGENS128 Bonus Menarik Menanti Anda !!!
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