Ein Urlaubsflieger bringt uns am Sonntag Abend von Berlin nach Antalya - von hier wollen wir mit dem Bus weiter nach Beirut.Leider fährt nach Mitternacht kein Bus mehr in Richtung Adana, notgedrungen verbringen wir die Nacht also in einer Art Raststätte bevor uns um 5 Uhr morgens ein Bus zunächst nach Alanya bringt. Dort haben wir drei Stunden Zeit bevor der nächste Bus nach Antakya unweit der syrischen Grenze abfährt - genug Zeit für ein Nickerchen am Mittelmeerstrand.
Die 13 Stunden lange Busfahrt in den Südosten der Türkei wird zur Entdeckung der Langsamkeit. Die schmale Küstenstraße schlängelt sich an den steil ins Meer abfallenden Ausläufern des Taurus-Gebirges entlang, nur langsam tastet sich der Busfahrer durch die Serpentinen. Wir passieren einzelne kleine Täler die von Gewächshäusern uebersät sind. Hier warten Tomaten auf ihre Reife, unter Plastikplanen gucken die ersten roten Erdbeeren hervor. Erst hinter der schmucklosen Hafenstadt Mersin ändert sich die Landschaft, sind die Straßen besser ausgebaut uns es geht zügiger voran. Gegen 23 Uhr erreichen wir Antakya/Hattay, ein Bus nach Syrien fährt heute nicht mehr.
Notgedrungen verbringen wir die Nacht im Busterminal, der die Gemütlichkeit eines Operationssaals ausstrahlt. Bei Außentemperaturen knapp über dem Gefrierpunkt kriecht einen die Kälte von überall an, an Schlaf ist nicht zu denken. Wir flüchten uns in ein Cafe, das außer mit heißem Tee mit einem großen Fernsehbildschirm lockt. Die Qualität des türkischen Nachtprogramms lässt sich daran ablesen, dass wir schließlich bei der Wiederholung eines Fußballspiels zwischen Fenerbahce und Galatasaray aus den späten 1990ern hängen bleiben.
Um 11 Uhr fährt unser Bus ab, der uns über die syrische Grenze nach Homs bringen soll. Von hier soll es dann in den Libanon weitergehen. Inzwischen erreichen uns erste Meldungen über einen Generalstreik im Libanon, dennoch wollen wir unser Glück versuchen. Im Bus nach Syrien kommen wir mit zwei im Libanon lebenden Palästinensern ins Gespräch, die in Ankara studieren und auf dem Rückweg nach Tripoli bzw. Baalbek sind. Einer von ihnen, nennen wir ihn Ibrahim, studiert Bergbau. Er beklagt die Benachteiligung der etwa 400000 Palästinenser im Libanon. Obwohl er im Zedernstaat geboren wurde, wird ihm die Staatsbürgerschaft verweigert, bleibt ihm der Zugang zu vielen Berufen verwährt. So durfte er sein Praktikum in einer Zementfirma nicht im Libanon absolvieren, sondern musste auch dafür in die Türkei gehen. Zwar hat sich Ibrahim in der türkischen Vertretung der palästinensischen Autonomiebehörde einen palästinensischen Ausweis ausstellen lassen, doch auch mit dem in Deutschland gedruckten Dokument verweigert ihm Israel die Einreise in die palästinensischen Gebiete.
Schon Kilometer vor der türkisch-syrischen Grenze stauen sich hunderte Trucks. An der Grenzstation angekommen, müssen die Reisenden aus dem Bus aussteigen und zu Fuß zur Passkontrolle laufen. Wegen eines Computerproblems bei der türkischen Grenzpolizei ist eine Abfertigung von Fahrzeugen bis auf Weiteres nicht möglich. Nach 3 Stunden Wartens stellt uns der Busfahrer vor die Alternative entweder nach Antakya zurückzukehren oder zu Fuß die Reise fortzusetzen. Unsere palästinensichen Begleiter entscheiden sich zur Rückkehr nach Antakya, auch weil mittlerweile von Unruhen im gesamten Libanon berichtet wird.
Wir setzen unsere Reise zu Fuß fort und laufen fünf Kilometer durch ein Niemandsland, das in 20 Jahren vielleicht einmal die Außengrenze der EU markieren wird. Auf der syrischen Seite steigen wir in einen Mikrobus nach Aleppo. Von dort geht es per Bus weiter nach Damaskus von wo aus ich diese Zeilen schreibe.
Insgesamt hat die Reise zwar länger gedauert als erwartet, andererseits wäre die Einreise in den Libanon gestern vermutlich mit erheblichen Problemen und Risiken verbunden gewesen. Nach allem, was man hier erfährt, scheint sich die Situation im Libanon heute weitgehend beruhigt zu haben, so dass wir heute unser Glück probieren.
In den kommenden Tagen vielleicht mehr aus dem Libanon.
Mittwoch, 24. Januar 2007
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