Von Christoph Dinkelaker und Christoph Sydow
CNN verleiht dem syrischen Präsidenten Bashar al-Assad den Titel "Persönlichkeit des Jahres 2009". Kaum vorstellbar, aber geschehen. Genauer gesagt waren es die Leser der in Dubai ansässigen arabischsprachigen Website CNN Arabic, die al-Assad 67% der Stimmen und damit deutlich mehr als den beiden anderen Nominierten Mahmoud Ahmadinejad und Recep Tayyip Erdoğan gaben. Wirklich überraschend erscheint dabei vor allem die Begründung für die Nominierung al-Assads, die in keiner Weise der Dämonisierungsrhetorik der Ära Bush entspricht, während der CNN die Begrifflichkeiten des selbsternannten Erneuerers des Nahen Ostens - von der "Achse des Bösen" bis zu den "Schurkenstaaten" - nicht selten übernahm. Stattdessen konstatiert CNN nüchtern, al-Assad habe Syrien durch eine geschickte Regionalpolitik aus der internationalen Isolation befreit.
Tatsächlich konnte al-Assad Syriens Position auf der internationalen und regionalen Ebene erheblich verbessern. Des Weiteren sicherte sich der syrische Präsident einige Sympathien innerhalb der arabischen Bevölkerung durch wohl kalkulierte Schachzüge:
1) Regionale Ebene: Die ohnehin guten politischen Beziehungen zu den regionalen Schwergewichten Iran und Türkei wurden weiter konsolidiert. Die ökonomische Kooperation nahm sogar zu: Bereits im Mai 2009 formulierten al-Assad und der türkische Staatspräsident Abdullah Gül die Vision eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes der Länder Syrien, Türkei, Irak und Iran, der das Mittelmeer, das Kaspische und das Schwarze Meer sowie den Persischen Golf verbinden würde.
Parallel hierzu fand eine Annäherung zwischen Syrien und der Regionalmacht Saudi-Arabien statt: die während der Amtsperiode von George W. Bush ausgeprägte Polarisierung zwischen einem sunnitischen, mit Amerika verbündeten Lager auf der einen und einem mit Iran kooperienden Lager um Syrien auf der anderen Seite, hat im vergangenen Jahr abgenommen. Die Auswirkungen dieser Annäherung wurden insbesondere im Libanon sichtbar, wo die beiden Schwergewichte seit dem Mord am libanesischen Ex-Ministerpräsidenten und saudischen Staatsbürger Rafiq al-Hariri 2005 eine Art Stellvertreterkonflikt geführt hatten. Die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen und der kürzlich erfolgte Besuch Saad al-Hariris in Damaskus brachten dem syrischen Regime internationale Anerkennung und Beifall ein. Nichtsdestrotz kann Syrien durch seine Verbündeten im Libanon - etwa die schiitische Hizbollah - weiterhin auf jegliche Entscheidung der libanesischen Regierung Einfluss nehmen und den kleinen Nachbarn gegebenenfalls destabilisieren.
2) Die Verquickung der regionalen und der internationalen Ebene in Bezug auf die neuerliche Integration Syriens in das arabische Mächtegleichgewicht ist offensichtlich. Entscheidend hierfür war der Präsidentenwechsel in den USA, mit dem ein außenpolitischer Paradigmenwechsel einherging. Während Bush eine Blockbildung innerhalb der Arabischen Welt forcierte, indem er sämtliche Staaten entweder als Verbündete oder aber als Feinde betrachtete, machte Barack Obama von Beginn an deutlich, dass er bereit sei mit allen (Konflikt-)Parteien zu kommunizieren. Obama hat Syriens strategische Relevanz für die Stabilisierung des Iraks und des Libanon, als möglicher Vermittler bei Gesprächen mit Iran und als nicht zu ignorierender (destabilisierender) Faktor im Falle israelisch-palästinensischer Friedenshandlungen frei nach Henry Kissingers Diktum "Kein Krieg ohne Ägypten. Kein Frieden ohne Syrien" erkannt. Ebenso setzen die Europäer wieder verstärkt auf das stabilisierende Potential Syriens: Al-Assads Staatsbesuch bei Sarkozy in Paris im November ist hierfür der beste Beweis.
3) Im Gegensatz zu Ägypten oder Saudi-Arabien stellte sich Syrien im Gaza-Krieg von Beginn an uneingeschränkt hinter die Hamas und die palästinensische Zivilbevölkerung. Die Teilnahme am "Arabischen Gipfel zur Unterstützung Gazas" in Doha am 18. Januar, als das israelische Vorgehen scharf verurteilt und konkrete Sanktionen - Katar setzte seine wirtschaftlichen, Mauretanien darüber hinaus seine diplomatischen Beziehungen mit Israel aus - beschlossen wurde, trug zu al-Assads Popularitätsgewinn bei vielen Arabern bei.
Trotzdem erscheint es äußerst fragwürdig jemandem die Auszeichnung zur Persönlichkeit des Jahres 2009 zu verleihen, der als Diktator einen Staat führt und systematisch Menschenrechte missachtet. So ist das Votum der arabischen CNN-User wohl eher als Auszeichnung für al-Assads konsequenten Kurs zu werten, der wenig Rücksicht auf Interessen der USA und ihrer Verbündeten in der Region nimmt. Welche Entwicklung Syrien im Jahr 2010 nehmen wird, werden die nächsten Monate zeigen. Sicher ist allein, dass Bashar al-Assad nicht so schnell in Vergessenheit geraten wird wie jener Mann, der von den CNN-Arabic-Usern zur Persönlichkeit des Jahres 2008 gekürt wurde: Muntazar al-Zaidi - jener Mann, der Ende 2008 mit seinen Schuhen nach George Bush warf.
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