Das strategische Bündnis zwischen Israel und der Türkei zeigt immer tiefere Risse. Schon im vergangenen Jahr entwickelte sich eine deutlich spürbare Kälte in den diplomatischen Beziehungen zwischen Istanbul und Jerusalem. Die verbale Eskalation auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar vergangen Jahres sollte der erste Schritt hin zu einer Entfremdung zwischen den beiden Staaten sein.
Flammende Rede mit feurigem Abgang
Aus aktuellem Anlass wollte man auf einer Podiumsdiskussion über den Nahost-Konflikt sprechen. Doch daraus wurde nichts. Der türkische Ministerpräsident sagte, man lasse ihm nicht dieselbe Redezeit wie seinem Vorredner Shimon Peres, redete sich in Rage, stritt mit dem Moderator, stand auf und ging: Israels Präsident, der Moderator und die weiteren Podiumsteilnehmer – UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon sowie der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Mussa – saßen nunmehr ohne den türkischen Ministerpräsidenten im Scheinwerferlicht der Weltöffentlichkeit. Recep Erdogan hatte damit einen diplomatischen Eklat verursacht – und wurde in seiner Heimat als Held gefeiert. Die Türken waren stolz auf ihren Ministerpräsidenten der Peres Monolog eine flammende Rede und einen ebenso feurigen Abgang folgen lies. Zuvor hatte er Israel der Tötung von Zivilisten im Gazastreifen beschuldigt und sich auf die Seite der Palästinenser gestellt. Zudem wies er darauf hin, dass Vermittlungsversuche seiner Regierung zwischen Israel und Syrien, aber auch der Hamas, gescheitert waren. Die Schuld dafür gab er Israel. Das hatte Folgen: Israel Ministerpräsident Benjamin Netanyahu betonte im Laufe des Jahres wiederholt, dass man sich eine andere Nation als Vermittler in den festgefahrenen Friedensgesprächen wünsche.
Das Menü wurde gestrichen
Doch das Israel die Türkei nicht länger als einen fairen Vermittler zwischen den verhärteten Fronten sieht ist nicht alles: Pünktlich zum neuen Jahr folgte nun ein weiterer diplomatischer Eklat. Israels stellvertretender Verteidigungsminister, Dani Ayalon, lud den türkischen Botschafter zu einer Unterredung ein die zu einer gezielten Erniedrigung für den Diplomaten wurde. Der Grund für die Vorladung war die türkische TV-Produktion „Im Tal der Wölfe“, die man in Israel als anti-semitisches Machwerk betrachtet.
Auf einem niedrigen Sofa saß nun Ahmed Oguc Celikkol und wurde von Ayalon – hoch thronend auf einem Sessel ihm gegenüber – gerügt. Auch der Ort war ungewöhnlich: Statt wie üblich im Außenministerium erhielt der türkische Vertreter seine Abmahnung im Büro Ayalons in der Knesset, wo er sich wegen eines Misstrauensvotums aufhielt. Die Bediensteten wurden vor dem Treffen angewiesen den obligatorischen Imbiss, die Getränke und die türkische Flagge wieder zu verstauen – es sollte eine Demütigung werden, das Menü wurde gestrichen. Vor dem Gespräch musste der türkische Vertreter zudem lange auf dem Flur warten. Die israelische Tageszeitung Yedioth Ahronoth berichtete, dass die Gastgeber darauf achteten „nicht zu lächeln und sich weigerten, dem Botschafter die Hand zu reichen.“ Besonders wichtig schien Ayalon nach Berichten israelischer Zeitungen, dass „man sieht, dass er ganz unten sitzt, wir hingegen oben sitzen, und es hier nur eine Fahne gibt.“ Die liberale Haaretz berichtete, dass Ahmed Oguc Celikkol während des ganzen Gesprächs beschämt wirkte und nach Fassung rang. Mit so einer Erniedrigung hatte er nicht gerechnet. Kurz nach der diplomatischen Ohrfeige, entschuldigte sich Ayalon zwar, beteuerte jedoch, alles sei nach rechten Dingen verlaufen.
Baraks schwierige Mission
„Das ist ein Skandal. Man hat mir eine Falle gestellt. Ich wurde zu einem Höflichkeitsgespräch geladen“, wurde Celikkol danach von der israelischen Tageszeitung Maariv zitiert. „In den 35 Jahren meiner diplomatischen Laufbahn habe ich noch kein so beschämendes Verhalten erlebt.“ Selbst in Griechenland sei er nicht so behandelt worden, fügte er hinzu. Am Bosporus überlegt man nun seinen Botschafter zurückzurufen.
Nach der Demütigung, die der türkische Botschafter in Anwesenheit der Medien einstecken musste, schwieg Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zunächst. Schließlich stellte er sich jedoch hinter seinen Minister und kritisierte lediglich dessen „undiplomatisches Verhalten.“ Die Äußerungen des Premierministers und die knappe Entschuldigung Ayalons dürften jedoch ihren Beitrag zur weiteren Verstimmung zwischen den beiden Staaten liefern. Denn auch der türkische Ministerpräsident meldete sich vom Libanon aus zu Wort und forderte eine Maßregelung Ayalons durch den israelischen Regierungschef. Zudem erklärte er, den für kommende Woche geplanten Besuch Ehud Baraks boykottieren zu wollen.
Israels Verteidigungsminister wird nächste Woche in Istanbul erwartet. Er gilt als ausgewiesener Türkeifreund und möchte einen Vertrag zwischen dem türkischen Verteidigungsministerium und der israelischen Militärindustrie unter Dach und Fach bringen – eine schwierige Mission. Es bleibt abzuwarten, wie Ehud Barak am Bosporus aufgenommen wird, eins steht jedoch fest: Zwischen Israel und der Türkei ist der diplomatische Tiefpunkt erreicht.
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