Israel beklagt mangelnde Fairness
Wie die israelische Tageszeitung Yedioth Ahronoth berichtete, hatte das israelische Außenministerium vergangene Woche die schwedische Botschafterin Elisabeth Borsiin Bonnie zu einem Gespräch geladen. Bei diesem Gespräch wurde ihr „mangelnde Fairness ihres Landes gegenüber Israel mit aller Schärfe vor Augen geführt“, so die Zeitung. Der stellvertretende Generaldirektor für Westeuropa, Naor Gilon, sagte: „Die Einseitigkeit Schwedens in seiner Amtszeit als EU-Präsident führte dazu, dass die israelische Öffentlichkeit die EU nicht mehr als objektiven Faktor betrachtet.“ Mit dieser Aussage steht er in Israel durchaus nicht allein, was jedoch den konkreten Fall Aftonbladet betrifft sehr wohl. Betrachtet man die Zeitungsberichte aus dem August vergangenen Jahres, so ist unübersehbar, dass alle Tageszeitungen die Berichterstattung zwar kritisierten, um dann aber im selben Atemzug die eigene Regierung an den Pranger stellten. Allen voran die linksliberale Haaretz.
Kritik der jüdischen Gemeinde in Schweden
Weder ergriff sie die rhetorische Keule gegen die Regierung noch lies sie sich von Avigdor Liebermanns Vergleich, der Artikel sei äquivalent zu dem „Protokoll der Weisen von Zion“ein – stattdessen gab man der jüdischen Gemeinde in Schweden das Wort: „Die israelische Reaktion war sehr harsch und hat zu einem diplomatischen Sturm geführt“, sagte Lena Poser, die Präsidentin der jüdischen Gemeinde. „Auf der einen Seite ist es nachvollziehbar. Auf der anderen Seite begeht man durch die Anschuldigungen einen Fehler: Anstatt die Geschichte zu widerlegen, werden nun alle anderen schwedischen Zeitungen die Redefreiheit dadurch unterstützen, indem sie das Aftonbladet zitieren und ausführlich darüber berichten.“
Liebermann im Abseits
Neben diesem Artikel der Haaretz verurteilte selbst das Massenblatt Yedioth Ahronoth die aggressive Haltung des eigenen Außenministers: „Israel muss in Schweden tatsächlich harte und nicht immer faire Kritik einstecken, und der Artikel in der Aftonbladet war schlechthin gemein, Journalismus von der miesesten Sorte. Aber die Kampagne, die Israel nun gegen Schweden führt, ist völlig übertrieben. Es ist eine Kampagne auf niedrigem Niveau, die wieder einmal zeigt, dass der Außenminister in Netanjahus Regierung nur interne Interessen vor Augen hat- seine eigenen internen Interessen.“ Und weiter: „Die israelische Regierung hätte eine Verleumdungsklage gegen die schwedische Zeitung einreichen können. Sie hätte eine große Annonce in den schwedischen Medien aufgeben und dort die wahren Umstände erklären können. Stattdessen fordert sie, dass die schwedische Regierung die Zeitung verurteilt. Das ist eine gefährliche Forderung. Denn anstatt den Journalisten auf die Anklagebank zu stellen, machte sie ihn zum Märtyrer in seinem Lande. Jetzt könnte diese Forderung zum Bumerang werden. Morgen könnte sich die eine oder andere Regierung über eine Veröffentlichung in einer israelischen Zeitung ärgern und dann die israelische Regierung dafür verantwortlich machen.“
4 Kommentare:
Was waren denn eigenlich die "wahren Umstände", welche die israelische Regierung hätte erklären können? Anders gefragt, was war denn halbwegs objektiv bewertet dran an den Vorwürden von wegen Organraub?
Gute Frage: In israelischen Zeitungen gab es verschiedene Versionen über die wahren Umstände, in deutschen Zeitungen wiederum andere – bis kurz vor Weihnachten ein wichtiger Artikel in der TAZ erschien. Deshalb ein kurzer Überblick:
I.) Donald Bostrom, der verantwortliche Journalist, sagte in einem Interview zur Yedioth Ahronoth: „Keiner meiner Kritiker in Israel hat den Artikel gelesen. Ich habe nicht geschrieben, dass die israelischen Soldaten den Palästinenser getötet haben, um Organe zu stehlen. Aber Leichen von Palästinensern wurden operiert. Die Überschrift war falsch. Ich hätte etwas anderes schreiben sollen.“ Am selben Tag wurde ein Bericht gebracht, der über das Dorf und die Familie des Palästinensers berichtete, der vor 17 Jahren von israelischen Soldaten getötet wurde und dem die Organe entnommen worden sein. „Wie es sich herausstellte, behauptet nicht einmal seine Familie, dass ihm die Organe entnommen wurden. Jetzt, nach der Veröffentlichung im Aftonbladet, fordert die Familie eine Untersuchung des Falls“, war dort zu lesen.
II.) In der TAZ gab es jedoch am 23.12.2009 einen Beitrag der berichtete, dass Israel die illegale Organentnahme gestand (http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=au&dig=2009%2F12%2F23%2Fa0083&cHash=b89f184109)
III.) Dank dieses Berichtes in der TAZ lässt sich also sagen, dass es diese Praktiken gegeben hat. Interessant dabei ist jedoch, dass sich die Organentnahme nicht nur auf Palästinenser bezog, sondern auch auf Israelis – was nach halachischem Recht (jüdischem Recht) verboten ist. Das bedeutet, dass den Verantwortlichen eien Anklage ins Haus steht, in Israel und vermutlich auch eine Protestnote der UN o.ä.
IV.) Die Anschuldigungen sind also wahr, die israelische Regierung hat – ob wissentlich oder unwissentlich, dass kann ich nicht beurteilen – einen unangebrachten Vorwurf erhoben. Als diplomatisches Problem wird sich mit Sicherheit heruasstellen,dass dieser Vorwurf mit anderen – der „mangelnde Fairness ihres Landes gegenüber Israel mit aller Schärfe vor Augen geführt“ (Yedioth Ahronoth) – vermischt, somit hat man sich selbst ins Abseits gestellt – allen voran Liebermann.
V.) Die israelischen Zeitungen, die in dem Artikel zitiert wurden, haben also folgerichtig berichtetet, dass der Artikel als solcher journalistisch fehlerhaft war - was Bostrom selbst bestätigte - und Liebermann kritisiert für seine polemisierenden Attacken. Zu Recht. Jedoch ist die Aufdeckung dieses Skandals erst die ganze Wahrheit ans Licht gekommen.
Die Geschichte des "Organraubs", wie von Aftonbladet veroeffentlicht, ist voellig falsch, wie ein wenig Nachdenken eigentlich deutlich machen sollte.
Eine Organentnahme zum Zweck von Transplantationen erfordert ein ganz anderes Umfeld und anderes Personal als junge, medizininsch ungeschulte Soldaten im freien Feld, siehe: http://www.klinik-krankenhaus.de/freiwillige-organspende.php
"Nur ein sehr geringer Prozentsatz von Menschen, die ihr Leben verlieren, kommen als Organspender überhaupt infrage. Voraussetzung für eine Entnahme intakter Organe ist, dass ein Hirntod vor dem Herzstillstand eintritt. Dies trifft auf ca. ein Prozent aller Todesfälle zu.
Ein Hirntod kann z.B. Folge eines Unfalls mit schweren Kopfverletzungen oder schwerer Hirnblutungen sein. Der Verstorbene gleicht in etwa dem Zustand eines Enthaupteten, dessen Hirn vom Körper getrennt ist, dessen Vitalfunktionen, wie Herzschlag und bestimmte Reflexe, aber noch eine kurze Zeit weiter gehen. In einem solchen Fall können medizinische Geräte den Organismus noch eine kurze Zeit künstlich unterstützen und damit die Möglichkeit zur Organspende herstellen."
Im Fall, wo Leichen "operiert" wurden, handelte es sich um Autopsien. Dabei konnte es nur darum gehen, auch in dieser Hinsicht zu untersuchen, ob die Soldaten sich an die Schussbefehle gehalten haben oder nicht.
Der Fall, wo nicht autorisierte Organentnahmen zum Zweck von Transpantationen vorkamen, lag voellig anders.Der Leiter des forensischen Instituts Abu Kabir musste zuruecktreten, weil er in einigen Faellen die Entnahme von Organen gestattet hatte, obwohl der legale Prozess der Einwilligung durch die Angehoerigen nicht oder nicht vollstaendig stattgefunden hatte. Dabei handelte es sich natuerlich ueberwiegend um tote Israelis, Juden und Araber.
Dass die TAZ daraus eine Bestaegtitung des Aftonbladetartikels macht, zeigt nur, wie verbreitet intellektuelle Unredlichkeit und latenter Antisemitismus im linken Spektrum sind.
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