Über die Samaritaner ist vielen kaum mehr bekannt als die neutestamentliche Erzählung vom barmherzigen Samariter. Deshalb soll in der Reihe „Israel – Die Entstehung einer Mosaikgesellschaft“ ein Blick auf die religiöse Minderheit geworfen werden, die in zwei Gemeinden in Holon bei Tel Aviv und in Kriyat Luza am Berg Garizim bei Nablus lebt.
Schomronim und Schamerim
Denn Samaritaner ist nicht gleich Samaritaner: Unterschieden werden die Bewohner der biblischen Region Samaria – der heutigen palästinensischen Westbank – (hebr. schomronim) und die israelitischen Samaritaner (hebr. schamerim). Die Gemeindemitglieder in Nablus sind die Schomronim, die Gemeindemitglieder in Holon die Schamerim. Die religiöse Minderheit sieht sich als „Hüter des Gesetzes“, als shomer ha Thora.
Knapp 700 Samaritaner leben heute noch in den beiden Gemeinden und sind – wie so viele Minderheiten in Israel – zwischen der israelisch-palästinensischen Front zu Hause. Ihre Ursprünge gehen bis auf die Bevölkerung des alttestamentlichen Nordreiches zurück. Sie erkennen nur die Thora als Heiliges Buch an – weshalb sie auch nicht als jüdisch zu bezeichnen sind. Sie sind jedoch auch keine Muslime, auch wenn sie zum Teil Riten und Bräuche des Islam, wie das Ausziehen der Schuhe vor dem Betreten der mit Teppichen ausgelegten Synagogen, im Laufe der Zeit übernommen haben.
Verfolgung, Assimilation, Isolation
Besonders viel weiß man bis heute nicht über die Samaritaner. Die Forschung steckt aufgrund fehlender Quellen noch in den Kinderschuhen. Die Gemeinde versucht deshalb durch Vortragsreisen rund um den Globus Licht ins Dunkle zu bringen und von seiner eigenen Geschichte zu erzählen. Schließlich sind die Samaritaner heute eine Minderheit, vor zweitausend Jahren aber zählten sie rund eine Million Menschen - nicht nur in Nablus, sondern auch in Damaskus, Kairo und Gaza. In der Mitte des 18. Jahrhunderts siedelten sich dann alle versprengten Gruppen an „ihrem“ Berg bei Nablus an, lebten mit und unter der arabischen Bevölkerung, assimilierten sich und lernten die Sprache ihrer Nachbarn – das war in Syrien und Ägypten zuvor nicht der Fall gewesen. Sie versuchten jedoch auch ihre eigenen religiösen und kulturellen Traditionen aufrecht zu erhalten. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren trotz der Gemeindezusammenführung nur noch 150 Samaritaner am Leben – was auf die bis dato endogame Lebensweise zurückzuführen ist, die heute nicht mehr praktiziert wird. Als Palästina unter dem Mandat des British Empire stand, kam zu dem demografischen Problem die erneute Aufspaltung der Gemeinde von Nablus hinzu, die ein Fortbestehen der Samaritaner erschwerte. Einige Gemeindemitglieder zogen nach Holon und aus der kleinen Gruppe entwickelte sich eine zweite samaritanische Gemeinde.
In dem Vorort von Tel Aviv errichteten sie zwei Synagogen, eine Bibliothek und gründeten die Zeitschrift „Aleph Beth“, die in samaritanischem Aramäisch, Arabisch, Hebräisch und Englisch erscheint. Mit der israelischen Staatsgründung 1948 und der bis 1967 geltenden israelisch-jordanischen Waffenstillstandslinie waren die beiden Gemeinden voneinander getrennt, der Kontakt brach fast vollständig ab und wurde auch nach dem Sechstagekrieg und der israelischen Besetzung der Westbank erschwert, da die Samaritaner zwischen der israelisch-palästinensischen Front pendeln mussten und müssen.
Die Generation 2.0
Die Samaritaner versuchen zwar, sich aus dem allgegenwärtigen Konflikt herauszuhalten, das gelingt jedoch nicht immer. Der 2004 verstorbene Hohepriester der Samaritaner und Freund Yassir Arafats, Shalom Ben Amram, beispielsweise, zog 1996 den israelischen Zorn auf sich, als er Abgeordneter im palästinensischen Parlament wurde. Dort ist den Samaritanern ein Platz sicher, da deren religiöses Oberhaupt traditionell in Nablus residiert. Wie lange die Samaritaner noch am Fuß ihres Berges leben, ist indes ungewiss. Die 300-Seelen-Gemeinschaft hatte das alte samaritanische Viertel in der Stadt schon während der ersten Intifada in den Achtzigerjahren verlassen und flüchtete nach Kiryat Luza, einer von der Stadt getrennten Siedlung an den Hängen des Garizim. Ihren Lebensunterhalt verdienen sie sich mit Handel und Gütertransport zwischen Westbank und Israel, da sie dank einer speziellen Reiseerlaubnis als Einzige relativ problemlos hin- und herfahren können.
Die neue Gemeinde in Holon dagegen kennt solche Probleme nicht. Die Samaritaner nahe Tel Aviv sind israelische Staatsbürger, dienen in der Armee, arbeiten in modernen Berufen und sprechen – vor allem die Jüngeren unter ihnen – meist besser Hebräisch als Arabisch. Dennoch versuchen sie die Tradition ihrer Ahnen fortzuführen – besonders die Generation 2.0 leistet dabei einen wertvollen Beitrag. Ein junger Samaritaner betreibt von Holon aus eine Website, die über Religion, Geschichte und Gesellschaft der kleinen Religionsgemeinschaft informiert.
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