Sieben Monate mussten die Fußballfans
in Ägypten vor den Toren der Stadien bleiben. Vergangene Woche verkündete der
ägyptische Fußballverband, erstmals wieder Fans
bei einem Spiel zuzulassen. Morgen spielt Zamalek endlich wieder vor Publikum.
Seit achtzehn Monaten herrscht in Ägypten der Ausnahmezustand. Die Revolution am Nil überraschte alle, den Westen, Mubarak, das Militär. Für viele war es eine Facebookrevolution, dabei war es genau genommen eine Fußballrevolution. Gleich zu Beginn der Proteste ließ Mubarak die Fußballliga unterbrechen, sagte alle Spiele ab. Zu groß war die Angst, dass sich in den Stadien die Massen gegen ihn zusammen tuen könnten. Bereits zu diesem Zeitpunkt brauchten die Anhänger keine Stadien mehr. Die Straße war ihr Stadion. Treibende Kraft vor Mubaraks Umsturz waren vor allem die Ultras der beiden größten Vereine Kairos: Al Ahly und Zamalek. Im Dasein als Fußballfan sind sie Feinde, während den Aufständen begruben sie ihre Rivalität.
Ein Gastbeitrag von Nahost Fußball. Von
Helen Staude
Seit achtzehn Monaten herrscht in Ägypten der Ausnahmezustand. Die Revolution am Nil überraschte alle, den Westen, Mubarak, das Militär. Für viele war es eine Facebookrevolution, dabei war es genau genommen eine Fußballrevolution. Gleich zu Beginn der Proteste ließ Mubarak die Fußballliga unterbrechen, sagte alle Spiele ab. Zu groß war die Angst, dass sich in den Stadien die Massen gegen ihn zusammen tuen könnten. Bereits zu diesem Zeitpunkt brauchten die Anhänger keine Stadien mehr. Die Straße war ihr Stadion. Treibende Kraft vor Mubaraks Umsturz waren vor allem die Ultras der beiden größten Vereine Kairos: Al Ahly und Zamalek. Im Dasein als Fußballfan sind sie Feinde, während den Aufständen begruben sie ihre Rivalität.
Die
Kräfte Al Ahlys und Zamaleks zeichnen die Gesellschaft der Prä-Mubarak-Ära
wieder. Eine Zeit in der die Massen mundtot gemacht wurden, die Bühne des
Fußballs instrumentalisiert wurde. Fans nutzen die 90 Minuten um ihre
politische Agenda zu demonstrieren, Mubarak nutzte die Minuten um der Welt da
draußen Normalität zu zeigen. Aber die Ultras wurden für ihre Macht bestraft.
Im Februar starben 74 Menschen, Anhänger Al-Ahlys, während eines Spiels in Port
Said. Der Ort brannte sich in das Gedächtnis der Menschen und steht für die
Tragödie. Die Behauptungen halten sich aufrecht, Anhänger Mubaraks hätten dies
inszeniert – um die Anhänger Al-Ahlys zu bestrafen, ihnen Angst zu machen.
„Fußball ohne Fans ist wie eine
Hochzeit ohne Gäste“
Bestraft
wurde eine ganze Nation: Der Vorfall ging als schwärzester Tag in die
Geschichte des Fußballs ein, niemals zu vor starben so viele Menschen bei einem
Fußballspiel. Die Liga wurde umgehend abgebrochen, Spieler standen kurz vor dem
Karriereaus, wollten alles hinschmeißen. Aufgehört hat keiner, alle Spieler sind
mittlerweile wieder Teil der Nationalmannschaft und ihrer Vereine. Dennoch, der
Fußball hat sich verändert: die Fans müssen seitdem draußen bleiben. Viele der
Spiele werden nun im Ausland ausgetragen, oder aber im Militärstadion, mit Offizieren
als Publikum. Dies hat eine verheerende Konsequenz: die einst so starken
Ägypter rutschten international in den Keller. Zum zweiten Mal in Folge
verpasste das Land die Teilnahme am Afrika Cup.
In
der afrikanischen Champions League ist Zamalek mit null Punkten Gruppenletzter
in Gruppe B, Al-Ahly aber führt die Gruppe an. Letzten Monat spielten endlich
auch wieder die Erzrivalen, Al Ahly und Zamalek als Gegner in der Champions
League gegeneinander. Was sonst ein Großereignis in Kairo ist, geschah hinter
geschlossenen Türen, ohne Fans. „Fußball hinter verschlossenen Türen zu
spielen, ist wie eine Hochzeit ohne Gäste“, klagt Khaled Mortagey, Mitglied des
Al-Ahly Vorstandes. „Die Atmosphäre ist nicht gut für die Spieler, dies alles
beeinträchtigt ihre Spielweise.“ Al Ahly konnte dennoch dank Spielmacher
Mohamed Aboutrika mit 1:0 siegen.
Ultras üben erneut Druck aus
Wieder
waren es die Ultras Zamaleks und Al-Ahlys, die sich ihrem Schicksal nicht
einfach ergeben wollten. Beide Fangruppen übten massiven Druck auf den Ägyptischen
Fußballverband (EFA) aus – sie wollten ihre Mannschaften unterstützen, bei den
Spielen dabei sein. Ihre Bemühungen zahlten sich aus. Zuerst wurde El-Amry
Farouq als neuer Sportminister ernannt. In einer Presseerklärung erklärte
Farouq, den Fußball ganz oben auf seine Agenda zu setzen. Er habe gesehen,
welchen Nachteil Al Ahly, Zamalek und die anderen Vereine erdulden, welche
finanzielle Belastung es für den ägyptischen Fußball bedeute. Bereits vor
seiner Ernennung fanden zahlreiche Treffen und intensive Gespräche zwischen
Al-Ahly Mitgliedern und Ägyptens neuem Innenminister Ahmed Gamal Edin statt. Er
beharrte, keine Fans zu den spielen zuzulassen solange nicht die Clubs und
Stadien seinen Sicherheitsvorschriften entsprechen würden. Man einigte sich nun:
die Spiele finden vorerst weiter im Militärstadium statt. Fans werden zu
ausgewählten Spielen mit Beschränkung zugelassen. Auch das nächste Champions League
Spiel am 14 September zwischen Al-Ahly und Zamalek gehört zu diesen. Verlaufen
diese Spiele friedlich, werden weitere Spiele freigegeben.
Der
Schritt ist ein kleiner Sieg des neuen Präsidenten Mohamed Morsis in seinem
eigenen Kampf gegen die Sicherheitskräfte des Landes. Erst gerade erzielte er einen
Sieg, als er die oberste Riege des Militärs einfach ersetzte. Lange war es ihm
nicht gelungen, die Fans zurück in die Stadien zu bringen um endlich wieder ein
Stück Normalität zu erreichen. Und fast hätte ihm das Militär wieder einen
Strich durch die Rechnung gemacht. Nach der Einigung zwischen Ministerium,
Ultragruppen und Militär, zogen die Verantwortlichen des Militär Stadiums das
Angebot zurück, die kommenden Spiele dort auszutragen. Angeblich würde das
Stadion renoviert werden. Premierminister Hisham Qandil befahl umgehend
Verteidigungsminister Abdel-Fattah El-Sisi, das Problem zu lösen. Zamalek hätte
keinen neuen Austragungsort für das morgige Spiel gegen das Team Berekum
Chelsea aus Ghana gefunden. Das Spiel – gerade für die Fans – wäre ausgefallen.
Der Druck auf El-Sisi war zu groß, die Absage wurde zurückgezogen. Auch wenn
das Spiel für Zamalek als Gruppenletzter keine Bedeutung mehr hat, für Ägypten
ist es ein großer Tag.
Morsi belohnt die Ultras für Mubaraks
Sturz
Die
aktuelle Debatte in Ägypten zeigt, wie politisch motiviert und gefärbt die
Diskussion um den Fußball ist. Die Bemühungen des Präsidenten Morsi stehen im
starken Kontrast zu seinem Vorgänger Mubarak. Dieser benutzte den Fußball um
von der Politik abzulenken, um sein Image aufzupolieren. Morsi setzt sich dafür
ein, den Fußball von Korruption zu säubern, den Sport frei und fair zu
gestalten. Kürzlich erst formte die Regierung die EFA neu, organisiert
innerhalb von 60 Tagen eine Wahl des Sportgremiums. Drei Listen – Anhänger der
Mubarak-Ära, Islamisten und unabhängige Reformer – treten gegeneinander an.
Morsi weiß, dass sich die Fans nicht mehr von den Stadien fernhalten werden.
Das Problem muss gelöst werden, jetzt, an den Tischen mit Ministerien, Vereinen
und Ultras. Sonst gehen diese wieder auf die Straße und erkämpfen sich ihre
Rechte.
Der
Ägyptische Fußballverband rief die Fans Zamaleks auf, sich morgen friedlich zu
verhalten. Gerade erst hat der Afrikanische Fußballverband (CAF) Tunesiens
Etoile Sahal aus der Champions League geworfen. Vergangene Woche stürmten die
tunesischen Fans aufgrund der schlechten Leistung der Mannschaft den Platz,
während des Gruppenspiels gegen Esperance in Sousse, 22 Polizisten wurden
verletzt.
„Wir
zählen auf die Fans von Zamalek, sich sportlich zu verhalten. Sie sollen eine
Nachricht in die ganze Welt schicken, dass Ägypten sicher ist“, sagt
EFA-Sprecher Azmy Megahed. Das Spiel soll den Weg für die nationale Liga ebnen.
Am 17. September soll diese endlich wieder beginnen, hoffentlich auch mit den Fans.
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