Auf
gezielte Provokationen reagiert Ägyptens Präsident Mohammed Mursi wie sein
Vorgänger – und auch die altehrwürdige al-Azhar agiert wie in jenen
Mubarak-Tagen. Um die Presse- und Meinungsfreiheit in Ägypten ist es dieser
Tage schlecht bestellt.
Von Dominik Peters
Diejenigen Ägypter, die
am vergangenen Dienstag die ägyptische Tageszeitung „al-Masry al-Youm“, „Shouruk“
oder „al-Mashhad“ gelesen haben, dürften sich verwundert die Augen gerieben
haben. In einer von der staatlichen Nachrichtenagentur MENA verfassten Nachricht
stand dort, im Nachbarland Israel seien 127 junge Männer und Frauen aus
Nordkorea gelandet und am Ben-Gurion-Flughafen von Ministerpräsident Benjamin
Netanjahu höchstpersönlich begrüßt worden, da sie freiwillig zur israelischen
Armee gehen würden. Der einzige Haken: Es sind niemals 127 Nordkoreaner nach
Israel gereist, sondern Nordamerikaner – ergo: junge Juden aus den USA.
Diesen
Übersetzungsfehler dürfte man nilauf, nilab noch mit Humor nehmen, weitere
kuriose Nachrichten, die in den vergangenen Tagen und Wochen seit dem
Amtsantritt Mohammed Mursis vermeldet wurden, nicht. Wie sein autokratischer
Vorgänger Hosni Mubarak scheint auch der Muslimbruder nicht verstanden zu
haben, warum er, der ägyptische Präsident, sich an demokratische Spielregeln
halten soll, speziell die der Presse- und Meinungsfreiheit.
Wie ist es anders zu
erklären, dass er seinem Informationsminister, Salah Abdel Maksud, grünes Licht
gab, um den Fernsehsender „Faraeen“ zu schließen, den – mit Richterspruch
abgesegneten – Einzug der Ausgaben der Zeitung „al-Dustur“ durchzupeitschen und
daneben die Gründung einer „Medienbehörde“ ankündigte, die nicht nur
staatliche, sondern auch private Medien „überwachen“ werde?
Aber der Reihe nach.
Gegen das
Boulevardblatt „al-Dustur“ – das im Besitz eines Kopten ist, der seine
Journalisten bereits auch Hosni Mubarak kritisieren ließ, nicht jedoch den
Militärrat – wurde in der vorvergangenen Woche mehrere Klagen eingereicht wegen
„Schüren von Aufruhrs“ und „Beschädigung des Präsidenten durch gesetzlich
strafbare Sätze und Wörter“, wie MENA berichtete. Der Grund: Die Zeitung hatte
zum Widerstand gegen die Muslimbruderschaft aufgerufen und bereits im Juni
spekuliert, die Bruderschaft werde ein „Massaker“ verüben, sollte Mursi nicht
gewählt werden.
Deshalb wurde die
Zeitung unter dem Vorwurf „Verhetzung“ und „Präsidentenbeleidigung“ beschlagnahmt
– den Haus- und Hofpostille der Muslimbruderschaft oder der salafistischen
al-Nur-Partei ist dies bisher nicht passiert, obgleich in jenen Woche für Woche
absonderliche Berichte über die koptische Kirche und christliche Riten
publiziert werden, die nicht aufklären, sondern Hass und Misstrauen schüren.
Dass der TV-Kanal
Faraeen selbiges in Person von Tawfik
Okasha seit dem Sturz des Raïs betreibt, ist kein
Geheimnis. Die ägyptische Glenn Beck-Kopie und Mubarak-Anhänger polemisiert
seit Monaten gegen die Muslimbruderschaft im Allgemeinen und Mursi im
Besonderen, verteufelt die Tahrir-Revolution und preist das Militär. Aufgrund
des Vorwurfs, er habe in seiner Sendung Ratschläge erteilt, wie man Mursi
ermorden könne, wurde nun der ganze Sender abgeschaltet.
Mag in den
Reaktionsstuben von „al-Dustur“ mit harten Bandagen gegen den neuen Präsidenten
angeschrieben werden, Okasha vollkommen indiskutable Sendungen produzieren –
die Einstellung der Zeitungsausgabe beziehungsweise das Abschalten eines ganzen
TV-Senders rechtfertigt das nicht.
Aber das Vorgehen passt
in das Bild dieser Tage. Fast hat es den Anschein die gestrenge Hand des
Militärrates würde durch eine noch strengere ersetzt – die der Muslimbruderschaft,
die nunmehr schaltet und waltet, wie sie möchte. Da passt es auch ins Bild,
dass der Schura-Rat, die zweite Kammer des ägyptischen Parlamentes, die von der
Muslimbruderschaft und Salafisten dominiert wird, sämtliche Chefredakteure
aller staatlichen Zeitungen neu ernannt hat.
Zwar werden auch die
neuen Chefredakteure natürlich keine Steinzeit-Islamisten, wie mancherorts
beschrieben, sondern ebenfalls Teils des alten Systems seien – dennoch war der
Protest gegen diese Entscheidung groß, erschienen mehrere Kolumnen bekannter
Autoren ohne Text und in der Zeitung „al-Tahrir“ war zu lesen: „Diese Rubrik
bleibt leer, um gegen das vererbte System zu protestieren, das mit Mubarak und
seinem Sohn nicht verschwunden ist. Es scheint so, dass die Muslimbrüder, blind
vor Arroganz, es wiederbeleben wollen. Dieser Protest richtet sich gegen ihre
Kontrolle der Medien im öffentlichen Eigentum.“
Gemeint sind etwa die
jüngsten Entscheidungen der staatlichen al-Akhbar, die die Meinungsseite von
drei auf zwei Seiten reduzieren wird, sowie künftig weitaus weniger Gastautoren
die Möglichkeit einräumen wird, Beiträge zu veröffentlichen.
Neben den staatlichen und
unabhängigen Medien gerät aber auch die al-Azhar-Moschee wieder ins Visier der
Kritiker. Eines der Mitglieder der Fatwa-Kommission, Sheikh Hashem Islam, hatte
in der vergangenen Woche in einer Predigt erklärt, dass all jene, die sich den
Demonstranten in den Weg stellen würden, die am 24. August dieses Jahres gegen
die Muslimbruderschaft und den Präsidenten demonstrieren wollen, nicht bestraft
werden dürften. Denn jene Demonstration sei eine „Revolution die klar gegen
Demokratie und Freiheit“ gerichtet sei.
Proteste gegen diese
Äußerung kamen nicht nur von Seiten Mohammed El-Baradeis und aus dem Dunstkreis
des gescheiterten Präsidentschaftskandidaten Ahmed Shafiqs, sondern auch von
Seiten der salafistischen Nur-Partei, die in der al-Azhar weiterhin das verlängerte
Sprachrohr des Präsidentenpalastes und Innenministeriums sieht, wie zu Zeiten
Mubaraks und nicht mehr die altehrwürdige Institution von einst. Deren
Pressesprecher der al-Nur-Partei erklärte via Twitter: „Die Fatwa hat jeden
schockiert. Jeder hat absolut das Recht nicht mit dem Präsidenten
übereinzustimmen und seine Politik abzulehnen.“
Präsident Mursi und
seine Muslimbruderschaft sieht das offenbar anders – und hält sich lieber an
die alte Weisheit von Pippi Langstrumpf: „ Ich mach' mir die Welt Widdewidde
wie sie mir gefällt.“
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