Dienstag, 29. April 2008

Sham el-Nessim - Frühlingsfest in Ägypten

Am Montag nach dem koptischen Osterfest wird in Ägypten Sham el-Nessim gefeiert. Dieses Fest geht zurück auf die pharaonische Zeit. Damals wurde im Frühjahr der "Tag der Schöpfung" begangen, heute ist Sham el-Nessim in erster Linie ein Tag den ägyptische Familien, Christen wie Muslime, im Zoo oder in Parks verbringen und picknicken.

Zehntausende Ägypter zieht es entweder auf dem Schiff oder im Minibus nach Qanater, eine Kleinstadt etwa 15 Kilometer nördlich des Stadtrands von Kairo. Hier verlaufen mehrere Dämme quer über den Nil, die das Wasser des Flusses stauen und nördlich des Ortes beginnt sich der Nil zu teilen und man erreicht das Nildelta. Auch die ägyptische Polizei hat sich darauf eingerichtet und eine Straßensperre auf der Ausfallstraße nach Qanater eingerichtet. Vorzugsweise Minibusse werden angehalten und erst nach Zahlung von Schmiergeld durchgelassen.

An Sham el-Nessim ist Qanater voller Menschen und man bekommt einen Eindruck vom Kinderreichtum ägyptischer Familien. Viele Frauen und Männer haben mehrere Kinder an der Hand und nicht selten weitere auf der Schulter oder dem Arm. Anlässlich des Feiertages werden den Mädchen von ihren häufig bis auf die Augenpartie verschleierten Müttern bunte Schleifen ins Haar gebunden, goldene Ohrringe und Ketten angelegt.

Auf dem Staudamm versuchen Verkäufer verschiedenste Arten von Spielzeug, Faschingshüte oder Sonnenbrillen an den Mann zu bringen. Andere bieten selbstgemachtes Bananeneis oder Zuckerrohrsaft als Erfrischung an. Wagemutige junge Männer springen aus knapp 10 Metern Höhe ins grün schimmernde Nilwasser. Kamelführer, Eseltreiber und Pferdekarren laden zu Rundfahrten durch die öffentlichen Parks der Stadt ein. Wer will, kann sich mit einem ausgeliehenen Ruderboot auf den etwa 400 Meter breiten Nil hinauswagen.

Der Stadtpark am Nilufer selbst ist voller als der Volkspark Friedrichshain oder der Humboldthain im Hochsommer. Großfamilien haben zwischen die Bäume Planen gespannt unter denen Eltern, Großeltern, viele Kinder und wohl weitere Verwandte sitzen und essen. Traditionell wird an Sham el-Nessim meistens Fisch serviert. Aus großen Boxen dröhnt ägyptische Popmusik über das Gelände und beschallt die Tausenden Picknicker in ohrenbetäubender Lautstärke. Die Stimmung ist bei angenehmen Temperaturen von knapp 30 Grad sehr ausgelassen, ganz ohne Alkohol.

Freitag, 25. April 2008

Der koptische Karfreitag in Kairo

Die orientalischen Kirchen feiern an diesem Wochenende das Osterfest. Das bedeutet, dass die 5 bis 8 Millionen koptischen Ägypter heute den Karfreitag begehen und an die Kreuzigung Jesu erinnern. Die koptische Kirche geht auf Markus, den Verfasser des Markusevangeliums, zurück.

Als ich heute um kurz nach 12 Uhr mittags die Kirche im Kairoer Stadtteil Doqqi betrete, scheint der Gottesdienst schon eine ganze Weile zu laufen Dir Kirche, ein schmuckloser Zweckbau aus den 70er oder 80er Jahren ist fast bis auf den letzten Platz gefüllt. Die etwa 400 Gläubigen sitzen nach Geschlechtern getrennt, links vom Gang die Männer, die Frauen haben zur Rechten Platz genommen. Fast alle Damen haben ein Kopftuch locker über ihr Haar geworfen, einige Ältere sind ganz in schwarz gekleidet.

Einer der zahlreichen Messdiener in einem langen weißen Gewand, das mit roten und gelben Kreuzen bestickt ist, bittet mich auf einen Platz in einer der vorderen Sitzreihen. Die Kirche ist weitgehend mit Teppichen ausgelegt, wie in einer Moschee ziehen daher viele der Gläubigen ihre Schuhe aus. Schwere Weihrauchschwaden hängen in der Luft.

Die Messe wird von drei älteren Priestern mit grauen Vollbärten geleitet, die ganz in schwarz gekleidet sind. Die Gebetstexte und Bibelgeschichten werden abwechselnd von Messdienern vorgetragen. Die Lieder werden von zwei Männern mit besonders wohlklingenden Stimmen angestimmt.

Während des Gottesdienstes wird viel gesungen und gebetet, teils auf Koptisch, der alten aus dem Griechischen abgeleiteten Liturgiesprache der koptischen Kirche, teils auf Arabisch. Der Übergang zwischen Gesang und Gebet scheint für den Laien jedoch fließend, da auch die Gebete in einer Art Singsang vorgetragen werden. Auf den ein oder anderen Kirchgänger hat diese Melodie durchaus eine einschläfernde Wirkung. Sonst geht es in der Kirche recht lebendig zu. Es herrscht praktisch ein ständiges Kommen und Gehen und einige scheuen sich auch nicht während der Messe zu telefonieren.

Auffallend ist, dass sich einige der Gläubigen während des Gebets zwischen den Sitzreihen und im Gang auf den Boden werfen und ihre Stirn auf den Teppich drücken, ähnlich wie es die Muslime tun. Andere deuten lediglich eine Verbeugung an und bekreuzigen sich dabei.

Als die Leidensgeschichte Christi verlesen wird, fangen einige Frauen an zu weinen. Sämtliche Lied- und Gebetstexte lassen sich übrigens über eine Leinwand die über den Altar gespannt wurde, mitlesen, manchmal hat der Mann, der die Powerpoint-Präsentation am Laptop steuert, jedoch Probleme mitzukommen.

Nach 2 Stunden wähne ich mich in einer Art Endlosschleife. Immer wieder werden die selben Gebete gesprochen und auch die Lieder kehren immer wieder. Nachdem ich bei der Kollekte meinen Obolus hinterlassen habe, entscheide ich mich die Kirche zu verlassen. Als ich um kurz vor 17 Uhr erneut an der Kirche vorbeilaufe, läuft der Gottesdienst immer noch.

Mittwoch, 23. April 2008

Die Bundesliga im arabischen Fernsehen

Der arabische Fernsehzuschauer kann aus einer Vielzahl von Sportprogrammen wählen, die die Spiele der großen europäischen Fußballligen live übertragen. Die Champions League und die englische Premier League werden vom Pay TV - Sender ART Sports übertragen, al-Jazeeras Sportkanäle zeigen die italienische Serie A, die spanische Primera Division sowie den DFB-Pokal und die Bundesliga wird von Dubai Sports via Hotbird und Nilesat in die arabischen Wohnzimmer und Kaffeehäuser übertragen.

An einigen Wochenenden ist es daher möglich sowohl das Freitagsspiel, als auch die Top-Partie des Samstags und ein Sonntagsspiel live irgendwo zwischen Algier und Abu Dhabi am Fernseher zu verfolgen. Tatsächlich sieht die Realität oft so aus, dass am Freitag Abend ein Spiel aus der Liga der Emirate gezeigt wird und am Samstag Nachmittag die Bundesliga zugunsten eines Pferde- oder Kamelrennens in Dubai aus dem Programm genommen wird. Eine Sonntagspartie wird hingegen immer gezeigt.

Die Berichterstattung beginnt meistens eine halbe Stunde vor Anpfiff mit dem "Bundesliga-Studio". In einem Fernsehstudio sitzen ein junger Moderator, sowie der Bundesliga-Experte Captain Fuad. Grundsätzlich wird im arabischen Fernsehen jeder ehemalige Fußballer, der heute die Spiele analysiert, als Captain angeredet. Captain Fuad ist etwa 50 Jahre alt, hat einen fein gestutzten Oberlippenbart und trägt das traditionelle Gewand der Golfstaaten, einen weißen Thawb mit einer rot-weißen Kuffiya. Während des Bundesliga-Studios werden noch einmal die Tore des letzten Spieltages gezeigt und Captain Fuad gibt seine Einschätzung darüber, was vom bevorstehenden Spiel zu erwarten ist.

Erst unmittelbar vor dem Anpfiff, nicht selten auch eine gute Minute nach dem Anstoß, übergibt der Moderator an den Kommentator und die Übertragung des eigentlichen Spiels beginnt. Der Kommentator selbst sitzt auch im klimatisierten Studio in Dubai, weshalb es schon einmal vorkommt, dass sich der Mann im falschen Stadion oder in der falschen Stadt wähnt.

Arabische Fernsehkommentatoren arbeiten wie Radiokommentatoren in Europa, das heißt es wird pausenlos und ohne Unterbrechung geredet und fast bei jedem Pass wird der Name des Spielers, der sich gerade in Ballbesitz befindet, genannt. Ist der Spieler das erste Mal am Ball werden zudem Alter, Größe, Gewicht, Anzahl der absolvierten Bundesligapiele, der Tore und mögliche Länderspiele genannt, manchmal kommt noch der Geburtsort hinzu.

Außerdem scheint auf verschlungenen Wegen die legendäre "ran-Datenbank" in den Besitz von Dubai Sports gelangt zu sein. So kommt es vor, dass bei eher langweiligen Spielen der Kommentator unvermittelt und ohne jeden Zusammenhang zum Geschehen auf dem Rasen anfängt, die Rekordspieler der Bundesliga, angefangen bei Karl-Heinz Körbel zu dozieren, so geschehen vor ein paar Wochen bei der Partie Hertha BSC - MSV Duisburg.

In der Halbzeitpause und nach dem Spiel analysiert Captain Fuad dann die Partie und scheut dabei weder vor harscher Kritik noch davor zurück, binnen weniger Tage seine Meinung um 180 Grad zu ändern. Nach der Partie Werder Bremen - Schalke 04 wähnte er Kevin Kuranyi noch in einer tiefen Krise, nach dessen vier Toren gegen Cottbus erklärte Captain Fuad, Kuranyi habe eindrucksvoll bewiesen, dass er der derzeit beste deutsche Stürmer sei, der unbedingt ins Aufgebot von "al-Mannschaft", also des Nationalteams gehöre.

Anders als beim Fernsehduo Netzer-Delling kommen der arabische Moderator und sein Experte ohne Frotzeleien aus. Der Moderator dient als bloßer Stichwortgeber für Captain Fuad und lauscht ansonsten andächtig den Analysen des Ex-Fußballers ohne Widerworte zu geben.

Anders als bei Übertragungen der arabischen Ligen verzichten die Bundesligakommentatoren nach Toren darauf, selbige mit einem lang gezogenen "Goooooooooooooal" zu feiern als hätten die Vereinigten Arabischen Emirate gerade das entscheidende Tor im WM-Finale erzielt.

Die Namen von Fußballern mit muslimischem Hintergrund, die aus der Türkei oder anderen nicht-arabischen Ländern stammen, werden von den Kommentatoren kurzerhand arabisiert. Aus Werder Bremens Mesut Özil, wird der arabische Mas'ud, sein ivorischer Teamkollege Boubacar Sanogo zu Abu Bakr. Bayerns Mittelfeldstar Mehmet Scholl wurde bis zu seinem Rücktritt 2007 von den arabischen Fußballkommentatoren stets als Muhammad Scholl gefeiert.

Montag, 21. April 2008

Kairo - Ausstellung erinnert an 60. Jahrestag der Nakba

In der Kairoer Townhouse Gallery wurde gestern Abend eine Ausstellung mit dem Titel "Between the Walls" eröffnet, die die Situation der Palästinenser im Gazastreifen und dem Westjordanland 60 Jahre nach der Staatsgründung Israels aus zwei unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet. In der Arabischen Welt werden die israelische Staatsgründung am 14. Mai 1948 und die Flucht Hunderttausender Palästinenser in den Monaten vor und nach der Ausrufung des jüdischen Staates als Nakba, Katastrophe, bezeichnet.

Ein Teil der Ausstellung zeigt Fotos des Deutsch-Ägypters Philip Rizk, die er im Januar 2008 in Gaza machte. Die Aufnahmen bilden das normale Leben in dem abgeriegelten Küstenstreifen ab, jenseits der Fernsehbilder, die Tag für Tag über die Bildschirme flimmern. Zu sehen sind etwa Kinder, die inmitten verwüsteter Häuserzeilen einen Drachen steigen lassen oder zur Untätigkeit gezwungene Fischer, die ihre Zeit im Hafen mit Domino-Spielen totschlagen. Einige der Fotos hat Philip Rizk, der von 2005 bis 2007 in Gaza lebte und für die Aufnahmen im Januar dieses Jahres dorthin zurückkehrte, auf seinem Blog veröffentlicht.

Daneben werden in der Galerie zwei kurze Dokumentarfilme der Harvard-Studentin Maryam Monalisa Gharavi gezeigt. In einem Film wird kurz der Tagesablauf eines Fischers aus Gaza porträtiert. Der Mann schildert die Folgen, die das Embargo für seinen Lebenserwerb hat. Defekte Teil des Bootsmotors können nicht repariert werden, da die Ersatzteile nicht eingeführt werden dürfen, selbst neue Fischernetze dürfen nicht in den Gazastreifen importiert werden, so der Fischer. Ein zweiter kurzer Dokumentarfilm zeigt den verheerenden Zusatnd einer Farm in Beit Hanoun. Viele Ställe sind vollkommen verwaist, für die wenigen verbliebenen Rinder reicht das Futter kaum.

Eine zweite Fotoausstellung zeigt Bilder aus dem ehemaligen Gefängnis al-Faraa in der Nähe von Nablus im Westjordanland. 1932 von der britischen Protektoratsmacht als Kaserne errichtet, diente es irakischen Soldaten während des ersten arabisch-israelischen Krieges 1948 abenfalls als Armeelager. Bis zur israelischen Eroberung der West Bank 1967 war al-Faraa ein jordanischer Armeestützpunkt. Im April 1982 wurde auf Befehl des israelischen Armee-Stabschefs Rafael Eitan in al-Faraa ein Internierungslager eingerichtet, in dem die Israeli Defense Forces (IDF), vor allem Jugendliche festhielt, die an Aktionen gegen die israelische Besatzung, etwa Steinewürfen oder dem Sprayen israel-feindlicher Graffiti beteiligt oder mutmaßliche Mitglieder der Jugendorganisationen von Fatah, PFLP oder Hamas waren. 1995 gaben die Israelis das Gefängnis auf, in dem seither ein Jugendzentrum eingerichtet wurde. Ein Teil des Komplexes ist jedoch als Museum erhalten geblieben.

Diesen Gefängnisteil hat der Amerikaner Michael Kennedy, Student an der American University of Cairo, im vergangenen Jahr mit Raed, einem ehemaligen Häftling in al-Faraa, besucht und fotografiert. In den Erklärungen zu den Bildern, die Gefängniszellen, den Innenhof und Inschriften der Gefangenen an den Zellwänden zeigen, schildert Raed, der als 14-Jähriger in al-Faraa festgehalten wurde, die Demütigungen und Misshandlungen, denen er in den 3 Monaten seiner Haft ausgesetzt war. So habe jeder Insasse nach Ankunft im Gefängnis eine Nummer erhlaten unter der er sich fortan zu melden habe. Zudem hätten sich die jungen palästinensischen Männer vor israelischen Soldatinnen ausziehen müssen. Stundenlang hätten die Jugendlichen schweigend in der Hitze des Innenhofs stehen müssen. Wer nicht mit den Israelis kooperierte, sei im X-Trakt in Einzelhaft genommen und in kleine Zellen gesteckt worden, die nur für 10 Minuten pro Tag verlassen werden durften. Nach wenigen Wochen sei der Wille vieler der Insassen gebrochen worden und sie hätten sich bereit erklärt künftig mit der israelischen Armee zu kooperieren.

Die Ausstellung ist noch bis zum 29. April zu sehen.

Samstag, 19. April 2008

Ein Wochenende in Port Said

Die Fahrt vom Kairoer Busbahnhof Turgoman nach Port Said dauert ziemlich genau 3 Stunden - eine Stunde um aus der Stadr heraus zu kommen, dann noch einmal 2 Stunden auf der Schnellstrasse fuer die knapp 190 Kilometer nach Port Said. Der Weg fuehrt zunaechst in oestlicher Richtung am Rande des Nildeltas entlang, dort wo sich langsam die Wueste bis zum Horizont erstreckt.

Entlang der Strasse befinden sich viele Kasernen und Armeestuetzpunkte. An deren Mauern prangen neben Fotos des Staatspraesidenten Mubarak martialische Sprueche wie "Sieg oder Maertyrertod". Am Freitag werden die Zuegel offenbar etwas lockerer gelassen. In einer Kaserne spielen Soldaten auf einem Sandplatz Fussball, in einer anderen scheint Waschtag zu sein, jedenfalls haengen Uniformen zum Trocknen ueber Waescheleinen in der Sonne und an der Kasernenmauer werden die Schlafmatratzen der Soldaten mit Teppichklopfern bearbeitet.

Hinter Ismailia bietet sich ploetzlich ein bizarres Bild. Es scheint als habe jemand riesige Containerschiffe genommen und sie willkuerlich inmitten der kargen Wuestenlandschaft abgesetzt. Tatsaechlich haben wir nun den Suezkanal erreicht, jenen 163 Kilometer langen kuenstlichen Wasserweg, der das Rote Meer mit dem Mittelmeer verbindet und mit seiner Ereoeffnung 1869 den Welthandel revolutionierte, da er die Umschiffung Afrikas ueberfluessig machte um Asien von Europa aus zu erreichen.

Bei Qantara trifft die Autobahn auf den Kanal und verlaeuft die restlichen 50 Kilometer bis Port Said parallel zu der Wasserstrasse. In Qantara ueberspannt zudem die gewaltige Mubarak-Friedensbruecke den Suezkanal, die mit japanischer Hilfe errichtet wurde und den strukturschwachen Nordsinai besser an den Grossraum Kairo anbinden soll.

Der Kanal selbst ist ueberraschend schmal angesichts der Tatsache, dass es sich um eine der wichtigsten Schiffsrouten der Welt handelt, durch die 15% der jeahrlich weltweit transportierten Schiffsfracht geschleust werden. Der Schiffsverkehr ist daher auch nur in einer Richtung moeglich; die Ozeanriesen fahren im Konvoi durch den Kanal. Deshalb sind immer wieder Zeit kostende Zwischenstopps an den Einfahrten zum Kanal oder auf den beiden Bitterseen notwendig um den entgegenkommenden Verkehr passieren zu lassen. Am Freitag Nachmittag sind unter anderem Tanker aus Triest und Stockholm, sowie Containerschiffe aus Hamburg und Singapur auf dem Weg Richtung Europa.

Port Said selbst ist fast vollstaendig vom Wasser umgeben und kann nur ueber Bruecken erreicht werden. Im Vergleich zu Kairo oder Alexandria wirkt die 500000-Einwohnerstadt geordnet und fast verschlafen. Es wird deutlich weniger gehupt, Ampeln werden beachtet und insgesamt scheinen am Freitag deutlich weniger Leute auf den Strassen unterwegs zu sein als in den beiden aegyptischen Metropolen.

Noch immer sind im Stadtzentrum die Ueberbleibsel kolonialer Architektur deutlich zu erkennen. Kolonnadengaenge saeumen die Strassen, viele Haeuser haben schicke Holzveranden und Balkons. Leider haben jedoch der allgemeine Verfall, sowie die Kriege von 1956, 1967 und 1973, in denen Port Said wegen seiner strategisch wichtigen Lage heftig umkaempft war, ihre Spuren hinterlassen, so dass in vielen Strassenzuegen schmucklose Zweckbauten aus den 1980ern das Stadtbild praegen.

Fuer viele Kairener ist die Stadt an der Muendung des Suezkanals ein Shoppingparadies. Man kann hier zollfrei einkaufen und viele Hauptstaedter nutzen die Moeglichkeit preiswert Elektrogeraete zu kaufen. Auch westliche Markenfirmen haben in der Stadt kleine Outlet-Stores.

Den Freitag Abend nutzen Gruppen Jugendlicher und Familien zum Bummel antlang der Palaestina-Strasse am Kanal oder entlang der Corniche am Mittelmeerstrand. Erwachsenene Maenner haben Spass dabei mit grossen Dreiraedern die Promenande entlang zu rasen, Jugendliche holen alles aus ihren Motorrollern heraus um den kichernden Maedchen zu imponieren. Andere lassen sich geroestete Maiskolben schmecken und bewundern die Lichter der grossen Schiffe, die wie an einer Perlenschnur gereiht darauf warten, in den Suezkanal gelassen zu werden.

Auf der Ostseite des Suezkanals liegt Port Saids Schwesterstadt Port Fuad. Eine ganze Flotte von gruenen Autofaehren verbindet die an dieser Stelle etwa 800 Meter entfernten Kanalufer. Die 5 Minuten lange Fahrt ist kostenlos, in Ermangelung einer Bruecke ist die Faehre jedoch auch schlichtweg die einzige Moeglichkeit um von einer Stadt in die andere zu gelangen.

Das Stadtbild Port Fuads wird von den beiden Minaretten der Mugamma-Moschee direkt am Ufer dominiert - viel mehr hat die Wohnstadt, die in den 1920er Jahren von den Briten errichtet wurde und bereits auf dem Sinai liegt, auch nicht zu bieten. Parallel zum Kanalufer hat man jedoch Leinen gespannt und somit ein 25-Meter-Schwimmbecken improvisiert, in dem Jugendliche, angefeuert von der Trillerpfeife ihres Trainers, trainieren.

Anders als in Kairo lautet die naechste Frage, nachdem man erklaert hat aus Deutschland zu kommen, nicht "Bist du Muslim?", sondern "Kennst du Mohamed Zidan?". Der HSV-Stuermer wurde in Port Said geboren und erfreut sich groesster Beliebtheit. In vielen Laeden und an zahlreichen Haeusern prangen grosse Poster und Plakate des 26-Jaehrigen. Viele Jungen tragen Werder- oder HSV-Trikots mit Zidans Namen auf dem Ruecken. Ausserdem scheint praktisch jeder Taxifahrer, Saftverkaeufer oder Mann am Kebabgrill entweder weitlaeufig mit Zidan verwandt zu sein oder zumindest in der selben Strasse gewohnt zu haben. Oder man kennt jemanden, der mit ihm verwandt ist oder der auf die selbe Schule ging.

Ueber die bewegte und umkaempfte Geschichte Port Saids gibt normalerweise das Militaermuseum in der Strasse des 23. Juli Auskunft. Momentan wird es jedoch renoviert. Ein Soldat laesst mich heute Vormittag jedoch in den Garten, in dem allerlei Kriegsgeraet ausgestellt ist. Hoehepunkt der Freiluft-Ausstellung sind zwei 1973 erbeutete israelische Panzer. Die Akuratesse und das strahlende Weiss der beiden Davidsterne auf dem Tank amerikanischer Bauart lassen vermuten, dass eine Museumsfachkraft eigens dafuer abgestellt wird, das Insignium des juedischen Staates alle paar Monate zu erneuern.

Donnerstag, 17. April 2008

Hitchhiking in the Bekaa, Lebanon, Part I


Hitchhiking in Lebanon is mostly common in areas like the Upper Akkar Region where no public transport means like shared taxis or busses exist. Since my Lebanese friend Jalal and I seldom had the patience or the will to pay for public transport, hitchhiking starting in the West Bekaa was our most common way of getting there and away. During these trips we made several repeating experiences one could classify into scenearios:

I) The Twenty-Questions-Game--> only played with Lebanese:

After having greeted each other and thanked for the lift the supiscious driver, an old Druze, starts asking:
Where are you from? - West Bekaa --> Driver does not yet know the confession of Jalal
Where exactly? - Around Jib Janin --> Driver knows at least that Jalal is Sunni, Christian or Druze.
Which Village? - Khirbet Qanafar --> Driver knows he´s either Christian or Druze.

Silence...asking for Jalal´s name seems an intimate question for the driver but not knowing to which confession his counterpart belongs to, seems unbearable...

Aaahm, what´s your name? - Jalal--> Driver gets nervous since the name doesn´t reveal if Jalal is Muslim, Christian or Druze.

And your family´s name: Saddi--> No more questions, the driver finally knows the MOST IMPORTANT thing of a human being: the confessional affiliation.

It seems Jalal gave the wrong answer. After the relevation of Jalal´s faith, the driver wasn´t interested in a conversation anymore. Maybe he was just angry that it took him five long questions to find out about Jalal´s background. Maybe he was even more so because he couldn´t be sure whether Jalal was in his political camp, the March 14-Forces, or whether he was supporting Michel Aoun and the opposition...
poor old man.

Christoph Dinkelaker

Die Bawabs von Kairo

Sie gehören zu Kairo wie der Nil und der Smog - die so genannten Bawabs, Türwächter, die in praktisch jedem Mietshaus im Erdgeschoss sitzen, die Eingangstür und damit auch indirekt das Leben der Hausbewohner bewachen. Ihre Aufgaben sind vielfältig: Gegen ein kleines Trinkgeld nehmen sie die Post entgegen, achten darauf, dass keine fremden Autos vor der Haustür parken, waschen die Autos der Mieter oder helfen den Frauen ihre Einkaufsbeutel nach oben zu schleppen, wenn mal wieder der Fahrstuhl streikt.

Unter den Ägyptern sind die Bawabs, die dem Klischee zufolge alle Mahmud heißen, wegen ihrer Ungebildetheit oft das Opfer von Witzen und es gilt als das größte Unglück einer Familie, sollte sich die Tochter in einen Bawab verlieben. Tatsächlich haben die Türwächter jedoch einige Macht und jeder Mieter ist gut beraten sich mit seinem Bawab gutzustellen. Er registriert nämlich genau wann wer das Haus verlässt und wann welcher Mieter wen zum Besuch empfängt.

In einer Gesellschaft, in der unverheirateten Paaren das Zusammenleben in einer gemeinsamen Wohnung nicht gestattet ist, sind daher Viele auf die Diskretion des Mannes an der Tür angewiesen. In meinem Haus stellt der Bawab nach Mitternacht einen Stuhl hinter die Tür der geräuschvoll zur Seite geschoben werden muss, um auch nächtliche Besuche nicht zu verpassen. Angeblich sollen auch viele Bawabs mit der ägyptischen Staatsicherheit zusammenarbeiten, die ihnen ihr karges Gehalt aufbessert.

Bis vor ein paar Jahren waren die meisten Bawabs Nubier aus Oberägypten oder dem Sudan, die in traditioneller Kleidung und mit weißem Turban auf dem Kopf ihren Dienst taten. In Ermangelung anderer Jobs haben mittlerweile jedoch überwiegend Einheimische oder junge Männer aus dem Nildelta Posten in den Hausfluren Kairos bezogen. In manchen Häusern leben die Bawabs in Erdgeschosswohnungen zusammen mit ihren Familien.

In meinem Haus teilen sich 3 Männer den Job an der Tür. Sie leben in einem kleinen, vielleicht 4 mal 2 Meter großen Verschlag unter der Treppe. Der Boden ist mit Matten ausgelegt auf denen die Männer, die aus Dörfern im Niltal stammen, schlafen. Pausenlos läuft der Fernseher, in der Ecke steht eine kleine Herdplatte auf der das Essen gekocht wird. Das Geld das am Ende des Monats übrigbleibt, wird nach Hause geschickt.

Mittwoch, 16. April 2008

In the heart of Saudi Arabia - Part 3

Whoever comes to Riyadh and expects the cliché of a "typical" oriental city will probably be disappointed. Narrow alleys, the smell of perfume and spices at a lively suq and the ever present prospect of being invited to a cup of tea at a casual small talk - all that one usually finds at an old city center seems to be missing here. Instead, large highways divide Riyadh into rectangular pieces and encompass rather uniform and functional buildings. The best view one can get on this is probably from the visitor´s platform of the Faysaliyyah tower, one of two impressive skyscrapers, that shape Riyadh´s skyline and stands as a symbol for Saudi Arabia´s recent past and future ventures.

However, the past is not all too distant. There is one place that everybody interested in the genesis of the Saudi-Wahhabi condominium that would later form the basis of the modern Saudi state, should not miss. This place is Dir'iyya, now an insignificant suburb north-east of the capital, but once the centre of the first Saudi bid for statehood in the early 19th century.

We enter the remains of Dir'iyya on a warm Saturday afternoon and after a short while a guide welcomes us at the entrance gate. Although we hardly understand his Yemeni dialect, we still appreciate his lively reconstruction of the site´s history.

Nothing much is left of the typical Najdi mud-brick structures except for ruins and alleys. However, some buildings of historic significance have been renovated to a certain degree during the last decades. Apparently the Saudi government has grasped the possibilities that Dir'iyya harbors in both fostering a reference point for Saudi identity and as an authentic touristic site. One of those buildings is the mosque of Muhammad Abd al-Wahhab, the religious reformer who in 1744 sealed a pact with the Najdi prince Muhammad bin Al Saud and thereby established the dual framework of Saudi expansion and Wahhabi religious revival.

For official Saudi historiography, the ruins of Dir'iyya represent first, this religious-political legacy, and second the starting point for the first modern Arab upheaval against foreign encroachment, culminating in the Ottoman-Saudi war 1814-18 that left the town devastated in the now present shape. However, it is only the historic city center, called al-Turaif, that is forming the touristic site if Dir'iyya, whereas the other quarters within the Wadi have been razed and left no trace. What is still left and partly renovated is the city wall that surrounds the whole area and offers a unique view on the site. From here one also sees the oasis adjacent to original town that once was crucial for the town´s subsistence in the middle of the Arabian desert and now borders the modern Dir'iyya settlement.

As the sun sets the call to prayer starts in multiphone vibes around us. We sit on the top of the city walls and now get a real sense of the spiritual atmosphere that the combination of geography, architecture, climate, and religion once must have created. However, the call to prayer is permeated by the noise of a metropolis - expanding modern Riyadh, embodied by its now illuminated Faysaliyya and Mamlaka Towers, is already visible in not that much a distance and almost seems to swallow what is historically left in the heart of Saudi Arabia.

Read Part 1
and Part 2

Zur Krise in Ägypten

Die Kommunalwahlen am 8.April haben deutlich gezeigt, dass Ägyptens Regime innenpolitisch die Zügel immer fester zieht und eine politische Liberalisierung ablehnt. Die Krise des Landes lässt sich an mehreren Punkten festmachen:

Zum Einen an der Wirtschaftsmisere, die sich in rasanten Preisanstiegen, anhaltender Massenarbeitslosigkeit und einem angeschlagenen Sozialsystem festmachen lässt, das kaum in der Lage ist den Bedürfnissen der wachsenden ägyptischen Bevölkerung entgegenzukommen. Als Reaktion darauf haben Arbeiter an verschiedenen Orten des Landes in den vergangenen Monaten und verstärkt seit Anfang April wilde Streiks unternommen. Zu einem Zentrum der Unruhen ist dabei die Industriestadt El Mahalla el Kubra im Nildelta geworden.

Die Unruhen sind eine Reaktion auf die deutliche Verschlechterung der wirtschaftlichen und sozialen Situation im Laufe der letzten 12 Monate. Eine durchdachte politische Agenda mit konkreten Forderungen haben die Organisatoren der Streiks bislang jedoch nicht. Vergleiche mit der polnischen Solidarnosc-Bewegung, wie sie von einigen oppositionellen Bloggern im Internet gezogen wurden, scheinen daher verfehlt, nicht nur weil der Streikbewegung eine Symbolfigur wie Lech Walesa fehlt. Gleichzeitig macht es die dezentrale Organisation der Proteste für die Regierung schwerer, die Lage zu kontrollieren. In jedem Fall unterstreichen die Unruhen, bei denen in der letzten Woche zwei Jugendliche getötet wurden, den Ernst der Lage.

Der ägyptischen Regierung ist es nicht gelungen, die Massen vom moderaten Wirtschaftsaufschwung der letzten Jahre, 2007 lag das Wachstum bei 7%, profitieren zu lassen. In einem Land, in dem dier Hälfte der Bevölkerung pro Tag 2 US-Dollar oder weniger zur Verfügung hat, kann schon der Anstieg der Weizen- und Reispreise soziale Unruhen herbeiführen. Eine Strategie zur Bekämpfung der Wirtschaftsmisere scheint der Regierung zu fehlen, sie hofft darauf, dass die Weltmarktpreise für Grundnahrungsmittel schnellstmöglich fallen.

Auf der politischen Ebene wurde der Reformprozess seit den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen 2005 praktisch eingestellt. Offensichtlich hielt Mubaraks Regime den relativen Erfolg der Muslimbrüder bei den Wahlen zur Nationalversammlung 2005 für zu gefährlich - jedenfalls wird von staatlicher Seite seither alles unternommen um ähnliche Ergebnisse künftig zu verhindern. Die Kommunalwahlen wurden zunächst vom eigentlichen Termin im Jahr 2006 verschoben und dann für den April 2008 angesetzt. Dann wurden die Wahlen manipuliert. Oppositionelle Kandidaten wurde die Registrierung verweigert, mehrere hundert Muslimbrüder, die sich als Kandidaten aufstellen lassen wollten, wurden verhaftet.

2007 wurden auf Geheiß von Präsident Husni Mubarak 34 Artikel der ägyptischen Verfassung geändert. Die Reform wurde später in einem Referendum, das von den meisten Ägyptern ignoriert wurde, abgesegnet. Unter anderem werden nun künftige Wahlen von einem neuen Gremium juristisch überwacht, dessen Mitglieder vom Präsidenten persönlich ernannt werden. Böse Überraschungen für die Staatsführung werden bei künftigen Wahlen damit praktisch ausgeschlossen. Danaben sind seit der Reform gemäß der Verfassung Parteien auf religiöser Grundlage oder mit religiöser Programmatik verboten - ein Schritt der allein auf die Muslimbrüder abzielt.

Gleichwohl hinderte der Passus Kandidaten der regierenden NDP nicht daran, bei den Kommunalwahlen auf Flugblättern mit Koransuren zu werben. Praktisch sind die Muslimbrüder die einzige politische Bewegung, die in der Lage wäre einen aussichtsreichen Präsidentschaftskandidaten bei den nächsten Wahlen 2011 ins Rennen zu schicken, der in der Lage wäre Familie Mubarak herauszufordern. Bis dahin wird die Regierung alles unternehmen um ein offenes Rennen oder faire Wahlen zu verhindern.

Die säkulare Opposition ist zu gespalten und zu schlecht organisiert um eine wirkliche Gefahr für die NDP darzustellen. Linke und liberale Parteien haben weniger als 5% der Sitze im Parlament und ihr Überleben hängt von der Gnade der ägyptischen Regierung ab. Keine der Oppositionsparteien, etwa die liberale Wafd-Partei, die gewerkschaftsnahe Tagammu-Partei oder linke Parteien, wie die Arabischen Nasseristen oder die Demokratische Front sind in der Lage breite Gesellschaftsschichten anzusprechen und zu mobilisieren. Sie sind schwach organisiert und finden in den staatlich kontrollierten Medien kaum statt.

Ägypten erlebt also auf der einen Seite zunehmende soziale Unruhen und zum anderen eine stärkere politische Polarisation. Die Gewalt und Repression mit der Proteste in den vergangenen Wochen unterdrückt wurden haben die Verbitterung und die Ablehung der Regierung bei Vielen weiter verstärkt. Man kann davon ausgehen, dass sich diese harte Haltung des Staats bis zu einer Regelung der Mubarak-Nachfolge und zu einer möglichst reibungslosen Machtübergabe an Husnis Sohn Gamal Mubarak fortsetzen wird.

Dienstag, 15. April 2008

Neues von Beitar Jerusalem

Am Sonntag hat es Beitar Jerusalem verpasst, vorzeitig den sechsten Meistertitel einzufahren. Beim Stand von 1:0 gegen B'nei Herzliya stürmten die feiernden Fans von Beitar das Feld und verhinderten anschließend, dass weitergespielt werden konnte. Am Donnerstag wird ein Schiedsgericht über die Konsequenzen des Vorfalls befinden. Im Raum stehen die Wertung des Spiels zugunsten Herzliyas, eine Wiederholung unter Ausschluss der Öffentlichkeit oder eine Geldstrafe für Beitar. Besonders schmerzhaft ist keine der Strafen für Beitar, da der Vorsprung auf den Zweiten Netanya, den zukünftig "Loddar" Matthäus trainieren wird, beruhigende 12 Punkte beträgt.

Der an sich nicht wirklich außergwöhnliche Vorfall schließt an Entgleisungen der Beitar-Fans in den vergangenen Jahren nahtlos an. Die politisch weit rechts stehenden Anhänger des Klubs hatten erst im November eine für den ermordeten Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin gehaltene Schweigeminute durch Pfiffe und Gesänge gestört. Anschließend musste das Team sein Heimspiel gegen den arabisch-israelischen Verein B'nei Sakhnin unter Ausschluss der Öffentlichkeite austragen. Deren überwiegend arabische Spieler waren ansonsten bei Spielen in Jerusalem regelmäßig wüsten Beschimpfungen ausgesetzt. Dabei machten die Fans auch nicht vor arabischen Nationalspielern halt: als der aus Sakhnin stammende Abbas Suan im Februar 2005 für das israelische Nationalteam gegen Kroatien in Jerusalem auflief, wurde er von den Beitar-Fans durch Anfeindungen und Affenlaute verhöhnt. Die Ankündigung des russisch-israelischen, miliiardenschweren Klubbesitzers Arkadi Gaydamak, der nach dem Spiel am Sonntag die fanatischen Beitar-Fans als "Bastarde" bezeichnete, eben diesen Abbas Suan verpflichten zu wollen, scheiterte folgerichtig am Widerstand des Anhangs von Beitar.

Die leidenschaftliche Verbundenheit mit ihrem Klub, der aus einer Jugendorganisation der revisionistischen Bewegung in den späten 30ern entstand und deren frühe Spieler sich zum Teil aktiv am Widerstand gegen die britische Mandatsmacht beteiligten, äußerte sich zuweilen gegen die eigene Mannschaft. Beispielsweise wurde der Mannschaftsbus nach einer Niederlage in Haifa von Beitar-Fans auf der Autobahn angehalten und mit Steinen beworfen.
Selbst gegenerische Spieler wie der Kapitän Haifas, Arik Benado, waren nicht immer sicher vor Beitar-Fans, wie ein Faustschlag in dessen Gesicht 2005 bewies.

Mittwoch, 9. April 2008

Kommunalwahlen in Aegypten geraten zur Farce

Die Kommunalwahlen am Dienstag wurden von den meisten Aegyptern ignoriert. Eine echte Wahl hatten sie ohnehin nicht - die herrschende Staatspartei NDP hatte im Vorfeld dafuer gesorgt, dass die Opposition von den Wahlen weitgehend ausgeschlossen blieb. Am Dienstag Morgen versicherte die staatliche Zeitung "al-Gomhuria" ihre Leser daher, dass die Nationaldemokratische Partei NDP schon vor den Wahlen mehr als 70% der 52000 zur Wahl stehenden Mandate in Orts- und Regionalraeten sicher habe.

Schon vor den Wahlen fiel auf, dass praktisch nur Kandidaten der NDP in Wahlwerbung investiert hatten. Auf grossen Bannern an wichtigen Strassenkreuzungen oder von bunten Plakaten in knalligen Farben prangten der Name und manchmal auch ein Portraitfoto der verschiedenen Bewerber. Inhalte standen weniger im Mittelpunkt, stattdessen verwiesen die Kandidaten in ihrer Wahlwerbung auf lokale Prominenz, die den jeweiligen Bewerber unterstuetze und zu seiner Wahl aufrufe.

Damit die jeweiligen Kandidaten auf den Wahlzetteln auch fuer die zahlreichen Analphabeten unter den Wahlberechtigten identifizierbar sind, ordnete sich jeder Bewerber ein leicht zu merkendes Symbol zu, das auf dem Wahlplakat und auf dem Wahlzettel neben dem Namen vermerkt ist. Dabei schienen der Kreativitaet keine Grenzen gesetzt zu sein. Die Symbole, die sich einzelne Bewerber gaben, reichten von Kamelen, ueber Kleiderbuegeln, Sonnenbrillen und Fotoapparaten bis zu Panzern und Pistolen.

Wirkliche Hilfe von diesen Politikern erwarten sich jedoch nur die allerwenigsten Aegypter. Bislang wurden keine offiziellen Zahlen zur Wahlbeteiligung veroeffentlicht. Die Regierung wird diese wahrscheinlich irgendwo zwischen 1o und 20% beziffern, tatsaechlich duerfte sie jedoch weit darunter liegen. In einigen Wahllokalen in den Kairoer Stadtteilen Imbaba und Shubra ueberstieg die Zahl der Sicherheitskrafte in Uniform und in Zivil die Zahl der Waehler in den Vormittagsstunden bei Weitem. Arme Viertel wie diese haben am meisten unter der aktuellen Brotkrise in Aegypten zu leiden, die die Preise fuer Grundnahrungsmittel in den letzten Monaten um ein Vielfaches hat steigen lassen.

5 Jahre nach dem Irakkrieg sind die Kommunalwahlen in Aegypten gleichzeitig ein Musterbeispiel fuer die gescheiterte Nahostpolitik der USA. Erinnern wir uns: Der Irak sollte zu einem demokratischen Musterstaat werden, der die anderen Regime in der Region zu demokratischen Reformen ermutigen oder durch wachsenden oeffentlichen Druck zwingen sollte.

Das Gegenteil ist der Fall: Unter dem Vorwand gegen religioese Extremisten und potentielle Terroristen vorzugehen, wird die wichtigste Oppositionsbewegung in Aegypten, die Muslimbrueder, in einer seit Jahrzehnten nicht dagewesenen Verhaftungswelle unterdrueckt und von den Wahlen ausgeschlossen. Die saekulare Opposition wird seit Jahren gegaengelt, Ayman Nour, der sich bei den Prasidentenwahlen 200 erdreistet hatte gegen Husni Mubarak anzutreten, sitzt seit Jahren wegen fadenscheiniger Gruende im Gefaengnis. In 4000 Jahren aegyptischer Geschichte ist Mubarak schon jetzt der am drittlaengsten regierende Herrscher am Nil. Auf demokratischem Wege wird ihn niemand abloesen.

Dienstag, 8. April 2008

In the heart of Saudi Arabia - Part 2

In 1957, the first modern-style university on Saudi soil opened its gates. It was founded by and named after King Saud, the first of now five consecutive kings and sons of Abdalaziz Al-Saud. Sauds regency from 1953 to 1964 presents a problem for official Saudi history, since his name is connected to notorious mismanagement of the country´s resources and his blatant unislamic drinking habits. He stands in stark contrast to his half-brother and successor Faisal who is widely credited for the economic boom of the 70ies and revered in the country and abroad for his sober pragmatism and moral integrity. Wherever the past and present rulers of modern Saudi Arabia are depicted, on the streets or in official buildings, Saud´s picture is almost everywhere absent.
The establishment of Saudi Arabia´s first university, however, is the single achievement Saud is credited for and one of the very few instances one encounters his name.
Today approximately 70,000 students are enrolled, making it the largest university in the country ,as well. We arrive at the main campus at 10 in the morning and are stunned by the building´s gigantic dimension. The present campus replaced the original one, in the mid-80ies, when the Saudi government awarded the American contractor Blount International with its redesign, spending some 2 billion dollars. The main building bears some resemblance to the huge malls that have been mushrooming for the last years in all major Saudi cities. Indeed, along the long hallway, one frequently passes by small shops and cafeterias that cater all the students´needs.
What makes this trip a rather surprisingly pleasant experience is the group of Saudi students who welcome and accompany us throughout the campus. The 7-8 young men greet us with "Hallo, wie gehts?" and introduce themselves in a very fluent German. They belong to the small group of students who opted to learn a European language other than English and attend the country´s sole German course. Their German teacher, who´s been living in Saudi Arabia for almost 10 years, recounts his difficulties in teaching a foreign language: "The main flaw is that most students lack motivation and a willingness to spend a significant amount of time and committment. That´s because they don´t feel any kind of economic pressure, since prestigious jobs are seldom the reward for hard learning and excellency in class. That´s why the academical standards are rather mediocre."
Those Saudi students we are now encountering, however, make for the exception of the rule. Most of them already have visited or even lived for some months in Germany. They show a great deal of knowledge in German society and stun us with their excellent German language skills that far surpass our Arabic. What is even more remarkable is not only their interest in our daily life in Germany, but their readiness to discuss any topic we suggest. Actually, for us it is the first real opportunity to get an insight into students´life. Whereas at Jeddah´s King Abdelaziz University contacts were restricted by the official and formal outlook of the meetings, we now casually stroll through the campus and eagerly discuss with our counterparts. Besides, the fact that we talk with each other in German allows us to freely converse without paying too much attention to "political correctness".
Be it the issue of women, the inhumane treatment of guest workers, the narrow-mindedness of the Wahhabi creed or the current political system in general, we find a lot of common ground. Basically sharing our views, they still remain very pessimistic about change in the future.
"We are only a small minority. We have seen the West and we know that not everything other than their technology is immoral and decadent. Here we have to live a double life, always being cautious not to offend the public morale. They even get suspicious when you are not wearing a thaub and a shmagh all the time, so how can there be any room for change?"
Interestingly, it soon turns out that one of our new acqaintainces is a Shii and we feel secure enough to ask him about this otherwise public taboo. From the start he makes a clear distiction concerning between the official depiction of Shiism and the treatment of Shiis in daily life. He acknowledges that during the last years, job discrimination has significantly decreased. This is due to the rather pragmatic attitude prevailing with local administrations in his home Eastern Province. However, freedom of religious exercise is still largely absent. The Shiites´main religious event, the Ashura procession in the month of Muharram, is in its character an open and outward ritual, during which the first three caliphs, revered (with Ali) in Sunnism as "Rashidun"(=The Rightly Guided), are publicly cursed, and therefore the procession is prohibited. What is of even greater importance is the deep-seated resentment against the Shia, whose roots are planted throughout a Saudi´s basic religious education. "Ín the schoolbooks they not only depict us as unbelievers, they don´t even consider us as human beings.", laments our Shii companion,"Imagine how you would feel as a little boy if you would hear something like this in school."
Although we are touching quite sensitive issues, the general atmosphere of the conversation is very casual and the Saudi students frequently reveal their sense of humour. However, after maybe one and a half hour we arrive back at the Main Gate and have to leave for the next trip. We exchange email adresses and get back to the bus, still excited about this unconventional meeting, that precisely because of that turned out to be so insightful.

Read Part 1
and Part 3

Erstmals Todesstrafe in Palästina angeordnet

Erstmals hat ein palästinensisches Militärgericht in Jenin die Todesstrafe ausgesprochen. Der 23-jährige Polizeibeamte Thair Rmailat wurde dafür schuldig befunden, Alaa Suwairih, einen 21-jährigen Bewohner des Flüchtlingscamps bei Tulkarem, im Oktober 2006 vorsätzlich erschossen zu haben.

Nach dem Mord an Suwairih war es in Tulkarem zu Unruhen gekommen. Angehörige der Großfamilie des Opfers hatten Läden in Tulkarem in Brand gesetzt und Straßenzüge verwüstet.

Derweil bezeichneten Angehörige von Rmailat das Todesurteil per Exekutionskommando als ungerecht, da das Gericht eine Vertagung des Urteils verneint hätte. Somit sei es nicht möglich gewesen, eine außergerichtliche Aussöhnung zwischen den beiden Clans zu erreichen.

Nun obliegt es Präsident Mahmoud Abbas, das Urteil zu bestätigen beziehungsweise abzuschwächen. Falls neue Informationen zum Tathergang ans Tageslicht kommen sollten, könne Abbas außerdem eine weitere Anhörung anordnen, so Brigadier Abdul-Aziz Wadi, Vorsitzender der palästinensischen Militär-Gerichtsbarkeit gegenüber der Online-Nachrichtenagentur Ma'an.

In der Vergangenheit wurden immer wieder außergerichtliche Erschießungen gegen Kollaborateure mit Israel von palästinensischen Milizen durchgeführt. Eine Exekution von quasi-staatlicher Seite stellt dagegen ein Novum dar.

Christoph Dinkelaker

Montag, 7. April 2008

Streikbeobachtungen in Ägypten

Die Einschüchterungstaktik des ägyptischen Staates hat offenbar Wirkung gezeigt: Große, öffentlichkeitswirksame Proteste sind am gestrigen Streiktag in Ägypten ausgeblieben. Versuche einzelner Oppositionsgruppen in Kairo oder anderen Städten im Nildelta gegen steigende Preise und niedrige Löhne zu demonstrieren wurden schon im Keim erstickt.

Zwar waren in Kairo deutlich weniger Autos unterwegs als an normalen Werktagen und offenbar hatten sich auch einige Privatunternehmen dem Streikaufruf angeschlossen, Proteste fanden in der Hauptstadt jedoch praktisch nicht statt. Schon am Vorabend bezogen an den wichtigen Plätzen und Kreuzungen verstärkt Sicherheitskräfte Stellung. Oppositionelle und offenbar auch einige Blogger, die den Streikaufruf unterstützt hatten, wurden vorsorglich festgenommen. Hinzu kam gestern der Khamsin der Regierung zu Hilfe, ein dichter Sandsturm der die Sicht in Kairo stundenlang auf weniger als hundert Meter einschränkte.

Im Vorfeld des Streiks, zu dem im Internet und per SMS aufgerufen wurde, hatte die Regierung eindrücklich gewarnt, dass man mit Härte gegen Proteste vorgehen werde. Seit dem Attentat auf Anwar al-Sadat 1981 herrscht in Ägypten offiziell Ausnahmezustand, der Streiks und Demonstrationen verbietet.

In der Presse wurde der Streikaufruf weitgehend totgeschwiegen. Die staatlich kontrollierten Gewerkschaften riefenn ihre Mitglieder auf, zur Arbeit zu erscheinen. Am Wochenende veröffentlichte dann auch die Azhar-Universität pflichtschuldig ein Rechtsgutachten, das die Teilnahme am Streik untersagte.

Auch von der zahlenstärksten Oppositionsgruppe in Ägypten, den Muslimbrüdern, kam nur eine sehr halbherzige Zustimmung zum Streikaufruf. Man teile zwar die Ziele des Streiks, habe sich jedoch entschlossen sich nicht am Ausstand zu beteiligen. In den vergangenen Wochen sind nach eigenen Angaben mehr als 1000 Anhänger der Muslimbruderschaft festgenommen worden.

Allen anderen Oppositionsparteien fehlt es nach mehr als 26 Jahren Mubarak an Popularität und den notwendigen Organisationsstrukturen um die Regierung ernsthaft herauszufordern. Die Frustration unter den Ägyptern mit der Regierungspolitik ist sehr groß, allerdings gibt es momentan niemanden, der diesen Unzufriedenen eine Stimmer verleiht und hinter sich versammelt.

Samstag, 5. April 2008

In Maadi, auf dem Nil, beim Arzt

Etwa 15 Kilometer suedlich des Stadtzentrums von Kairo liegt Maadi, die wohl reichste Gegend der aegyptischen Hauptstadt. Der Vorort entstand in den ersten Jahrzehnten des 20.Jahrhunderts nach Plaenen eines pensionierten kanadischen Generals. Die Strassen in dem Viertel sind rechtwinklig angeordnet und wurden nach amerikanischem Vorbild mit Nummern bezeichnet.

Mondaene Stadtvillen aus den 20er Jahren stehen in gepflegten Gaerten, die Autos hupen deutlich weniger als im Stadtzentrum und auf einigen Strassen bewegen sich mehr westliche Auslaender als Aegypter. Viele auslaendische Botschaften und Unternehmen haben ihren Sitz in Maadi, das ueber die Metrolinie 1 mit der Innenstadt verbunden ist. Dementsprechend viele teure westliche Restaurants und Boutiquen buhlen um Kundschaft. Moscheen gibt es in Maadi nur wenige.

Die Vorstadt erstreckt sich ueber mehrere Kilometer parallel zur Metrolinie und zum Nil wund wirkt teilweise wie eine Oase im hektischen Kairoer Trubel. Doch Maadi ist nicht nur das Viertel der Reichen und Schoenen von Kairo. Unweit der U-Bahnstation in Maadi liegt der aermere Teil des Vororts. Viele der Haueser hier sind mehrgeschossig und scheinen in den 50ert oder 60er Jahren errichtet worden zu sein.

Im Erdgeschoss des Hauses Nummer 10 in der 154. Strasse bietet ein Imbiss Grillhaehnchen an, im Obergschoss hat ein Kinderarzt seine Praxis. Mediziner haben als Mieter in dieser Haushaelfte eine gewisse Tradition - Ayman az-Zawahiri, Chirurg und nach Einschaetzung einiger der eigentliche Kopf von al-Qaida - wuchs in diesem unscheinbaren grauen Haus auf und lebte hier mit seiner Familie bis zu seiner Verhaftung nach dem Sadat-Attentat 1981.

Entlang der Nil-Cornich, wenige Huntdertmeter von Zawahrirs Geburtshaus entfernt sind in den letzten Jahren zahlreiche Hotel- und Buerotuerme entstanden. Am Ufer haben einige Yachten angelegt. Eine Nilfaehre faehrt alle 15 Minuten ans andere Ufer nach Gizeh. Die Fahrt mit der blau-weissen "Nour al-Din" kostet 2 Cent und dauert etwa 5 Minuten. Der Nil schimmert gruenlich, scheint aber nicht wirklich dreckig. Felukken schippern mit ihren weiss-grauen Segeln ueber den vielleicht 1 Kilometer breiten Fluss, Fischer werfen von kleinen Holzbooten aus Netze ins Wasser.

Der Kontrast zwischen dem wohlhabenden Maadi und Gizeh auf der anderen Nilseite koennte groesser kaum sein. Dort waschen Frauen ihre Waesche und ihr Kochgeschirr am Flussufer, die Haueser entlang der engen staubigen Gassen in Gizeh sind weitaus aermlicher als die Villen auf der Ostseite des Flusses.

Irgendetwas scheint in der Luft zu liegen, worauf mein Koerper allergisch reagiert, jedenfalls sind meine Unterarme ploetzlich binnen einer Stunde voin lauter kleinen roten Punkten uebersaeht. Nach der Ruckkehr nach Maddi verspricht das "Garem-Kranknehaus" Abhilfe, das sich letztendlich lediglich als Praxisgemeinschaft von 3 oder 4 Aerzten herausstellt.

Am Freitag Nachmittag ist nur ein junger Arzt anwesend. Doktor Mohammed ist kaum aelter als 25 scheint aber sein Handwerk zu verstehen und verspricht "inshallah" schnelle Heilung. Krankenschwester Hoda, wie ihre Kolleginnen vom Kopftuch bis zur Sohle in Zaertrosa gekleidet, setzt mir eine Spritze. "Denk an Gott, denk an Gott", empfiehlt mir Doktor Mohammed unterdessen mit ernster Miene.

Ob es letztlich die Spritze oder goettlicher Beistand war bleibt ungeklaert - nach 2 Stunden haben meine Arme ihre urspruengliche Farbe wieder. Zum Abschluss drueckt mir Dr. Mohammed noch wortlos eine Broschuere des beliebten aegyptischen Fernsehpredigers Amr Khaled in die Hand. Thema des Flugblatts: "Stop Drugs, Change your Life!"

Mittwoch, 2. April 2008

Brotkrise in Ägypten - Generalstreik am Sonntag

In vielen Vierteln Kairos gehören sie zum Stadtbild - Menschentrauben die sich lautstark um ein Loch in einer Häuserwand drängen. Diese Luke gehört dann zu einer der Bäckereien, die staatlich subventioniertes Brot verkaufen. 5 Piaster, umgerechnet etwa 0,6 Cent kostet hier ein Laib des runden Baladi-Brotes.

Nach Einschätzung der ägyptischen Regierung sind etwa 30% der Ägypter auf das subventionierte Weißbrot angewiesen und für eben diese Zahl soll eigentlich auch das verbilligte Brot bereitgestellt werden. In den vergangenen 10 Monaten hat sich der Weltmarktpreis für Weizen jedoch verdreifacht. Etwa die Hälfte der 14 Millionen Tonnen Weizen, die in Ägypten pro Jahr verbraucht werden, müssen importiert werden.

Obwohl die Regierung die jährlichen Ausgaben für Nahrungsmittelsubventionen in diesem Jahr von etwa 10 auf mehr als 13 Milliarden US-Dollar angehoben hat, können die staatlichen Bäckereien zur Zeit nur deutlich weniger billiges Brot abgeben als noch vor einem Jahr. Hinzu kommt, dass zahlreicher Verantwortlich in den staatlichen Bäckereibetrieben das subventionierte Mehl unter der Hand an Privatbäckereien weiterverkaufen. Dadurch kann noch weniger günstiges Brot vergeben werden.

Umso heftiger ist das tägliche Gedränge an den Brotverteilstellen. In den letzten Wochen sind mindestens sieben Menschen in den Schlangen vor den Bäckereien ums Leben gekommen, 2 von ihnen wurden erstochen, 5 weitere kollabierten in dem Gedränge tödlich. Nicht subventioniertes Brot kostet das 10 bis 20 fache - daher ist es für viele Familien lebensnotwendig das Baladi-Brot an den staatlichen Stellen zu ergattern. Vor 10 Tagen wies Staatspräsiden Husni Mubarak die Armee an ihre Bäckereien zu öffnen und zusätzliches Bort zu backen. Eine Linderung der Lage konnte dadurch aber bislang nicht erreicht werden.

In der Bevölkerung beginnt die Geduld mit der Regierung angesichts der fortdauernden Brotkrise zu sinken. Am 23. März versprach Ministerpräsident Ahmad Nazif, die Krise innerhalb von sechs Wochen zu lösen. Die Tageszeitung al-Masri al-Yawm erinnert den Regierungschef miteinem täglichen Countdown an sein Versprechen. Heute steht die Tagesanzeige auf dem Blatt bei 33.

Für kommenden Sonntag, den 6. April, haben verschiedene Oppositionsgruppen, darunter das Bündnis "Kefaya"und die Muslimbrüder, zu einem Generalstreik aufgerufen. Per SMS und E-Mail werden Arbeiter, Angestellte und Studenten aufgerufen, sich an den Protesten zu beteiligen. Diese richten sich nicht nur gegen die hohen Preise für Grundnahrungsmittel, sondern auch gegen die niedrigen Löhne und die verbreitete Korruption im Land.

Gegenwärtig ist noch nicht absehbar, wie viele Menschen sich an dem Ausstand beteiligen werden, da die staatlich kontrollierten Gewerkschaften ihre Mitglieder offiziell angewiesen haben, zur Arbeit zu erscheinen. Auch ist fraglich, ob die Regierung zwei Tage vor den Kommunalwahlen am 8. April große Demonstrationen in Kairo, Alexandria oder anderen Orten zulassen wird, auf denen der Regierung Versagen vorgeworfen wird.