Samstag, 19. April 2008

Ein Wochenende in Port Said

Die Fahrt vom Kairoer Busbahnhof Turgoman nach Port Said dauert ziemlich genau 3 Stunden - eine Stunde um aus der Stadr heraus zu kommen, dann noch einmal 2 Stunden auf der Schnellstrasse fuer die knapp 190 Kilometer nach Port Said. Der Weg fuehrt zunaechst in oestlicher Richtung am Rande des Nildeltas entlang, dort wo sich langsam die Wueste bis zum Horizont erstreckt.

Entlang der Strasse befinden sich viele Kasernen und Armeestuetzpunkte. An deren Mauern prangen neben Fotos des Staatspraesidenten Mubarak martialische Sprueche wie "Sieg oder Maertyrertod". Am Freitag werden die Zuegel offenbar etwas lockerer gelassen. In einer Kaserne spielen Soldaten auf einem Sandplatz Fussball, in einer anderen scheint Waschtag zu sein, jedenfalls haengen Uniformen zum Trocknen ueber Waescheleinen in der Sonne und an der Kasernenmauer werden die Schlafmatratzen der Soldaten mit Teppichklopfern bearbeitet.

Hinter Ismailia bietet sich ploetzlich ein bizarres Bild. Es scheint als habe jemand riesige Containerschiffe genommen und sie willkuerlich inmitten der kargen Wuestenlandschaft abgesetzt. Tatsaechlich haben wir nun den Suezkanal erreicht, jenen 163 Kilometer langen kuenstlichen Wasserweg, der das Rote Meer mit dem Mittelmeer verbindet und mit seiner Ereoeffnung 1869 den Welthandel revolutionierte, da er die Umschiffung Afrikas ueberfluessig machte um Asien von Europa aus zu erreichen.

Bei Qantara trifft die Autobahn auf den Kanal und verlaeuft die restlichen 50 Kilometer bis Port Said parallel zu der Wasserstrasse. In Qantara ueberspannt zudem die gewaltige Mubarak-Friedensbruecke den Suezkanal, die mit japanischer Hilfe errichtet wurde und den strukturschwachen Nordsinai besser an den Grossraum Kairo anbinden soll.

Der Kanal selbst ist ueberraschend schmal angesichts der Tatsache, dass es sich um eine der wichtigsten Schiffsrouten der Welt handelt, durch die 15% der jeahrlich weltweit transportierten Schiffsfracht geschleust werden. Der Schiffsverkehr ist daher auch nur in einer Richtung moeglich; die Ozeanriesen fahren im Konvoi durch den Kanal. Deshalb sind immer wieder Zeit kostende Zwischenstopps an den Einfahrten zum Kanal oder auf den beiden Bitterseen notwendig um den entgegenkommenden Verkehr passieren zu lassen. Am Freitag Nachmittag sind unter anderem Tanker aus Triest und Stockholm, sowie Containerschiffe aus Hamburg und Singapur auf dem Weg Richtung Europa.

Port Said selbst ist fast vollstaendig vom Wasser umgeben und kann nur ueber Bruecken erreicht werden. Im Vergleich zu Kairo oder Alexandria wirkt die 500000-Einwohnerstadt geordnet und fast verschlafen. Es wird deutlich weniger gehupt, Ampeln werden beachtet und insgesamt scheinen am Freitag deutlich weniger Leute auf den Strassen unterwegs zu sein als in den beiden aegyptischen Metropolen.

Noch immer sind im Stadtzentrum die Ueberbleibsel kolonialer Architektur deutlich zu erkennen. Kolonnadengaenge saeumen die Strassen, viele Haeuser haben schicke Holzveranden und Balkons. Leider haben jedoch der allgemeine Verfall, sowie die Kriege von 1956, 1967 und 1973, in denen Port Said wegen seiner strategisch wichtigen Lage heftig umkaempft war, ihre Spuren hinterlassen, so dass in vielen Strassenzuegen schmucklose Zweckbauten aus den 1980ern das Stadtbild praegen.

Fuer viele Kairener ist die Stadt an der Muendung des Suezkanals ein Shoppingparadies. Man kann hier zollfrei einkaufen und viele Hauptstaedter nutzen die Moeglichkeit preiswert Elektrogeraete zu kaufen. Auch westliche Markenfirmen haben in der Stadt kleine Outlet-Stores.

Den Freitag Abend nutzen Gruppen Jugendlicher und Familien zum Bummel antlang der Palaestina-Strasse am Kanal oder entlang der Corniche am Mittelmeerstrand. Erwachsenene Maenner haben Spass dabei mit grossen Dreiraedern die Promenande entlang zu rasen, Jugendliche holen alles aus ihren Motorrollern heraus um den kichernden Maedchen zu imponieren. Andere lassen sich geroestete Maiskolben schmecken und bewundern die Lichter der grossen Schiffe, die wie an einer Perlenschnur gereiht darauf warten, in den Suezkanal gelassen zu werden.

Auf der Ostseite des Suezkanals liegt Port Saids Schwesterstadt Port Fuad. Eine ganze Flotte von gruenen Autofaehren verbindet die an dieser Stelle etwa 800 Meter entfernten Kanalufer. Die 5 Minuten lange Fahrt ist kostenlos, in Ermangelung einer Bruecke ist die Faehre jedoch auch schlichtweg die einzige Moeglichkeit um von einer Stadt in die andere zu gelangen.

Das Stadtbild Port Fuads wird von den beiden Minaretten der Mugamma-Moschee direkt am Ufer dominiert - viel mehr hat die Wohnstadt, die in den 1920er Jahren von den Briten errichtet wurde und bereits auf dem Sinai liegt, auch nicht zu bieten. Parallel zum Kanalufer hat man jedoch Leinen gespannt und somit ein 25-Meter-Schwimmbecken improvisiert, in dem Jugendliche, angefeuert von der Trillerpfeife ihres Trainers, trainieren.

Anders als in Kairo lautet die naechste Frage, nachdem man erklaert hat aus Deutschland zu kommen, nicht "Bist du Muslim?", sondern "Kennst du Mohamed Zidan?". Der HSV-Stuermer wurde in Port Said geboren und erfreut sich groesster Beliebtheit. In vielen Laeden und an zahlreichen Haeusern prangen grosse Poster und Plakate des 26-Jaehrigen. Viele Jungen tragen Werder- oder HSV-Trikots mit Zidans Namen auf dem Ruecken. Ausserdem scheint praktisch jeder Taxifahrer, Saftverkaeufer oder Mann am Kebabgrill entweder weitlaeufig mit Zidan verwandt zu sein oder zumindest in der selben Strasse gewohnt zu haben. Oder man kennt jemanden, der mit ihm verwandt ist oder der auf die selbe Schule ging.

Ueber die bewegte und umkaempfte Geschichte Port Saids gibt normalerweise das Militaermuseum in der Strasse des 23. Juli Auskunft. Momentan wird es jedoch renoviert. Ein Soldat laesst mich heute Vormittag jedoch in den Garten, in dem allerlei Kriegsgeraet ausgestellt ist. Hoehepunkt der Freiluft-Ausstellung sind zwei 1973 erbeutete israelische Panzer. Die Akuratesse und das strahlende Weiss der beiden Davidsterne auf dem Tank amerikanischer Bauart lassen vermuten, dass eine Museumsfachkraft eigens dafuer abgestellt wird, das Insignium des juedischen Staates alle paar Monate zu erneuern.

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