Mittwoch, 16. April 2008

Zur Krise in Ägypten

Die Kommunalwahlen am 8.April haben deutlich gezeigt, dass Ägyptens Regime innenpolitisch die Zügel immer fester zieht und eine politische Liberalisierung ablehnt. Die Krise des Landes lässt sich an mehreren Punkten festmachen:

Zum Einen an der Wirtschaftsmisere, die sich in rasanten Preisanstiegen, anhaltender Massenarbeitslosigkeit und einem angeschlagenen Sozialsystem festmachen lässt, das kaum in der Lage ist den Bedürfnissen der wachsenden ägyptischen Bevölkerung entgegenzukommen. Als Reaktion darauf haben Arbeiter an verschiedenen Orten des Landes in den vergangenen Monaten und verstärkt seit Anfang April wilde Streiks unternommen. Zu einem Zentrum der Unruhen ist dabei die Industriestadt El Mahalla el Kubra im Nildelta geworden.

Die Unruhen sind eine Reaktion auf die deutliche Verschlechterung der wirtschaftlichen und sozialen Situation im Laufe der letzten 12 Monate. Eine durchdachte politische Agenda mit konkreten Forderungen haben die Organisatoren der Streiks bislang jedoch nicht. Vergleiche mit der polnischen Solidarnosc-Bewegung, wie sie von einigen oppositionellen Bloggern im Internet gezogen wurden, scheinen daher verfehlt, nicht nur weil der Streikbewegung eine Symbolfigur wie Lech Walesa fehlt. Gleichzeitig macht es die dezentrale Organisation der Proteste für die Regierung schwerer, die Lage zu kontrollieren. In jedem Fall unterstreichen die Unruhen, bei denen in der letzten Woche zwei Jugendliche getötet wurden, den Ernst der Lage.

Der ägyptischen Regierung ist es nicht gelungen, die Massen vom moderaten Wirtschaftsaufschwung der letzten Jahre, 2007 lag das Wachstum bei 7%, profitieren zu lassen. In einem Land, in dem dier Hälfte der Bevölkerung pro Tag 2 US-Dollar oder weniger zur Verfügung hat, kann schon der Anstieg der Weizen- und Reispreise soziale Unruhen herbeiführen. Eine Strategie zur Bekämpfung der Wirtschaftsmisere scheint der Regierung zu fehlen, sie hofft darauf, dass die Weltmarktpreise für Grundnahrungsmittel schnellstmöglich fallen.

Auf der politischen Ebene wurde der Reformprozess seit den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen 2005 praktisch eingestellt. Offensichtlich hielt Mubaraks Regime den relativen Erfolg der Muslimbrüder bei den Wahlen zur Nationalversammlung 2005 für zu gefährlich - jedenfalls wird von staatlicher Seite seither alles unternommen um ähnliche Ergebnisse künftig zu verhindern. Die Kommunalwahlen wurden zunächst vom eigentlichen Termin im Jahr 2006 verschoben und dann für den April 2008 angesetzt. Dann wurden die Wahlen manipuliert. Oppositionelle Kandidaten wurde die Registrierung verweigert, mehrere hundert Muslimbrüder, die sich als Kandidaten aufstellen lassen wollten, wurden verhaftet.

2007 wurden auf Geheiß von Präsident Husni Mubarak 34 Artikel der ägyptischen Verfassung geändert. Die Reform wurde später in einem Referendum, das von den meisten Ägyptern ignoriert wurde, abgesegnet. Unter anderem werden nun künftige Wahlen von einem neuen Gremium juristisch überwacht, dessen Mitglieder vom Präsidenten persönlich ernannt werden. Böse Überraschungen für die Staatsführung werden bei künftigen Wahlen damit praktisch ausgeschlossen. Danaben sind seit der Reform gemäß der Verfassung Parteien auf religiöser Grundlage oder mit religiöser Programmatik verboten - ein Schritt der allein auf die Muslimbrüder abzielt.

Gleichwohl hinderte der Passus Kandidaten der regierenden NDP nicht daran, bei den Kommunalwahlen auf Flugblättern mit Koransuren zu werben. Praktisch sind die Muslimbrüder die einzige politische Bewegung, die in der Lage wäre einen aussichtsreichen Präsidentschaftskandidaten bei den nächsten Wahlen 2011 ins Rennen zu schicken, der in der Lage wäre Familie Mubarak herauszufordern. Bis dahin wird die Regierung alles unternehmen um ein offenes Rennen oder faire Wahlen zu verhindern.

Die säkulare Opposition ist zu gespalten und zu schlecht organisiert um eine wirkliche Gefahr für die NDP darzustellen. Linke und liberale Parteien haben weniger als 5% der Sitze im Parlament und ihr Überleben hängt von der Gnade der ägyptischen Regierung ab. Keine der Oppositionsparteien, etwa die liberale Wafd-Partei, die gewerkschaftsnahe Tagammu-Partei oder linke Parteien, wie die Arabischen Nasseristen oder die Demokratische Front sind in der Lage breite Gesellschaftsschichten anzusprechen und zu mobilisieren. Sie sind schwach organisiert und finden in den staatlich kontrollierten Medien kaum statt.

Ägypten erlebt also auf der einen Seite zunehmende soziale Unruhen und zum anderen eine stärkere politische Polarisation. Die Gewalt und Repression mit der Proteste in den vergangenen Wochen unterdrückt wurden haben die Verbitterung und die Ablehung der Regierung bei Vielen weiter verstärkt. Man kann davon ausgehen, dass sich diese harte Haltung des Staats bis zu einer Regelung der Mubarak-Nachfolge und zu einer möglichst reibungslosen Machtübergabe an Husnis Sohn Gamal Mubarak fortsetzen wird.

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