Donnerstag, 19. Juni 2008

Zum Umgang mit den Muslimbrüdern in Ägypten

Die ägyptische Regierung sollte die Muslimbrüder in die politische Landschaft integrieren und formal als Partei anerkennen. Diese Forderung erhebt die International Crisis Group (ICG) in ihrem gestern veröffentlichten Bericht "Egypt's Muslim Brothers: Confrontation or Integration".

Darin legt die ICG Welle der Repressalien und Verhaftungen dar, denen sich die Islamisten seit ihrem Erfolg bei den Parlamentswahlen Ende 2005 ausgesetzt sehen, bei denen sie etwa 20% der abgegebenen Stimmen erhielten. So wurde die Teilnahme der Muslimbrüder bei den Kommunalwahlen im April dieses Jahres praktisch verhindert, ihre Arbeit im Parlament stark eingeschränkt, tausende Mitglieder verhaftet, ihre Anführer und Finanziers vor Miltärgerichte gestellt.

Die Strategie der Regierung, die auf eine Unterdrückung der Muslimbrüder setzt, ist nach Ansicht der ICG "gefährlich kurzsichtig". Stattdessen sollte der Staat Schritte unternehmen um die Teilnahme der Bruderschaft am politischen Leben "zu normalisieren." All die Repressalien gegen die 1928 in Ismailia von Hassan al-Banna geründete Bewegung hätten nämlich keinesfalls deren Legitimation eingeschränkt.

Gleichzeitig habe auch die Muslimbruderschaft ihren Ansatz geändert. Sie nutze ihre Präsenz im Parlament um sich der Regierung entgegen zu stellen und sich als Kraft für politische Reformen zu präsentieren. Trotz der staatlichen Verfolgung nehme die Bewegung weiterhin an Wahlen für das Oberhaus, Lokalräte oder Gewerkschaften teil. Zudem hab man 2007 erstmals den Willen bekundet, eine politische Partei zu bilden. Diese Gelegenheit sollte genutzt werden, um den religiösen und den politischen Flügel der Muslimbrüder zu trennen, so die ICG.

Die Muslimbrüder müssten jedoch ihre Positionen beszüglich Demokratie und Menschenrechten klar definieren. Bisherige Erklärungen dazu seien widersprüchlich und bisweilen illiberal. Dies betreffe etwa die Rolle der Frau oder der Status religiöser Minderheiten. Nach dem Verständnis der Islamisten dürfte keine der beiden Gruppen den Staatschef stellen.

Die ICG bezeichnet es als sehr unwahrscheinlich, dass noch unter dem aktuellen Präsidenten Husni Mubarak die Muslimbrüder oder eine mit ihr verbündete Partei anerkannt werden. Das Regime und die Bruderschaft sollten jedoch in einen Dialog treten, der den Weg zu einer Einbindung der Bewegung ebene. "Die Muslimbrüder sind zu mächtig und zu repräsentativ, als dass Stabilität oder eine wirkliche Demokratisierung erreicht werden könnten, ohne sie einzubinden."

Mit der Frage, wie die EU und die USA mit den Muslimbrüdern umgehen sollten, befasst sich Joshua Stacher in seinem Bericht "Brothers in Arms? Engaging the Muslim Brotherhood in Egypt".

Darin fordert Stacher, Post-Doc Fellow an der Syracuse University, die westlichen Regierungen auf, mehr Druck auf die ägyptische Regierung auszuüben, ihre Reformversprechungen zu erfüllen und lautere Kritik zu üben wenn Oppositionelle, auch Islamisten, Opfer willkürlicher Verhaftungen werden. Wenn der Westen seine Glaubwürdigkeit widererlangen wolle, müsse der Druck auf den ägyptischen Staat das politische System zu öffnen und nicht gewalttätige Islamisten wie die Muslibrüder darin einzubeziehen, zunehmen.

Außerdem fordert Joshua Stacher, dass Vertreter westlicher Regierungen mehr Gelegenheiten nutzen sollten in einen Dialog mit ägyptischen Oppositionellen, darunter auch den Muslimbrüdern, zu treten. Es sei nicht hilfreich die Bewegung als unflexible religiöse Organisation zu betrachten, mit der man keine gemeinsame Grundlage teile. Stattdessen solle man die Bruderschaft daran messen, was sie sagt und wie sie handelt.

Stachers Forderungen sind von der Überzeugung geleitet, dass eine Fortschritt der politischen reformen in Ägypten und der Region unwahrscheinlich ist, wenn große islamistische Bewegungen vom politischen Prozess ausgeschlossen bleiben. Gleichzeitig zeugen sie von der Hoffnung, dass ein solcher Austausch dazu führt, dass islamistische Parteien von ihrer pauschalen Verurteilung westlicher Politik in der Region abrücken und Themen finden, bei denen sie konstruktiv mit europäischen und noramerikanischen Regierung zusammenarbeiten können.

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