Montag, 11. Januar 2010

Anschlag auf Hamas im Libanon wirft Fragen auf

Am 26. Dezember ereignete sich im Süden Beiruts ein tödlicher Anschlag, dem drei Menschen zum Opfer gefallen sind. Hamas-Chef im Libanon, Osama Hamdan, gab am Tag darauf bekannt, dass zwei der Opfer zu seinen Personenschützern gehörten: Bassil Juma, 26, und Hassan Haddad, 21. Beide wurden wenige Tage darauf im südlichen Flüchtlingslager Burj al-Shemali beigesetzt. Zeitgleich zum Anschlag waren Tausende Anhänger der Hisbollah unweit vom Anschlagsort in Dahiya versammelt, in Erwartung auf eine Rede Hassan Nasrallahs anlässlich des schiitischen Ashura-Festes.

Obwohl die Untersuchungen zu den Umständen des Anschlags nun schon seit über zwei Wochen andauern, sind weiterhin viele Fragen ungeklärt. Ob der Anschlag Osama Hamdan selbst galt, wovon Verteidigungsminister Elias al-Murr ausgeht, und wer die Drahtzieher sind, bleibt unklar. Auch die Umstände sind verworren. Zunächst hieß es, eine unter einem Auto der Hamas platzierte 15-Kg TNT-Bombe sei beim Versuch, sie zu entschärfen explodiert. Später wurde berichtet, dass sich die Explosion im Kellergeschoss eines Hamas-Gebäudes ereignet habe. Schließlich wurden Gerüchte laut, wonach in den Kellern des von Hamas-Leibwächtern bewohnten Hauses Schießübungen stattfanden, als der Anschlag passierte.


Dies wirft die Frage auf: Ist Hamas im Libanon auch militärisch aktiv? Vehement wurde dieser schon länger bestehende Verdacht immer wieder von der Hamas-Führung zurückgewiesen. Es ist bekannt, dass zahlreiche palästinensische Fraktionen in den Lagern über Waffen und Kämpfer verfügen, dass einzelne pro-syrische Gruppierungen sogar außerhalb der Flüchtlingslager militärische Basen unterhalten. Auch die Fatah kontrolliert zahlreiche Lager nicht nur politisch, sondern auch militärisch. Die Hamas gibt aber vor, im Libanon allein politisch aktiv zu sein und ihre Ziele hier gewaltfrei zu verfolgen. Nicht wenige Widersacher aus der PLO dagegen werfen ihr vor, die Kontrolle über die Lager des Libanon militärisch gewinnen zu wollen und einen Coup vorzubereiten.

Wie dem auch sei, die wirkliche Stärke der Hamas im Libanon ist ihre Beziehung zur Hisbollah. Die politische Allianz zwischen der sunnitisch-palästinensischen und der schiitisch-libanesischen Bewegung ist hinlänglich bekannt und vor allem dem Interesse des gemeinsamen Sponsors aus Teheran geschuldet. Seit die ägyptischen Behörden im April 2009 ein Waffenlager der Hisbollah ausgehoben haben, macht Hassan Nasrallah keinen Hehl mehr aus der militärischen Unterstützung für die Hamas. Aber auch im Libanon profitiert die Hamas vom Bündnis mit der Hisbollah. Die „Partei Gottes“ organisiert nicht nur regelmäßig Großdemonstrationen in ihrer Hochburg Dahiya im Süden Beiruts als offene Solidaritätsbekundung für die Palästinenser im Allgemeinen - und die Hamas im Besonderen. Die Hamas hat in Dahiya auch ihr Domizil errichtet, also im Hisbollah-Gebiet und nicht in einem der vielen weitgehend autonomen palästinensischen Flüchtlingslager des Libanon. Die direkte politische und militärische Kooperation zwischen Hisbollah und Hamas ist nicht neu und nahm ihren Anfang bereits 1992, als Israel 400 Hamas-Aktivisten in den Libanon deportierte, im Glauben, sich ihrer leicht entledigen zu können. Stattdessen wurden die Hamas-Leute von der Hisbollah für neue Einsätze im Gazastreifen taktisch ausgebildet.

Das Verhältnis zwischen beiden Bewegungen könnte unter dem Anschlag aber leiden, denn „Nowlebanon“ zitiert die Zeitung As-Sharq Al-Awsat, wonach die Hisbollah von militärischen Aktionen der Hamas in einem zivilen Gebäude nichts wusste und sich verärgert an die Hamas-Führung gewandt habe.

Die Hisbollah musste schon vorher Sicherheitsprobleme in Dahiya eingestehen. Im November 2009 führten die Hisbollah und libanesischen Sicherheitsbehörden in Dahiya eine gemeinsame Polizeiaktion durch, was einer Sensation gleichkam. De facto nämlich sieht die Hisbollah die südlichen Vororte Beiruts als ihr exklusives Hoheitsgebiet an. Nach intensiven Verhandlungen zwischen libanesischen Sicherheitschefs und der Hisbollah gibt es nun eine gemeinsame Verbrechensbekämpfung und Verkehrskontrolle in Dahiya. Die Hisbollah wollte damit auch dem Vorwurf entgehen, sie habe einen Staat im Staate aufgebaut.

Der Anschlag könnte auch das zur Zeit relativ entspannte Verhältnis zwischen den politischen Blöcken des Libanon wieder verschärfen. Misstrauen und Unverständnis hat vor allem im Lager des „14. März“ das Verhalten der Hisbollah nach dem Anschlag auf die Hamas ausgelöst. Denn die Hisbollah verwehrte der Armee anfangs den Zugang zum Anschlagsort und verhinderte damit eine frühe Untersuchung des Vorfalls. Staatsminister Mohammad Fneish von der Hisbollah bestreitet, seine Partei hätte den nationalen Sicherheitsbehörden den Zugang zum Anschlagsort verwehrt. Genau das wirft unter anderem Informationsminister Tarek Mitri der Hisbollah aber vor. Untersuchungen wurden eingeleitet.

Hamdan ließ derweil mitteilen, die Hamas wolle die libanesischen Behörden bei der Aufklärung des Anschlags voll und ganz unterstützen und bestritt zugleich, dass seine Bewegung militärische Übungen in Dahiya durchführe. Zwei bei dem Anschlag verletzte Hamas-Mitglieder wurden für Verhöre von der libanesischen Armee festgenommen.

Spekulationen über die Auftraggeber des Anschlags vermied die Hamas bisher. Gestern, am 10. Januar, gab Hamas-Sprecher Ali Baraka aber bekannt, dass das „Ausland“ hinter dem Anschlag stehe. Direkte Schuldzuweisungen an Israel gingen bisher lediglich von Walid Jumblatt aus, der sich seit den Parlamentswahlen letzten Jahres mehr und mehr der Hisbollah annähert und heute eine Versöhnung mit dem Hisbollah-Alliierten Michel Aoun inszenierte. Israel weist entsprechende Vorwürfe zurück. Aber es ist bekannt, dass Tel Aviv bereits mehrmals auf die Taktik der Eliminierung einzelner Hamas-Größen auch im Ausland gesetzt hatte. Unvergessen ist der gescheiterte Anschlag des Mossad auf Hamas-Führer Khaled Mishaal 1997 in Amman. Aber in Frage kommen natürlich auch andere Täter, weil die Konfliktsituation im Libanon recht komplex ist und Attentate auf politische Führer im Libanon nicht ungewöhnlich sind. Davon betroffen waren auch schon zahlreiche palästinensische Politiker im Libanon. PLO-Veteran Kamal Naji, der im März letzten Jahres einem Anschlag erlag, war das letzte prominente Opfer.

3 Kommentare:

M.A. hat gesagt…

Zu dieser Passage:

"Direkte Schuldzuweisungen an Israel gingen bisher lediglich von Walid Jumblatt aus"

Jumblatt ist echt unglaublich. Nicht dass es mich überraschen würde, wenn der Anschlag tatsächlich von Israel ausgeführt wurde. Wäre nicht das erste und letzte mal, dass Israel auch im Ausland und speziell in Libanon mordet. Was mir einfach auf den Sack geht ist dieser Opportunist Jumblatt. Noch vor einem, höchstens zwei Jahren hätten die Schuldzuweisungen Syrien gegolten. In zwei Jahren gelten sie wahrscheinlich Papua Neuguinea oder Grönland.

Anonym hat gesagt…

"Der Anschlag könnte auch das zur Zeit relativ entspannte Verhältnis zwischen den politischen Blöcken des Libanon wieder verschärfen. Misstrauen und Unverständnis hat vor allem im Lager des „14. März“ das Verhalten der Hisbollah nach dem Anschlag auf die Hamas ausgelöst. Denn die Hisbollah verwehrte der Armee anfangs den Zugang zum Anschlagsort und verhinderte damit eine frühe Untersuchung des Vorfalls. Staatsminister Mohammad Fneish von der Hisbollah bestreitet, seine Partei hätte den nationalen Sicherheitsbehörden den Zugang zum Anschlagsort verwehrt. Genau das wirft unter anderem Informationsminister Tarek Mitri der Hisbollah aber vor. Untersuchungen wurden eingeleitet."

Das ist eine dreiste Lüge. Man müsste sich schon etwas durch die Medien arbeiten und sich wenigstens etwas mühe geben. Der Verantwortliche der Sicherheitsbehörden der Vorort war, hat Live im TV den Herren Tarek Mitri der sich Informationsminister nennt wiederlegt.

Maximilian Felsch hat gesagt…

Ich habe versucht, die Widersprüche um die Aufklärung des Falls und die damit verbundenen Spannungen zwischen libanesischen Politikern darzustellen. Ich glaube Sie waren auch nicht vorort und kennen die wahren Geschehnisse genauso wenig wie ich. Sie müssen mich also nicht der Lüge bezichtigen, zumal ich beide Positionen deutlich gemacht habe.