Samstag, 16. Januar 2010

Hinter Gittern

Israel will einen Sicherheitszaun an seiner Grenze zu Ägypten errichten. In den nächsten zwei Jahren soll die Mauer fertig sein, die nach den Worten von Benjamin Netanyahu den „jüdischen und demokratischen Charakter Israels stärken“ soll. Der Plan stößt jedoch bei vielen Bürgern auf Skepsis.

Im Schatten der Mauern

Der doppelte Zaun soll von Eilat am Roten Meer bis zu Israels Grenze am Gazastreifen´reichen. Die Kosten für den Bau werden sich ersten Schätzungen zur Folge auf rund eineinhalb Milliarden Schekel, umgerechnet 270 Millionen Dollar, belaufen. Neben dem Mauerwerk selbst soll ein Vielzahl an Überwachungsanlagen errichtet werden, um die 120 Kilometer lange, brachliegende Grenze zu Ägypten Tag und Nacht überwachen zu können. Nach israelischen Medienberichten ist es das Ziel „den Schmuggel, das Verbrechen und die Anschläge zu stoppen“ – aber auch die Flüchtlinge, die vor allem über die ägyptische Grenze ins Land gelangen und Hilfe suchen. Doch genau diese sind der Regierung ein Dorn im Auge: „Wenn wir uns nicht einzäunen, wird Israel von illegalen Einwanderern überschwemmt werden“, sagte Ministerpräsident Netanyahu und erklärte das Land werde für Kriegsflüchtlinge offenbleiben, „aber wir werden nicht zustimmen, dass Zehntausende illegale Fremdarbeiter über die Grenzen kommen“.
Nach Angaben der israelischen Tageszeitung Jedioth Ahronoth hat man in Jerusalem aber noch ganz andere, weitreichendere Pläne: „Es wird keine andere Möglichkeit geben, als das ganze Land einzuzäunen“ wird der israelische Ministerpräsident zitiert. Neben den sogenannten Sicherheitszäunen – die Israels Kernland von der Westbank und dem Gazastreifen bereits trennen – und der hermetisch abgeriegelten Grenze zum Königreich Jordanien, wird wohl als Nächstes der Norden im Schatten der Mauern leben. Zu den Mauer-Plänen der israelischen Regierung kommt hinzu, dass man vergangene Woche erfolgreich verschiedene Tests am neuen Raketenabwehrschirm „Eisenkuppe“ durchgeführt hat. Mit diesem System soll der Negev fast vollständig vor Kassam-Raketen geschützt werden. Bereits im kommenden Juni soll es an der Grenze zu Gaza errichtet werden und bis Jahresende auch an der Grenze zum Libanon für Sicherheit sorgen.


Orwellscher Überwachungssaat

Dass sich Israel mehr und mehr zum orwellschen Überwachungsstaat entwickelt und aus Angst vor Terroranschlägen eine Mauer nach der anderen errichtet und sich durch modernste Technologie auch eine Art Luftschutzschild vor Raketen entwickelt hat, stößt jedoch auch zunehmend auf Skepsis.Auf der einen Seite ist man froh über die technische Weiterentwicklung, die den Alltag vieler Israelis erleichtern wird. Auf der anderen Seite möchte man auch nicht als verbarrikadierter Staat hinter Gittern leben.
Eitan Haber zog in einem nachdenklichen Kommentar der Yedioth Ahronoth Parallelen zu anderen Umzäunungen, wie beispielsweise den Gettos in Europa, um die Abscheu vieler Juden davor zu erklären. Verbittert schreibt er: „Wir hatten gehofft, dass wenigstens eine Grenze tatsächlich eine Grenze des Friedens sein würde, eine Grenze ohne Zaun.“ Doch davon scheint Israel weit entfernt zu sein: In naher Zukunft wird es keine Grenze des Friedens geben.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Es ist wirklich enttäuschend, solch einen Nonsens auf diesem ansonsten ausgezeichneten Blog lesen zu müssen. Was hat ein Raketenabwehrsystem mit "Überwachungsstaat" und "Abschottung" zu tun?

bruno.jahn hat gesagt…

"Nonsens" ist natürlich ein hartes Wort, aber ich stimme meinem (leider anonymen) Vorredner zu, daß in diesem Artikel Dinge vermengt werden, die nicht wirklich etwas miteinander zu tun haben.

Das Raketenabwehrsystem ist in der Tat kein Anzeichen eines "Orwellschen" (sowieso ein inflationär gebrauchtes Wort) Überwachungssystems, sondern angesichts des fortgesetzten Raketenfeuers auf Israel eine ziemlich logische Verteidigungsmaßnahme (wie gut es funktionieren wird, steht auf einem anderen Blatt und wird wohl auch in Israel durchaus kontrovers diskutiert).
Der Zaun an der Grenze zu Ägypten folgt wohl einer anderen Logik, nämlich der Abschottung der "ersten Welt" gegen unkontrollierte Arbeitsmigration aus der "dritten". Kann man kritisieren, ist aber auch nix anderes als das, was EU (Auffanglager in Libyen) und USA (Zaun an der Grenze zu Mexiko) an ihren jeweiligen Südgrenzen so anstellen...

Dominik Nicolas Peters hat gesagt…

Als Autor möchte ich zu dem von mir verfassten Artikel einige Dinge bemerken, die es zu berücksichtigen gilt:

I.) Eitan Haber hat wie ich finde eine sehr präzise Diagnose der israelischen Gesellschaft in seinem Kommentar skizziert. Im 2000-jährigen Exil in Gettos lebend, haben Juden eine ablehnende Haltung gegenüber Mauern/Zäunen etc., die um sie herum gebaut werden, entwickelt. Dass nun vom eigenen Staat eine Mauer erst im Süden und voraussichtlich im Norden errichtet wird/werden soll, stößt definitiv auf Skepsis in der eigenen Bevölkerung.
II.) Die Argumentation Netanyahus, man wolle den „jüdischen und demokratischen Charakter“ wahren, ist meiner Ansicht nach ein vorgeschobener Grund: Warum sollte eine Demokratie gefährdet sein, wenn sie die Kinder der Immigranten in die Gesellschaft integriert, sie auf israelische Schulen schickt und sie im Werteverständnis dieses Staates aufwachsen? Der Grund ist meiner Einschätzung nach weitreichender: die fortdauernde Diskussion darüber, wer Israeli ist und wer Jude ist. Die Kinder der Immigranten und Flüchtlinge werden/wären Israelis, aber keine Juden – und das ist der entscheidende Punkt.
III.)Bis heute ringt Israel mit dem „demografischen Problem“, dass nämlich seine arabischen Mitbürger weitaus mehr – abgesehen von den Chassidim – Kinde zur Welt bringen und so ein Ungleichgewicht entsteht, welches den „jüdischen Charakter“ infrage stellt und somit die komplette Idee des Zionismus und des Staates Israel als Heimstätte für alle Juden der Welt. Dieses „demografische Problem“, das es immer mehr Israelis nicht-jüdischen Glaubens gibt, wird jedoch auch kein Zaun an Ägyptens Grenze ändern.
IV.) Folglich muss der Grund der Errichtung der Mauer im steigenden Sicherheitsbedürfnis der Israelis liegen. Vergleiche hinken meist, doch trotzdem glaube ich, dass die Geschichte gezeigt hat, dass man mit Sicherheitsmaßnahmen jeglicher Art, insbesondere den Mauerbau, seine Ziele – in diesem Fall mehr Sicherheit – nicht durchsetzt. Wie viele Mauern wurden in der Weltgeschichte errichtet, egal ob in Europa oder in Asien – sie alle wurden zum Einsturz gebracht.
V.) Dass das System „Eisenkuppel“ eine Folge des anhaltenden Raketenbeschusses ist, scheint auf den ersten Blick logisch, aber trotzdem denke ich, dass auch hier nicht um die Ecke gedacht wurde: Temporär mag Israel es schaffen die teils selbst gebauten, teils hochprofessionellen Raketen dadurch abzuwehren – aber das ändert doch nichts an der Grundproblematik. Ein Staat kann sich nicht durch immer schärfere Sicherheitsmaßnahmen, egal ob Mauerbau/Raketenabwehrschirme/moderne Armee etc. so von der Außenwelt abschotten, dass er als eine Art Insel zwischen den Nachbarländern lebt. Das ist eine illusionäre Vorstellung.
Ob man den Begriff „orwellscher Überwachungsstaat“ als passend oder eher unpassend empfindet, ändert meiner Meinung nichts an der Tatsache, dass Israel versucht durch immer ausgefeiltere Sicherheitssysteme eine Überwachung über jeden Winkel seines Landes und seiner Grenzen zu gewährleisten. Langfristig wird man damit jedoch keinen Erfolg haben. In Zeiten der asymmetrischen Kriegsführung (auch ein inflationär genutztes Wort) kann man selbst mit perfekt funktionierendem Sicherheitssystem und moderner Armee keinen Sieg erringen, denn das Schlachtfeld ist immer und überall.
VI.) Ich hoffe der Artikel und die dahinter stehende Idee wurde durch diese Darstellung etwas transparenter.