Ein Beitrag von Ansar Jasim
Als was sollen die Ereignisse in der arabischen Welt beschrieben werden? Rebellion, Revolte, Militärputsch - das sind die Worte, die man zur Bezeichnung der Umbrüche in der Arabischen Welt heranzieht. Hin und wieder taucht auch der Neologismus Arabellion, eine Mischung aus Arabisch und Rebellion auf. Der Begriff jedoch, der tunlichst gemieden wird, ist Revolution. Vor allem die Politikwissenschaft hat ihre Probleme damit. So müsse die Titulierung „Revolution“ nach klaren Kriterien erfolgen. Diese Kriterien seien in keinem der arabischen Länder erfüllt: die Änderungen reichten nicht über einen bloßen Führungswechsel hinaus. Eine „wahre“ Revolution, so die Revolutionssoziologie, müsse jedoch auf drei Ebenen geschehen: nämlich auf der Ebene der Regierung, der Regierungsform und in der Gesellschaftsverfassung.
Andere, wie etwa die Marburger Soziologin Huda Zein, sehen in den arabischen Umbrüchen ganz klar eine Revolution: thaurat al-karama, die Revolution der Würde. Selbst wenn kein wirklicher politischer Bruch mit den alten Eliten in den arabischen Ländern stattgefunden hat, so habe ein viel essentiellerer Bruch stattgefunden: kassar hajiz al-khauf - der Bruch der Angstschranke. Die Menschen haben sich mit der Auflehnung gegen die Tyrannen ihrer Länder ihre Würde zurückgeholt.
Und wie bezeichnet die arabische Jugend, das, was sie da eigentlich tut? Begriffe wie Freiheit - hurriya - und Revolution - thaura - sind in der Arabischen Welt durch die Rhetorik der Militärputschisten der 60er und 70er Jahre, die in fast allen arabischen Ländern stattgefunden haben, besonders (schlecht) konnotiert. Neben den Blättern Tishrin und al-Ba`ath heißt die dritte staatliche Zeitung in Syrien al-Thaura, die Revolution. Gemeint ist der Putsch von 1963. Diese Besetzung der Begriffe seitens des syrischen Regimes, macht es der syrischen Jugend ungleich schwerer, ihre Bewegung als Revolution zu bezeichnen. Hinzu kommt, dass die aufständische Jugend nicht nur mit dem Regime brechen will, sondern auch mit den alten Oppositionseliten. Die Jugend will sich die Begriffe zurückerobern und einige neu erfinden.
Das Fortfahren mit den alten Begriffen kommt der Jugend wie eine Fortsetzung der alten Gewohnheiten vor: man will anders sein, man will sich nicht von der Angst brechen lassen, wie man das Verhalten der „alten“ Opposition im Verlauf der letzten Jahre bewertet. Die Sprache, die jetzt benutzt wird, wie sich an den Parolen und Plakaten, aber auch an den ins Internet gestellten Kurzfilmen zeigt, ist sehr viel direkter. Wurden vorher etwa bestimmte Symbole im Film oder Fabeln im Theater benutzt, wird jetzt direkt gesagt, was man kritisiert: den Präsidenten.
Zu den neuen Wortschöpfungen in der syrischen Revolution gehören etwa „minhabakshi“ und „thaurshi“. Minhabakshi ist eine Zusammensetzung aus „minhabak“- zu deutsch „wir lieben dich“, der Satz der auf fast jedem Plakat Bashar al-Assads zu finden ist, und der im syrischen Dialekt für Menschen mit einer bestimmten Eigenschaft verwendeten „shi“. So ist ein „minhabakshi“ also einer, der die Eigenschaft hat, ständig „minhabak“ zu sagen und somit ein Anhänger des Präsidenten ist. Diese Wortschöpfungen sind auch als subversiver Akt zu verstehen. Es ist leichter von einem „minhabakshi“ zu reden als ständig den Namen des Präsidenten in den Mund zu nehmen und somit unnötig Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Ein „thaurashi“ vom Wort thaura, also Revolution, abgeleitet, ist im Gegensatz dazu jemand, der sich der Revolution angeschlossen hat. Beide Begriffe sind seit nun fast einem Jahr wie selbstverständlich Bestandteil des syrischen Dialektes geworden.
Ein umgedeutetes Symbol ist die Figur Handala des palästinensischen Künstlers Naji al-Ali. Handala ist ein etwa zehn jähriges Kind, welches al-Ali immer mit dem Rücken zum Betrachter zeichnet. Handala wird so lange nicht wachsen bis er in seine Heimat zurückgekehrt ist. Auf Zeichnungen syrischer Flüchtlingskinder taucht nun dieses Bild auf, als Zeichen, dass sie nicht wachsen wollen bis ihr Land von der Diktatur befreit ist und die Revolution gesiegt hat. Anhand dieses Beispiels kann man aber noch etwas anderes sehen: die immer dichter werdende Verbindung palästinensischer Widerstands- und syrischer Revolutionssymbolik. So kursieren bei der palästinensischen Gemeinde auf Facebook immer mehr Bilder mit der Überschrift: Ich bin palästinensischer Syrer und darunter eine Karte Palästinas in die Farben der syrischen Revolutionsflagge gehüllt.
Die Identifizierung vieler Palästinenser mit der syrischen Revolution wird auch anhand eines jüngst kursierenden Bildes deutlich: Eine Mutter, die ein blutendes Kind, welches für die syrische Revolution steht, in den Armen hält. Diese Mutter-Kind-Symbolik ist ein vielbenutztes Bild in der palästinensischen Widerstandskunst. Das Bild ist überschrieben mit den Worten: Der Weg nach Palästina führt nicht durch Homs! Denn Homs liegt im Herzen von Palästina. Diese Bekundung der Solidarität ist umso folgenschwerer für das syrische Regime, wenn man hierbei in Betracht zieht, dass einer der Hauptpfeiler des Baath-Regimes und dessen Legitimität der Kampf um die Befreiung Palästinas ist. Täglich, auch in Zeiten der Aufstände gegen das Regime erscheint in jeder staatlichen syrischen Tageszeitung mindestens ein Artikel über die Gräueltaten der „zionistischen Entität“ (Israel) an den Palästinensern. Und trotzdem wendet sich ein großer Teil gegen das Regime. Im Übrigen ist auch hier das Phänomen zu beobachten, dass sich viele Junge Palästinenser von den traditionellen Parteien, die sich vor allem zu Beginn der Aufstände klar hinter das Regime gestellt haben, abwenden.
Ein anderes wiederentdecktes Symbol in der Revolution ist die nach der Unabhängigkeit 1932 eingeführte sogenannte Unabhängigkeits-Flagge. Auf drei waagerechten Streifen (grün, weiß, schwarz) befinden sich drei Sterne, die für die syrischen Distrikte Aleppo (Norden), Damaskus (Süden) und Dair az-Zaur (Osten), die zuvor getrennte Mandatsgebiete darstellten, stehen. Diese Flagge galt bis 1958, wo sie nach dem Zusammenschluss Syriens mit Ägyptens durch die Flagge der „Vereinigten Arabischen Republik“ ersetzt wurde. 1961 mit dem Auseinanderbrechen dieser Konföderation wurde die Unabhängigkeits-Flagge wiedereingeführt, bevor sie mit dem Baath-Putsch von 1963 wieder abgeschafft wurde. Die heutige Flagge des syrischen Staates ist die aus der Zeit der Konföderation mit Ägypten.
Zu Anfang der Revolution in Syrien konnte zunächst ein ähnliches Phänomen beobachtet werden wie in Tunesien und Ägypten, die Aneignung und somit Umdeutung der Flagge der eigenen repressiven Staaten. Statt die Flaggen, die für den Staat und somit die jahrelange Unterdrückung standen, zu verbrennen, erhob man diese Flaggen mit Stolz: Wir sind Ägypter und freie Menschen, das gleiche galt für Tunesien. Eine Art neuer, nicht chauvinistischer Nationalismus begleitete diese Entwicklung.
Auch in Syrien wurde zunächst die Flagge des Baath-Staates auf den Anti-Regime-Demonstrationen gehisst. Im Verlauf der Revolution und deren Ausweitung auf alle Landesteile, sowie ihrem Andauern über mehrere Monate, änderte sich jedoch die Symbolik der syrischen Revolution. Es tauchte eine Flagge auf, die vielen Syrern zunächst eher unbekannt war: die Flagge der Unabhängigkeit von 1932. Zu beobachten war, dass diese Flagge zunächst von islamischen Kreisen hoch gehalten wurde und erst ab etwa Mitte August ganz vereinzelt auftauchte. Da lief die Revolution bereits ein halbes Jahr, ungleich viel länger als die Umbrüche oder jedenfalls das Zurücktreten des tunesischen und ägyptischen Präsidenten gedauert hatte. Inzwischen hat sich die Flagge bei allen oppositionellen Kreisen durchgesetzt, sie in Damaskus oder Aleppo irgendwo heimlich aufzuhängen, bleibt noch immer ein mutiger Akt von subversivem Widerstand.
In Libyen kam es zu keiner Zeit zu einer Umdeutung der damals geltenden rein grünen Flagge Libyens. Von Anfang an rekurierten die Rebellen auf die vor dem Putsch Gaddafis geltende 1951 eingeführte Flagge des libyschen Königreichs. Dies mag vielleicht daran liegen, dass die bis zum Umsturz 2011 geltende libysche Flagge 1977 von Gaddafi eingeführt wurde und somit ausschließlich auf dessen „Grüne Revolution“ bezogen werden konnte, anders als in Syrien, wo die Flagge des Baath-Regimes bereits von 1958-1961, also vor dessen Machtergreifung, Verwendung gefunden hatte. Der Rekurs auf Symbole einer eher positiv konnotierten Vergangenheit stellt sicher auch ein Moment von Legitimität da, welche sich ein neues Symbol erst erarbeiten müsste.
Die aktuelle Flagge des syrischen Staates wird inzwischen seitens der Opposition als „Flagge des Tötens“ tituliert und per Facebook dazu aufgerufen, diese Flagge, die mit der Unterdrückung der letzten fast 50 Jahre assoziiert wird, nicht mehr zu tragen.
Der Rekurs und die Umdeutung alter Symbole werden allerdings nicht von allen gleich verstanden. So sind die Anhänger Bashar al-Assads der Meinung, dass der Rekurs der Opposition auf die Unabhängigkeitsflagge bestätige, dass diese das Land teilen möchte. So stünden die drei Sterne der Flagge doch für die unterschiedlichen Distrikte Syriens. Wer diese Flagge hisse, fordere folglich die Autonomie und somit die Teilung Syriens für seine eigenen sektiererischen Machtinteressen.
Wer so argumentiert, hat noch nicht verstanden, dass die revolutionäre Jugend anders ist und ihre Revolution auch im Durchbrechen alter Denkmuster sieht.
Die Unabhängigkeits-Flagge als Symbol der Revolution hat sich defintiv so weit durchgesetzt, dass sie eine klare Abgrenzung zu den Anhängern al-Assads bedeutet. Der Kampf um die Begriffe ist allerdings noch nicht entschieden. Freiheit, Demokratie und Würde bleiben Begriffe, die exzessiv von den syrischen Medien zur Unterstreichung der eigenen Werte genutzt werden.
Als was sollen die Ereignisse in der arabischen Welt beschrieben werden? Rebellion, Revolte, Militärputsch - das sind die Worte, die man zur Bezeichnung der Umbrüche in der Arabischen Welt heranzieht. Hin und wieder taucht auch der Neologismus Arabellion, eine Mischung aus Arabisch und Rebellion auf. Der Begriff jedoch, der tunlichst gemieden wird, ist Revolution. Vor allem die Politikwissenschaft hat ihre Probleme damit. So müsse die Titulierung „Revolution“ nach klaren Kriterien erfolgen. Diese Kriterien seien in keinem der arabischen Länder erfüllt: die Änderungen reichten nicht über einen bloßen Führungswechsel hinaus. Eine „wahre“ Revolution, so die Revolutionssoziologie, müsse jedoch auf drei Ebenen geschehen: nämlich auf der Ebene der Regierung, der Regierungsform und in der Gesellschaftsverfassung.
Andere, wie etwa die Marburger Soziologin Huda Zein, sehen in den arabischen Umbrüchen ganz klar eine Revolution: thaurat al-karama, die Revolution der Würde. Selbst wenn kein wirklicher politischer Bruch mit den alten Eliten in den arabischen Ländern stattgefunden hat, so habe ein viel essentiellerer Bruch stattgefunden: kassar hajiz al-khauf - der Bruch der Angstschranke. Die Menschen haben sich mit der Auflehnung gegen die Tyrannen ihrer Länder ihre Würde zurückgeholt.
Und wie bezeichnet die arabische Jugend, das, was sie da eigentlich tut? Begriffe wie Freiheit - hurriya - und Revolution - thaura - sind in der Arabischen Welt durch die Rhetorik der Militärputschisten der 60er und 70er Jahre, die in fast allen arabischen Ländern stattgefunden haben, besonders (schlecht) konnotiert. Neben den Blättern Tishrin und al-Ba`ath heißt die dritte staatliche Zeitung in Syrien al-Thaura, die Revolution. Gemeint ist der Putsch von 1963. Diese Besetzung der Begriffe seitens des syrischen Regimes, macht es der syrischen Jugend ungleich schwerer, ihre Bewegung als Revolution zu bezeichnen. Hinzu kommt, dass die aufständische Jugend nicht nur mit dem Regime brechen will, sondern auch mit den alten Oppositionseliten. Die Jugend will sich die Begriffe zurückerobern und einige neu erfinden.
Das Fortfahren mit den alten Begriffen kommt der Jugend wie eine Fortsetzung der alten Gewohnheiten vor: man will anders sein, man will sich nicht von der Angst brechen lassen, wie man das Verhalten der „alten“ Opposition im Verlauf der letzten Jahre bewertet. Die Sprache, die jetzt benutzt wird, wie sich an den Parolen und Plakaten, aber auch an den ins Internet gestellten Kurzfilmen zeigt, ist sehr viel direkter. Wurden vorher etwa bestimmte Symbole im Film oder Fabeln im Theater benutzt, wird jetzt direkt gesagt, was man kritisiert: den Präsidenten.
Zu den neuen Wortschöpfungen in der syrischen Revolution gehören etwa „minhabakshi“ und „thaurshi“. Minhabakshi ist eine Zusammensetzung aus „minhabak“- zu deutsch „wir lieben dich“, der Satz der auf fast jedem Plakat Bashar al-Assads zu finden ist, und der im syrischen Dialekt für Menschen mit einer bestimmten Eigenschaft verwendeten „shi“. So ist ein „minhabakshi“ also einer, der die Eigenschaft hat, ständig „minhabak“ zu sagen und somit ein Anhänger des Präsidenten ist. Diese Wortschöpfungen sind auch als subversiver Akt zu verstehen. Es ist leichter von einem „minhabakshi“ zu reden als ständig den Namen des Präsidenten in den Mund zu nehmen und somit unnötig Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Ein „thaurashi“ vom Wort thaura, also Revolution, abgeleitet, ist im Gegensatz dazu jemand, der sich der Revolution angeschlossen hat. Beide Begriffe sind seit nun fast einem Jahr wie selbstverständlich Bestandteil des syrischen Dialektes geworden.
Ein umgedeutetes Symbol ist die Figur Handala des palästinensischen Künstlers Naji al-Ali. Handala ist ein etwa zehn jähriges Kind, welches al-Ali immer mit dem Rücken zum Betrachter zeichnet. Handala wird so lange nicht wachsen bis er in seine Heimat zurückgekehrt ist. Auf Zeichnungen syrischer Flüchtlingskinder taucht nun dieses Bild auf, als Zeichen, dass sie nicht wachsen wollen bis ihr Land von der Diktatur befreit ist und die Revolution gesiegt hat. Anhand dieses Beispiels kann man aber noch etwas anderes sehen: die immer dichter werdende Verbindung palästinensischer Widerstands- und syrischer Revolutionssymbolik. So kursieren bei der palästinensischen Gemeinde auf Facebook immer mehr Bilder mit der Überschrift: Ich bin palästinensischer Syrer und darunter eine Karte Palästinas in die Farben der syrischen Revolutionsflagge gehüllt.
Die Identifizierung vieler Palästinenser mit der syrischen Revolution wird auch anhand eines jüngst kursierenden Bildes deutlich: Eine Mutter, die ein blutendes Kind, welches für die syrische Revolution steht, in den Armen hält. Diese Mutter-Kind-Symbolik ist ein vielbenutztes Bild in der palästinensischen Widerstandskunst. Das Bild ist überschrieben mit den Worten: Der Weg nach Palästina führt nicht durch Homs! Denn Homs liegt im Herzen von Palästina. Diese Bekundung der Solidarität ist umso folgenschwerer für das syrische Regime, wenn man hierbei in Betracht zieht, dass einer der Hauptpfeiler des Baath-Regimes und dessen Legitimität der Kampf um die Befreiung Palästinas ist. Täglich, auch in Zeiten der Aufstände gegen das Regime erscheint in jeder staatlichen syrischen Tageszeitung mindestens ein Artikel über die Gräueltaten der „zionistischen Entität“ (Israel) an den Palästinensern. Und trotzdem wendet sich ein großer Teil gegen das Regime. Im Übrigen ist auch hier das Phänomen zu beobachten, dass sich viele Junge Palästinenser von den traditionellen Parteien, die sich vor allem zu Beginn der Aufstände klar hinter das Regime gestellt haben, abwenden.
Ein anderes wiederentdecktes Symbol in der Revolution ist die nach der Unabhängigkeit 1932 eingeführte sogenannte Unabhängigkeits-Flagge. Auf drei waagerechten Streifen (grün, weiß, schwarz) befinden sich drei Sterne, die für die syrischen Distrikte Aleppo (Norden), Damaskus (Süden) und Dair az-Zaur (Osten), die zuvor getrennte Mandatsgebiete darstellten, stehen. Diese Flagge galt bis 1958, wo sie nach dem Zusammenschluss Syriens mit Ägyptens durch die Flagge der „Vereinigten Arabischen Republik“ ersetzt wurde. 1961 mit dem Auseinanderbrechen dieser Konföderation wurde die Unabhängigkeits-Flagge wiedereingeführt, bevor sie mit dem Baath-Putsch von 1963 wieder abgeschafft wurde. Die heutige Flagge des syrischen Staates ist die aus der Zeit der Konföderation mit Ägypten.
Zu Anfang der Revolution in Syrien konnte zunächst ein ähnliches Phänomen beobachtet werden wie in Tunesien und Ägypten, die Aneignung und somit Umdeutung der Flagge der eigenen repressiven Staaten. Statt die Flaggen, die für den Staat und somit die jahrelange Unterdrückung standen, zu verbrennen, erhob man diese Flaggen mit Stolz: Wir sind Ägypter und freie Menschen, das gleiche galt für Tunesien. Eine Art neuer, nicht chauvinistischer Nationalismus begleitete diese Entwicklung.
Auch in Syrien wurde zunächst die Flagge des Baath-Staates auf den Anti-Regime-Demonstrationen gehisst. Im Verlauf der Revolution und deren Ausweitung auf alle Landesteile, sowie ihrem Andauern über mehrere Monate, änderte sich jedoch die Symbolik der syrischen Revolution. Es tauchte eine Flagge auf, die vielen Syrern zunächst eher unbekannt war: die Flagge der Unabhängigkeit von 1932. Zu beobachten war, dass diese Flagge zunächst von islamischen Kreisen hoch gehalten wurde und erst ab etwa Mitte August ganz vereinzelt auftauchte. Da lief die Revolution bereits ein halbes Jahr, ungleich viel länger als die Umbrüche oder jedenfalls das Zurücktreten des tunesischen und ägyptischen Präsidenten gedauert hatte. Inzwischen hat sich die Flagge bei allen oppositionellen Kreisen durchgesetzt, sie in Damaskus oder Aleppo irgendwo heimlich aufzuhängen, bleibt noch immer ein mutiger Akt von subversivem Widerstand.
In Libyen kam es zu keiner Zeit zu einer Umdeutung der damals geltenden rein grünen Flagge Libyens. Von Anfang an rekurierten die Rebellen auf die vor dem Putsch Gaddafis geltende 1951 eingeführte Flagge des libyschen Königreichs. Dies mag vielleicht daran liegen, dass die bis zum Umsturz 2011 geltende libysche Flagge 1977 von Gaddafi eingeführt wurde und somit ausschließlich auf dessen „Grüne Revolution“ bezogen werden konnte, anders als in Syrien, wo die Flagge des Baath-Regimes bereits von 1958-1961, also vor dessen Machtergreifung, Verwendung gefunden hatte. Der Rekurs auf Symbole einer eher positiv konnotierten Vergangenheit stellt sicher auch ein Moment von Legitimität da, welche sich ein neues Symbol erst erarbeiten müsste.
Die aktuelle Flagge des syrischen Staates wird inzwischen seitens der Opposition als „Flagge des Tötens“ tituliert und per Facebook dazu aufgerufen, diese Flagge, die mit der Unterdrückung der letzten fast 50 Jahre assoziiert wird, nicht mehr zu tragen.
Der Rekurs und die Umdeutung alter Symbole werden allerdings nicht von allen gleich verstanden. So sind die Anhänger Bashar al-Assads der Meinung, dass der Rekurs der Opposition auf die Unabhängigkeitsflagge bestätige, dass diese das Land teilen möchte. So stünden die drei Sterne der Flagge doch für die unterschiedlichen Distrikte Syriens. Wer diese Flagge hisse, fordere folglich die Autonomie und somit die Teilung Syriens für seine eigenen sektiererischen Machtinteressen.
Wer so argumentiert, hat noch nicht verstanden, dass die revolutionäre Jugend anders ist und ihre Revolution auch im Durchbrechen alter Denkmuster sieht.
Die Unabhängigkeits-Flagge als Symbol der Revolution hat sich defintiv so weit durchgesetzt, dass sie eine klare Abgrenzung zu den Anhängern al-Assads bedeutet. Der Kampf um die Begriffe ist allerdings noch nicht entschieden. Freiheit, Demokratie und Würde bleiben Begriffe, die exzessiv von den syrischen Medien zur Unterstreichung der eigenen Werte genutzt werden.
1 Kommentar:
"Der Begriff jedoch, der tunlichst gemieden wird, ist Revolution."...also ich finde allein für "arabische Revolution" im Zusammenhang mit tahrir schon über hundertausend Ergebnisse... ?!?
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