Ich bin gerade dabei, mich an einem Mittwochmorgen aus dem Bett zu quälen, da klingelt das Telefon. Erschrocken springe ich auf – wer ruft denn schon um 9.00h morgens an? Ich nehme ab und habe unsere Exkursionsleiterin am Telefon. Ob ich Interesse hätte nach Mekka zur fahren, zur Umra, also zur kleinen Pilgerfahrt. Unserer saudischen Gastgeber hatten sich nämlich erkundigt, ob sich Muslime in unserer Gruppe befinden, die möglicherweise die heiligste Stätte des Islam besuchen wollten. Natürlich möchte ich das!
Wer hatte sich das schon träumen lassen? Träumen natürlich, aber das es wirklich klappen würde – ich hätte das nicht gedacht. Meine Mutter hatte mich überhaupt erst auf den Gedanken gebracht, dass ich auf dieser Reise Mekka besuchen könnte, indem sie meinte, ich solle einfach mal fragen, entweder noch hier in Deutschland oder dann vor Ort. Eine Freundin war derselben Meinung. Also surfte ich ein wenig durchs Internet und stellte fest, dass Frauen unter 45 Jahren laut saudischen Visabedingungen ohne Mahram, d.h. ohne nahestehende männliche Begleitung, gar keine Umra unternehmen dürfen. Schon waren alle Hoffnungen zerschlagen. Nach besagtem Anruf allerdings keimten sie erneut auf, vor allem durch die Formulierung unseres Gastgebers „We will arrange for Mrs. Atmaca to visit Mecca for Umra“. So ganz überzeugt war ich zwar immer noch nicht, aber es klang doch sehr zuversichtlich.
Und die Zuversicht wandelte sich in Gewissheit, als wir nach einer langen Reise im Foyer des Holiday Inns in Jeddah standen und unser ägyptischer Begleiter, der uns am Flughafen in Empfang genommen hatte, wissen wollte, wer denn die Umra machen wolle. Nach einem kurzen Telefonat erklärte er, dass ich am selben Tag um fünf Uhr nachmittags abgeholt werden würde. Aber davor war noch einiges zu erledigen: erst einmal ausschlafen, dann noch einmal die ausgedruckten Information des saudischen Ministeriums für die Pilgerfahrt durchlesen – was muss man wann machen, was soll wann gesagt werden. Klang alles ganz schön kompliziert, obwohl ich auch einen Lageplan der Grossen Moschee dabei hatte. Aber sich das alles zu merken, erschien mir fast unmöglich.
Und noch eine Sache, die erledigt werden musste: Ihram-Kleidung kaufen. Ihram ist der Status, in den sich pilgernde Muslime begeben. Männer tragen dabei zwei Tücher, eines um die Hüften gewickelt, eines über die Schulter geschlagen und Frauen, so dachte ich jedenfalls, ein weißes Galabiyyah-ähnliches Gewand und ein weißes Kopftuch. Und das musste noch besorgt werden. Also machte ich mich mit meiner Freundin und Zimmernachbarin Katha auf – der erste Ausflug auf saudischen Strassen. Geldwechseln in der Frauenabteilung der Bank neben dem Hotel scheiterte zwar daran, dass wir keinen saudischen „account“ besaßen, aber zumindest waren wir einmal draußen gewesen. Wir wechselten das Geld dann im Hotel und nachdem wir etwas im hauseigenen Bistro gegessen hatten, stiegen wir in ein Taxi und erklärten dem Fahrer, was wir brauchten.
Allerdings waren die meisten Geschäfte geschlossen, da in Saudi-Arabien vom frühen Nachmittag bis zum Nachmittagsgebet gegen vier Uhr Mittagspause ist. Glücklicherweise hatten wir einen sehr netten und hilfsbereiten Fahrer erwischt, der schließlich auch ein Geschäft fand, dass geöffnet hatte. Ich war etwas skeptisch, da zumindest vor dem Laden und im Schaufenster alle mögliche Damenkleidung, aber keine besonders religiöse ausgestellt war, Katha vertraute eher auf das, was sich unter dem Ladentisch befinden könnte. Und siehe da – es gab tatsächlich Pilgerkleidung, die uns der Verkäufer, ein junger Araber, anpries und dabei um keinen Flirt verlegen war.
Zurück im Hotel hatte ich noch eine Stunde Zeit. Waschen, anziehen, noch einmal den Ablauf durchlesen. Schon war es viertel nach fünf und ich traf in der Lobby auf den Ägypter, der uns am Morgen vom Flughagen abgeholt hatte. Er hatte seine Tochter mitgebracht, die ungefähr in meinem Alter war und beide würden mit mir die Umra machen. Unser Fahrer war ein Sudanese; die beiden Männer verstanden sich augenscheinlich sehr gut und stellten auch ein paar Fragen über Deutschland. Wie das Leben dort sei, ob Moscheen gebaut werden dürften und ob man diskriminiert werden würde, wenn man einen Bart trüge (die beiden trugen übrigens keinen). Ich versuchte, das Zusammenleben der verschiedenen Bevölkerungsgruppen und auch die damit verbundenen Probleme möglichst akkurat darzustellen und meine These, dass Diskriminierung wohl eine der Eigenschaften des Menschen sei, die überall und auch bei Migranten selbst anzutreffen sei, traf auf ihre volle Zustimmung.
Kurz vor Mekka begann der Ägypter, die „talbiyya“ zu rezitieren, eine Art Anrufung Gottes. Es ist schwer zu beschreiben, wie ich mich in dem Moment fühlte; abgesehen von der immer noch nicht ganz verschwundenen Reisemüdigkeit war es vor allem wie in einem Traum, ich war einfach nicht in der Lage zu realisieren, wo ich gerade wirklich war und was ich gerade wirklich machte.
Wenn man Mekka von Jeddah aus erreicht, fährt man zuerst durch die neueren Stadtviertel und biegt dann irgendwann links ab. Soweit ich mich erinnern kann, geht es zuerst bergauf und dann wieder hinunter und vor einem befindet sich dann die Grosse Moschee. Im Vorbeifahren wurde deutlich, dass Mekka, jedenfalls das alte, auf grauem Gestein gebaut wurde. Auch die äußere Umkleidung der Grossen Moschee ist aus grauen Steinen, gespickt mit weißen Verzierungen. Das Grau der Steine ist eine leuchtende, strahlende Farbe. Für meine Augen und für meinen Geschmack ist es eine sehr schöne Moschee. Anders als die Moscheen, die ich bis jetzt in der Türkei, in Ägypten, in Afghanistan oder in der kurzen Zeit in Saudi-Arabien gesehen hatte, aber vielleicht macht gerade das ihre Schönheit aus, abgesehen davon, dass es die für einen Gläubigen einfach die Grosse Moschee von Mekka ist. Und ich stand direkt davor. Wer hätte sich das träumen lassen?
nushin
Mittwoch, 26. März 2008
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