Mittwoch, 26. März 2008

Dr. Meir Margalit zu Merkels Israel-Reise

Dieser offene Brief von Dr. Meir Magalit, israelischer Historiker,
schien es mir wert, auf unserem Portal Interessierten zugänglich zu machen. Grüße, Christoph Dinkelaker


Sehr geehrte Frau Merkel,
Schon seit langem hat man in Israel keine Reden gehört, die solchen zionisistischen Pathos hatten, wie die Reden, die Sie bei Ihrem Besuch in Israel vor einer Woche gehalten haben. Sie haben es während Ihres dreitägigen Besuchs sehr klar gemacht, wie sehr Sie den Staat Israel unterstützen und gegen seine Feinde an seiner Seite stehen. Acht Minister, unzählige Regierungsangestellte und Sicherheitskräfte haben Sie mitgenommen, um mit grossem Aufwand bei Ihren Gastgebern einen guten Eindruck zu hinterlassen.

Trotz dem obengenannten muss ich Sie jedoch, mit allem Respekt, darauf hinweisen, dass Sie uns keine gute Tat erwiesen haben:

Wenn Sie nämlich wirklich nur Israels Wohl im Sinne gehabt hätten, dann hätten Sie die Palästinenserfrage zumindest erwähnt. Stattdessen taten Sie so, als ob es Sie überhaupt nicht gäbe. Sie hätten mit klaren Worten erwähnen müssen, dass die israelische Besatzung der Palästinensergebiete unmenschlich ist und enden muss, dass Israel die besetzten Gebiete räumen, die Siedlungen auflösen, und die Belagerung des Gazastreifens beenden muss.
Wenn Sie nämlich wirklich nur Israels Wohl im Sinne gehabt hätten, dann hätten Sie Abu Mazen zumindest einen Besuch abstatten sollen, und sich mit dem palästinensensichen Kampf um Unabhängigkeit solidarisch zeigen sollen.
Wenn Sie wirklich an der Seite Israels gegen seine Feinde stehen wollten, dann hätten Sie zuallererst den Staat Israel selbst kritisiert. Die grösste Gefahr, die Israel zu fürchten hat, ist nämlich ironischerweise nicht Iran, sondern Israel selbst. Seit 1967 betreibt der Staat Israel nämlich ein System der Selbstvernichtung. Jeder, der sich um das Wohl des Staates Israel bemüht, muss ihm helfen, dieses System zu beenden.

Ich bin mir sicher, dass Sie gebildet genug sind, das zu wissen. Auch weiss ich, dass das Schuldbewusstein des deutschen Volkes Ihnen nicht die Möglichkeit gestattet, den jüdischen Staat offen zu kritisieren. Zudem kann angenommen werden, dass in einem solchen Fall israelische Politiker Ihnen vorwerfen hätten, eine Antisemitin zu sein. Trotzdem sollten Sie sich nicht davon abbringen lassen, denn der wirkliche Antisemit ist der, der angesichts der Menschenrechtsverletzungen in den besetzten Gebieten schweigt, da es jedem klar ist, dass die Fortsetzung der Besatzung das Ende des Staates Israels auf sich ziehen wird. Und falls man Ihnen vorwirft, ein Antisemit zu sein, können Sie ja Ehud Olmert selbst zitieren, der vor drei Monaten sagte, dass, wenn die Besatzung nicht beendet wird, wird der Staat Israel beendet werden.

Ich würde Sie gerne darauf hinweisen, Frau Merkel, dass die Mehrheit der Israelis eingestehen, dass die Besatzung unertragbar ist und uns nicht weniger Schaden zufügt als den Palästinensern. Jedoch fehlt der israelischen Regierung die Kraft, die einzige Operation durchzuführen, die unser Leben retten kann: Die Entfernung des Tumors, der sich “[besetzte] Gebiete” nennt. Durch diesen Tumor bluten wir ununterbrochen, und er macht uns von Tag zu Tag schwächer.

Und daher brauchen wir keine Solidaritätsbekundigung und auch keine pro-zionistische Reden, sondern internationalen Druck, der die Besatzung beenden kann. Alleine schaffen wir das nämlich nicht. Jedoch mit Hilfe unserer europäischen Freunde gibt es eine Chance, Ruhe und Frieden für beide Völker zu erreichen.

Zum Schluss würde ich Sie gerne darauf hinweisen, dass ich zwar kein Moralist bin, aber dennoch denke, dass Sie eine der wichtigsten moralischen Lektionen des Zweiten Weltkrieges vergessen haben: Nämlich, dass man bei Menschenrechtsverletzungen nicht schweigen darf, und dass man gegen jedes Regime, das ein anderes Volk unterdrückt, kämpfen muss. Heute sind wir leider die Unterdrücker. Es ist daher Ihre Aufgabe, mit lauter Stimme zu sagen, dass das 21. Jahrhundert keinen Platz für Besatzungsmächte und Unterdrücker hat, und dass jedes Volk ein Recht auf Selbstbestimmung hat.

Israel braucht diesen Druck, um seiner selbst willen. Wer Israel liebt, muss Druck auslösen, bis die Besatzung beendet ist.
Mit freundlichen Grüssen,

Dr. Meir Margalit
Historiker, Aktivist der israelischen Friedensbewegung und ehemaliges Stadtratsmitglied von Jerusalem, von der Meretz-Partei

(Übersetzt aus dem Hebräischen von Benjamin Rosendahl)

14 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

Auf Margalits Brief passt die gleiche olgerung, die ich zu Tom Segev geschrieben hatte:
http://beer7.wordpress.com/2008/03/19/ich-halte-nicht-viel-von-tom-segev/

Segev haette gern gehabt, dass Merkel seine politischen Vorstellungen vertritt und entsprechenden Druck auf Israel macht. Darin unterscheidet er sich nicht vom Chefredakteur seiner Zeitung David Landau.

Offensichtlich teilt der Islamwissenschaftler dessen politische Vorstellungen...

Unknown hat gesagt…

Natuerlich Meir Margalit gehoert zum Israeli Committe against House Demolitions (ICAHD). Das ist eine absolute Fringe Gruppe, der noch andere Exzentriker angehoeren. Jeff Halper zum Beispiel, der regelmaessig im Counterpunch seinen Senf zum besten gibt. Hier ein paar Perlen aus einem Text von 2005
http://www.counterpunch.org/halper11072005.html

Although the country was founded on the "original sin" of exclusivity and the expulsion of the refugees

One of the tragic developments related to this rightward shift of Israeli politics and social policies -- even defining Israel's view of itself in the world -- is its emergence as a center for the global right-wing, a constellation of nefarious ideologies, groups and forces that seek nothing less than American-Christian hegemony over the entire world.

Through their control of the organized Jewish community in the US and elsewhere, demonstrated most openly in the work of the American-Israel Political Action Committee (AIPAC), the Likud and Russian elements in Israel have even succeeded in turning what was historically a liberal Jewish Establishment into another uncritical arm of Israeli policy, and thus of the extreme right.

und dgl. mehr.

Ich hoffe, dass auch die Autoren von Al-Sharq den Unsinn solcher Verschwoerungstheorien erkennen koennen.Bitte denkt mal darueber nach, warum Ihr gerade solche Texte so "wichtig" findet.

Margalit ist also auch ein Marxist, der sich mit dem Scheitern seiner Ideologie in der Wirklichkeit nicht abfinden kann.

Anonym hat gesagt…
Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.
Unknown hat gesagt…

Al-Aharq

wollt Ihr den Kommentar stehen lassen?

Ich habe zur Sache und mit Links argumentiert.

C.Sydow hat gesagt…

ruth, ich halte dich nicht für eine Rassistin.

Ich persönlich teile die politischen Vorstellungen von Segev und Margalit dahingehend, dass ich für einen vollständigen Rückzug Israels aus den 1967 besetzten Gebieten bin und ebenso der Ansicht bin, dass Frau Merkel bei ihrem Besuch in Israel auf dieses Thema hätte eingehen sollen.

Unknown hat gesagt…

C. Sydow,

Frau Merkel steht in keiner Verpflichtung Tom Segev, Meir Margalit oder Dir gegenueber. Moeglicherweise schaetzt sie den Nahostkonflikt anders ein, vielleicht sogar aehnlich wie ich?

Wie halten es die Betreiber der Seite mit anonymen und deffamiereden Kommentaren? Bleiben die grundsaetzlich stehen? Wann wird geloescht und welche Kriterien muessen dafuer erfuellt werden?

Unknown hat gesagt…

Irgendwie finde ich es ja nett, dass ich von dem Vorwurf "Rassistin" zu sein, entlastet werde.

Anscheinend gilt ein solcher Vorwurf als im Rahmen des Denkbaren, wenn jemand nicht die politischen Ansichten von Segev und Margalit teilt.

Dass der anonyme Kommentator dagegen mit hoher Wahrscheinlichkeit Antisemit ist, wie die Gleichsetzung von Juden und Nazis signalisiert, wird nicht thematisiert.

C.Sydow hat gesagt…

Über die Löschung von Kommentaren entscheide ich von Fall zu Fall. Grundsätzlich lösche ich sehr ungern. Bisher musste ich erst einmal einen (englischen) Kommentar wegen offen antisemitischer Ausfälle löschen.

Dieser erschien mir nicht als so gravierend, als das eine Löschung zwingend notwendig gewesen wäre. Dass du dich von dem anonymen Kommentar angegriffen und verletzt fühlst kann ich nachvollziehen.

Frau Merkel hat natürlich keine Verpflichtung den Herrn Seegev oder Margalit gegenüber. Dennoch ist es das gute Recht Frau Merkel sachlich zu kritisieren. Das haben beide getan.

Shual hat gesagt…

Da ich mit Ruth persönlich seit 5 Jahren verfeindet bin und sie als ehrliche und vertrauenswürdige Gegnerin achte kann ich beim Besten Willen nicht nachvollziehen wie Du, C. Sydow diesen Kommentar stehen lassen kannst.

Solche anonymen Fäkalinjurien haben in einem politischem Forum nichts zu suchen! Ich beantrage die Löschung.

Anonym hat gesagt…

Mir geht es nicht um die Loeschung, sonderm um eine klare Positionierung von Al-Sharq, die inzwischen verfolgt ist.

Solange ich nur gegen den Vorwurf des Rassismus verteidigt wurde, konnte der Eindruck entstehen, dass sich Al-Sharq nicht von Antisemiten distanziert, die Juden und Nazis gleichsetzen.

Shual hat gesagt…

["Mir geht es nicht"]

Deswegen habe ich auch: ICH beantrage. Nazivergleiche jeglicher Art [oder die Bereitstellung] in meiner Gegenwart führen immer zu Streß, Ärger und schließlich Tränen. Die Eingangs"sequenz" sollte nur vermitteln das ich noch sehr milde gestimmt bin. Noch.

Wenn der Kommentar weiter vorgehalten wird wünsche ich die dringende Löschung des Eintrags meines blogs in der Linksliste.

C.Sydow hat gesagt…

Ich hatte darauf gehofft, man könnte sich darauf einigen derartige Kommentare einfach zu ignorieren. Ich habe festgestellt, dass dies offensichtlich nicht möglich ist und dementsprechend reagiert.

Unknown hat gesagt…

Nein, ignorieren scheint mir nicht die richtige Reaktion von Seiten des Blogbetreibers zu sein. Das wird zu leicht als stillschweigende Zustimmung gewertet.

Shual hat gesagt…

Nun, es gibt durchaus im arabischen Raum sehr viele Intellektuelle die innerhalb wenigstens halbwegs kritischer Texte gewisse Vergleiche ziehen, wobei ich in der Mehrzahl die Erfahrung gemacht habe das sie nach einer gewissen Diskussionszeit darauf verzichten. Mich ärgert dann aber das man sich auf blöde Bücher bezieht [vornehmlich aus französisch-marxistischer Quelle, die die "Wahrheit" über den Zionismus oder Religionen verbreiten mögen, ähnlich den Heinis die jetzt versuchen gegen den Islam als solches mit dem NS-Strahl zu punkten]. Für mich ist das ein Zeugnis mangelnder Kreativität und meist nur eine Ausrede zum Zeitsparen. Es hat sich da ein "ja, die Juden machen es doch auch, welshalb dürfen wir dann nicht?" eingebürgert, das allerhöchstens auf die notwendigen Anstrengungen hinweist den Dialog zu fördern in dem man über die Sache streitet. Das gegenseitige Beweisen [unmöglich] wie meganazimäßig doch einer sei ist allein Ausdruck einer institutionalisierten geistigen Armut. In Ländern wie Ägypten oder der ... USA ist man mittlerweile stolz darauf das hochprozentig Bevölkerungsteile zwar nicht wissen wer zB Adolf Hitler war, aber wissen das die Erwähnung des Namens eine Beleidigung darstellt.

Ein Jammertal dem man nicht noch ein Stückchen hinzufügen sollte, es sei denn man .... kanns. Und DAS können die wenigsten.

Im Falle des gelöschten Kommentars jedoch, was nur ein Deutscher der die Persönlichkeitsrechte von Ruth verletzt hat weil er genau das wollte und nicht mehr. Sowas zu ignorieren ist eigentlich unmöglich, da man im Übrigen auch jederzeit dafür haftbar gemacht werden kann.