Die öffentliche Reaktion in Ägypten auf den Tod von mehr als 100 Palästinensern durch die israelische Militäraktion in der vergangenen Woche fällt zwiespältig aus. Auf der einen Seite verurteilt die ägyptische Presse das Vorgehen der Israelis mit harschen Worten, öffentliche Proteste sind von einzelnen Ausnahmen abgesehen jedoch ausgeblieben.
Die Zeitung der oppositionellen Wafd-Partei bezeichnete die israelische Militäroperation in ihrer Montagsausgabe als "Holocaust" und bezog sich dabei auf ein überliefertes Zitat des stellvertretenden israelischen Verteidigungsministers Matan Vilnai. Der Leitartikel in "al-Ahram" forderte, Israel müsse für sein Vorgehen zur Verantwortung gezogen werden.
Die Zeitung "al-Akhbar" schrieb in ihrer Dienstagsausgabe: "Der feindliche israelische Einfall nach Gaza ist nicht dazu bestimmt, die palästinensischen Raketen zu stoppen, die überhaupt nicht effektiv sind und mehr ein Symbol als ein Akt ernsthaften Widerstands sind. Das anhaltende Blutbad soll Abu Mazens [Mahmoud Abbas] Ziel , in ernsthaften Verhandlungen zu einem Friedensvertrag am Ende dieses Jahres zu kommen, torpedieren."
Heute schreibt das Blatt auf seiner Meinungsseite: "Wenn die Fotos der getöteten Babys weder das Herz der Welt, noch das Gewissen von Condoleezza Rice berührt haben, dann kann man mit Sicherheit sagen, dass wir in einem Dschungel leben." Des Weiteren kritisierten die großen ägyptischen Zeitungen das Schweigen und die Tatenlosigkeit der arabischen Regierungschefs gegenüber dem Leid im Gazastreifen.
Dennoch blieb auch auf Ägyptens Straßen der große Protest aus. Am Sonntag demonstrierten die Studenten an einigen Universitäten gegen das Vorgehen der Israelis und riefen die Regierung dazu auf, den israelischen Botschafter des Landes zu verweisen. Bei den meist von Anhängern der Muslimbrüder organisierten Protesten wurden nach Zusammenstößen mit der Polizei 10 Studenten verletzt.
Am Dienstag demonstrierten Parlamentsabgeordnete der Oppositionsfraktionen in Kairos Zentrum und eine Delegation von 10 Muslimbrüdern wurde zum Abidin-Palast, dem Sitz von Präsident Mubarak, vorgelassen um dort eine Petition zu hinterlegen, in der der Staatschef aufgefordert wird, sich für ein schnelles Ende der Gewalt in Gaza einzusetzen.
Trotz dieser kleineren Demonstrationen ist der große öffentliche Protest bislang ausgeblieben. Dies liegt zum einen daran, dass Ägyptens Staatsführung kein Interesse an einer breiten Zurschaustellung des allgemeinen Unwillens gegenüber Israels Politik hat. Ein derartiger Protest würde automatisch auf Mubarak zurückfallen und seine engen Beziehungen zu Israel in Frage stellen. Auch knapp 30 Jahre nach Camp David ist der Friedensvertrag mit Israelbei vielen Ägyptern äußerst unbeliebt.
Zum Anderen erscheinen den Ägyptern andere Sorgen im eigenen Land als weitaus dringlicher. Steigende Preise für Lebensmittel, Zigaretten und Anderes machen vielen zu schaffen. Nach offiziellen Angaben liegt die Inflationsrate im zweistelligen Bereich und obwohl die Presie etwa für Brot durch staatliche Subventionen künstlich niedrig gehalten werden, muss der gestiegene Weltmarktpreis für Getreide zumindest teilweise an die Verbraucher weitergegeben werden.
Ein Taxifahrer beklagte sich erst gestern, dass wohlhabende Familien, die sich teureres Brot leisten könnten, viel mehr Brot äßen als seine Familie, die auf die Subventionen angewiesen sei. Im Nildelta gebe es gar Bauern, die ihre Kühe mit subventioniertem Brot fütterten, da dies für sie billiger sei als Tierfutter.
Donnerstag, 6. März 2008
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3 Kommentare:
Es sollte ergaenzt werden, dass die angebliche Androhung eines Holocausts durch Vilnai ein Uebersetzungsfehler war.
Weiter ist ueber das Baby bekannt, dass es durch einen Querschlaeger in einem Feuergefecht um's Leben kam, moeglicherweise also durch pal. Kugeln.
Der Einsatz von menschlichen Schutzschilden durch die Hamas in diesen letzten Tagen ist weit dokumentiert.
Koennte es nicht auch sein, dass ihre persoenlichen Erfahrungen mit den Bewohnern des Gazastreifens die Aegypter etwas von ihrer blinden Unterstuetzung abgebracht haben?
Möglich, dass das einer Gründe ist, auch wenn ich nicht glaube, dass der durschnittliche Kairiner von dem Grenzdurchbruch bei Rafah in irgendeiner Form etwas mitbekommen hat.
Ich glaube eher, dass Viele hier in den letzten Jahrzehnten einfach abgestumpft sind und sich daher nicht mehr in dem Maße über das israelische Vorgehen und die Lage der Palästinenser ereifern.
Es ist doch erstaunlich wie schnell die "ruth" mit der vorgefertigten Hasbara hier war.. Aber Lügen haben bekanntlich kurze Beine, und die Lügen von Rassisten sind abstossend dazu.
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