Mittwoch, 26. März 2008

Die kleine Pilgerfahrt

Der Vorhof der Moschee ist aus weißen Alabastersteinen, und als wir ankamen, war es gerade kurz vor dem Abendgebet. Auf dem Vorplatz befanden sich viele Menschen, Frauen, Männer und Kinder, die oft in Gruppen beisammen saßen und entweder auf etwas warteten oder einfach nur entspannt da saßen. Direkt gegenüber der Moschee ragen Wolkenkratzerhotels in den Himmel, von deren oberen Etagen man direkt in den Innenhof der Moschee und damit auf die Kaaba schauen kann.

Meine ägyptische Begleiterin, Rana, erklärte mir, dass Frauen im Gegensatz zu Männern keine bestimme Kleidung tragen müssten, sondern einfach in ihrer normalen Abayya die Umra machen könnten. Ich war zwar etwas beunruhigt, da meine Abayya einige Verzierungen, untere anderem einen Schmetterling, aufwies und die bildliche Darstellung von Lebewesen einigen Muslimen ein Dorn im Auge ist, aber Rana und ihr Vater beruhigten mich. Trotzdem war ich froh, die Ihramkleidung, die ich unter meiner Abayya trug, gekauft zu haben, den für mich symbolisierte sie das Besondere, das Nicht-alltägliche dieser Reise.

Der Moscheeeingang ist im Prinzip derselbe für Männer und Frauen, nur gehen sie durch unterschiedliche Tore, da Frauen bzw. ihre Taschen von Frauen, in diesem Fall komplett verschleiert, so dass man nicht einmal die Augen sah, kontrolliert werden und Männer, soweit sie etwas mit sich führen, von Männern unter die Lupe genommen werden. Wir befanden uns im älteren Teil der Moschee, in dem sich die überdachten Gebetsstellen um den Innenhof, in dem sich die Kaaba befindet, gruppieren. Männer und Frauen beten zwar getrennt, die Räume, wenn man sie überhaupt als solche bezeichnen kann, denn eigentlich ist alles ein großer Raum, sind nicht durch Wände, sondern durch blickdurchlässige Holzabtrennungen voneinander getrennt.

Überall in der Moschee stehen Behälter, die das Zamzam-Wasser enthalten und an denen sich die Gläubigen bedienen können. Zamzam ist eine Quelle, deren Wasser unter anderem heilende Kräfte zugesprochen wurden. Auch gab es Kinder und Jugendliche, die sowohl in den Gebetsräumen als auch im Innenhof beim Umlaufen der Kaaba Datteln verteilt haben – kleine Energiespender für Zwischendurch!

Nachdem wir die Moschee betreten hatten, begaben wir uns in die Gebetsräume und beteten mit dem Imam zusammen das Abendgebet. Danach begannen wir die Umra mit dem Umlaufen der Kaaba. Das Wetter war sehr angenehm, es wehte sogar eine leichte Brise. Um die Kaaba herum war es nicht sehr voll und die Atmosphäre war sehr berührend, wenn auch weniger spirituell, als ich es erwartet hatte, und gleichzeitig sehr entspannt. Es gab Gruppen und Einzelne, Pärchen, die Hand in Hand die Kaaba umrundeten, Männer, die auch jetzt noch Anrufe auf ihrem Handy beantworten mussten, Frauen in noch schickeren Abayyas als meine, Vorbeter, Leute, die wie wir ein Büchlein mit den entsprechenden Gebeten mit sich führten.

Einige wenige Sachen sind bei der Umrundung der Kaaba vorgeschrieben, so zum Beispiel, dass man den schwarzen Stein berührt und bestimmte Sachen rezitiert, wenn man an im vorbeikommt. Wenn man zu weit weg ist, soll man den Arm heben, während man das Vorgeschriebene rezitiert. Allerdings scheint es unterschiedliche Meinungen darüber zu geben, was rezitiert werden soll, denn Rana und ihr Vater erklärten mir ein bisschen was anderes als in den Informationen des saudischen Ministeriums stand. Um zu erkennen, wann man sich auf der Höhe des schwarzen Steines befindet, ist ein grünes Licht an der gegenüberliegenden Wand der Moschee angebracht worden. Die Wahl der Farbe ergibt sich wohl daraus, dass Grün als Farbe des Islam gilt.

Wir umrundeten die Kaaba die vorgeschriebenen sieben Male, wobei Rana und ich die Gebete aus dem Büchlein lasen und jede um das bat und für das betete, was ihr auf der Seele lag. Danach werden an zwei Stellen im Innenhof jeweils zwei Gebetseinheiten absolviert. Eine gilt als sehr heilig, die andere befindet sich vor dem schwarzen Stein und den Fußstapfen Abrahams, der mit seinem Sohn Ismail die Kaaba errichtet haben soll. An beiden Stellen gibt es Leute, Männer und Frauen, die aufpassen, dass es nicht zu einem zu großen Gedränge kommt. Da es wie gesagt nicht so voll war, konnten wir sogar die Kaaba berühren und haben kurz danach auch ein kleines Booklet erhalten: Der Schleier der muslimischen Frau. Diesen kleinen, kritisch zu betrachtenden Ratgebern kann man selbst in Mekka nicht entkommen.

Nach den Gebeten begaben wir uns in den inzwischen überdachten und in die Moschee integrierten Gang zwischen den Hügeln Marwa und Safa. Wiederum siebenmal müssen die Pilger zwischen den beiden Hügeln hin und her laufen, die ca. 400m auseinander liegen. Dieses Ritual wird sa’y genannt. In Erinnerung an die Mutter von Ismail, die in der Wüste verzweifelt nach Wasser suchte, laufen Männer einen bestimmten Teil der Strecke, gekennzeichnet durch grüne Lichter, während Frauen alles in einem normalen Tempo absolvieren. Auch hier gibt es bestimmte vorgeschriebene Rezitationen, beispielsweise ein Quranvers, und überlieferte, aber nicht zwingende Gebete.

Für Menschen, die nicht mehr gut zu Fuß sind, gibt es einen „Rollstuhlservice“. Junge Männer schieben die Betroffenen in Rollstühlen zwischen den Hügeln hin und her. Dafür ist in der Mitte des Gangs eine extra Spur eingerichtet worden, abgegrenzt durch Holzplanken, die gleichzeitig als Leitplanke für die Laufenden dienen. Während wir den sa’y absolvierten, wurde zum Nachtgebet gerufen. Alle reihten sich an bzw. hinter Strichen auf, die die Gebetsrichtung symbolisieren, da die Kaaba von diesem Gang aus nicht sichtbar ist. Frauen beteten in Frauengruppen, Männer in Männergruppen, aber de facto gab es keine räumliche Trennung durch Absperrungen oder ähnliches.

Danach setzten wir dort an, wo wir aufgehört hatten. Nach der Beendigung des sa’y rasieren sich Männer den Kopf – direkt am Ausgang des Gangs gibt es einige Friseure, die lautstark um Kundschaft werben. Frauen schneiden sich eine Locke ab. Nach Abschluss dieser Rituale begaben wir uns am Innenhof vorbei zum Tor der Moschee, durch das wir auch hineingekommen waren. Somit war nach zweieinhalb Stunden meine Umra und der Besuch der Grossen Moschee in Mekka vorbei. Meine Befürchtung, das die ganzen Rituale unglaublich kompliziert und schwer zu merken seien, erwies sich als unbegründet. Dank meiner fürsorglichen Begleiter und dank der ganzen Atmosphäre lief alles wie von selbst. Und dennoch kann ich es bis heute kaum glauben, dort gewesen zu sein. Es ist ein Gefühl, das mir sagt, dort gewesen zu sein, nicht das Wissen, das ich dort war.

Eine interessante Entdeckung machte ich, als wir am Anschluss auf die Toilette gingen. Viele Frauen absolvieren die Rituale mit Gesichtsschleier und erst an diesem Ort nur für Frauen, wo die meisten kurz ihren Schleier lüften, sah ich, wie viele verschiedene Nationalitäten hier wirklich zusammen kommen.

nushin

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