Der Fußballgott hat es gut mit mir gemeint und mir Tickets für alle WM-Spiele Saudi-Arabiens beschert. Frohen Mutes machten wir uns also am Mittwoch Morgen zu Dritt auf den Weg zum neuen Berliner Hauptbahnhof um dort den ICE nach München zu besteigen. Der Bahnsteig war mit Fans aus aller Herren Länder, besonders aber mit Spaniern und Ukrainern bevölkert, die zu ihrem Vorrundenspiel nach Leipzig fahren wollten. Außerdem warteten noch einige dickbäuchige, großflächig tätowierte Sportsfreunde aus Sheffield um nach Nürnberg zu fahren.
Von der ersten Lautsprecherdurchsage die eine Verspätung des Zuges von 60 bis 70 Minuten ankündigte ließen wir uns nicht entmutigen, schließlich wurde uns ein Ersatzzug in Aussicht gestellt, der auch tatsächlich mit nur einer halben Stunde Verspätung den Bahnhof verließ. Die Engländer stürmten sofort das Bordbistro, wir machten es uns in der Gepäckablage gemütlich.Schade war nur, dass auch dieser Zug defekt war, daher über weite Strecken im S-Bahn-Tempo gen Bayern tuckelte und wir München schließlich mit knapp 80 Minuten Verspätung erreichten.
Am U-Bahnhof-Marienplatz dann die nächste Überraschung. Die Leute standen dicht gedrängt auf dem Bahnsteig, so dass es kurzzeitig den Anschein hatte wir würden das Stadion nie und nimmer zum Anpfiff in Anderthalb Stunden erreichen. Schließlich ging dann alles doch viel schneller und wir fanden uns nach wenigen Minuten dichtgedrängt in einer U-Bahn wieder. Die Anhänger der Tunesier, der "Adler von Karthago", befanden sich deutlich in der Überzahl und machten durch franco-arabische Gesänge auf sich aufmerksam. Wir wurden von einigen Nordafrikanern gefragt, warum wir denn zu Saudi-Arabien halten würden, wobei uns geschäftliche Verbindungen nach Saudi-Arabien als Motiv für unsere Unterstützung der "Grünen Falken" unterstellt wurden.
Schließlich waren wir nach überstandener U-Bahn-Fahrt und den gar nicht so strengen Sicherheitskontrollen doch noch eine halbe Stunde vor Anpfiff im wirklich atemberaubenden Münchner Stadion. Dort mussten wir erkennen, dass sich der grüne Block der Saudis gegenüber den vielen Tunesiern im Stadion doch recht bescheiden ausnahm. Dieses Kräfteverhältnis spiegelte sich in den ersten Minuten auch auf dem Spielfeld wider. Folgerichtig gingen die Nordafrikaner durch einen schönen Seitfallzieher von Ziad Jaziri mit 1:0 in Führung. In der Kurve der tunesischen Fans wurden die ersten Bengalischen Feuer entzündet.
Das Spiel plätscherte in der Folge vor sich hin, so dass sich das Publikum überwiegend selbst unterhielt und mehrfach die LaOla-Welle durchs Stadion schwappen ließ. Nach der Pause wurden die grüngekleideten Saudis immer stärker auch wenn der letzte Pass in die Spitze häufig zu ungenau war und in der tunesischen Abwehr hängen blieb. Nach 57 Minuten aber war es Yasser al-Kahtani der nach einem schönen Angriff über die rechte Seiten den Ball aus kurzer Distanz ins Netz des 40-Jährigen tunesischen Keepers Ali Boumnijel donnerte. Die Partie gewann nun zusehends an fahrt und die saudischen Fans wurden lebhafter. "Saudia, Saudia" schallte es von den Rängen. Acht Minuten vor Ende der Partie zog der brasilisnische Trainer der Wüstensöhne, Marcos Paqueta, seinen Joker und schickte mit Sami al-Jaber eine saudische Fussballerlegende aufs Feld. Keine 2 Minuten war der Stürmerstar in der Partie als er einen Konter über zwei Stationen mustergültig abschloss und den Ball am Torwart vorbei in die Maschen schob. Nun kannte der Jubel der vielleicht 5000 grüngekleideten Anhänger keine Grenzen mehr. "Ya Allah" schallte es aus ihren Kehlen.
Noch 10 Minuten waren zu absolvieren und die Tunesier machten nicht den Anschein als könnten sie noch einmal zurück ins Spiel kommen. Im Gegenteil hatte die saudische Auswahl sogar die besseren Tormöglichkeiten. Hussain Sulimani setzte einen Freistoß an den Pfosten. Dann aber, die Nachspielzeit lief bereits kam Tunesiens Abwehrrecke Radhi Jaidi im Strafraum frei zum Kopfball und konnte ausgleichen. Dennoch hielt sich die Enttäuschung unter den saudischen Anhängern in Grenzen. Anders als bei der WM 2002 hatte sich das Team nicht vorführen lassen, sondern sich nach einem Rückstand zurück ins Spiel gekämpft. Mit Standing Ovations wurden die Spieler verabschiedet.
Auf dem Weg aus dem Stadion versuchten einige noch schnell islamische Erbauungsliteratur an die arabischen Zuschauer zu verteilen, das Interesse hielt sich jedoch sehr in Grenzen. Dann lief aufgeregt ein junger Mann zu mir und fragte mich ob ich ins Fernsehen wolle. Ein Reporter-Team des saudischen Staatsfernsehens interviewte Fans und da kam ihnen ein deutscher im grünen Trikot gerade recht. Groß war der Jubel der umstehenden Araber, als ich auf arabisch erklärte, Sami al-Jaber habe großartig gespielt und das saudische Team habe gute Chancen die nächste Runde zu erreichen.
Das glaube ich übrigens wirklich. Montag geht`s in Hamburg gegen die Ukraine. Mindestens ein Punkt muss her.
Freitag, 16. Juni 2006
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