Mittwoch, 19. Dezember 2007

Libyen: Gadhafis Reise durch Europa

Libyens Revolutionsführer Muammar al-Gadhafi hat seine 10-tägige Europareise beendet, die für den Diktator zu einem vollen Erfolg geworden ist. Zunächst war der 65-Jährige zum EU-Afrika-Gipfel nach Lissabon gereist. Angesichts der Teilnahme von Zimbabwes Diktator Robert Mugabe und Sudans Despoten Umar al-Bashir hatte Gadhafi hier kaum für Aufsehen gesorgt. Seine Forderung nach Kompensationen für Verbrechen der ehemaligen Kolonialherren in Afrika verhallten weitgehend unbeachtet.

Anschließend schlug Gadhafi sein Wüstenzelt im Garten des Hotel Marigny in Paris auf, dem offiziellen Gästehaus der französischen Regierung unweit des Elysee-Palasts. In Frankreichs Hauptstadt unterzeichnete der seit 1969 herrschende Diktator Wirtschaftsverträge im Wert von etwa 10 Milliarden Euro. Dafür wird Libyen in den nächsten Jahren 21-Airbus-Flugzeuge, mindestens einen Nuklearreaktor, mehr als ein Dutzend Rafale-Kampfjets, 35 Hubschrauber, gepanzerte Fahrzeuge, Luftabwehr-Radars und weitere militärische Ausrüstung aus französischer Produktion erhalten.

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Der Besuch Gadhafis bei Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy fiel just mit dem Tag Welttag der Menschenrechte zusammen. Diese werden von Gadhafis Regime in Libyen noch immer mit Füßen getreten. Freie politische Betätigung ist nicht erlaubt, Rede-, Presse- und Versammlungsfreiheit praktisch nicht existent. Die Willkür der Justiz in Libyen wurde der internationalen Öffentlichkeit zuletzt durch den Fall der fünf bulgarischen Krankenschwestern und des palästinensischen Arztes vor Augen geführt, die zum Tode verurteilt wurden weil sie Kinder absichtlich mit dem HI-Virus infiziert haben sollen. Nicht zuletzt dank französischer Intervention und umfangreicher wirtschaftlicher Versprechungen Sarkozys wurden die Verurteilten schließlich im Sommer dieses Jahres auf freien Fuß gesetzt.

Fast schon in Vergessenheit geraten ist angesichts dessen die Jahrzehnte lange Unterstützung und Finanzierung von Terroranschlägen durch Gadhafi. So gilt etwa mittlerweile als gesichert, dass der libysche Geheimdienst für den Anschlag auf die Berliner Diskothek "La Belle" 1986 verantwortlich war, bei dem zwei US-Soldaten und ein Türkin getötet wurden. 2004 verpflichtete sich Libyen zur Zahlung von 35 Millionen US-Dollar an die Opfer und ihre Hinterbliebenen.

Am 21. Dezember 1988 deponierten libysche Geheimdienstler knapp 500 Gramm Plastiksprengstoff in einem Koffer der sich im Bauch des PanAm-Flugs 103 befand. Über der Ortschaft Lockerbie in Schottland explodierte die Bombe, 270 Menschen wurden getötet. Zwei libysche Geheimdienstoffiziere wurden 2001 in den Niederlanden zu lebenslanger Haft verurteilt, ein Jahr später übernahm Gadhafi die volle Verantwortung für den Anschlag und verpflichtete sich zur Zahlung von 2,5 Milliarden US-Dollar Entschädigung. Offenbar war der Anschlag von Lockerbie die Vergeltung für US-Luftangriffe auf Tripoli und Benghazi, mit denen Washington 1986 auf den "La Belle"-Anschlag reagierte.

Nicolas Sarkozy sieht in dieser Bilanz keine Hindernisse für enge Wirtschaftsbeziehungen zu Libyen. "Wir müssen Staaten ermutigen, die dem Terrorismus abschwören und die Entwicklung von Nuklearwaffen aufgeben." In der Tat hatte Gadhafi Anfang 2004 die Aufgabe seiner Massenvernichtungs-Waffen-Programme bekanntgegeben, nachdem ähnliche Angebote in den Jahren zuvor von den USA unbeantwortet blieben.

Größere Proteste gegen Gadhafis Staatsbesuch blieben in Paris aus, nur wenige Demonstranten versammelten sich und aus den Reihen der französischen Regierung blieb es der Staatssekretärin für Menschenrechte, Rama Yade, vorbehalten den Gast zu kritisieren: "Frankreich ist nicht der Fußabtreter an dem ein Staatsmann seine blutigen Füße reinwaschen kann", sagte sie "Le Parisien".

Von Frankreich aus reiste der Revolutionsführer dann nach Spanien weiter. Auch hier wurden die wichtigsten Industriellen des Landes, unter anderem die Chefs der Erdöl-Unternehmen Repsol und Cepsa im Zelt empfangen. Insgesamt soll Gadhafi den Spaniern Aufträge im Wet von 17 Milliarden US-Dollar in Aussicht gestellt haben. Die spanische Unternehmensgruppe Sacyr Vallehermoso gab die Bildung eines gemeinsamen Unternehmens mit der libyschen Regierung bekannt, das sich um Infrastrukturprojekt in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar in Libyen bewirbt. Zum Abschluss seiner Reise dinierte Gadhafi mit Spaniens König Juan Carlos.

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