Celine Serhal, die uns schon oft bei der Recherche zu libanesischen Themen behilflich war, schreibt uns aus Beirut diesen Kommentar zu einem mysteriösen Entführungsfall, der einmal mehr die Defizite des libanesischen Staates offenbart. Lesen Sie hier eine deutsche Übersetzung.
Am 12. Februar 2009 wurde Joseph Sader, ein 55-jähriger IT-Manager der libanesischen Fluggesellschaft Middle East Airlines von drei unbekannten Angreifern entführt, während er zu Fuß unterwegs war zu seinem Arbeitsplatz am Beiruter Flughafen.
Auch ein Jahr nach diesem Ereignis ist das Schicksal Saders noch immer ungewiss. Die libanesische Regierung schweigt und bleibt eine Antwort auf diese erschreckende Tat schuldig. Die Medien berichten nur ab und zu vom Fall Sader – auch auf Bitten seiner Frau Salma. Allerdings streuen die Medien vor allem Gerüchte und erstellten verschiedene Szenarios, was mit Sader geschehen sein könnte. Weder die Regierung noch die Sicherheitskräfte des Landes gaben bisher eine offizielle Stellungnahme zum Ermittlungsstand ab.
Sader begann seine Arbeit mit der Middle East Airline (MEA) 1982 und war zuständig für Informationstechnologien. Laut seiner Frau Salma war sein Beruf ein rein technischer und er sei nicht an sensible Informationen gelangt. Weiter erklärte sie, dass ihr Mann keine Feinde habe und nicht besonders politisch eingestellt sei. Er war zudem recht beliebt in seinem katholischen Heimatdorf Maghdouche im Süden Beiruts. Das zeigt sich auch daran, dass die Dorfbewohner kurz nach seinem Verschwinden die Hauptstraße blockierten, um auf den Fall aufmerksam zu machen und eine Freilassung zu bewirken.
Die Spekulationen um die Hintergründe uferten aus, als der MEA-Pilot Ghassan Hassan Miqdad nur eine Woche nach Saders Verschwinden erschossen in seinem Auto in der Nähe des Flughafens gefunden wurde. Laut MEA stünden beide Vorfälle aber in keinem Zusammenhang.
Im Libanon wird nun vermutet, dass es sich bei Sader um einen israelischen Spion gehandelt habe. Verschiedene Medienberichte streuen entsprechende aber unbestätigte Informationen. In der libanesischen Tageszeitung Al-Nahar las man im August 2009, dass Sader entführt wurde, weil er Kontakte zu einem Mann hatte, der nach Israel telefonierte. Der Fernsehsender OTV bezog sich im Dezember 2009 auf Behördenkreise, wonach die Hisbollah möglicherweise die Entführung veranlasste. Zudem erklärte die nicht benannte Quelle gegenüber OTV, dass Sader zwar „Informationen verbreitete“, aber kein israelischer Spion sei.
Noch im Oktober 2009 versicherte der katholische Bischof Elie Haddad gegenüber Salma Sader, dass ihr Mann am Leben sei und dass er zwar von einer bewaffneten libanesischen Gruppe, allerdings nicht von der Hisbollah festgehalten werde. Ihm, Elie Haddad, sei gesagt worden, Sader sei ein wichtiger Zeuge in einem Spionagefall, und man überlege, ihn entweder wieder frei zu lassen oder an die libanesischen Behörden auszuliefern, damit diese weitere Untersuchungen durchführten.
Der Umstand, dass Sader an der Flughafenautobahn und nicht an einem abgeschiedenen Ort gekidnappt wurde, belegt die Selbstsicherheit, mit der die Angreifer vorgingen. Alle Anzeichen deuten letztlich darauf hin, dass die Hisbollah wahrscheinlich hinter der Entführung steht. Das Gebiet um den Flughafen ist bekannt dafür, dass es von der Hisbollah kontrolliert wird. Aber keine einzige Stellungnahme zu Sader gab es bisher von der „Partei Gottes“. Falls Joseph Sader tatsächlich ein israelischer Spion ist, dann fällt er in die Zuständigkeit der stattlichen Sicherheitsbehörden, die nach Rechtslage Maßnahmen gegen ihn vollziehen sollten. Aber das fällt nicht in den Aufgabenbereich einer bewaffneten libanesische Gruppierung. Diese Fall muss daher als eine Verletzung der Menschenrechte, als eine Missachtung der Autorität der libanesischen Sicherheitsbehörden und als eine Verletzung der libanesischen Souveränität bewertet werden.
Wenn es der libanesischen Regierung nicht gelingt, Licht in diesen verworrenen Fall zu bringen, und wenn sie weiterhin das Schweigen nicht bricht, dann müssen sich die Libanesen fragen, ob die Regierung bei Angriffen gegen ihre Staatsbürger einfach weg schaut, sobald sie mit dem Argument der Spionagebekämpfung verübt werden.
Die Geschichte von Joseph Sader ist leider kein Einzelfall. Es gibt zahlreiche ungeklärte Entführungen und Tötungen im Libanon, die von der Regierung schlicht ignoriert werden. Die Bevölkerung wird im Unklaren gelassen. Salma Sader versucht weiter im Alleingang das Schicksal ihres Mannes nicht vergessen zu machen und fordert unbeirrt die libanesische Regierung, führende Politiker, religiöse Führer und zivilgesellschaftliche Organisationen auf, das Schicksal ihres Mannes aufzuklären und bekannt zu machen. Verärgert über die Regierung sagte sie unlängst: “Ich glaube nichts mehr was sie mir sagen. Wir leben in einem illusionären Staat”
Dienstag, 16. Februar 2010
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