Von Christoph Sydow und Dominik Peters
Die große Frage dieser Tage lautet: Wer tötete Mahmud al-Mabhuh? Alles deutet auf eine Geheimdienst-Aktion hin und der Tatablauf erinnert an einen Spionage-Thriller: Ein Team aus zehn Männern und einer Frau, mal mit Tennisschläger und Schweißband, mal im Businessanzug und in die Kamera winkend, wurde am Tage des Mordes an Mabhuh in Dubai gefilmt. Das Video aus dem Hotel al-Bustan wurde von den örtlichen Polizeibehörden auf einer Pressekonferenz veröffentlicht, in der gleichzeitig der israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad für die Tat verantwortlich gemacht wurde. In der arabischen und israelischen Presse löste die Tat eine Flut von Kommentaren und Hintergrundberichten aus.
Die große Frage dieser Tage lautet: Wer tötete Mahmud al-Mabhuh? Alles deutet auf eine Geheimdienst-Aktion hin und der Tatablauf erinnert an einen Spionage-Thriller: Ein Team aus zehn Männern und einer Frau, mal mit Tennisschläger und Schweißband, mal im Businessanzug und in die Kamera winkend, wurde am Tage des Mordes an Mabhuh in Dubai gefilmt. Das Video aus dem Hotel al-Bustan wurde von den örtlichen Polizeibehörden auf einer Pressekonferenz veröffentlicht, in der gleichzeitig der israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad für die Tat verantwortlich gemacht wurde. In der arabischen und israelischen Presse löste die Tat eine Flut von Kommentaren und Hintergrundberichten aus.
„Sehr gut, Du hast es den Arabern gezeigt“
In der liberalen Haaretz meldete sich Or Kashti zu Wort. Er ist Redakteur bei der Zeitung und ist in diesen Tagen ein gefragter Mann, denn er sieht aus wie einer der mit internationalen Haftbefehl gesuchten Männer, Kevin Daveron. In einer Glosse schreibt er über seine bisherigen Erlebnisse: „Im Supermarkt, zwischen den Tomaten und den Eiern, tippte mir eine ältere Frau auf die Schulter und lobte mich, indem sie sagte, `sehr gut, du hast es den Arabern gezeigt.´ Bereits morgens um acht hatte mich zuvor meine Mutter angerufen und dezent gefragt, ob ich im Ausland gewesen sei. Auch hatten mich Freunde angerufen, mir gratuliert und gefragt, warum ich ihnen keine Zigaretten vom Duty Free-Shop aus Dubai mitgebracht hätte.” Neben diesem – für Israel typischen– Artikel gab es jedoch auch ernsthafte Kommentare und Hintergrundberichte.
Wie die Jerusalem Post berichtete, soll der ermordete Mabhouh an verschiedenen Militäroperationen der Hamas Ende der 80er und Anfang der 90er beteiligt gewesen sein. Bei einem Überfall 1989 soll er zwei israelische Soldaten, Ilan Sa’adon und Avi Sasportas, entführt und ermordet haben. Die Mutter von Sa’adon wurde bereits am Freitag von Galai Zahal, dem populären Militärrundfunk, interviewt und sagte, sie sei froh über die Nachricht, dass Mabhouh ermordet worden sei. „Lediglich die Tatsache, dass es 20 Jahre dauerte, stimmt mich unfroh.“
Die neuen Assassinen
Ebenfalls aufschlussreich sind zwei weitere Artikel in der Haaretz, in denen die beiden Redakteure ihre Gedanken der Öffentlichkeit mitteilen. Yossi Melman ist sich mit den Behörden in Dubai einig: „Es ist eine Vorgehensweise wie die des Mossads.“ Er beschreibt ausführlich – und mit erstaunlicher Offenheit –, wie der israelische Geheimdienst schon vor dreißig Jahren die Pass-Methode angewandt und dafür gezielt Israelis mit doppelter Staatsbürgerschaft – wie in diesem Fall – ausgesucht hatte. Er geht jedoch noch weiter: Als ob der Fall längst geklärt wäre, erörtert er die Vor- und Nachteile der neuen, biometrischen Ausweise und stellt gleichsam fest: „Israel ist weltweit führend in dieser Technologie“. Soll heißen: Kein Grund zur Sorge. Ein Problem sieht der Journalist jedoch. Mit diesem Mord, „sinkt das Ansehen des Geheimdienstes, der ein Mythos ist. Ein Mythos der Unschlagbarkeit.“
Genau dieses Thema schneidet auch sein Kolle Amir Oren an. „Die Art und Weise, wie der Mossad vorgegangen ist – ist erschreckend und hinterlässt viele Fragezeichen“. Die neuen „Assassinen“ Israels seien schlecht geführt worden, schreibt Oren weiter. Er beschuldigt den Mossad-Chef, Meir Dagan, ein Draufgänger zu sein und kritisiert ihn scharf: „Die Identitäten von realen und lebenden israelischen Staatsbürgern für eine Geheimdienstoperation zu benutzen, verstößt gegen geltendes Recht.“ Es sei nun an der Zeit, den Vertrag mit Dagan aufzulösen um weitere Lücken im Sicherheitssystem zu vermeiden.
Liebermann ganz zahm
Entgegen der offenen Berichterstattung der Medien hielt sich der Staat offiziell zurück und verbat sich alle Vorwürfe, wonach der israelische Geheimdienst Mossad hinter der Ermordung Mabhuhs steckt. Es sei nicht in Ordnung, dass man es für selbstverständlich halte, dass Israel oder der Mossad die Pässe oder Identitäten britischer Bürger benutzt hätten, sagte Außenminister Avigdor Liebermann am Mittwoch in ungewohnt zurückhaltender Manier. Dies könne auch ein anderer Geheimdienst oder ein anderes Land gewesen sein, so der Außenminister, der für seine markigen Sprüche bekannt und gefürchtet ist. Diese These muss er vertreten, alles andere wäre diplomatischer Selbstmord – die Redaktionsbüros in Tel Aviv und an der Themse sehen das naturgemäß anders.
Thesen von der Themse
Abdel Bari Atwan, Herausgeber der in London erscheinenden Tageszeitung „al-Quds al-Arabi“, liefert in seinem gestrigen Leitartikel einige interessante Hintergründe und Thesen zum Mord an Mahmud Mabhuh. Demnach war der 50-Jährige in Dubai, um Waffenlieferungen an die Hamas in den Gaza-Streifen unter Dach und Fach zu bringen. Die Mossad-Operation sei nicht ohne die Mitarbeit von Sicherheits- und Geheimdiensten in den Emiraten und anderen arabischen Staaten möglich gewesen, so Atwan. Er verweist darauf, dass hochrangige Offizielle in Dubai die Hamas in der Vergangenheit mehrfach als „gemeinsamen Feind“ bezeichnet hätte, und das Golfemirat gute Beziehungen zu Israel unterhalte. Nur zehn Tage vor dem Mord an Mabhuh habe der israelische Minister Uzi Landau an einer Energiekonferenz in Dubai teilgenommen.
Gleichzeitig mutmaßt Atwan, dass der Mossad Informanten in den engsten Vertrautenkreis des Hamas-Mitglieds eingeschleust haben muss. Erst einen Tag vor dem Abflug aus Damaskus habe Mabhuh seinen Flug gebucht, die Mörder müssten jedoch schon vorher von seinen Reiseplänen gewusst haben. Der Mitbegründer der Qassam-Brigaden habe zudem jedoch sehr leichtsinnig gehandelt. Zum fünften Mal in Folge sei Mabhuh während seiner Dubai-Aufenthalte im selben Hotel abgestiegen.
Atwan lobte die Transparenz der Polizei in Dubai, die schnell und zuverlässig gearbeitet habe und mit ihren Erkenntnissen rasch an die Öffentlichkeit ging, anders als etwa die Syrer nach dem Mord an Hizbollah-Führer Imad Mughniyeh in Damaskus 2008. Nun müsse jedoch die politische Führung der Vereinigten Arabischen Emirate nachziehen und sämtliche Kontakte zum jüdischen Staat abbrechen.
Bibi und sein Mossad
Der Journalist verweist auf das Beispiel des jordanischen Königs Hussein, der 1997 mit einem Abbruch der Beziehungen zu Israel drohte, nachdem Mossad-Agenten in Amman einen Anschlag auf den Chef des Hamas-Politbüros Khalid Meshal ausführten.
In der Tat weist der Anschlag von Dubai einige Parallelen zum Attentat auf Meshal vor 13 Jahren auf: In beiden Fällen reiste das Mossad-Team mit ausländischen Pässen in das Zielland ein. 1999 waren es gefälschte kanadische Pässe, in diesem Jahr bediente sich der Geheimdienst der Reisepässe verschiedener westlicher Staaten, ob sie gefälscht waren, steht bislang nicht zweifelsfrei fest. Die Operation in Amman war ein grandioser Fehlschlag. Nachdem Meshaal von den Attentätern vergiftet worden war, wurden die sechs Angreifer gefasst. Israel wurde auf Druck des jordanischen Königs und der US-Regierung gezwungen, Meshal das Antiserum zu verabreichen. Außerdem musste die israelische Regierung siebzig palästinensische Gefangene freilassen, unter ihnen keinen geringeren als Ahmad Yassin, den damaligen geistlichen Anführer der Hamas.
Damals wie heute hieß der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu. 1997 wurde der Versuch einer gezielten Tötung zum Fiasko für Bibi, in diesem Jahr war zumindest der Mordplan erfolgreich. Die Leichtsinnigkeit der Mossad-Killer und die Phantomfotos, die um die Welt gehen kratzen jedoch erheblich am Mythos des israelischen Auslandsgeheimdienstes. Die ersten arabischen Kommentatoren spotten bereits, dass ägyptische oder libanesische Geheimdienstler kaum dilletantischer vorgegangen wären.
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