Dienstag, 28. April 2009

Wahlen im Libanon: 14. März vs 8. März

Seit dem syrischen Abzug aus dem Libanon vor vier Jahren wird die politische Landschaft im Libanon von zwei rivalisierenden politischen Blöcken geprägt. Auf der einen Seite steht das Bündnis "14. März" - benannt nach dem Datum einer Großdemonstration am 14. März 2005 auf der weit über eine Million Libanesen in Beirut den Abzug der syrischen Armee und Geheimdienste aus dem Zedernstaat gefordert hatten.

Dem gegenüber steht die Bewegung des "8.März", die jedoch mehr eine Fremdbeschreibung ist, um die beiden konkurrierenden Lager voneinander abzugrenzen. Am 8. März 2005 hatten ebenso viele Menschen im Zentrum Beiruts dem syrischen Regime für seine Unterstützung nach dem libanesischen Bürgerkrieg gedankt - daher der Name.

Bei den letzten Parlamentswahlen im Mai und Juni 2005 errangen die verschiedenen Kandidaten des 14. März 72 Mandate, der 8. März ist mit 56 Abgeordneten in der Nationalversammlung vertreten. Damals gab es jedoch vor den Wahlen ein Abkommen zwischen den größten muslimischen Parteien aus beiden Lagern, die sich gegenseitig unterstützten und ihre Kandidaten zum Teil auf gemeinsamen Listen kandidieren ließen. Durch Attentate, Nachwahlen, natürlichen Tod und den Austritt eines Politikers aus der Fraktion ist der Vorsprung des 14. März aktuell auf 68 zu 56 geschrumpft.

Zu den 56 Abgeordneten des 8. März gehören auch die 19 christlichen Parlamentarier der Fraktion von Michel Aoun. Seine Freie Patriotische Bewegung (FPM) war bei den letzten Wahlen noch als unabhängige Kraft angetreten und hatte fast alle Mandate im christlichen Herzland des Libanon gewonnen. Einige Monate nach den Wahlen ging der Ex-General jedoch ein Bündnis mit der Hizbollah ein - seither wird Aoun als fester Bestandteil des 8. März-Bündnisses betrachtet, auch wenn er selbst sich gegen diese Zuschreibung wehrt, da seine Anhänger am 14. März 2005 noch einen Großteil der Demonstranten in Beirut ausmachten.


Seit dem Abkommen von Doha, das im Mai letzten Jahres den zuvor über ein Jahr lang schwelenden Machtkampf zwischen beiden Lagern beendete, sind beide Bündnisse an der Regierung beteiligt. Der 8. März stellt seither 11 von 30 Ministern und kann damit sämtliche Kabinettsbeschlüsse blockieren. Ob dieses Modell einer Regierung der Nationalen Einheit nach den Wahlen fortgeführt wird, hängt von eine ganzen Reihe von innen- und außenpolitischen Faktoren ab - nicht zuletzt davon, ob die beiden Bündnisse nach dem 7. Juni noch in ihrer jetzigen Form Bestand haben werden.

Neben den großen Parteien finden sich in beiden Lagern eine ganze Reihe von kleinen Gruppierungen, die zwar wohlklingende Namen wie Nationalliberale Partei oder Arabische Demokratische Partei tragen, tatsächlich jedoch nur von einer Familie oder einer religiösen Minderheit getragen werden und nur über wenig Rückhalt verfügen. Auf beiden Seiten reicht das politische Spektrum der vertretenen Gruppen von Islamisten über christliche Nationalisten bis hin zu linken Parteien.

Die wichtigsten Gruppen innerhalb des 14. März sind:

  • Die Mustaqbal-Bewegung (Future Movement) - eine sunnitische Bewegung, die von Saad Hariri angeführt wird, dem Sohn des am 14. Februar 2005 ermordeten Ex-Ministerpräsidenten Rafiq Hariri. Unter den libanesischen Sunniten ist Mustaqbal die bei weitem beliebteste politische Kraft.
  • Die Fortschrittliche Sozialistische Partei (PSP) - eine drusische Partei, angeführt vom ehemaligen Warlord Walid Jumblatt. Jumblatt ist das Chamäleon der libanesischen Politik, der die politische Zugehörigkeit und die Allianzen seiner Partei wie kein zweiter wechselt und in der Vergangenheit schon mit fast jeder anderen libanesischen Bewegung verbündet oder verfeindet war. Jüngste Äußerungen von ihm legen den Schluss nahe, dass er nach den Wahlen aus dem Lager des 14. März austreten könnte.
  • Lebanese Forces (LF) und Kataeb - zwei christliche Parteien, die sich als Verteidiger der christlichen Identität des Libanon betrachten und mit Michel Aouns Partei um die Vorherrschaft im christlichen Lager streiten. Die Kataeb entstanden in den 1930er Jahren nach dem Vorbild der faschistischen Parteien in Europa, die LF spalteten sich während des Bürgerkrieges von den Kataeb ab. Angeführt werden die LF von Samir Geagea, dem wohl brutalsten aller Warlords während des libanesischen Bürgerkrieges.
Wie bereits erwähnt gibt es daneben eine Vielzahl kleiner Gruppierungen, die zum Bündnis des 14. März gehören, darunter zwei armenische Parteien und die islamistische Jamaa Islamiya. Auch Jamal Salim Jarrah, Onkel des 9/11-Attentäters Ziad Jarrah, wird wieder ins Rennen geschickt.

Zu den wichtigsten Gruppen des 8. März zählen:

  • Die Amal-Bewegung von Parlamentspräsident Nabih Berri. Diese schiitische Partei wurde 1975 von Imam Musa al-Sadr gegründet. Seit dessen Verschwinden 1978 in Libyen führt Berri die Bewegung. Der Parlamentspräsident ist treuer Gefolgsmann Syriens. Die Amal bildet eine gemeinsame Liste mit der
  • Hizbollah - einer schiitischen Bewegung unter Führung von Hassan Nasrallah. Die Partei Gottes entstand zunächst als Konkurrenz zur Amal-Bewegung und in der Vergangenheit kam es häufig zu Spannungen zwischen Anhängern beider Gruppen. In den letzten Jahren bilden jedoch beide ein enges Bündnis. Dabei überlässt die Hizbollah der Amal in der Regel die Mehrheit der Parlamentssitze innerhalb der gemeinsamen Fraktion.
  • Die Freie Patriotische Bewegung (FPM) von General Michel Aoun. Die FPM stellt gegenwärtig die größte christliche Fraktion in der Nationalversammlung. Aoun gründete die Bewegung im Pariser Exil, in das er nach dem Bürgerkrieg vor den Syrern geflohen war.
Daneben ergänzen mehrere kleine Parteien das Bündnis, darunter die armenische Tashnag, die Syrische Soziale Nationale Partei (SSNP), sowie die gegenwärtig nicht im Parlament vertretene Marada-Bewegung.

Zu den Siegchancen der beiden Lager und möglichen Entwicklungen nach der Wahl in den nächsten Wochen mehr.

Montag, 20. April 2009

Libanon - Parlamentswahlen am 7. Juni - Das Wahlgesetz

Am 7. Juni wird im Libanon ein neues Parlament gewählt. In keinem anderen arabischen Land sind die Wahlen so pluralistisch, ist der Wahlausgang auch nur annähernd so unvorhersehbar. Dementsprechend aufmerksam werden die Wahlen auch in den arabischen Medien verfolgt. Bevor hier im Blog in den kommenden Wochen der Wahlkampf beleuchtet wird und die politischen Ränkespiele erläutert werden, an dieser Stelle zunächst ein paar Erläuterungen zum nicht ganz einfach zu verstehenden Wahlsystem.

Die Wahlberechtigten, alle Libanesen ab 21 die sich haben registrieren lassen , wählen insgesamt 128 Abgeordnete aus 26 Distrikten (Qazas) und 11 Konfessionsgruppen. Die Wähler können über alle zu vergebenden Sitze ihres Bezirks abstimmen, unabhängig von ihrer eigenen Konfession. So werden als Beispiel im Qaza Baabda 6 Mandate vergeben - 3 für Maroniten, 2 für Schiiten, 1 für einen drusischen Politiker. Also kann der Wähler dort 3 Stimmen an maronitische Kandidaten, 2 an Schiiten und für einen drusischen Kandidaten stimmen. Ins Parlament ziehen die 3, 2 bzw der eine Kandidat mit den meisten Stimmen ein. Die Wähler haben die Möglichkeit geschlossen für die Wahlvorschläge auf einer Liste zu stimmen, können ihre Stimmen aber auch splitten und Bewerber verschiedener Listen wählen.

Im Vergleich zu den letzten Parlamentswahlen 2005 hat das Wahlgesetz eine Reihe von Veränderungen durchlaufen, die im Zuge des Abkommens von Doha zwischen den rivalisierenden libanesischen Fraktionen beschlossen wurden. Erstmals finden die Wahlen an einem Tag und nicht an vier Sonntagen hintereinander statt. 2005 gab es nur 14 Wahldistrikte, die Zahl der Wähler pro Bezirk war also weitaus größer, wodurch sich religiöse Minderheiten marginalisiert fühlten. In diesem Jahr gibt es 10 Qazas in denen nur Abgeordnete einer Konfession gewählt werden.

Einige Kritiker bemängeln, dass die Wahlen dadurch noch mehr von konfessionalistischen Gesichtspunkten bestimmt würden und die Einzelinteressen der Konfessionen über das Gesamtwohl des libanesischen Volkes gestellt würden. Dagegen kann eingewendet werden, dass die kleineren Distrikte die Konkurrenz zwischen den Parteien stärkt. Außerdem werde verhindert, dass die bevölkerungsstärkste Konfession in einem Distrikt mit ihrem Stimmengewicht allein die Abgeordneten für die kleineren Religionsgemeinschaften bestimmt.

Bis zum Anmeldeschluss am 7. April hatten sich 702 Kandidaten beim Innenministerium für die Wahlen registrieren lassen. Seither haben jedoch schon einige von ihnen ihre Kandidatur zurückgezogen, weil bei der Bildung von Wahllisten und Allianzen verschiedene Parteien ihre Kandidaten zugunsten von Politikern anderer Parteien fallengelassen werden. Andere zogen sich zurück, weil sie mit anderen Kandidaten auf ihrer Liste nicht einverstanden waren.

Zu den Hintergründen dieser Wahlallianzen und den Chancen der beiden großen rivalisierenden Blöcke "March 8" und "March 14" und in den nächsten Wochen mehr.

Donnerstag, 16. April 2009

Irak: Konfrontation zwischen sunnitischen Erweckungsräten und der Zentralregierung

In den letzten Jahren galten sie als die wichtigsten Garanten für die Befriedung der sunnitischen Provinzen im Irak: Die so genannten Erweckungsräte - Zusammenschlüsse von Stammesführern, die seit 2006 mit der US-Armee im Kampf gegen al-Qaida kooperierten und deren Milizen weite Gebiete im mehrheitlich von Sunniten bewohnten Teil des Irak kontrollieren.

In den vergangenen Wochen und Monaten gerieten die Erweckungsräte zunehmend auf Konfrontationskurs mit der schiitisch dominierten Zentralregierung in Bagdad. Bei den Provinzwahlen im Januar blieb die Liste der Stammesvertreter in der Region Anbar weit hinter den Erwartungen zurück. Prompt witterten ihre Vertreter Wahlbetrug.

Noch schwerer wiegt aus Sicht der sunnitischen Milizionäre jedoch die Tatsache, dass bislang nur ein kleiner Anteil von ihnen in die staatlichen Sicherheitskräfte integriert worden ist. Von 94000 Mitgliedern der Erweckungsräte haben bislang nur etwas mehr als 4000 Männer einen Posten bei der irakischen Polizei erhalten.

Zwar sichert die Regierung in Bagdad den Milizionären immer wieder die Übernahme in staatliche Jobs zu, die Umsetzung dieser Vorhaben geht jedoch nur sehr schleppend voran. 80% der Mitglieder der verschiedenen Erweckungsräte sollen Posten in Ministerien und Regierungsinstitutionen erhalten, die übrigen 20% sollen in die Sicherheitskräfte integriert werden. Gerade die von Schiiten dominierten Ministerien zieren sich jedoch den sunnitischen Männern Jobs anzubieten.

Das Misstrauen seitens der schiitischen Parteien gegenüber den ehemaligen Verbündeten von al-Qaida und anderen sunnitischen Extremisten im Irak ist weiterhin sehr groß. Iraks Vize-Präsident Adel Abdel Mahdi warnte erst in dieser Woche, die Erweckungsräte würden nur darauf warten ihre Waffen wieder gegen die irakische Regierung zu richten. Zudem wird ihnen vorgeworfen von Kadern der ehemaligen Baath-Partei unterwandert zu sein.

In den letzten Wochen nahmen Sicherheitskräfte mehr als ein Dutzend führende Köpfe der Erweckungsräte und mehr als hundert weitere Mitglieder fest. Bei Kämpfen mit sunnitischen Milizen in Bagdad wurden Ende März mehrere Menschen getötet und verletzt.

Ende des Jahres läuft das Programm für die Finanzierung der Erweckungsräte aus. Sollte in den nächsten Monaten kein Durchbruch bei der Integration der Milizionäre erreicht werden, droht die Sicherheitslage im Irak erneut destabilisiert zu werden. Auch der Plan für den Abzug der US-Armee bis Ende 2011 hängt entscheidend von einer Verbesserung der Beziehungen zwischen der Regierung in Bagdad und den sunnitischen Erweckungsräten in Anbar und anderswo ab.

Dienstag, 14. April 2009

Ägypten und die Hizbollah

Ägyptens Staatssicherheit hat in der letzten Woche etwa 50 Personen festgenommen, die beschuldigt werden Anschläge in Ägypten geplant zu haben. Die Verdächtigen sollen "Agenten der Hizbollah" sein und im Auftrag der libanesischen Miliz "feindliche Operationen" geplant haben. 13 weitere Hizbollah-Agenten, die sich auf dem Sinai aufhalten sollen, würden derzeit noch gesucht.

Zunächst wirkten die Anschuldigungen nicht sehr überzeugend, zumal die Vorwürfe gegen die Festgenommenen von der "Planung von Anschlägen in Sinai", über "Ausspionierung des Schiffsverkehrs auf den Suezkanal" bis zu "Verbreitung des Schiitentums in Ägypten" reichten.

Am Freitag bestätigte jedoch kein geringerer als Hizbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah persönlich, dass einer der in Ägypten Inhaftierten, Sami Chehab, Hizbollah-Mitglied sei. Er habe dem palästinensischen Widerstand an der Grenze zwischen Ägypten und dem Gazastreifen logistische Hilfe geliefert. Alle weiteren Anschuldigungen seien jedoch falsch, so Nasrallah: "Wenn die Hilfe für die Palästinenser ein Verbrechen sein soll, dann bin ich schuldig und stolz darauf." Chehab soll jedoch nicht erst kürzlich, sondern bereits im November 2008 festgenommen worden sein.

Weiter erklärte Nasrallah, dass die ägyptische Führung verurteilt werden sollte, da sie es sei, die die Palästinenser im Stich lasse und Tag und Nacht die Tunnel in den Gazastreifen zerstöre, welche die einzigen Lebensadern für die Menschen in Gaza seien.

Es ist höchst ungewöhnlich, dass sich die Hizbollah-Führung offen zu laufenden Operationen äußert. Offenbar war dieser Schritt bewusst gewählt um die öffentliche ägyptische Meinung zu beeinflussen, die der Haltung ihrer eigenen Regierung gegenüber dem Gazastreifen sehr kritisch gegenübersteht.

Der offen ausgetragene Konflikt zwischen der ägyptischen Regierung und der Hizbollah ist nämlich auch ein Versuch Kairos die Popularität der Hizbollah und ihres Anführers Nasrallah zu schwächen. Zudem sehen Beobachter im öffentlichen Aufschrei der Ägypter einen Versuch vor den Parlamentswahlen im Libanon am 7. Juni Schützenhilfe für die sunnitischen Parteien im Zedernstaat zu leisten und die Wahlchancen der Hizbollah und ihrer Verbündeten zu schwächen.

Einen vorläufigen Höhepunkt erreichte die ägyptische Kampagne am Sonntag, als Safwat Sharif, der Vorsitzende des Shura-Rates, also des ägyptischen Oberhauses die Hizbollah als Terrororganisation bezeichnete. Damit weichen offizielle ägyptische Vertreter von der üblichen arabischen Sprachregelung ab, nach der Gruppen wie Hamas und die Hizbollah als Widerstandsgruppen tituliert werden.

Der gegenwärtige Konflikt zwischen Ägypten und der Hizbollah spielt sich auch vor dem latenten Machtkampf zwischen Kairo und Teheran ab. Beide Länder unterhalten seit der Islamischen Revolution im Iran keine vollwertigen diplomatischen Beziehungen und liefern sich immer wieder öffentliche Streitereien. Dazu gehört auch der regelmäßig von Ägypten wie auch anderen sunnitischen Staaten erhobene Vorwurf gegen den Iran schiitische Missionsbewegungen in den sunnitischen Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas zu fördern.

Ob sich die Anschuldigungen gegen die angeblichen Hizbollah-Spione bewahrheiten, werden die kommenden Wochen und Monate zeigen. Nasrallahs Äußerungen haben jedoch klargestellt, dass die Hizbollah zweifellos die territoriale Souveränität Ägyptens verletzt hat und dies keinefalls bereut.

Angeblich soll der ägyptische Geheimdienst vom Mossad auf die Aktivitäten der Hizbollah auf dem Sinai aufmerksam gemacht worden sein. Dies mag zwar die Glaubwürdigkeit der Vorwürfe stützen, liefert aber gleichzeitig der Hizbollah willkommene Munition, die Anschuldigungen als zionistische Verschwörung abzutun und die ägyptische Regierung einmal mehr der offenen Zusammenarbeit mit Israel gegen die Palästinenser zu beschuldigen.

Dienstag, 7. April 2009

Generalstreik in Ägypten gescheitert

Dem Aufruf zu einem Generalstreik am Monat sind gestern nur wenige Ägypter gefolgt. Die meisten Menschen gingen wie an anderen Werktagen zur Arbeit, größere Proteste blieben aus. Nur einige Dutzend Demonstranten versammelten sich vor dem Gebäude der Journalistenvereinigung in Kairos Stadtzentrum. An den Universitäten im Land protestierten mehrere hundert Studenten. Die Parlamentsabgeordneten der Muslimbrüder verließen demonstrativ den Plenarsaal um ihre Solidarität mit den Streikeden zu bekunden. Landesweit wurden etwa 50 Menschen festgenommen.

Zu dem Streik hatte ein Bündnis junger Ägypter unter der Bezeichnung "Jugend des 6. April" aufgerufen. Publik gemacht wurde der Aufruf in erster Linie über das Internet. Mehr als 75000 Ägypter schlossen sich einer Facebook-Gruppe an, die für den 6. April zum landesweiten "Tag des Zorns" aufriefen. Offenbar gelang es den Organisatoren jedoch kaum, ihre Anhänger vom Computer auf die Straße zu bringen.

Die erste Aktion dieser Art fand genau vor einem Jahr, am 6. April 2008, in Ägypten statt. Damals hatte der Streikaufruf die Unterstützung mehrerer Gewerkschaften und konnte somit mehr Menschen mobilisieren. Besonders im Nildelta hatten damals Tausende protestiert, Hunderte wurden verletzt, mindestens ein Mensch bei Unruhen getötet. In diesem Jahr äußerten der Oppositionelle Ayman Nour und auch die Muslimbrüder zwar ihre Solidarität mit den Initiatoren des Streikaufrufs, logistische Unterstützung leisteten sie jedoch ebensowenig wie Gewerkschaften oder Berufsvertretungen. Dadurch befolgte in diesem Jahr kaum ein Arbeitnehmer den Aufruf zur Arbeitsniederlegung.

Hinzu kam, dass die ägyptische Staatssicherheit im Vorfeld des 6. April alles unternahm um Proteste zu verhindern. Im Vorfeld wurden mehrere Organisatoren verhaftet, viele Sympathisanten dadurch offenbar eingeschüchtert.

Nach fünf Jahrzehnten einer Ein-Parteien-Herrschaft herrschen bei vielen Ägypten Apathie und Gleichgültigkeit. Ernsthafte Alternativen zu Mubarak und seiner NDP gibt es ebenso wenig wie eine Kultur des zivilen Ungehorsams. Eine Graswurzelbewegung wie die "Jugend des 6. April" mit ihrer sehr heterogenen Anhängerschaft, die von den Kommunisten bis zu den Muslimbrüdern reicht, hat es vor diesem Hintergrund sehr schwer große Massen zu mobilisieren. Nach dem gestrigen Misserfolg und den großen Erwartungen die viele im Vorfeld des gestrigen Tages hegten, dürfte es den Streikorganisatoren auch schwer fallen in Zukunft mehr Leute zu Protesten zu bewegen.

Samstag, 4. April 2009

Verhandlungen zwischen Fatah und Hamas gescheitert

Hamas und Fatah haben ihre Verhandlungen über die Bildung einer gemeinsamen Regierung vorerst unterbrochen. Zwar seien sich beide Seiten näher gekommen, dennoch sollen die Gespräche in Kairo erst am 26. April wiederaufgenommen werden.

Die Liste der offenen Streitpunkte zwischen beiden Gruppen ist nach wie vor lang. So ist strittig ob sich die zu bildende Einheitsregierung den bislang zwischen der PLO und Israel geschlossenen Abkommen gegenüber verpflichtet fühlen soll. Die Hamas lehnt diese Vereinbarungen ab und fühlt sich durch die Haltung des neuen israelischen Außenminister Avigdor Liebermann in dieser Überzeugung bestätigt.

Ebenso schwelt weiterhin der Machtkampf zwischen Hamas und Fatah hinsichtlich eines Umbaus der palästinensischen Autonomiebehörde, die von Fatah-Männern dominiert wird, in der die Korruption blüht und sich derzeit außer Stande zeigt, staatliche Strukturen aufzubauen. Streit gibt es auch über die Verteilung der Gelder und Hilfsmittel für den Wiederaufbau im Gazastreifen.

Die genannten Konfliktpunkte, gepaart mit der offensichtlichen Voreingenommenheit der ägyptischen Vermittler für die Fatah, haben die Verhandlungen vorerst scheitern lassen. Damit lassen Hamas und Fatah die Gelegenheit verstreichen gegenüber der neuen Rechts-Regierung in Israel geschlossen aufzutreten. Und sie setzen sich weiterhin über den Willen des palästinensischen Volkes hinweg, das die Bildung einer Einheitsregierung als oberste Priorität betrachtet.

Die Bildung einer gemeinsamen Regierung gilt auch als Voraussetzung für die Durchführung der nächsten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in den palästinensischen Gebieten am 25. Januar 2010. Nach jetzigem Stand scheint es höchst unwahrscheinlich, dass im Westjordanland und dem von der Hamas regierten Gazastreifen zeitgleich freie und faire Wahlen stattfinden können. Dieser Zustand unterminiert zudem die Legitimität des Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, dessen Amtszeit formal ohnehin schon im Januar dieses Jahres abgelaufen ist.